Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuweisung einer Ersatztätigkeit bei Beschäftigungsverbot
Leitsatz (amtlich)
Ist eine Arbeitnehmerin während der Schwangerschaft wegen eines Beschäftigungsverbots gehindert, die vertragliche Arbeitsleistung zu erbringen, darf ihr der Arbeitgeber im Rahmen billigen Ermessens eine andere zumutbare Tätigkeit zuweisen. Die Zuweisung muß die Ersatztätigkeit so konkretisieren, daß beurteilt werden kann, ob billiges Ermessen gewahrt ist.
Normenkette
MuSchG § 11 Abs. 1, § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 4 Nr. 1, § 8; BGB §§ 315, 291, 288, 187 Abs. 1; ZPO § 319
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. Januar 1999 – 11 Sa 1740/98 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beklagte 4 % Zinsen aus dem dem Bruttobetrag von 7.211,95 DM entsprechenden Nettobetrag seit dem 9. Juli 1998 zu zahlen hat.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Anspruch der Klägerin auf Mutterschutzlohn wegen Ablehnung einer Ersatztätigkeit erloschen ist.
Die Klägerin ist medizinisch-technische Radiologieassistentin. Seit dem 1. Januar 1992 war sie in der Abteilung für Radiologie und Nuklearmedizin des vom Beklagten getragenen Krankenhauses beschäftigt. Im Herbst 1994 nahm die Klägerin ein Hochschulstudium auf. Mit Wirkung ab 1. Oktober 1994 vereinbarten die Parteien, daß die Klägerin als studentische Aushilfskraft in Nachtbereitschaftsdiensten arbeiten solle. Sie wurde nach einem monatlich im voraus vorliegenden Dienstplan an unterschiedlichen Tagen 3- bis 4mal im Monat mit durchschnittlich je 12,5 Stunden eingesetzt. Sie erzielte eine durchschnittliche Vergütung von 1.442,39 DM brutto monatlich. Daneben arbeitete sie seit Anfang 1998 als freie Mitarbeiterin in einem Zeitungsverlag.
Im Dezember 1997 wurde die Klägerin schwanger. Dies teilte sie dem Chefarzt Dr. B. am 27. Februar 1998 persönlich mit. In diesem Gespräch wurde die Frage einer anderweitigen Beschäftigung der Klägerin erörtert.
Unter dem 27. Februar 1998 schrieb die Klägerin an die Personalabteilung des Beklagten:
„… da ich aufgrund meiner Schwangerschaft keine Bereitschaftsdienste in der Röntgenabteilung durchführen darf, hat mir Herr Chefarzt Dr. B. am 27. Februar 1998 vorgeschlagen, meine im Bereitschafts- und Wochenenddienst geleistete Arbeit stattdessen im Tagdienst aufzunehmen. Leider kann ich dieses Angebot aufgrund meines Studiums nicht annehmen.”
In der Erwiderung des Beklagten vom 5. März 1998 heißt es:
„Bezug nehmend auf o.g. Schreiben möchten wir Ihnen mitteilen, daß es uns leid tut, daß Sie das von Herrn Dr. B. unterbreitete Angebot (Arbeit im Tagdienst) nicht annehmen können.
Das Dienstverhältnis ruht nun bis zur Wiederaufnahme der Arbeit.”
Die Klägerin hat behauptet, der Chefarzt habe erklärt, ihr sei ja bekannt, daß sie weiter bezahlt werde. Er müsse ihr anbieten, im Tagdienst zu arbeiten, wisse aber, daß sie aufgrund des Studiums dieses Angebot nicht annehmen könne. Die Klägerin hat Vergütungszahlung für die Zeit von Februar 1998 bis zum 19. August 1998 verlangt.
Sie hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 9.538,39 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem dem Bruttobetrag von 7.211,95 DM entsprechenden Nettobetrag ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat behauptet, der Chefarzt habe der Klägerin angeboten, im Tagdienst und in der „Röntgenauswertung” zu arbeiten. Die Klägerin habe daraufhin eindeutig, abschließend und endgültig erklärt, eine Tätigkeit im Tagdienst scheide „aufgrund ihres Studiums” definitiv aus. Daraufhin habe der Chefarzt erwidert, ein anderes Angebot könne er ihr nicht machen. Sie solle sich daher an die Personalabteilung wenden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen, soweit die Verurteilung den Zeitraum vom 1. März bis zum 19. August 1998 betrifft. Mit der Revision verfolgt der Beklagte insoweit seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben. Der Beklagte schuldet der Klägerin für die Zeit vom 1. März 1998 bis zum 19. August 1998 Mutterschutzlohn gemäß § 11 Abs. 1 MuSchG in Höhe von 8.096,00 DM brutto nebst 4 % Prozeßzinsen.
