Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeit. Eingruppierung öffentlicher Dienst. Tarifrecht öffentlicher Dienst
Orientierungssatz
Die zeitliche Begrenzung der vertretungsweisen Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit (§ 24 Abs. 2 BAT) auf die Dauer der Verhinderung des Vertretenen entspricht regelmäßig billigem Ermessen iSv. § 315 BGB.
Normenkette
BAT §§ 24, 23, 22; Anlage 1a zum BAT VergGr. VIII und VergGr. Vb; BGB § 315
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin ab dem 1. März 2000 Anspruch auf Vergütung nach VergGr. Vb BAT hat. Dabei geht es darum, ob das beklagte Land der Klägerin eine höherwertige Tätigkeit nur vorübergehend zuweisen durfte oder ob sie der Klägerin auf Dauer zusteht.
Die am 1. Juli 1972 geborene Klägerin steht seit dem 30. Juli 1992 in den Diensten des beklagten Landes. Dem Arbeitsverhältnis liegt der schriftliche Arbeitsvertrag vom selben Tage zugrunde. Nach dessen § 2 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis ua. nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung.
Die Klägerin ist beim Versorgungsamt E beschäftigt. Sie wurde dort zunächst in der damaligen Rentengruppe 03 als Bürohilfskraft unter Eingruppierung in VergGr. VIII (Fallgr. 1a) BAT eingesetzt. Wegen ihrer guten Leistungen wurde sie entsprechend dem Schreiben des Versorgungsamtes E vom 24. November 1993 “mit sofortiger Wirkung in die den Merkmalen der Vergütungsgruppe Vc – Fgr. 1a – des Teils I der Anlage 1a zum BAT entsprechende Tätigkeit einer Rentenbearbeiterin unter Aufsicht und Anleitung eingearbeitet”. Mit Schreiben vom 4. Mai 1994 übertrug das Versorgungsamt E der Klägerin “mit sofortiger Wirkung … – längstens jedoch bis zum 31.12.1995 – gemäß § 24 Abs. 1 BAT vorübergehend zum Zwecke der Erprobung die Tätigkeit einer Rentenbearbeiterin, die den Merkmalen der Vergütungsgruppe Vc – Fallgruppe 1a – des Teils I der Anlage 1a zum BAT entspricht”. Unter dem 7. Juni 1994 teilte das Versorgungsamt E der Klägerin schriftlich mit, daß sie “in Anwendung des § 24 Abs. 1 BAT ab 01.05.1994 und für jeden folgenden vollen Kalendermonat dieser Tätigkeit eine persönliche Zulage” erhalte, die sich in ihrem Fall aus dem Unterschied zwischen den Vergütungen der VergGr. VIII und Vc BAT bemesse.
Mit Schreiben vom 24. Januar 1996 wurden der Klägerin “- jederzeit widerruflich – über den 31.12.1995 hinaus die höherwertigen Tätigkeiten nach Vergütungsgruppe Vc … BAT” unter Gewährung der damit verbundenen persönlichen Zulage weiter übertragen. Als sachlicher Grund für die vorübergehende Übertragung, die “längstens bis zum 31. August 1998” erfolgte, wurde in diesem Schreiben die Vertretung der Regierungsamtsinspektorin K, der ihrerseits zur vorübergehenden Wahrnehmung Tätigkeiten des gehobenen Dienstes übertragen seien, angeführt. Unter dem 12. November 1996 teilte das Versorgungsamt E der Klägerin schriftlich mit, Grund für die vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeiten nach VergGr. Vc BAT auf sie sei nunmehr bis zum 31. Oktober 1999 die Vertretung von Herrn G, der vorübergehend höherwertige Aufgaben im gehobenen Dienst wahrnehme. Schließlich wurden der Klägerin mit Schreiben des Versorgungsamtes E vom 13. Oktober 1997 die höherwertigen Tätigkeiten nach VergGr. Vc BAT vorübergehend solange übertragen, “wie die Bediensteten Frau M, Frau W und Frau Mi zeitgleich teilbeurlaubt sind, das ist längstens bis zum 2.1.2001”.
Seit dem 15. Mai 1998 sind der Klägerin ihrer Bewerbung vom 14. April 1998 entsprechend auf Dauer die Aufgaben einer Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes nach VergGr. Vc (Fallgr. 1a) BAT übertragen. Diese Tätigkeit übt sie in der Gruppe Orthopädische Versorgung aus. Diese Personalmaßnahme ist im Schreiben des Versorgungsamtes E vom 12. Mai 1998 damit begründet, sie erfolge in Umsetzung des Organisationserlasses des – damaligen – Landesversorgungsamtes des beklagten Landes, die mit dessen Verfügung vom 24. März 1998 – I/3 b-1042 – nunmehr bekannt gegeben worden sei.
