Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung wegen Totschlags
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Angestellter des öffentlichen Dienstes muß sein außerdienstliches Verhalten so einrichten, daß das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wird.
2. Begeht ein im öffentlichen Dienst Beschäftigter ein vorsätzliches Tötungsdelikt, so ist es dem öffentlichen Arbeitgeber in der Regel unzumutbar, ihn weiterzubeschäftigen, ohne daß eine konkret meßbare Ansehensschädigung nachgewiesen werden müßte.
3. In einem solchen Fall kann der öffentliche Arbeitgeber regelmäßig nicht auf den Ausspruch einer Abmahnung verwiesen werden. Dem Arbeitnehmer muß klar sein, daß die Begehung eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes als massive Rechtsverletzung seine Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst in Frage stellen kann.
Normenkette
BGB § 626; BAT § 54 Abs. 1, § 8 Abs. 1 S. 1; GG Art. 2 Abs. 2 S. 2; StGB §§ 212-213; EGZPO § 14 Abs. 2 Nr. 1; BetrAVG § 18 Abs. 2 Nr. 4
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 22. Oktober 1999 – 8 Sa 82/98 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Der 1939 geborene, nicht vorbestrafte Kläger (verheiratet, zwei Kinder) ist Diplom-Ingenieur und seit 1972 bei der beklagten Hansestadt beschäftigt. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbaren Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) ist er ordentlich unkündbar. Er wurde seit 1988 in der Umweltbehörde der Beklagten beschäftigt, zuletzt im Fachamt A. Dort hatte er in zwischen den Parteien streitigem Umfang Kontakt mit den Mitarbeitern von Ingenieurbüros, Bietern und anderen Behörden.
Um sich gegen Angriffe verteidigen zu können, führte der Kläger seit Jahren auf dem Weg von und zur Arbeit ein Messer mit, das er während der Arbeitszeit in einem Schrank verwahrte. Am 7. Dezember 1993 fuhr er nach Dienstschluß wie üblich mit der Bahn vom Hamburger Hauptbahnhof zu seinem Wohnort B. Er setzte sich in einem leeren Erste-Klasse-Abteil auf einen Fensterplatz. Seine Jacke hängte er an einem Haken neben sich auf. In der Jacke befand sich in einem von einem Lederstreifen mit Druckknopf gehaltenen Futteral ein beidseitig geschliffenes Fahrtenmesser mit einer Gesamtlänge von 22,5 cm, einer Klingenlänge von 12,6 cm und einer Klingenbreite von 2,5 cm. Den außerhalb der Ersten Klasse überfüllten Zug bestiegen hatte auch der Schwarzafrikaner J (im folgenden: J.). Er war im April 1993 als Asylbewerber nach Deutschland gekommen. Seine Aufenthaltserlaubnis war am 30. November 1993 abgelaufen. J. betrat das Abteil des Klägers. Er trank Bier aus einer Dose. Nachträglich wurde eine Blutalkoholkonzentration von etwa 1,5 Promille festgestellt. Nach der Station Hamburg-Harburg kontrollierte ein Schaffner die Fahrscheine. J. erwarb von ihm einen Fahrschein für die Zweite Klasse und verließ das Abteil auf Anweisung des Schaffners. Nachdem sich der Schaffner entfernt hatte, setzte sich J. wieder auf seinen bisherigen Platz neben der Abteiltür. Der Kläger öffnete daraufhin mehrfach das Abteilfenster, das von J. jeweils wieder geschlossen wurde. Wenige Minuten vor dem Heimatbahnhof des Klägers kam es in diesem Zusammenhang zu einer schweren tätlichen Auseinandersetzung zwischen J. und dem Kläger, deren Hergang zwischen den Parteien im einzelnen streitig ist. Nicht streitig ist, daß der Kläger J. mit dem Messer eine 8 bis 10 cm tiefe Verletzung im Oberbauch zufügte, durch die eine Schlagader und die Bauchspeicheldrüse durchtrennt und der Dünndarm an vier Stellen verletzt wurden. Weiter erlitt J. eine 5 bis 6 cm tiefe Stichverletzung am Nacken und zwei oberflächliche, etwa 2 cm lange Schnittverletzungen am Hinterkopf. J. verstarb noch in derselben Nacht. Die Obduktion ergab, daß ursächlich dafür die Bauchverletzung war.
Beendet wurde der Kampf durch das Eingreifen eines Zeugen. Der Kläger steckte das Messer in das Futteral zurück. Er äußerte gegenüber Zeugen, nach deren Eindruck völlig ruhig, er sei angegriffen worden, und zog sich an, um den Zug zu verlassen. Nachdem er darauf vom Schaffner in dem Abteil eingeschlossen wurde, äußerte er, er habe doch nichts gemacht. Bei seiner polizeilichen Vernehmung wirkte er absolut ruhig, gelassen und verschlossen. Seine Sorge galt verderblichen Lebensmitteln, die er in Hamburg eingekauft hatte und die von der Polizei sichergestellt worden waren. Nach dem Zustand von J. erkundigte er sich nicht, auch nicht bei zwei Telefonaten mit dem Kriminalkommissariat B wegen seiner Lebensmittel. Am folgenden Tag erschien der Kläger zur Arbeit, ohne Kollegen von dem Vorfall zu berichten. Als er am 9. Dezember 1993 beim Kriminalkommissariat B seine Lebensmittel abholte, führte er in einer Plastiktüte wiederum ein Fahrtenmesser und darüber hinaus ein Klappmesser mit sich.
Mit Urteil vom 7. April 1995 sprach die Erste Große Strafkammer des Landgerichts S den Kläger von der Anklage des Totschlags frei. Das Landgericht hat angenommen, mit seiner Tat habe der Kläger lediglich den Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge erfüllt. Ob auch ein Totschlag vorliege, könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit geklärt werden, obwohl die Zahl der Stiche und die Gefährlichkeit des Messers einen dahingehenden bedingten Vorsatz nahelegten. Die Tat sei jedoch durch Notwehr gerechtfertigt. Der Angriff des J. sei rechtswidrig gewesen trotz des vorangegangenen rechthaberischen, kindischen und unsozialen Verhaltens des Klägers. Der Kläger habe die Notwehrlage nicht in rechtswidriger und vorwerfbarer Weise herbeigeführt. Es lägen trotz gelegentlicher Äußerungen über Farbige wie „Teerpappe” oder „Bimbo” keine Anhaltspunkte für eine ausländerfeindliche Gesinnung vor.
