Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausweitung der regelmäßigen Arbeitszeit. Rettungssanitäter
Leitsatz (redaktionell)
1. § 15 Abs 2 BAT ermächtigt den Arbeitgeber, die Arbeitszeit seiner Angestellten unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen einseitig zu verändern (im Anschluß an BAG Urteil vom 12.2.1986, 7 AZR 482/84 = BAGE 51, 131 = AP Nr 7 zu § 15 BAT und BAG Urteil vom 25.6.1985, 3 AZR 347/83 = BAGE 49, 125 = AP Nr 4 zu § 9 TVAL II).
2. Eine auf § 15 Abs 2 BAT gestützte Erweiterung der regelmäßigen Arbeitszeit ist nicht ohne weiteres unwirksam, wenn sie mittelbar das Arbeitsentgelt der betroffenen Angestellten mindert, es sei denn, sie beseitigt eine bestandsschutzgesicherte Position der Angestellten. Im übrigen ist die Maßnahme auf die Einhaltung billigen Ermessens zu überprüfen.
3. Die Möglichkeit, auf Anordnung des Arbeitgebers Bereitschaftsdienst/Rufbereitschaft leisten zu können, gehört nicht zu den bestandsschutzgesicherten Positionen von Rettungssanitätern.
Normenkette
BAT § 15 Abs. 2; BGB § 315 Abs. 1; PersVG SH § 71 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 05.06.1984; Aktenzeichen 1 Sa 121/84) |
ArbG Husum (Entscheidung vom 21.12.1983; Aktenzeichen 2 Ca 578/83) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berechtigung des Beklagten, die wöchentliche Arbeitszeit der Kläger einseitig von 40 Stunden auf 55 Stunden verlängern zu können.
Der beklagte Landkreis erfüllt in seinem Gebiet Aufgaben des Rettungsdienstes gem. § 2 Abs. 1 des Schleswig-Holsteinischen Rettungsdienstgesetzes (RDG) vom 24. März 1975. Dazu unterhält er mehrere Rettungswachen, in denen die Kläger als Rettungssanitäter beschäftigt werden. Auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien finden seit dem 1. April 1982 die Bestimmungen des Bundes- Angestelltentarifvertrages Anwendung. Dem liegen Vereinbarungen der Parteien vom 24. März 1982 zugrunde, in denen u.a. bestimmt ist:
"Herr ... wird ab 1. April 1982 gemäß § 1 Abs. 2 BAT
in das Angestelltenverhältnis übernommen.
Der bestehende Arbeitsvertrag wird dahingehend geändert,
daß sich das Arbeitsverhältnis ab 1.4.1982 nach den
Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT)
mit den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen in
ihrer jeweils geltenden Fassung richtet. Das gleiche
gilt für die an ihre Stelle tretenden Tarifverträge.
Daneben finden die für den Bereich des Kreises jeweils
in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung.
Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt weiterhin ausschließlich
der Pausen durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich.
Die regelmäßige Arbeitszeit kann nach § 15
Abs. 2 BAT im Rahmen des Direktionsrechts verlängert
werden, wenn die Leistung von Arbeitsbereitschaft
durch den Angestellten erforderlich ist ... Der Angestellte
ist auf Anordnung des Arbeitgebers verpflichtet,
sich außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an
einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten,
um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst).
Der Angestellte ist verpflichtet, sich auf Anordnung
des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit
an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufzuhalten,
um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen (Rufbereitschaft)."
In den Einstellungsschreiben einiger Kläger hatte der Beklagte zuvor bereits ausgeführt:
"Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich
der Pausen 40 Stunden. Wir beabsichtigen
jedoch, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bis
auf durchschnittlich 55 Stunden wöchentlich zu erhöhen,
wenn unsere Vermutung zutrifft, daß in der regelmäßigen
Arbeitszeit nicht unerhebliche Arbeitsbereitschaften
enthalten sind."