Mit ihrer Klage erstrebt die seit dem 30. Dezember 1999 bis zum 2. November 2001 in Erziehungsurlaub (jetzt Elternzeit) befindliche Klägerin die Verpflichtung des beklagten Landes, sie ab 1. März 2000 nach VergGr. Vb BAT zu vergüten.
Die Klägerin hat vorgetragen, bei dem beklagten Land bestehe ein ständiger Vertretungsbedarf. Vertretungstätigkeiten, die immer wiederkehrend ausgeübt würden, seien aber nicht als nur vorübergehend auszuübende Tätigkeiten zu betrachten. Vorliegend seien die Vertretungstätigkeiten als Daueraufgabe anzusehen. Die nicht nur vorübergehende Übertragung von Tätigkeiten der VergGr. Vc BAT auf sie hätte spätestens am 1. Januar 1996 erfolgen müssen. Denn für die lediglich vorübergehende Übertragung der Tätigkeit einer Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes habe seit diesem Zeitpunkt kein sachlicher Grund mehr vorgelegen. Sie – die Klägerin – sei über drei Jahre auf Grund von drei relativ kurzfristig nacheinander erfolgten Zuweisungen mit Tätigkeiten einer Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes betraut gewesen. Insbesondere die kurzfristige Änderung der angeblich zu vertretenden Beschäftigten habe bestätigt, daß bei dem beklagten Land ein Dauervertretungsbedarf bestanden habe. Hinzukomme, daß ein kausaler Vertretungszusammenhang zwischen ihrer Tätigkeit und der Tätigkeit der angeblich vertretenen Beschäftigten nicht erkennbar sei. Seit dem 1. Januar 1996 habe sie deshalb Anspruch auf Vergütung nach VergGr. Vc BAT gehabt. Nach dreijähriger Bewährung in dieser Vergütungs- und Fallgruppe hätte sie seit dem 1. Januar 1999 nach VergGr. Vb (Fallgr. 1c) BAT vergütet werden müssen. Mit Rücksicht auf die tarifliche Ausschlußfrist fordere sie diese Vergütung seit dem 1. März 2000.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß die Klägerin seit dem 1. März 2000 nach Vergütungsgruppe Vb des Teils I der Anlage 1a zum BAT zu vergüten ist.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat geltend gemacht, da sich die Klägerin seit dem 30. Dezember 1999 im Erziehungsurlaub befinde, entfalle während dessen Dauer ihr Vergütungsanspruch gänzlich und werde durch den Anspruch auf Erziehungsgeld, der sich allerdings nicht gegen den Arbeitgeber richte, ersetzt. Die über drei Jahre erfolgte vorübergehende vertretungsweise Übertragung höherwertiger Tätigkeiten gem. § 24 Abs. 1 bzw. § 24 Abs. 2 BAT sei nicht rechtsmißbräuchlich gewesen, sondern sei jeweils mit einem konkreten Vertretungsgrund auch der Zeit nach erfolgt und daher rechtmäßig gewesen. Eine Vertretungskraft müsse nicht unbedingt dieselben Aufgaben verrichten wie der ausgefallene Arbeitnehmer, und es sei nicht einmal erforderlich, der Vertretungskraft Aufgaben zu übertragen, die auch vom Vertretenen vertraglich geschuldet würden. Davon abgesehen sei das Arbeitsverhältnis der Parteien durch sein – des beklagten Landes – Schreiben vom 12. Mai 1998 auf eine neue arbeitsvertragliche Grundlage gestellt worden. Die Abänderung des Arbeitsvertrages zum 15. Mai 1998 stehe einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit der vorausgegangenen vorübergehenden Tätigkeitsübertragungen entgegen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision erstrebt das beklagte Land die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage.
Unterschriften
Schliemann, Bott, Friedrich, Scherweit-Müller
Der ehrenamtliche Richter Dr. Dräger ist inzwischen ausgeschieden und deshalb an der Unterschrift verhindert.
Schliemann
Fundstellen
NZA 2003, 288 |
ZTR 2003, 81 |
PersR 2004, 1 |
ZfPR 2003, 50 |
NJOZ 2003, 2026 |
Tarif aktuell 2003, 5 |