Gegen dieses Urteil legte die Nebenklage Revision ein. Sie wurde dabei finanziell unterstützt von einigen Mitarbeitern der Umweltbehörde. Auf die Revision hob der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 21. März 1996(– 5 StR 432/95 – BGHSt 42, 97) das Urteil des Landgerichts mit der Begründung auf, nach den Tatumständen liege es sehr nahe, daß der Kläger, als er das Messer in den Oberbauch des J. stieß, mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt habe. Daß der sehr intelligente Kläger bei einem ungezielten Stich auf den Körper des über ihn gebeugten Mannes die damit verbundene Lebensgefahr nicht erkannt habe, liege ganz fern. Die weiteren Stiche, zumal der Stich in den Hals sprächen dafür, daß sich der Kläger während des gesamten Verlaufs der Auseinandersetzung mit einer tödlichen Wirkung seiner Stiche abgefunden habe. Der Kläger habe kein Recht und mit Rücksicht auf die verbleibende Reisezeit von wenigen Minuten keinen verständlichen Anlaß gehabt, J. durch Zuführung von kalter Luft aus dem Abteil „herauszuekeln”. Unter den vom Landgericht festgestellten Umständen sei das Gebotensein des vom Kläger gewählten tödlichen Verteidigungsmittels nicht dargetan.
Darauf verurteilte die Zweite Große Strafkammer des Landgerichts S mit Urteil vom 28. Februar 1997 den Kläger wegen Totschlags in einem minder schweren Fall zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Es sei davon auszugehen, daß das wiederholte Öffnen des Abteilfensters gegen den Willen des J. auf eine Persönlichkeitsstörung des Klägers zurückzuführen sei. Der Kläger habe sein Recht auf uneingeschränkte Nutzung des Abteils gegenüber J. auch unter Einsatz seines Fahrtenmessers durchsetzen wollen. Die Einlassungen des Klägers seien durch die Aussagen der Zeugen und die Augenscheinseinnahme eines vergleichbaren Eisenbahnwagens widerlegt. Aufgrund sachverständiger Begutachtung stehe fest, daß die Einsichtsfähigkeit des Klägers erhalten und seine Steuerungsfähigkeit nicht erheblich gemindert gewesen sei. Die Handlung sei nicht durch Notwehr gerechtfertigt gewesen. Zwar sei der Kläger einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff ausgesetzt gewesen. Der Messerstich in den Bauch sei indessen zur Abwehr nicht erforderlich gewesen, da das Leben des Klägers in keiner Phase bedroht gewesen sei. Zumindest hätte der Kläger das Messer schonender einsetzen müssen. Bei der Strafzumessung legten die objektiven Umstände der Tat, der nichtige Anlaß, der zu ihr geführt habe, und die Gefährlichkeit der verwendeten Waffe die Anwendung des § 213 StGB nicht unbedingt nahe. Es seien aber das erhebliche Mitverschulden des J. und die subjektiven Umstände, insbesondere die verminderte Steuerungsfähigkeit des Klägers zu berücksichtigen. Innerhalb des Strafrahmens spreche zugunsten des Klägers „insbesondere die drohende Entfernung aus dem öffentlichen Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg” und die „ausführliche und teilweise vorverurteilende Beurteilung durch die Medien”. Die vom Kläger gegen das Urteil eingelegte Revision wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluß vom 21. August 1997 verworfen.
Die Tat und das Strafverfahren stießen in den Jahren 1993 bis 1997 auf großes Interesse nicht nur in der regionalen Presse. Auch in überregionalen Zeitungen und Zeitschriften wurden zum Teil sehr ausführliche und von großer Empörung getragene Artikel veröffentlicht. Insgesamt erschienen mehr als 30 Artikel und Meldungen. In einigen wurden der Name und/oder die Stellung des Klägers genannt.
Die Beklagte erhielt am 3. März 1997 Kenntnis von der Verkündung des Urteils vom 28. Februar 1997. Sie teilte dem Kläger mit, sie ziehe in Betracht, das Arbeitsverhältnis durch außerordentliche Kündigung zu beenden, und gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 12. März 1997 stimmte der Personalrat der außerordentlichen Kündigung „insbesondere im Interesse und zum Schutz der … Kollegen und Kolleginnen und wegen der Wahrung des Betriebsfriedens” zu. Unter dem Briefkopf „Freie und Hansestadt Hamburg Umweltbehörde Amt für Verwaltung-Personalwesen” ging dem Kläger am 14. März 1997 ein auf den 13. März 1997 datiertes Schreiben zu, das ua. wie folgt lautet:
„Die Umweltbehörde kündigt Ihnen mit sofortiger Wirkung das Beschäftigungsverhältnis gemäß § 55 Abs. 1 iVm. § 54 BAT. …”
Gegen diese Kündigung erhob der Kläger die vorliegende Klage. Nachdem sie am 4. September 1997 Kenntnis von der Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Stade vom 28. Februar 1997 erlangt hatte, gewährte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 11. September 1997 Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer erneuten fristlosen Kündigung. Der Personalrat stimmte dieser Kündigung am 16. September 1997 zu. Darauf wurde dem Kläger durch Boten am 18. September 1997 ein weiteres, wortgleiches Kündigungsschreiben übergeben. Gegen diese Kündigung wehrt sich der Kläger mit seiner Klageerweiterung vom 26. September 1997.
In der Zeit vom 8. bis zum 11. Dezember 1997 unterzeichneten zwanzig Mitarbeiter der Umweltbehörde eine Erklärung, mit der sie sich gegen eine Weiterbeschäftigung des Klägers aussprachen; sie fühlten sich durch die Anwesenheit des Klägers zumindest latent gefährdet; insbesondere führe die attestierte eingeschränkte Steuerungsfähigkeit in Streßsituationen zu mehr als bloßem Unbehagen. Auch die Leiterin der fachbezogenen Verwaltung äußerte sich in diesem Sinne; acht Vorgesetzte im Fachamt R erklärten, sie unterstützten die Aktivitäten der Kollegen gegen eine Rückkehr des Klägers. Dem schloß sich der Personalrat mit Schreiben vom 22. Dezember 1997 an.
