Rz. 44
Im internationalen Steuerrecht bildet die Betriebstätte den wesentlichen Anknüpfungspunkt für die Zuordnung des Besteuerungsrechts für gewerbliche Einkünfte. Gewerbliche Einkünfte werden regelmäßig nur im Betriebstättenstaat besteuert und im Wohnsitzstaat freigestellt.
Der Begriff der Betriebstätte ist in Art. 5 OECD-MA 2017 enthalten; er ist in dieser oder ähnlicher Form regelmäßig in die einzelnen DBA übernommen worden. Zu beachten ist, dass der Begriff der Betriebsstätte (ohne nähere Erläuterung verwendet, etwa im EStG oder GewStG) in seiner innerstaatlichen Bedeutung und das Recht der Doppelbesteuerung jeweils in sich geschlossene Regelkreise sind, die jeweils eigene Abgrenzungen und Begriffsbestimmungen haben. Insoweit gilt das innerstaatliche Recht.
Eine von § 12 AO abweichende Bestimmung eines DBA ist nur auf dieses DBA anwendbar, sofern im innerstaatlichen Recht nichts anderes bestimmt ist.
Der wesentliche Unterschied zu § 12 AO besteht darin, dass nach dem OECD-MA der "ständige Vertreter" eine Betriebstätte begründet, während er in § 13 AO als eigenständiger Anknüpfungspunkt außerhalb des Begriffs der Betriebstätte definiert ist.
Rz. 45
Der Aufbau von Art. 5 OECD-MA 2017 ähnelt § 12 AO. In Abs. 1 ist eine allgemeine Definition enthalten, die der Definition des § 12 S. 1 AO entspricht. Art. 5 Abs. 2 und 3 OECD-MA 2017 enthalten Regelbeispiele, die im Wesentlichen § 12 S. 2 AO entsprechen. Der wesentliche Unterschied zu § 12 AO liegt hier darin, dass Bauausführungen und Montagen nur dann eine Betriebstätte begründen, wenn ihre Dauer 12 Monate überschreitet.
Art. 5 Abs. 4.1 OECD-MA 2017 enthält zusätzliche Einschränkungen, die in der ursprünglichen Regelung in Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2014 noch nicht vorgesehen waren. Insoweit ist der Begriff des Art. 5 OECD-MA enger als der des § 12 AO (vgl. Rz. 53).
Rz. 46
Art. 5 Abs. 1 OECD-MA 2017 definiert die Betriebstätte als feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird.
Im Gegensatz zu § 12 werden "Anlagen" nicht erwähnt; dies bedeutet jedoch keine sachliche Abweichung, da der Ausdruck "Geschäftseinrichtungen" nach Art. 4 OECD-MA auch Anlagen erfasst.
Der Begriff "Ausüben" der Tätigkeit des Unternehmens in Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (anstelle des "Dienens" in § 12) engt den Begriff der Betriebstätte gegenüber § 12 ein. Durch die Betriebstätte muss die Tätigkeit des Unternehmens unmittelbar ausgeübt werden; es genügt nicht, dass diese Tätigkeit für die Erreichung des Unternehmenszwecks nützlich ist. Soziale Einrichtungen, wie Betriebskindergärten, Arbeitnehmerwohnungen usw., sind daher keine Betriebstätten i. S. d. Art. 5 OECD-MA; sie sind zwar für die Erreichung des Unternehmenszwecks vorteilhaft, "dienen" ihm also, durch sie wird aber die Tätigkeit des Unternehmens nicht (unmittelbar) ausgeübt.
Im Übrigen entspricht die allgemeine Definition des Art. 5 Abs. 1 OECD-MA 2017 dem § 12 S. 1 AO.
Rz. 47
Keine Entsprechung in § 12 AO hat Art. 5 Abs. 7 OECD-MA 2017 wonach eine Betriebstätte nicht dadurch begründet wird, dass ein Gesellschafter eine Gesellschaft beherrscht; hierdurch erlangt weder der herrschende Gesellschafter eine Betriebstätte am Ort der beherrschten Gesellschaft noch die beherrschte Gesellschaft eine Betriebstätte am Ort des herrschenden Gesellschafters.
Auch ohne ausdrückliche Bestimmung gilt nach § 12 AO eine entsprechende Regelung. Gesellschaften (Kapitalgesellschaften) sind selbstständig; auch wenn sie von einem Gesellschafter beherrscht werden, ist ein Durchgriff durch die Rechtspersönlichkeit der juristischen Person nicht zulässig. Durch Beherrschung wird also auch nach § 12 AO weder eine Betriebstätte des herrschenden Unternehmens am Ort des beherrschten noch umgekehrt eine Betriebstätte des beherrschten Unternehmens am Ort des herrschenden begründet. Möglich ist aber, dass das herrschende Unternehmen die Geschäftsleitung des beherrschten Unternehmens an sich zieht und dadurch eine Geschäftsleitungs-Betriebstätte nach § 12 Nr. 1 AO begründet wird.
Rz 48-50 einstweilen frei