Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des geldwerten Vorteils aus der verbilligten Überlassung von Belegschaftsaktien nach § 19a Abs. 8 Satz 1 EStG. Haftung für Lohnsteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Überlassung von bisher lediglich in einer sich im Tresor der AG befindenden Sammelurkunde verbrieften Belegschaftsaktien im Zeitpunkt der schriftlichen Zuteilung der Aktienanzahl und der Erstellung einer Datei mit den Namen der Mitarbeiter sowie der jeweiligen Anzahl der Aktien und der jeweiligen Aktiennummer.
2. Der gemeine Wert von noch nicht zum amtlichen Handel an der Börse zugelassenen Aktien, die der Belegschaft verbilligt überlassen werden, kann aus dem Verkauf der Aktien an ein Bankenkonsortium zu deren Börseneinführung abgeleitet werden.
Normenkette
EStG 1997 § 19a Abs. 8 Sätze 1-2, Abs. 2 S. 1, § 11 Abs. 1; BewG § 11 Abs. 2 S. 2; LStR 1996 R 77 Abs. 17 S. 2; BGB §§ 398, 413, 930
Tenor
1. Der Haftungsbescheid vom 18. Januar 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. März 2002 wird dahingehend geändert, dass die Haftungssumme um 78.350,88 Euro (= 153.241,00 DM) Lohnsteuer, 4.309,21 Euro (= 8.428,08 DM) Solidaritätszuschlag, 941,26 Euro (= 1.840,95 DM) evangelische Kirchensteuer sowie 366,61 Euro (= 717,03 DM) römisch-katholische Kirchensteuer herabgesetzt wird.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte bei der Klägerin zu Recht durch Haftungsbescheid eine Nachversteuerung eines geldwerten Vorteils aus der verbilligten Überlassung von Belegschaftsaktien vorgenommen hat. Insbesondere herrscht Streit darüber, mit welchem Wert die von der Klägerin an ihre Arbeitnehmer überlassenen Aktien anzusetzen sind.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft (AG), die als Technologieunternehmen tätig ist.
Im Vorfeld ihres im Juni 1998 erfolgten Börsenganges bot die Klägerin ihren Arbeitnehmern an, sich an der AG durch Aktienerwerb zu beteiligen. Das hierzu entwickelte Mitarbeiter-Aktienprogramm sah die nach § 19a des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerbegünstigte Überlassung der Aktien vor.
Die Aktien stammten aus dem Vorbesitz des damals alleinigen Aktionärs, des A. Zur Durchführung des Beteiligungsprogramms gab –– am 20. Juni 1997 in seiner Regierungserklärung bekannt, dass der A nominal 5 Millionen DM des Grundkapitals – mithin 1 Million Aktien – aus dem Bestand des A zur Bildung von Belegschaftsaktien an die Klägerin abgeben wolle. Die Mitarbeiter der Klägerin sowie die Mitarbeiter der mit der Klägerin verbundenen Unternehmen sollten die Aktien für DM 10 je Aktie im Nominalwert von DM 5 erwerben können (halber Preis). Gleichzeitig wurde eine Kapitalerhöhung von 50 Mio. DM (nominal) durchgeführt bei der die Konsortialbanken zur Zeichnung der neuen Aktien zugelassen waren. Der Preis pro Aktie im Nominalwert von 5 DM betrug ebenfalls 20 DM. Im Rahmen der Privatisierung sowie des geplanten Börsenganges der Klägerin übertrug der A zum 30. September 1997 Aktien für 50 Mio. DM nominal plus eine Aktie an die Konsortialbanken und zwar für DM 20 je Aktie im Nominalwert von DM 5 (vgl. Schreiben X vom 13. Oktober 1997 an den XX, Anlage 1 im Ordner Klagebegründung).
Am 13. November 1997 beschloss der XXX die Überlassung dieser 1 Million Aktien an die Belegschaft.
Am 24. Februar 1998 schlossen die Klägerin und der A einen entsprechenden Kauf- und Übertragungsvertrag (vgl. Blatt 13 ff. der Verfahrensakte des Beklagten), in dem der Klägerin 1 Mio. Stück Inhaberaktien (Aktien-Nummer 13.999.991 bis einschl. 14.999.990) zum Preis von 10 DM pro Aktie insgesamt von DM 10.000.000 übertragen wurden. Der Vertrag stand unter der Auflage, die Aktien zum gleichen Preis an die Belegschaft der Klägerin und der mit ihr verbundenen inländischen Unternehmen weiterzureichen sowie für eine Verwahrung auf einem Sperrdepot unter Beachtung der steuerlich maßgebenden Sperrfrist zu sorgen. Gleichzeitig war im Kauf- und Übertragungsvertrag vereinbart, über die von der Klägerin zu erwerbenden eigenen Aktien eine Sammelurkunde auszustellen, was in der Folge auch geschah. Diese wurde sodann im Tresor der Klägerin verwahrt.
In der Vorstandssitzung vom 11. März 1998 übernahm die Klägerin die aus dem Kauf- und Übertragungsvertrag mit dem Land A vereinbarten Vorgaben mittels eines gefassten Beschlusses als eigene und beschloss die entsprechende Durchführung des Mitarbeiterbeteiligungsprogrammes.
Neben diesem (allgemeinen) Mitarbeiterprogramm fanden vor dem Börsengang der Klägerin noch zwei weitere Mitarbeiter-Aktienüberlassungsprogramme statt, die allerdings dem Management vorbehalten blieben (so genannte Managemen...