Der Beklagte beschäftigte in den Rettungswachen neben Zivildienstleistenden 16 Rettungssanitäter im Jahr 1976, 31 Rettungssanitäter im Jahr 1978 sowie 1980 und 1982 jeweils 48 Rettungssanitäter. Diese führten 1976 15.491 Transporte, 1978 16.581 Transporte, 1980 24.205 Transporte und 1982 17.629 Transporte durch. Sie leisteten ihren Dienst zunächst überwiegend in Rufbereitschaft. Nach Inkrafttreten einer Landesverordnung zur Durchführung des Rettungsdienstgesetzes vom 2. Juli 1978 erfüllten die Kläger ihre Aufgaben im Schichtbetrieb. Nach einer erneuten organisatorischen Umstellung leisteten sie ab April 1982 in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft. Dafür erhielten sie neben der Grundvergütung eine Bereitschaftsdienstvergütung. Grundlage dessen ist eine Nebenabrede zu den Vereinbarungen vom 24. März 1982 vom gleichen Tage, wonach die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit zum Zwecke der Vergütungsabrechnung mit 40 v.H. als Arbeitszeit und die Zeit der Rufbereitschaft mit 12,5 v.H. als Arbeitszeit gewertet und für die errechnete Arbeitszeit Überstundenvergütung gezahlt wird.
Arbeitsaufzeichnungen der Rettungssanitäter im Jahr 1979 ergaben eine Auslastung von 48 %. Der Beklagte plante bereits damals, die regelmäßige Arbeitszeit der Rettungssanitäter zu verlängern. Aufgrund einer Verständigung mit der deswegen eingeschalteten Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr und den Arbeitnehmern nahm der Beklagte von einer Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit Abstand. Er setzte stattdessen die Rettungssanitäter in den Zeiten, in denen erfahrungsgemäß nur wenige Einsatzfahrten anfielen, in den Krankenhäusern ein. Dort erbrachten sie 1980 insgesamt 17.000 Arbeitsstunden. Das entsprach 22,7 v.H. der insgesamt zur Verfügung stehenden Arbeitsstunden. Kam es während der Einsatzzeiten im pflegerischen Bereich im Krankenhaus zu Rettungsdiensteinsätzen, so wurden die Rettungssanitäter per Telefon oder "Pieper" von ihrer Arbeit im Krankenhaus zum Einsatzort gerufen. Für die Leistungen der Rettungssanitäter erstatteten die Krankenhäuser dem Beklagten 180.000 DM jährlich.
Der Beklagte setzt die Rettungssanitäter seit dem 1. Januar 1983 nicht mehr in den Krankenhäusern ein, nachdem diese dem Beklagten Ende 1982 mitgeteilt haben, sie seien nicht in der Lage, die 180.000 DM jährlich zur Verfügung zu stellen. Daraufhin beschloß der Kreisausschuß, die Verwaltung zu beauftragen, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Rettungssanitäter auf 55 Stunden zu verlängern. Mit Schreiben vom 17. März 1983 teilte der Beklagte den Klägern folgendes mit:
"In seiner Sitzung am 20. Dezember 1982 hat der
Kreisausschuß beschlossen, Ihren Einsatz in den
Kreiskrankenhäusern mit Wirkung vom 1. April 1983
einzustellen. Diese Entscheidung wurde erforderlich,
da die Kreiskrankenhäuser die vereinbarten anteiligen
Personalkosten aus finanziellen Gründen nicht mehr
erstatten können. Durch den Wegfall Ihrer Arbeit in
den Kreiskrankenhäusern erhöht sich zwangsläufig der
Anteil der Bereitschaftszeiten an der Gesamtarbeitszeit.
Wir müssen daher von dem tariflichen wie auch
arbeitsvertraglichen Recht auf Verlängerung der regelmäßigen
wöchentlichen Arbeitszeit Gebrauch machen
und mit Wirkung vom 4. April 1983 gem. § 15 Abs. 2
BAT bzw. § 14 Abs. 2 BMT-G die regelmäßige durchschnittliche
wöchentliche Arbeitszeit von bisher
40 auf 55 Stunden erhöhen.
Der aufgrund dieser Entscheidung notwendigen Neugestaltung
Ihrer Dienstpläne hat der Personalrat gem.
§ 65 PersVG nicht zugestimmt. Da wir der Auffassung
sind, daß der Personalrat keine Gründe vorgelegt hat,
die die Ablehnung unseres Antrages berechtigen, haben
wir eine Entscheidung des Kreisausschusses beantragt.
Diese Entscheidung kann aus terminlichen Gründen vor
dem 1. April 1983 nicht mehr getroffen werden, so
daß wir die Durchführung des als Anlage beigefügten
Dienstplanes gem. § 65 Abs. 5 PersVG vorläufig anordnen
müssen."