Der Kläger hat eine ordnungsgemäße Personalratsanhörung bestritten und geltend gemacht, er bedaure den Tod des J., sei aber nach wie vor der Überzeugung, er habe sich keinen Vorwurf zu machen. Er habe in Notwehr gehandelt. Jedenfalls spreche ein Verbotsirrtum zu seinen Gunsten, da er sich nach den Feststellungen der Zweiten Großen Strafkammer des Landgerichts S nur bei der Wahl des Abwehrmittels vergriffen habe. Er hat behauptet, J. habe, nachdem er zuvor erhebliche aggressive Verhaltensweisen gegenüber anderen Mitreisenden gezeigt habe, angefangen, ihn zu belästigen und Streit zu suchen. Dieser Streit sei eskaliert und habe sich so zugetragen, wie er es in seiner aus dem Strafurteil ersichtlichen Einlassung gegenüber der Zweiten Großen Strafkammer geschildert habe. Er habe in der Behörde keine herausgehobene Stellung eingenommen und nur beschränkt Außenkontakte gehabt. Von ihm gehe keine Gefahr aus. Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung mit zwanghaften und schizoiden Anteilen sei unzutreffend und inkompetent. In der von der Beklagten behaupteten Empörung und Unruhe unter den Kollegen sehe er lediglich die Machenschaften einer kleinen Clique von politischen Berufsintriganten, die versuchten, einen unliebsamen Kollegen aus dem Dienst zu entfernen. Es werde eine durch nichts begründete Kampagne gegen ihn geführt. Die Unterschriftslisten, die Erklärung des Personalrats und die Erklärung der Abteilungsleiterin seien „bestellt” worden. Soweit die Beklagte eine Schädigung ihres Ansehens in der Öffentlichkeit behaupte, könne sie mit diesen Ausflüchten nicht gehört werden. Seine ggf. behördenübergreifende Versetzung sei möglich gewesen. Daß eine solche unterlassen worden sei, diene lediglich dazu, die der Umweltbehörde obliegenden Einsparungsvorgaben bequem zu erfüllen. Die Umweltbehörde sei zur Kündigung auch nicht befugt gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 13. März 1997 noch durch die fristlose Kündigung vom 15. September 1997 beendet worden ist,
- die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags behauptet, es sei davon auszugehen, daß die vom Kläger verursachte Tötung vorsätzlich erfolgt und offensichtlich auf die Persönlichkeitsstruktur des Klägers zurückzuführen gewesen sei, wobei eine Rechtfertigung durch Notwehr ausscheide. Durch die Tat sei das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt. Die Umstände der Tat, die Persönlichkeitsstörung und die fehlende Reue des Klägers sowie das ungewöhnliche Medienecho seien für ihr Ansehen mehr als abträglich. Das Ansehen des gesamten öffentlichen Dienstes sei massiv betroffen. Bei Besuchern der Behörde, Kollegen und Außenkontakten müsse bei Weiterbeschäftigung des Klägers zwangsläufig ein Gefühl der Unsicherheit und Sorge bestehen. Der Kläger habe viele Außenkontakte gehabt, da zu seinen Aufgaben auch die Betreuung von Ingenieurbüros, die Abstimmung mit anderen Dienststellen und Verhandlungen mit entsprechenden Bietern gehörten. Gegenüber den Mitarbeitern sei bereits ein Ansehensverlust der Behörde eingetreten. Schon nach der Tat habe Unverständnis und Empörung unter den Vorgesetzten und Mitarbeitern darüber bestanden, daß die Personalleitung aus rechtlichen Gründen eine Kündigung noch nicht ausgesprochen hatte. Während der laufenden Ermittlungen sei es zu einer deutlichen Zurückhaltung im Umgang mit dem Kläger und zu einer Polarisierung innerhalb der Mitarbeiterschaft gekommen. Ein vertrauliches Miteinander habe kaum noch stattgefunden. Nach dem Urteil vom 28. Februar 1997 hätten sich die ehemaligen Vorgesetzten und Kollegen des Klägers gegen eine weitere Zusammenarbeit mit ihm ausgesprochen. Sie lehnten eine Rückkehr des Klägers ab und betrachteten, falls eine solche erfolgen sollte, eine übliche Zusammenarbeit als ausgeschlossen. Ein Vier-Augen-Gespräch werde abgelehnt, Gespräche würden insgesamt nur im Beisein von Vorgesetzten geführt und der gesamte Kontakt auf dem denkbar geringsten Niveau gehalten. Das alles könne aber die Angst einer Vielzahl von Kollegen, mit dem Kläger unvorbereitet allein zusammenzutreffen, nicht beseitigen. Es bestehe die Gefahr unüberlegter Reaktionen des Klägers. Einer Weiterbeschäftigung in anderen Behörden stehe außerdem entgegen, daß geeignete Ingenieurstellen dort nicht frei gewesen seien.
Hinsichtlich der Kündigung vom 13. März 1997 sei am 3. März 1997 der Personalrat unter Aushändigung eines schriftlichen Vermerks über den Sachverhalt informiert worden. Am 10. März 1997 seien der Vorsitzenden des Personalrats und einem freigestellten Personalratsmitglied noch einmal umfassend der Sachverhalt und die beabsichtigten Maßnahmen dargelegt worden. Zu diesem Zweck sei dem Personalrat der gesamte Vorgang im Original zur Verfügung gestellt worden, darunter die Stellungnahme des Klägers und der Entwurf eines von der Dienststelle vorbereiteten Kündigungsschreibens. Bezüglich der zweiten Kündigung sei am Morgen des 15. September 1997 ein freigestelltes Personalratsmitglied informiert worden. Nach Eingang der Stellungnahme des Klägers sei das Kündigungsschreiben an den Kläger vorbereitet und dem Personalrat unter Hinweis auf die schon bekannten Vorgänge mit der Bitte um Zustimmung und Rückäußerung vorgelegt worden. Beigefügt gewesen seien das Anhörungsschreiben vom 11. September 1997, die Stellungnahme des Klägers sowie das Kündigungsschreiben.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Die Beklagte verfolgt mit der Revision ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung, da sich die Rechtswirksamkeit der Kündigungen noch nicht abschließend beurteilen läßt.
A. Das Landesarbeitsgericht hat – kurz zusammengefaßt – angenommen, es fehle an dem zur Rechtfertigung der Kündigungen gemäß § 626 Abs. 1, § 54 Abs. 1 BAT erforderlichen wichtigen Grund. Zwar sei die Tat, derentwegen der Kläger verurteilt worden sei, als Verstoß gegen die besondere Loyalitätspflicht eines Angestellten des öffentlichen Dienstes an sich zur Rechtfertigung einer Kündigung geeignet. Gegen die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers spreche jedoch, daß das Landgericht Stade lediglich einen minder schweren Fall des Totschlags angenommen, den Strafrahmen noch nicht einmal zur Hälfte ausgeschöpft und die Strafe zur Bewährung ausgesetzt habe. Nicht unerheblich sei auch, daß der Vertreter der Staatsanwaltschaft vor der Zweiten Großen Strafkammer wegen Zubilligung eines Notwehrrechts den Freispruch des Klägers beantragt habe. Ein Ansehensverlust der Beklagten sei nicht festzustellen. Insoweit fehle es an konkreten Anhaltspunkten und hinreichendem Sachvortrag. Selbst wenn man aber eine Ansehensschädigung von vornherein nicht ausschließen wolle, könne ein solcher Schaden keinen wichtigen Grund abgeben. Wenn ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes um ein Haar freigesprochen worden wäre, könne dieser Umstand bei der Frage, ob eine Ansehensschädigung anzunehmen sei, nicht unberücksichtigt bleiben. Auch eine Störung des Betriebsfriedens könne die Kündigungen nicht rechtfertigen. Die Vorbehalte eines Teils der Mitarbeiter begründeten nicht die Annahme, daß es künftig keine reibungslose Zusammenarbeit mit dem Kläger geben werde.
