Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung, Arbeitsunfähigkeit
Orientierungssatz
Macht eine tarifliche Regelung, wie im vorliegenden Fall § 2.3 des Urlaubsabkommens für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie in Südwürttemberg-Hohenzollern vom 23.1.1979, den Abgeltungsanspruch von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängig, so kommt es, ebenso wie im gleichgelagerten Fall des § 7 Abs 4 BUrlG darauf an, ob die Arbeitspflicht, bestünde das Arbeitsverhältnis fort, noch suspendiert werden könnte. Ist dies nicht der Fall, wäre der Urlaubsanspruch, der ein Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber von den nach dem Arbeitsverhältnis entstehenden Arbeitspflichten ist, nicht erfüllbar. Das gleiche gilt für den Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs.
Normenkette
TVG § 1; BUrlG § 7 Abs. 4
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 21.03.1986; Aktenzeichen 1 (5) Sa 5/86) |
ArbG Ulm (Entscheidung vom 18.10.1985; Aktenzeichen 3 Ca 238/84 R) |
Tatbestand
Der Kläger war bis 31. Dezember 1983 bei der Beklagten als Montagearbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war das Urlaubsabkommen für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie in Südwürttemberg-Hohenzollern vom 23. Januar 1979 (UA) anzuwenden. Darin ist u. a. geregelt:
" § 2
Urlaubsanspruch
2.1 Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Urlaubsjahr
einmal Anspruch auf bezahlten Urlaub. Das
Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.
...
2.3 Eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs ist nicht
zulässig.
Ausnahmen davon sind nur möglich bei Beendigung
des Arbeitsverhältnisses und bei längerer Krank-
heit, wenn und soweit dadurch kein Urlaub mehr
genommen werden kann.
...
...
2.4.1 Der volle Urlaubsanspruch entsteht erstmalig nach
einem sechsmonatigen ununterbrochenen Arbeitsver-
hältnis im Betrieb....
...
2.9 ...
Der Urlaubsanspruch verringert sich jedoch für jeden
weiteren vollen Monat um 1/12 des Jahresurlaubs,
...
- bei einer Krankheitsdauer von über 9 Monaten im
Urlaubsjahr.
...
...
2.11 Der Urlaubsanspruch, der während eines Urlaubs-
jahres entsteht, erlischt drei Monate nach Ablauf
des Urlaubsjahres, es sei denn, daß er erfolglos
geltend gemacht wurde."
Seit Mitte 1981 ist der Kläger ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Mit einem der Beklagten am 29. März 1984 zugegangenen Schreiben forderte der Kläger erfolglos Abgeltung von 9/12 seines Urlaubs für 1983 in unstreitiger Höhe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von DM 4.477,68 brutto
nebst 4 % Zinsen aus dem dem Bruttobetrag ent-
sprechenden Nettobetrag seit 15. Mai 1984 zu ver-
urteilen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Zutreffend haben Arbeits- und Landesarbeitsgericht den Klageanspruch als unbegründet abgewiesen. Der Kläger hatte zwar, als er am 31. Dezember 1983 aus dem Arbeitsverhältnis ausschied, einen Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs für das Jahr 1983 erworben. Dieser ist aber am 31. März 1984 erloschen.
I. Nach § 2.3 UA ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann. Als der Kläger am 31. Dezember 1983 aus dem Arbeitsverhältnis ausschied, erwarb er nach dieser mit § 7 Abs. 4 BUrlG übereinstimmenden Regelung einen Anspruch auf Abgeltung seines Erholungsurlaubs für das Urlaubsjahr 1983.
1. Der Urlaubsanspruch war entstanden. Der Kläger hatte die Wartezeit nach § 2.4.1 Satz 1 UA, § 4 BUrlG erfüllt. Die Entstehung des Anspruchs wurde nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Kläger seit Mitte 1981 keine Arbeitsleistungen erbracht hatte.
Der Senat hat sich bereits im Urteil vom 14. Mai 1986 (BAGE 52, 67, 69 = AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zu I 2 der Gründe) der Rechtsprechung des Sechsten Senats angeschlossen, nach der der gesetzliche Urlaubsanspruch nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses und die Erfüllung der sechsmonatigen Wartezeit nach § 4 BUrlG, nicht aber die Erbringung von Arbeitsleistungen im Urlaubsjahr voraussetzt. An dieser von ihm seither in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung hält der Senat fest.
2. Der Kläger hatte nach dem von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrag gem. § 2.9 UA im Jahr 1983 einen Urlaubsanspruch von 27 Tagen (9/12 des Jahresurlaubs von 36 Tagen) erworben.
3. Die Entstehung des Abgeltungsanspruchs setzte nicht voraus, daß der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsfähig war. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 7 Abs. 4 BUrlG (vgl. BAGE 46, 224 = AP Nr. 18 zu § 7 BUrlG Abgeltung; zuletzt Urteile des Senats vom 23. Juli 1987 - 8 AZR 42/85 - unveröffentlicht, und vom 22. Oktober 1987 - 8 AZR 172/86 - AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG Abgeltung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). § 2.1 und § 2.3 UA enthalten für den über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaub keine abweichenden Bestimmungen.
II. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers erloschen ist, weil er wegen fortdauernder Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis zum Verfallzeitpunkt des 31. März 1984 (§ 2.11 UA, § 7 Abs. 3 BUrlG) nicht erfüllbar war.
1. Zwar entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabhängig von einer etwaigen Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers. Er ist jedoch bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nicht mehr erfüllbar (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAGE 46, 224 = AP Nr. 18 zu § 7 BUrlG Abgeltung; BAGE 50, 107 = AP Nr. 24 zu § 7 BUrlG Abgeltung; BAGE 52, 67 = AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung). Macht eine tarifliche Regelung, wie im vorliegenden Fall § 2.3 UA, den Abgeltungsanspruch von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängig, so kommt es, ebenso wie im gleichgelagerten Fall des § 7 Abs. 4 BUrlG darauf an, ob die Arbeitspflicht, bestünde das Arbeitsverhältnis fort, noch suspendiert werden könnte. Ist dies nicht der Fall, wäre der Urlaubsanspruch, der ein Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber von den nach dem Arbeitsverhältnis entstehenden Arbeitspflichten ist (so bereits BAGE 45, 184 = AP Nr. 14 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch), nicht erfüllbar. Das gleiche gilt für den Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs (vgl. BAGE 46, 224; 50, 107; 52, 67 = AP Nr. 18, 24 und 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung).
2. Dem Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs steht nicht - wie die Revision meint - § 2.3 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. UA entgegen. Diese Tarifbestimmung trifft für das f o r t b es t e h e n d e Arbeitsverhältnis eine Urlaubsabgeltungsregelung. Sie greift ein, wenn und soweit der Urlaub wegen Krankheit des Arbeitnehmers nicht genommen werden konnte (vgl. für einen entsprechenden Fall zu § 43 Abs. 10 des Tarifvertrags für die Angestellten der Deutschen Bundespost vom 21. März 1961 BAG Urteil vom 22. Oktober 1987 - 8 AZR 171/86 - AP Nr. 38 zu § 7 BUrlG Abgeltung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Die Tarifbestimmung ist rechtlich unbedenklich, weil die Abgeltung von bereits verfallenem Urlaub nicht gegen das für das fortbestehende Arbeitsverhältnis geltende Abgeltungsverbot verstößt (vgl. BAG Urteil vom 26. Mai 1983 - 6 AZR 273/82 - AP Nr. 12 zu § 7 BUrlG Abgeltung). Die Regelung bewirkt jedoch nicht, daß Urlaub erhalten bleibt, der bis 31. März des nächsten Urlaubsjahres nicht genommen wurde (vgl. BAG Urteil vom 22. Oktober 1987, aa0).
3. Soweit die Revision sich auf das u. a. zu § 2.3 UA ergangene Urteil des Sechsten Senats vom 26. Mai 1983 (6 AZR 273/82 - AP Nr. 12 zu § 7 BUrlG Abgeltung) beruft, übersieht sie, daß es dort nur um die Abgeltung von Urlaub im f o r t b e s t e h e nd e n Arbeitsverhältnis ging.
III. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist dem Kläger auch nicht dadurch erhalten geblieben, daß er am 29. März 1984 von der Beklagten Zahlung verlangt hat. Darin lag keine erfolglose Geltendmachung i. S. d. § 2.11 UA.
1. Zwar hat der Kläger vor Ablauf der Verfallfrist (31. März 1984) mit dem bei der Beklagten am 29. März 1984 eingegangenen Schreiben Urlaubsabgeltung für 1983 gefordert. Damit hat er den Anspruch jedoch allenfalls für einen Urlaubstag, nämlich den 30. März 1984, geltend gemacht, denn der 31. März 1984 war ein arbeitsfreier Samstag.
Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BAGE 53, 328, 330 = AP Nr. 26 zu § 13 BUrlG, zu I 2 der Gründe) besagt eine Tarifregelung, die für den Erhalt des Urlaubsanspruchs auf die Geltendmachung bis zum 31. März abstellt, nicht, daß es ausreicht, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub vor diesem Zeitpunkt fordert. Den Verlust seines Urlaubsanspruchs kann der Arbeitnehmer nur dadurch vermeiden, daß er den Urlaub so rechtzeitig verlangt, daß der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, den Urlaubsanspruch vor dem 31. März zu erfüllen (BAG Urteil vom 7. November 1985 - 6 AZR 62/84 - AP Nr. 8 zu § 7 BUrlG Übertragung; ebenso schon BAGE 22, 85 = AP Nr. 1 zu § 7 BUrlG Urlaubsjahr). Entsprechendes gilt für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung (BAG Urteil vom 26. März 1987 - 8 AZR 89/85 - unveröffentlicht).
2. Im übrigen enthielt das Schreiben des Klägers vom 29. März 1984 auch deshalb keine erfolglose Geltendmachung, weil der Kläger arbeitsunfähig war, so daß die Beklagte den Urlaubsanspruch des Klägers und somit auch sein Surrogat, den Abgeltungsanspruch, nicht hätte erfüllen können.
Michels-Holl Dr. Peifer Dr. Wittek
Dr. Liebers Brückmann
Fundstellen