Der Personalrat erklärte in der Sitzung des Kreisausschusses vom 11. April 1983, er werde keine weiteren Maßnahmen unternehmen. Er gehe davon aus, die Mitarbeiter klärten die anstehenden rechtlichen Fragen durch Klagen vor dem Arbeitsgericht. Sollten keine Einzelklagen folgen, gehe er davon aus, daß die Dienstpläne endgültigen Charakter hätten.
Bei einer Arbeitszeit von 11 Stunden haben die Kläger durchschnittlich 1,5 Einsätze zu fahren, die einer Einsatzzeit von 1,86 Stunden entsprechen. Die durchschnittliche Dauer einer Einsatzfahrt beträgt 74 Minuten. Ein Teil der Transportfahrten ist zeitlich vorbestimmt.
Die Kläger haben vorgetragen, die Voraussetzungen für eine Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 15 Abs. 2 BAT seien nicht gegeben. In die regelmäßige Arbeitszeit falle keine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens drei Stunden täglich. Die Annahme von Arbeitsbereitschaft scheide schon deswegen aus, weil sie zu jeder Zeit damit zu rechnen hätten, durch Einsätze in Anspruch genommen zu werden. Es sei für sie nicht erkennbar, wann Arbeitsbereitschaft vorliege. Sie wendeten neben der Zeit für Einsatzfahrten durchschnittlich täglich 1,5 Stunden für Reinigungs-, Vor- und Nachberatung bei den Einsatzfahrten, 3,5 Stunden für das Säubern der Räume, Garage, Wartungsarbeiten, Verlegungsfahrten, Aufsuchen eines anderen Standortes und 2,4 Stunden für das Abhören des Funkverkehrs auf. Alle anfallenden Tätigkeiten stellten Arbeit und keine Arbeitsbereitschaft dar. Zum Abhören des Funkverkehrs seien sie verpflichtet. Unabhängig davon finde das dem Arbeitgeber zustehende Direktionsrecht seine Grenze grundsätzlich dort, wo seine Ausübung wie im vorliegenden Fall materielle Auswirkungen habe. Der Beklagte wolle lediglich die Bezüge der Kläger kürzen, obwohl er nach wie vor die gleiche Arbeitsleistung von ihnen fordere. Schließlich verbiete der Vertrauensschutz die einseitige Verlängerung der Arbeitszeit. Der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.
Die Kläger haben beantragt
festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen
der Kläger, ausgesprochen mit Wirkung
vom 5. April 1983, rechtsunwirksam ist und das
Beschäftigungsverhältnis auf der Grundlage des
bisherigen Arbeitsverhältnisses fortbesteht.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, er sei gem. § 15 Abs. 2 BAT berechtigt gewesen, die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Kläger auf 55 Stunden zu verlängern. Außerhalb der eigentlichen Einsätze und der Nebenarbeiten liege Arbeitsbereitschaft der Kläger vor. Die Arbeitsbereitschaft mache durchschnittlich täglich mindestens 3 Stunden aus. Die überwiegende Zahl der Arbeitsbereitschaften betrage einen Zeitraum von 15 Minuten und länger. Bei großzügiger Bewertung der neben den Einsatzfahrten anfallenden Nebenarbeiten sei von einem täglichen Zeitaufwand von höchstens einer Stunde auszugehen. Das Abhören des Funkverkehrs in den Rettungswachen sei nicht erforderlich und auch nicht angeordnet. Die Überwachung des Funkverkehrs erfolge allein in der Leitstelle. Das teilweise Abhören des Funkverkehrs durch die Wachen werde von dem Beklagten zwar geduldet, gehöre aber nicht zu den Dienstaufgaben der Rettungssanitäter. Sofern die Überwachung von den Klägern für zweckmäßig gehalten werde, genüge die entsprechende Aufmerksamkeit eines Rettungssanitäters. Auch das Abhören des Funkverkehrs sei eine Dienstleistung minderer Anspannung und gehöre zur Arbeitsbereitschaft.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Beklagte habe die Änderung der Arbeitsbedingungen der Kläger nicht im Rahmen des Direktionsrechts vornehmen dürfen. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers gelte auch im Rahmen des § 15 Abs. 2 BAT nur insoweit, als die arbeitsvertraglichen Bedingungen, insbesondere die Höhe der Vergütung, nicht geändert werde. Die in § 15 BAT enthaltene Ermächtigung beziehe sich nur auf die Arbeitszeit und nicht auf das Arbeitsentgelt. § 15 Abs. 2 BAT könne auch zur Anwendung kommen, ohne daß sich eine solche Maßnahme auf das Arbeitsentgelt der betroffenen Arbeitnehmer auswirke. Dem Beklagten gehe es aber darum, den bisher zusätzlichen Verdienst der Kläger zum Wegfall zu bringen. Es sei unerheblich, daß dieser Erfolg nur mittelbar über die Umgestaltung der Arbeitszeit eintrete. Es genüge, daß der Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen mit dem Ziel einer Minderung des Arbeitsentgelts verändere. Eine derartige Änderung habe der Beklagte allenfalls mit dem Mittel der Änderungskündigung herbeiführen können.