B. Dem folgt der Senat nicht.
I. Die Revision rügt zu Recht eine fehlerhafte Anwendung von § 626 Abs. 1 BGB, § 54 Abs. 1 BAT durch das Landesarbeitsgericht.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Begriff des wichtigen Grundes in § 54 Abs. 1 BAT keine andere Bedeutung hat als der in § 626 Abs. 1 BGB (Senat 26. März 1981 – 2 AZN 410/80 – BAGE 35, 185, 188; BAG 20. April 1977 – 4 AZR 778/75 – AP BAT § 54 Nr. 1 = EzA BGB § 626 nF Nr. 55) und daß im Fall der tariflichen Unkündbarkeit eines Arbeitnehmers aufgrund der Schutzfunktion der tariflichen Regelung bei der Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes ein besonders strenger Maßstab anzulegen ist (Senat 3. November 1955 – 2 AZR 39/54 – BAGE 2, 214, 216; 12. August 1999 – 2 AZR 748/98 – AP SchwbG 1986 § 21 Nr. 7 = EzA SchwbG 1986 § 21 Nr. 10 zu B II 2 der Gründe).
2. Im Ergebnis zu Recht ist das Landesarbeitsgericht auch davon ausgegangen, daß die Tat vom 7. Dezember 1993 nach dem in dem rechtskräftigen Strafurteil festgestellten Sachverhalt an sich zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB, § 54 Abs. 1 BAT geeignet ist.
a) Generell setzt die Rechtfertigung einer Kündigung durch außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses voraus (Senat 20. September 1984 – 2 AZR 233/83 – AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 13 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 14; 24. September 1987 – 2 AZR 26/87 – AP aaO Nr. 19 = EzA aaO Nr. 18; KR-Fischermeier 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 414). Bei Angestellten des öffentlichen Dienstes ist dabei zu berücksichtigen, daß die dienstliche Verwendbarkeit durch außerdienstliche Vorgänge beeinflußt werden kann, da die Öffentlichkeit das Verhalten eines öffentlichen Bediensteten an einem strengeren Maßstab mißt als das privat Beschäftigter. Deshalb wird die Bestimmung von § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT, wonach sich der Angestellte so zu verhalten hat, wie es von Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet wird, in der Rechtsprechung (Senat 14. Februar 1996 – 2 AZR 274/95 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 26 = EzA BGB § 626 nF Nr. 160 zu II 2 der Gründe; 20. November 1997 – 2 AZR 643/96 – BAGE 87, 153, 159 f.) auch auf das außerdienstliche Verhalten des Angestellten bezogen. Der Angestellte muß sein außerdienstliches Verhalten so einrichten, daß das Ansehen des öffentlichen Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wird.
Zwar hat der Angestellte des öffentlichen Dienstes das Recht, sein Privatleben so zu gestalten, wie es ihm beliebt. Er hat jedoch auch außerhalb des Dienstes die Rechtsordnung zu wahren. Außerdienstlich begangene Straftaten sind jedenfalls dann zur Kündigungsrechtfertigung geeignet, wenn sie ein gewisses Gewicht haben, etwa bei über längere Zeit fortgesetzten Handlungen (Senat 20. November 1997 – 2 AZR 643/96 – aaO: über mehrere Jahre begangene Vermögensdelikte) oder bei Straftaten, die im unmittelbaren Widerspruch zu der Aufgabe der Beschäftigungsbehörde stehen (LAG Düsseldorf 20. Mai 1980 – 19 Sa 624/79 – EzA BGB § 626 nF Nr. 72: vorsätzliche Steuerverkürzung durch einen Finanzbeamten) oder die die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden können (Senat 14. Februar 1996 – 2 AZR 274/95 – aaO: Volksverhetzung durch ausländerfeindliche Propaganda).
Dieser Rechtsprechung folgt die Literatur überwiegend (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Januar 2000 § 8 Erl. 2, 3; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand April 2000 § 8 Rn. 43, 44; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Pühler BAT Stand Mai 2000 § 8 Erl. 2; Scheuring ZTR 1999, 337, 340 f., 387 ff.; ErfK/Müller-Glöge § 626 BGB Rn. 144; Staudinger/Preis BGB 13. Aufl. § 626 Rn. 191). Soweit Bruse (in: Bruse/Görg/Hamer/Hannig/Mosebach/Pieper/Rzadkowski/Scheliter/Schmalz/Wolf BAT und BAT-O 2. Aufl. § 8 Rn. 27) die Reaktionsbefugnis des Arbeitgebers auf außerdienstliche Straftaten beschränken will, die ihrer Art nach geeignet sind, das Vertrauen des Arbeitgebers in die korrekte Arbeitsleistung zu erschüttern, übersieht er, daß die Tauglichkeit von Angestellten im öffentlichen Dienst zur Erbringung ihrer Arbeitsleistung nicht nur durch Störungen des Vertrauensverhältnisses zwischen den Arbeitsvertragsparteien selbst beeinträchtigt oder beseitigt werden kann. Da sie als Repräsentanten des Staates gegenüber der Öffentlichkeit auftreten, kommt es – abhängig von der konkreten Dienstfunktion – auch auf ihr Ansehen in der Öffentlichkeit an (Senat 20. November 1997 – 2 AZR 643/96 – BAGE 153, 159 ff.).
b) Nach diesen Grundsätzen ist ein vorsätzliches Tötungsdelikt in der Regel zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung eines § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT unterliegenden, bei einer Behörde beschäftigten Angestellten an sich geeignet (sogenerell auch außerhalb des öffentlichen Dienstes Däubler in: Kittner/Däubler/Zwanziger KSchR 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 79). Das Recht auf Leben gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG stellt innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar; es ist die Grundlage der Menschenwürde. Der Staat hat hinsichtlich des menschlichen Lebens eine umfassende Schutzpflicht (BVerfG 25. Februar 1975 – 1 BvF 1 bis 6/74 – BVerfGE 39, 1, 42; BVerfG 28. Mai 1993 – 2 BvF 2/90 ua. – BVerfGE 88, 203, 251 ff.). Begeht ein vom Staat beschäftigter Angestellter ein vorsätzliches Tötungsdelikt, verletzt er also bewußt diesen höchsten Verfassungswert, wird es dem öffentlichen Arbeitgeber in der Regel unzumutbar, ihn weiterzubeschäftigen. Andernfalls gerät der Staat in die Gefahr, in Ausübung seiner Schutzaufgabe gegenüber der Öffentlichkeit und seinen anderen Bediensteten unglaubwürdig zu werden.