I. Die Klägerin hat im fraglichen Zeitraum ihre aufgrund der Vereinbarung vom 7. September 1994 geschuldete Arbeit als studentische Aushilfskraft für Nachtbereitschaftsdienste in der Klinik des Beklagten wegen eines im Gesetz aufgeführten Beschäftigungsverbots nicht erbracht. Die Klägerin durfte gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 Röntgenverordnung iVm. § 4 Abs. 4 Nr. 1 MuSchG sowie gemäß § 8 MuSchG jedenfalls seit 1. März 1998 die geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen.
II. Dem Anspruch der Klägerin steht ihre Weigerung, im Tagdienst zu arbeiten, nicht entgegen. Der Arbeitgeber darf zwar der von einem Beschäftigungsverbot betroffenen schwangeren Arbeitnehmerin eine zumutbare Ersatztätigkeit zuweisen. Lehnt diese eine solche Arbeit ab, verliert sie ihren Anspruch aus § 11 Abs. 1 MuSchG. Vorliegend fehlt es jedoch schon an der Zuweisung einer Ersatztätigkeit, zu deren Aufnahme die Klägerin verpflichtet gewesen wäre.
1. Das Bundesarbeitsgericht nimmt in ständiger Rechtsprechung an, daß ein Anspruch auf den Mutterschutzlohn des § 11 Abs. 1 MuSchG nur entsteht, wenn der Arbeitsausfall „wegen” eines Beschäftigungsverbots, dh. in Beachtung und Befolgung eines solchen Verbots eingetreten ist. Das Verbot selbst muß die Ursache für den Ausfall der Arbeit und des Arbeitsentgelts sein. An dieser Kausalität fehlt es, wenn die Arbeitnehmerin verpflichtet war, eine ihr zugewiesene andere nicht verbotene Tätigkeit aufzunehmen, und sie diese abgelehnt hat. Dann ist ihre Weigerung die Ursache des Arbeits- und Verdienstausfalls und nicht das Beschäftigungsverbot. Aus § 11 Abs. 1 MuSchG besteht dann kein Anspruch(BAG 31. März 1969 – 3 AZR 300/68 – BAGE 21, 370, 372; 22. April 1998 – 5 AZR 478/97 – BAGE 88, 279, 282; 21. April 1999 – 5 AZR 174/98 – AP MuSchG 1968 § 4 Nr. 5). Bei der Zuweisung einer Ersatztätigkeit hat der Arbeitgeber nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 315 BGB). In diesem Rahmen ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Einerseits hat die Arbeitnehmerin durch zumutbare Veränderungen ihrer Tätigkeit daran mitzuwirken, die finanziell nicht unerheblichen Folgen eines Beschäftigungsverbots für den Arbeitgeber möglichst gering zu halten. Sie muß deshalb für die absehbare Zeit bis zum Beginn der Mutterschutzfrist – mutterschutzrechtlich erlaubte und zumutbare – Tätigkeiten ausüben, zu denen sie im Wege des Direktionsrechts nicht angewiesen werden könnte. Andererseits muß die angebotene Ersatzarbeit auf den besonderen Zustand der Schwangeren und deren berechtigte persönliche Belange auch außerhalb der unmittelbaren Arbeitsbeziehung Rücksicht nehmen. Dies kann im Einzelfall bedeuten, daß sogar eine aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers an sich zulässige Zuweisung veränderter Arbeitsaufgaben für die schwangere Arbeitnehmerin unzumutbar ist(BAG aaO). Um die Zumutbarkeit der zugewiesenen Ersatztätigkeit ggf. im Rechtsstreit überprüfen zu können, muß die Zuweisung konkret erfolgen. Andernfalls müßte im Rechtsstreit über ein dann nachzuholendes und deshalb hypothetisches Angebot befunden werden. Für eine gerichtliche Beurteilung von Direktionsmaßnahmen, die vom Arbeitgeber gar nicht ausgesprochen wurden, besteht keine sachliche Rechtfertigung. Hat ihr der Arbeitgeber eine andere Tätigkeit zugewiesen, ist es Angelegenheit der Arbeitnehmerin, ihre die Zumutbarkeitsbeurteilung berührenden Argumente vorzubringen, um dem Arbeitgeber eine Überprüfung und etwaige Anpassung seiner Weisung zu ermöglichen.
2. Nach diesen Grundsätzen ist der Vergütungsanspruch der Klägerin nicht entfallen. Es fehlt an der Zuweisung einer Ersatztätigkeit, durch die die Arbeitspflicht der Klägerin auf eine andere als die bisher ausgeübte Tätigkeit konkretisiert worden wäre.