II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsurteil ist entgegen der Auffassung der Revision allerdings nicht wegen einer Verletzung des § 543 ZPO aufzuheben. Durch die Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil mag das Landesarbeitsgericht ebenso wie das Arbeitsgericht seiner Würdigung einen unrichtigen, mit dem Parteivorbringen nicht übereinstimmenden Sachverhalt zugrunde gelegt haben. Dieser Mangel führt jedoch nicht dazu, daß dem Revisionsgericht die Beurteilung des Parteivorbringens so wesentlich erschwert wird, daß die Überprüfung des Berufungsurteils auf Rechtsfehler unmöglich geworden ist (BAG Urteil vom 4. November 1981 - 5 AZR 646/79 - AP Nr. 3 zu § 543 ZPO 1977, m.w.N.). Der Beklagte mag in der erneuten Berufungsverhandlung auf die Richtigstellung bei der Wiedergabe des Sachverhaltes drängen und ggf. Tatbestandsberichtigung beantragen.
2. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Antrag der Kläger im Sinne des § 253 ZPO hinreichend bestimmt und die Klage damit nicht unzulässig. Soweit der Beklagte rügt, beim Antrag einiger Kläger sei nicht erkennbar, welche konkrete Änderung der Arbeitsbedingungen rechtsunwirksam sein solle, weil entsprechender Sachvortrag fehle, werden damit Fragen der Begründetheit, nicht der Zulässigkeit angesprochen. Der in der Berufungsinstanz im Vergleich zum erstinstanzlichen Antrag geänderte Antrag der Kläger beschreibt für alle hinreichend deutlich, daß sie die Verlängerung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden auf 55 Stunden für unwirksam halten.
3. Das Berufungsurteil kann aber keinen Bestand haben, weil das Landesarbeitsgericht Inhalt und Tragweite des § 15 Abs. 2 BAT verkannt und damit diese Norm verletzt hat.
a) Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht zunächst davon aus, § 15 Abs. 2 BAT ermächtige den Arbeitgeber, die Arbeitszeit seiner Angestellten unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen einseitig zu verändern. Die Tarifnorm erweitert das allgemeine Weisungsrecht des Arbeitgebers auf dem Gebiet der Arbeitszeit. Das ist die einhellige Auffassung in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und im Schrifttum (BAGE 51, 131, 137, 140 = AP Nr. 7 zu § 15 BAT; BAG Urteil vom 26. Juni 1985 - 4 AZR 585/83 - AP Nr. 4 zu § 9 TVAL II; Clemens/Scheuring/Steingen/Görner/Opalke, BAT, 87. Ergänzungslieferung, Stand Juli 1987, § 15 Anm. 10 a und b am Ende unter Hinweis auf die Stellungnahme des Arbeitgeberkreises der BAT-Kommission vom 4. November 1975; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, 143. Ergänzungslieferung, Stand März 1988, § 15 Anm. 3; Crisolli/Ramdohr, BAT, 163. Ergänzungslieferung, Stand März 1988, § 15 Anm. 16; Scheuring/Steingen/Banse, MTL II, Stand 1. November 1987, § 15 Anm. 10; Scheuring/Steingen, MTB II, Stand 1. November 1987, § 15 Anm. 10). Dem schließt sich der Senat an. Der Wortlaut der Tarifvorschrift besagt zwar nichts über die Form der Ausweitung der regelmäßigen Arbeitszeit. Er läßt auch die Auslegung zu, die Arbeitszeit könne lediglich im Einverständnis mit den betroffenen Arbeitnehmern oder mittels Änderungskündigung erweitert werden. Sinn und Zweck der Regelung sowie die tarifliche Gesamtsystematik hindern jedoch eine derart eingeschränkte Auslegung.