In solchen Fällen kann der öffentliche Arbeitgeber auch regelmäßig nicht zunächst auf den Ausspruch einer Abmahnung verwiesen werden. Dem Arbeitnehmer muß klar sein, daß die Begehung eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes als massive Rechtsverletzung seine Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst in Frage stellen kann. Bei einem steuerbaren Verhalten ist eine Abmahnung zwar generell erforderlich. Dies gilt jedoch bei groben Pflichtverletzungen nur, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen davon ausgehen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen (Senat 4. Juni 1997 – 2 AZR 526/96 – BAGE 86, 95, 102; 11. März 1999 – 2 AZR 507/98 – AP BGB § 626 Nr. 149 = EzA BGB § 626 nF Nr. 176 zu II 1 b aa der Gründe).
c) Ob nicht auch in der Privatwirtschaft ein von einem Arbeitnehmer im außerdienstlichen Bereich verübter Totschlag, der zu dessen Verurteilung zu einer empfindlichen Freiheitsstrafe geführt hat, an sich als wichtiger Grund zu einer – personenbedingten – außerordentlichen Kündigung geeignet ist, hat der Senat nicht zu entscheiden(vgl. hierzu BAG 10. März 1977 – 4 AZR 675/75 – BAGE 29, 57).
d) Nach diesen Grundsätzen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht auf der Grundlage des von der Zweiten Großen Strafkammer des Landgerichts Stade festgestellten Sachverhalts, den es sich ohne eigene Sachprüfung zueigen gemacht hat, zu dem Ergebnis gelangt ist, das Verhalten des Klägers am 7. Dezember 1993 sei an sich als wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung geeignet.
Der strafrechtlichen Würdigung durch die Zweite Große Strafkammer auf der Grundlage ihrer tatsächlichen Feststellungen ist insoweit zu folgen, als sie in der Handlung des Klägers einen vorsätzlichen, rechtswidrigen und schuldhaft begangenen Totschlag (§ 212 StGB) gesehen hat. Der Kläger bestreitet nicht, daß der von ihm geführte Messerstich in den Bauch des J. Todesursache war und damit den objektiven Tatbestand des Totschlages erfüllte. Die Tatumstände (8 bis 10 cm tiefer Stich in den Oberbauch mit einem beiderseitig geschliffenen, 2,5 cm breiten Messer mit einer Klingenlänge von 12,6 cm aus dem Opfer gegenüberstehender Position) rechtfertigen ohne weiteres die Annahme eines jedenfalls bedingten Tötungsvorsatzes. Einen solchen Vorsatz hat der Bundesgerichtshof im Urteil vom 21. März 1996(– 5 StR 432/95 – BGHSt 42, 97, 100 ff.) bereits für den von der Ersten Großen Strafkammer festgestellten Stich aus liegender Position heraus als sehr naheliegend angenommen. Um so mehr muß dies gelten, wenn der Kläger gemäß den Feststellungen der Zweiten Großen Strafkammer dem J. aufrecht gegenüberstand, sich also auch ohne Messer wesentlich besser verteidigen konnte als in liegender Position.
Unter den vom Landgericht festgestellten Umständen war der Einsatz des Messers, jedenfalls aber der äußerst gefährliche Stich in den Oberbauch unverhältnismäßig und damit nicht durch Notwehr oder rechtfertigenden Notstand (§§ 32, 34 StGB) gerechtfertigt. Bedroht der Angreifer nicht selbst unmittelbar das Leben des Verteidigers, darf ein lebensgefährdender Messerstich nur in Ausnahmefällen als letztes Mittel zur Verteidigung eingesetzt werden. Eine solche Maßnahme kann nur gerechtfertigt sein, wenn schonendere Verteidigungsmittel nicht in gleicher Weise die Gefahr zu beseitigen vermögen. Wenn möglich, muß der Angegriffene versuchen, mit anderen Mitteln oder zumindest mit einem weniger gefährlichen Waffeneinsatz den Angriff abzuwehren (BGH 15. Mai 1975 – 4 StR 71/75 – BGHSt 26, 143, 145 f.; 21. März 1996 – 5 StR 432/95 – BGHSt 42, 97, 100 ff.). Wer eine Auseinandersetzung schuldhaft provoziert hat, muß sich bei der Wahl eines lebensgefährlichen Verteidigungsmittels besondere Zurückhaltung auferlegen (BGH 15. Mai 1975 – 4 StR 71/75 – BGHSt 26, 143, 146; 21. März 1996 – 5 StR 432/95 – BGHSt 42, 97, 100 ff. zu II der Gründe). Auf der Grundlage des von der Zweiten Großen Strafkammer festgestellten, für die Eskalation mitursächlichen Verhaltens des Klägers hat das Landgericht überzeugend eine Reaktion des Klägers aus Todesangst, Verwirrung oder Schrecken ausgeschlossen und eine Handlung aus Wut, Ärger und Rechthaberei angenommen.
3. Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist jedoch, wie die Revision zutreffend rügt, aus mehreren Gründen rechtsfehlerhaft. Die Interessenabwägung durch das Berufungsgericht kann im Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden, ob alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls dahingehend gewürdigt worden sind, ob es dem Kündigenden unzumutbar gewesen ist, das Arbeitsverhältnis bis zur ordentlichen Beendigung oder Beendigungsmöglichkeit fortzusetzen. Die Bewertung der für und gegen die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung sprechenden Umstände liegt weitgehend im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz und kann vom Revisionsgericht nicht durch seine eigene Wertung ersetzt werden (st. Rspr., vgl. Senat 29. Januar 1997 – 2 AZR 292/96 – BAGE 85, 114, 125; 21. Januar 1999 – 2 AZR 665/98 – BAGE 90, 367, 369 f.). Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts jedoch nicht stand.
a) Fehlerhaft stellt das Berufungsgericht darauf ab, der Vertreter der Staatsanwaltschaft habe in dem Strafverfahren den Freispruch des Klägers aufgrund einer Notwehrlage beantragt. Sind die Arbeitsgerichte gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 EGZPO noch nicht einmal an die Feststellungen der Strafgerichte gebunden, kann es erst recht nicht auf die Einschätzung des Vertreters der Staatsanwaltschaft ankommen. Das Landesarbeitsgericht hätte vielmehr von sich aus prüfen müssen, ob eine Notwehrlage vorlag. Bei der Interessenabwägung maßgeblich ist das tatsächliche Gewicht des Schuldvorwurfs und nicht die Einschätzung einzelner Beteiligter des Strafverfahrens.