Der Beklagte hat sein Direktionsrecht, das im Rahmen des § 11 MuSchG aufgrund der oben erwähnten Verpflichtung der Schwangeren grundsätzlich auch die an sich vom Vertrag nicht gedeckte Zuweisung einer Tätigkeit im Tagdienst umfaßt, nicht ausgeübt. Er hat die Klägerin nicht angewiesen, für die Zeit des Beschäftigungsverbots eine bestimmte Tätigkeit in einem bestimmten Umfang zu einer bestimmten Zeit zu verrichten. Es hat zwar ein Gespräch zwischen der Klägerin und dem Chefarzt Dr. B. gegeben, doch ist auch bei Wahrunterstellung des Vortrags des Beklagten der Klägerin nicht erklärt worden, sie solle für die Zeit des Beschäftigungsverbots zu einer bestimmten festgelegten Zeit und in einem bestimmten Umfang eine Tätigkeit im Tagdienst erbringen. Eine solche Weisung war auch dann nicht entbehrlich, wenn die Klägerin es generell ablehnte, im Tagesdienst zu arbeiten. Angesichts der besonderen Arbeitszeitregelung der Klägerin waren die genaue Bezeichnung der bestimmten Tätigkeit, des bestimmten Umfanges und der bestimmten Arbeitszeiten unverzichtbar. Eine derartige Zuweisung ist auch später nicht mehr erfolgt.
III. Das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 24. September 1998 enthält hinsichtlich der Entscheidung über die Zinsansprüche der Klägerin eine offenbare Unrichtigkeit, weil es den Anfangstermin der Zinsschuld nicht angibt und in den Entscheidungsgründen ausführt: „Der Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 288 BGB”. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen und in den Entscheidungsgründen erklärt:
„Der Zinsanspruch beruht dem Grunde nach auf § 291 Satz 1 1. Halbs. BGB i.V.m. §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO und der Höhe nach § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 291 Satz 2 ZPO.”
Damit haben die Vorinstanzen den Anfangstermin der Zinszahlungspflicht nicht bestimmt. Dies beruht auf einem offenbaren Versehen, denn die Klägerin hatte mit ihrer Klage Zinsen „seit Rechtshängigkeit” verlangt. Dementsprechend wird in beiden Urteilen der Vorinstanzen § 291 BGB zitiert, der den Anspruch auf Prozeßzinsen ab Rechtshängigkeit behandelt.
Der Anfangstermin des Zinsanspruchs ist unverzichtbarer Bestandteil einer Verurteilung zur Zahlung von Prozeßzinsen. Sein Fehlen kann nach § 319 ZPO durch Berichtigung des Urteils korrigiert werden. Hierfür ist auch das befaßte Rechtsmittelgericht zuständig, solange der Rechtsstreit in der Rechtsmittelinstanz schwebt (ständige Rechtsprechung; BGH 18. Juni 1964 – VII ZR 152/62 – NJW 1964, 1858; BGH 9. Februar 1989 – V ZB 25/88 – BGHZ 106, 370, 373 f.). Der Zinsbeginn ist im Rahmen der Entscheidung über die Revision nachträglich zu bestimmen. Dabei ist der „9. Juli 1998” einzusetzen, denn die Klageschrift, die die Vergütungsansprüche bis einschließlich Juni 1998 in einer Gesamthöhe von 7.211,95 DM brutto betraf, ist dem Beklagten am 8. Juli 1998 zugestellt worden. Damit begann die Verzinsungspflicht entsprechend § 187 Abs. 1 BGB mit Beginn des Tages, der dem Tag folgte, an dem das maßgebliche Ereignis (= Zustellung der Klage) eintrat (BGH 24. Januar 1990 – VIII ZR 296/88 – NJW-RR 1990, 518, 519; Erman/Palm BGB 10. Aufl. § 187 Rn. 1; Palandt/Heinrichs BGB 59. Aufl. § 187 Rn. 1).
Unterschriften
Griebeling, Müller-Glöge, Kreft, Ackert, W. Hinrichs
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.11.2000 durch Metze, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 228 |
DB 2001, 597 |
NJW 2001, 1517 |
NWB 2001, 947 |
BuW 2001, 348 |
EBE/BAG 2001, 45 |
FamRZ 2001, 830 |
ARST 2001, 151 |
FA 2001, 61 |
NZA 2001, 386 |
SAE 2001, 283 |
ZAP 2001, 667 |
ZTR 2001, 274 |
AP, 0 |
AuA 2001, 286 |
MDR 2001, 698 |
PERSONAL 2001, 296 |
PERSONAL 2001, 327 |
ZfPR 2001, 273 |
PflR 2001, 193 |
RdW 2001, 310 |
FSt 2001, 811 |
PP 2001, 24 |