aa) Das Recht, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig beschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers nach Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung zu bestimmen, steht im Arbeitsverhältnis dem Arbeitgeber zu (allgemeines arbeitsrechtliches Weisungsrecht; vgl. BAGE 33, 71, 75 und 47, 363, 375 = AP Nr. 26 und 27 zu § 611 BGB Direktionsrecht; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Aufl., S. 226). Es finden sich im BAT keine Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien von diesem Grundsatz eine Ausnahme machen und die grundsätzliche Möglichkeit der Ausweitung der Arbeitszeit strengeren Voraussetzungen unterwerfen wollten.
bb) Die Bestimmungen über die Veränderung der regelmäßigen Arbeitszeit in den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes wie z.B. im § 15 Abs. 2 BAT, § 15 Abs. 2 MTL II, § 15 Abs. 2 MTB II und § 9 Abs. 2 a TVAL II sind ferner an der Aufgabenstellung des öffentlichen Dienstes zu messen. Staat, Gemeinden und Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie andere Träger öffentlicher Aufgaben sehen sich des öfteren vor die Situation gestellt, auf die kurzfristig und/oder nur für einen beschränkten Zeitraum veränderten Bedürfnisse der von ihnen versorgten Bürger reagieren zu müssen.
Dem kann bei der Verlängerung der Arbeitszeit nur durch Zubilligung eines einseitigen Weisungsrechts entsprochen werden. Die Notwendigkeit einer einvernehmlichen Beendigung oder die Veränderung der Arbeitszeit mit dem Mittel der Änderungskündigung hinderten die notwendige Reaktion des öffentlichen Arbeitgebers auf veränderte Umstände, zumal angesichts der Berücksichtigung unterschiedlicher sozialer Gesichtspunkte über eine Änderungskündigung keine gleichmäßige Ausbreitung der Arbeitszeit auf alle Mitarbeiter einer Dienststelle zu erreichen sein dürfte.
cc) Eine eingeschränkte Interpretation ließe die Bedeutung des § 15 Abs. 2 BAT auch auf eine deklaratorische Wiedergabe des § 7 Abs. 2 AZO sinken. Die Norm hätte keinen eigenen Regelungsgehalt mehr. Das entspricht nach Auffassung des Senats nicht dem Willen der Tarifvertragsparteien, die vielmehr die Arbeitsverhältnisse der Angestellten des öffentlichen Dienstes von vornherein mit der Möglichkeit belasten wollten, daß der Arbeitgeber unter bestimmten, überprüfbaren Voraussetzungen in das Freizeitvolumen der Arbeitnehmer eingreifen darf.
dd) Auch wenn § 15 Abs. 2 BAT keinen so deutlichen Hinweis auf das erweiterte Weisungsrecht enthält, wie er in § 9 Abs. 4 TVAL II für § 9 Abs. 2 a TVAL II zu finden ist, gilt für den Bereich des BAT nichts abweichendes. Denn wie die im übrigen identisch formulierten Regeln über die Arbeitszeit in den verschiedenen Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes zeigen, wollten die Tarifvertragsparteien eine gleichmäßige Behandlung der Mitarbeiter in den verschiedenen Einrichtungen der Verwaltungen sichern (Einheit des öffentlichen Dienstes). Das verbietet eine unterschiedliche Interpretation der Arbeitszeitbestimmungen.
b) Das Landesarbeitsgericht verkennt jedoch den Umfang des in § 15 Abs. 2 BAT bestimmten Weisungsrechts, wenn es meint, die dortige Ermächtigung beziehe sich nur auf die Arbeitszeit, nicht auf das Arbeitsentgelt. Eine auf § 15 Abs. 2 BAT gestützte Maßnahme dürfe auch nicht mittelbar das Arbeitsentgelt mindern. Für eine derartige einschränkende Auslegung bieten weder der Wortlaut der Tarifnorm noch der Gesamtzusammenhang noch der Sinn und Zweck der Regelung einen Anhaltspunkt.
aa) Eine auf der Ermächtigung des § 15 Abs. 2 BAT vom Arbeitgeber angeordnete Verlängerung der Arbeitszeit bewirkt zunächst eine Verringerung des Freizeitvolumens des Angestellten. Seine Grundvergütung wird davon nicht betroffen. Er erhält sie wie bisher, ohne dafür mehr arbeiten zu müssen. Dem Arbeitgeber muß er für dasselbe Entgelt lediglich mehr Zeit zur Verfügung stellen. Wegen dieser Belastung ist der Arbeitgeber in der Ausübung des ihm zustehenden, tariflich erweiterten Weisungsrechts nicht frei. Die Ausübung unterliegt billigem Ermessen im Sinne des § 315 Abs. 1 BGB, d.h. die vom Arbeitgeber angeordnete Maßnahme muß unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls billigem Ermessen entsprechen. Die Ausübung des Ermessens ist gerichtlich überprüfbar.