Schon aus tatsächlichen Gründen nicht nachvollziehbar ist auch, daß der Kläger „um ein Haar freigesprochen worden wäre”. Die Würdigung der Zweiten Großen Strafkammer, die Anwendung des § 213 StGB habe nicht unbedingt nahegelegen, belegt, daß offenbar eher eine härtere Strafe in Erwägung gezogen worden ist. Jedenfalls läßt sich den Entscheidungsgründen des Urteils vom 28. Februar 1997 kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, daß das Landgericht einen Freispruch des Klägers auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen ernsthaft erwogen hat. Bei Zweifeln über die Rechtswidrigkeit der Tat oder das Verschulden des Klägers hätte das Landgericht den Kläger ohnehin freisprechen müssen.
b) Auch die Annahme eines minder schweren Falls des Totschlags hätte, soweit das Landesarbeitsgericht darauf tragend abgestellt hat, einer Überprüfung bedurft. Das Landgericht hat angenommen, die objektiven Tatumstände, nämlich der nichtige Anlaß zur Tat und die Gefährlichkeit der verwendeten Waffe legten die Anwendung des § 213 „nicht unbedingt” nahe. Gegen einen minder schweren Fall spricht jedenfalls, daß der Kläger durch sein beharrliches Fensteröffnen die Ursache der Auseinandersetzung gesetzt und deren Eskalation durch rechthaberisches Verhalten maßgeblich forciert hat.
Auch wenn gemäß der Würdigung des Landgerichts aufgrund des Mitverschuldens des J. und der Persönlichkeitsstörung des Klägers (die dieser im vorliegenden Verfahren allerdings bestritten hat) strafrechtlich ein minder schwerer Fall anzunehmen ist, fehlt es an einer überzeugenden Begründung, daß dies auch kündigungsrechtlich von Bedeutung sein soll. Für das Landgericht mit ausschlaggebend war insoweit die verminderte Steuerungsfähigkeit des Klägers. Die Gefährdung der Belegschaft und entsprechende Ängste der Mitarbeiter gerade aufgrund dieser Persönlichkeitsstörung waren aber eines der Motive für die Kündigungen. Daß insoweit keine Gefährdung vorlag, begründet das Landesarbeitsgericht mit der Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung. Dieser lag aber die Erwartung der Strafkammer zugrunde, dem Kläger drohe die Entfernung aus dem öffentlichen Dienst. Damit kann die Aussetzung der Strafe zur Bewährung nicht auf der Annahme beruht haben, eine Gefährdung der Belegschaft sei auszuschließen. Auch insoweit hätte sich das Landesarbeitsgericht eine eigene Überzeugung bilden müssen.
c) Verfehlt ist der Hinweis des Landesarbeitsgerichts, der bis 31. März 1998 geltende Strafrahmen des § 213 StGB von sechs Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe sei nicht einmal zur Hälfte ausgeschöpft worden. Eine Strafe im Bereich eines Drittels des Strafrahmens ist bei einem nicht vorbestraften Täter nichts Ungewöhnliches und kein Indiz für eine besonders milde Beurteilung der Tat durch die Strafgerichte.
d) Rechtsfehlerhaft ist weiter die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein Ansehensverlust der Beklagten sei nicht feststellbar. Es kommt nicht auf den – vom Landesarbeitsgericht hier vermißten – Eintritt einer konkret meßbaren Ansehensschädigung des öffentlichen Arbeitgebers an. Isoliert betrachtet wird eine einzelne außerdienstliche Straftat eines Angestellten des öffentlichen Dienstes in aller Regel nicht zu einer statistisch meßbaren Beeinträchtigung der der Beschäftigungsbehörde von der Öffentlichkeit entgegengebrachten Achtung führen. Eine solch isolierte Betrachtung ist aber der falsche Maßstab. § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT stellt an die Lebensführung öffentlicher Angestellter erhöhte Anforderungen, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in den öffentlichen Dienst als Repräsentanten des Staates zu bewahren (Senat 20. November 1997 – 2 AZR 643/96 – BAGE 87, 153, 159 ff.; vgl. zur Entstehungsgeschichte von § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT Scheuring ZTR 1999, 337, 338). Dieses Vertrauen wird bereits beeinträchtigt, wenn der öffentliche Arbeitgeber ohne angemessene Reaktion einen wegen einer schweren Straftat verurteilten Arbeitnehmer weiterbeschäftigt, auch wenn dies im Einzelfall nicht zu einer statistisch meßbaren Ansehensbeeinträchtigung führt. Solchen Beeinträchtigungen soll der Arbeitgeber gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BAT im Einzelfall entgegenwirken können, bevor sich weitere Einzelfälle häufen und in der Öffentlichkeit ein negatives Bild von der Behörde entsteht. Zur Kündigungsrechtfertigung ausreichend kann deshalb auch eine Gefährdung des Ansehens der Behörde sein (LAG Düsseldorf 20. Mai 1980 – 19 Sa 624/79 – aaO).
Die Revision rügt weiter zu Recht, daß das Landesarbeitsgericht die breite Berichterstattung der Medien über die Tat bei der Würdigung des Eintritts einer Ansehensschädigung nicht berücksichtigt hat. Die Berichterstattung in der Tagespresse war überwiegend nüchtern und die vom Landesarbeitsgericht als unsachlich mißbilligte Passage, der Kläger habe „aus Rechthaberei rücksichtslos einen Menschen getötet”, stellte ein Zitat aus der mündlichen Urteilsbegründung des Vorsitzenden der Zweiten Großen Strafkammer des Landgerichts S dar. Außerdem berücksichtigt das Landesarbeitsgericht nicht, daß emotional zugespitzte Formulierungen hier nicht ohne jeden sachlichen Anlaß gebraucht worden sind, sondern eine Reaktion auf die Tatumstände waren, die auch die mit der Sache befaßten Strafgerichte mit deutlichen Worten mißbilligt haben. Die Berichterstattung in den Medien war damit offenbar Ausdruck einer angesichts der Tatumstände verständlichen Empörung jedenfalls eines großen Teils der öffentlichen Meinung.
Ebenfalls zu Recht rügt die Revision, daß eine Ansehensschädigung nicht deshalb ausgeschlossen werden kann, weil sich die beklagte Hansestadt stets von der Tat distanziert und nach dem Urteil vom 28. Februar 1997 die Kündigung ausgesprochen hat. Die Tatsache des Ausspruchs einer Kündigung allein kann kein Grund für ihre Unwirksamkeit sein; es geht gerade um die Frage, ob sie hätte ausgesprochen werden dürfen. Die Distanzierung eines öffentlichen Arbeitgebers von einem Tötungsdelikt eines bei ihm beschäftigten Arbeitnehmers ist eine Selbstverständlichkeit und allein nicht geeignet, eine Ansehensbeeinträchtigung oder -gefährdung durch die Weiterbeschäftigung dieses Arbeitnehmers zu verneinen.
e) Lückenhaft ist die Interessenabwägung auch, soweit das Landesarbeitsgericht eine zur Rechtfertigung der Kündigung geeignete Störung des Betriebsfriedens verneint hat. Die Stellungnahmen des Personalrats und die Schreiben der Kollegen und Vorgesetzten aus dem Fachamt A belegen, daß die Tat und die Berichterstattung hierüber zumindest bei einem Teil der Belegschaft Empörung und Ängste ausgelöst hat. Dies mußte angesichts der vorher erschienenen Presseberichte auch schon bei Ausspruch der ersten Kündigung vom 13. März 1997 der Fall gewesen sein. Derartige Störungen der innerbetrieblichen Verbundenheit sind kündigungsrechtlich von Bedeutung (Senat 9. März 1995 – 2 AZR 644/94 – RzK I 9k Nr. 25). Daß ein öffentlicher Arbeitgeber dem Rechnung tragen will, kann im Rahmen der Interessenabwägung nicht unberücksichtigt bleiben.
f) Unzutreffend ist schließlich die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, der Kläger würde bei Wirksamkeit der Kündigung seine Anwartschaft auf die betriebliche Altersversorgung nach § 18 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG verlieren. Diese Regelung ist allerdings gemäß § 18 Abs. 3 BetrAVG auf das Arbeitsverhältnis anwendbar, da der Kläger als Arbeitnehmer der beklagten Hansestadt ruhegeldberechtigt gemäß § 2 des Gesetzes über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angestellte und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg (1. Ruhegeldgesetz – 1. RGG) war. § 18 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG sieht das Erlöschen des Anspruchs auf die Zusatzrente aber nicht für den Fall einer wirksamen außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor, sondern im Fall der Verurteilung im Bundesgebiet wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren. Damit war das Erlöschen des Ruhegeldanspruchs unabhängig von der Wirksamkeit der Kündigungen, worauf die Parteien bereits in der Berufungsinstanz hingewiesen hatten.
II. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung und Zurückverweisung. Abgesehen davon, daß eine fehlerfreie Interessenabwägung in erster Linie der Tatsacheninstanz obliegt, fehlt es für eine abschließende Beurteilung durch den Senat, ob das Verhalten des Klägers eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, schon an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zum Tathergang am 7. Dezember 1993.
1. Es ist rechtsfehlerhaft, daß das Landesarbeitsgericht „die Tat, derentwegen der Kläger zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden ist, und diese Verurteilung selbst” als an sich zur Rechtfertigung der Kündigung geeignet zugrundegelegt und sich damit ohne eigene Sachprüfung die Feststellungen der Zweiten Großen Strafkammer des Landgerichts S zueigen gemacht hat. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 EGZPO hat ein strafgerichtliches Urteil keine bindende Kraft für den Zivilrichter. Dies gilt auch für das arbeitsgerichtliche Verfahren; auch die Arbeitsgerichte haben den Sachverhalt ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären und zu bewerten (BAG 26. März 1992 – 2 AZR 519/91 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 23 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4 zu B II 4 a der Gründe; 16. September 1999 – 2 ABR 68/98 – AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 38 = EzA BetrVG 1972 § 103 Nr. 40 zu II 2 c der Gründe).
Der Arbeitnehmer hat auch nach rechtskräftiger Verurteilung durch die Strafgerichte Gelegenheit, die erneute Vernehmung der im Strafverfahren gehörten Zeugen zu beantragen. Zwar können Beweisprotokolle aus einem anderen Verfahren und die tatsächlichen Feststellungen in einem anderen Urteil von den Zivilgerichten als Urkundsbeweis zugrunde gelegt werden. Die Parteien können aber stets eine erneute Beweiserhebung verlangen, da der persönliche Eindruck, die Anwesenheit der Parteien, die Ausübung des Fragerechts und die Möglichkeit der Gegenüberstellung eine dem Urkundsbeweis überlegene Richtigkeitsgewähr bieten (BGH 14. Juli 1952 – IV ZR 25/53 – BGHZ 7, 116, 122; 6. Juni 1988 – II ZR 332/87 – NJW-RR 1988, 1527 zu 1 der Gründe; Senat 26. März 1992 – 2 AZR 519/91 – aaO zu B II 4 a der Gründe; OLG Köln 11. Januar 1991 – 19 U 105/90 – FamRZ 1991, 580). Dabei kann von dem Beweisführenden keine Auseinandersetzung mit der Begründung des Strafurteils und den Aussagen der Zeugen im Strafverfahren verlangt werden, da es sich nicht um eine wiederholte Vernehmung im Sinne von § 398 ZPO, sondern um den erstmaligen Beweisantritt im Zivilprozeß handelt (BGH 6. Juni 1988 – II ZR 332/87 – aaO zu 2 der Gründe).
2. Danach hätte das Landesarbeitsgericht, wie der Kläger in der Revisionsinstanz mit einer zulässigen und begründeten Gegenrüge geltend macht, die im Strafverfahren gehörten Zeugen auf den zweitinstanzlich gestellten Antrag des Klägers hin erneut vernehmen und ggf. die Sachverständigen erneut anhören müssen. Der Kläger hat sich in der Berufungsinstanz ausdrücklich auf seine sich aus dem von ihm vorgelegten Urteil des Landgericht S vom 28. Februar 1997 ergebende Einlassung im Strafverfahren bezogen und deren Richtigkeit unter Beweis gestellt. Die Einlassung des Klägers ist in dem Urteil ausführlich dargestellt; die Bezugnahme auf sie enthält damit substantiierten Vortrag des Klägers. Diese von den Feststellungen des Landgerichts abweichende Sachverhaltsdarstellung ist für die straf- und auch für die kündigungsrechtliche Würdigung relevant. Ist der Kläger tatsächlich von J. ohne jeden Anlaß plötzlich tätlich angegriffen worden, hätte sein Kampfbeitrag ein anderes, geringeres Gewicht. Dann läge ein Handeln aus Todesangst, Verwirrung oder Schrecken und damit der Schuldausschließungsgrund von § 33 StGB nahe.
III. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO).
1. Auf die vom Kläger geltend gemachten anderweitigen Einsatzmöglichkeiten in der Umweltbehörde oder in anderen Behörden kommt es nicht an. Ist der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers auf seinem bisherigen Arbeitsplatz nicht zumutbar, gilt dies für den gesamten öffentlichen Dienst bei der Beklagten. Die Möglichkeit einer Versetzung ist in der Regel nur bei arbeitsplatzbezogenen, nicht aber bei arbeitsplatzunabhängigen Kündigungsgründen zu prüfen (KR-Fischermeier aaO § 626 Rn. 291 f.; Stahlhacke/Preis/Vossen aaO Rn. 692; Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG 12. Aufl. § 1 Rn. 276; vgl. Senat 31. März 1993 – 2 AZR 492/92 – BAGE 73, 42, 53; 26. März 1992 – 2 AZR 519/92 – aaO zu B III 3 b der Gründe). Hier fehlt es an einem Arbeitsplatzbezug, der eine differenzierte Würdigung verschiedener Einsatzmöglichkeiten erlauben könnte.
2. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB hat die Beklagte hinsichtlich beider Kündigungen gewahrt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein Arbeitgeber nicht verpflichtet, innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung von einer möglichen Straftat des Arbeitnehmers die Kündigung auszusprechen. Sowohl die erstmalige Verurteilung des Arbeitnehmers durch ein – für die strafrechtliche Beurteilung zuständiges und sachkundiges – Strafgericht als auch der Eintritt der Rechtskraft der Verurteilung sind neue Tatsachen, die die Frist von § 626 Abs. 2 BGB erneut auslösen (Senat 14. Februar 1996 – 2 ABR 274/95 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 26 = EzA BGB § 626 nF Nr. 160 zu II 3 der Gründe; 18. November 1999 – 2 AZR 852/98 – AP BGB § 626 Nr. 160 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 14 zu II 2 a der Gründe). Ob und inwieweit eine erneute Kündigung nach einer strafgerichtlichen Verurteilung auch noch nach einer vorausgegangenen rechtskräftigen Entscheidung über eine Tatkündigung möglich ist (vgl. Senat 16. September 1999 – 2 ABR 68/98 – aaO), ist eine vom Lauf der Ausschlußfrist vor einer rechtskräftigen Entscheidung zu unterscheidende andere Rechtsfrage (Senat 18. November 1999 – 2 AZR 852/98 – aaO zu II 2 a der Gründe). Da die Kündigungen jeweils innerhalb von zwei Wochen nach dem Bekanntwerden des Urteils des Landgerichts Stade vom 28. Februar 1997 bzw. nach Kenntnis von dessen Rechtskraft erklärt worden sind, sind sie nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die insoweit gegen die Kündigung vom 13. März 1997 erstinstanzlich erhobenen Rügen werden vom Kläger auch ersichtlich nicht weiterverfolgt.
3. Die Kündigungsberechtigung der Umweltbehörde bestreitet der Kläger nicht mehr. Nach den zutreffenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ergibt sich im übrigen die Kündigungsbefugnis der Umweltbehörde gemäß § 4 Abs. 1 des Hamburger Gesetzes über Verwaltungsbehörden aus deren Verwaltungshoheit als Fachbehörde.
4. Auch die Beteiligung des Personalrats ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen ordnungsgemäß erfolgt.
Die ordnungsgemäße Personalratsanhörung vor der Kündigung vom 13. März 1997 hat der Kläger schon zweitinstanzlich nicht mehr bestritten, nachdem das Arbeitsgericht hierüber Beweis erhoben und festgestellt hatte, daß der Personalrat umfassend über den Sachverhalt und die beabsichtigten Maßnahmen informiert worden und die Kündigung erst nach der Zustimmung des Personalrats ausgesprochen worden ist.
Hinsichtlich der Kündigung vom 15. September 1997 kam als neuer Umstand lediglich der Eintritt der Rechtskraft des Urteils vom 28. Februar 1997 hinzu. Diesen Umstand konnte der Personalrat aus dem Entwurf des Kündigungsschreibens entnehmen, auf dem er am 16. September 1997 seine Zustimmung zu der Kündigung vermerkt hat.
IV. Im Hinblick auf den tariflichen Ausschluß der ordentlichen Kündigung beim Kläger wird das Berufungsgericht auf der Grundlage des von ihm nach der Zurückverweisung festgestellten Sachverhalts ggf. auch zu prüfen haben, ob der beklagten Hansestadt die Wahrung einer der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden sozialen Auslauffrist zumutbar war. Eine solche Auslauffrist dient der Vermeidung von Wertungswidersprüchen in dem Fall, daß dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers bis zum Pensionsalter unzumutbar ist und deshalb ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegt, bei ordentlicher Kündbarkeit dagegen nur eine fristgemäße Kündigung zulässig wäre. Eine solche Möglichkeit ist auch bei einer verhaltensbedingten Kündigung zu prüfen (Senat 11. März 1999 – 2 AZR 427/98 – AP BGB § 626 Nr. 150 = EzA § 626 nF Nr. 177 zu B II 3 b der Gründe; 12. August 1999 – 2 AZR 923/98 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 28 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8 zu II 2 d bb der Gründe).
Eine Umdeutung der Kündigungen in außerordentliche Kündigungen mit Auslauffrist scheitert ebenfalls nicht an der Personalratsbeteiligung. Zwar wäre für eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist eine Beteiligung des Personalrats nach den für ordentliche Kündigungen geltenden Regelungen erforderlich gewesen (Senat 5. Februar 1998 – 2 AZR 227/97 – BAGE 88, 10, 22), hier also gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 13, § 79 LPVG Hamburg ein Mitbestimmungsverfahren. Soll eine außerordentliche Kündigung hilfsweise als ordentliche – bzw. hier als außerordentliche mit Auslauffrist – gelten, ist eine Beteiligung nach den für ordentliche Kündigungen geltenden Regeln jedoch ausnahmsweise entbehrlich, wenn der Betriebs- bzw. Personalrat der außerordentlichen Kündigung ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt hat und auch aus sonstigen Umständen nicht zu ersehen ist, daß er für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der dann verbleibenden ordentlichen Kündigung entgegengetreten wäre (Senat 16. März 1978 – 2 AZR 424/76 – BAGE 30, 176; 20. September 1984 – 2 AZR 633/82 – AP BGB § 626 Nr. 80 = EzA BGB § 626 nF Nr. 91 zu II 1 der Gründe). Dies ist hier angesichts der Stellungnahmen des Personalrats in den beiden Anhörungsverfahren zu bejahen.
V. In Abhängigkeit von seiner Entscheidung über den Feststellungsantrag wird das Landesarbeitsgericht auch über den Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers erneut zu entscheiden haben.
Unterschriften
Etzel, Bröhl, Fischermeier, Piper, Fischer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 08.06.2000 durch Anderl, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 78 |
BB 2000, 2264 |
DB 2000, 1287 |
DB 2001, 285 |
NJW 2001, 1086 |
ARST 2000, 237 |
ARST 2001, 25 |
FA 2000, 264 |
FA 2000, 298 |
JR 2001, 220 |
NZA 2000, 1282 |
ZTR 2001, 88 |
AP, 0 |
AuA 2000, 384 |
AuA 2001, 475 |
JuS 2001, 411 |
MDR 2001, 36 |
PERSONAL 2001, 330 |
PersV 2001, 169 |
RiA 2001, 65 |
ZfPR 2001, 22 |
GV/RP 2001, 198 |
KomVerw 2001, 34 |
AuS 2000, 68 |
FuBW 2001, 4 |
FuHe 2001, 196 |
FuNds 2001, 103 |