Zu den zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalls gehört auch die Tatsache, daß dem Angestellten mit dem Eingriff in sein Freizeitvolumen die Möglichkeit genommen wird, seine Arbeitskraft im Rahmen der arbeitszeitlichen Grenzen zu verwerten, sei es durch Überstunden, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft beim selben Arbeitgeber, sei es durch eine statthafte Nebentätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber. Denn mit dem grundsätzlich statthaften Eingriff in die bisherige Freizeitmenge ist stets mittelbar der Verlust des Arbeitnehmers verbunden, seine Arbeitskraft in der erweiterten Arbeitszeit anderweitig verwerten zu können. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Ausübung des Weisungsrechts nicht nur die Möglichkeit der anderweitigen Verwertung der Arbeitskraft einschränkt, sondern bisher ausgeübte Zusatz- und/oder Nebentätigkeiten tatsächlich verhindert oder sogar bezweckt. Die Maßnahme als solche bleibt statthaft. Lediglich die Umstände des Einzelfalles dürfen bei der Abwägung aller Einzelumstände anderweitig gewichtet werden.
bb) Die auf diese Weise durchgeführte Beeinträchtigung der (Neben-) Verdienstmöglichkeiten durch Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 15 Abs. 2 BAT insbesondere mit dem Ziel, bisher durch Mehrarbeit entstandene Gehaltskosten abzubauen, unterliegt nur dann nicht dem Maßstab der Billigkeitskontrolle, sondern einer gerichtlichen Kontrolle nach den Regeln des Kündigungsschutzgesetzes, wenn dadurch kündigungsschutzrechtlich gesicherte Positionen der Arbeitnehmer abgebaut werden und sich die Maßnahme des Arbeitgebers als Umgehung des allgemeinen Kündigungsschutzes erweist. Sie wäre dann nach § 134 BGB nichtig. Stattdessen hätte eine Änderungskündigung mit dem Änderungskündigungsschutzverfahren durchgeführt werden müssen.
So verhält es sich im Streitfall aber nicht. Durch die Anordnung des Beklagten, die regelmäßige Arbeitszeit betrage künftig 55 Stunden wöchentlich statt bisher 40 Stunden wöchentlich, entfällt für die Kläger die Möglichkeit, wie bisher während der Zeitdifferenz von 15 Stunden wöchentlich Bereitschaftsdienst zu leisten und dafür nach Umrechnung der Bereitschaftsdienstzeit in Arbeitszeit Vergütung incl. Überstundenvergütung verlangen zu können. Die Möglichkeit, Bereitschaftsdienst zu leisten und damit mehr Arbeitsentgelt zu verdienen als die monatliche Grundvergütung, gehört aber nicht zu den bestandsschutzgesicherten Positionen in den Arbeitsverhältnissen der Parteien. Denn die Kläger haben weder nach dem Tarifvertrag noch nach den einzelvertraglichen Vereinbarungen der Parteien einen Anspruch auf Ableistung von Bereitschaftsdienst. Die Vereinbarung vom 24. März 1982 und die Nebenabrede dazu vom gleichen Tag beschreiben nur die Pflicht der Angestellten, im Anordnungsfall Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft leisten zu müssen, sowie die Vergütungsberechnung dafür. Die vertraglich abgesicherte Möglichkeit, Bereitschaftsdienst anordnen zu können, enthält aber nicht zugleich die Pflicht des Arbeitgebers, Bereitschaftsdienst anordnen zu müssen (vgl. BAG Urteil vom 4. Dezember 1986 - 6 AZR 226/84 - n.v.). Vielmehr steht es im pflichtgemäßen, nach § 315 BGB überprüfbaren Ermessen des Arbeitgebers, den Arbeitsanfall entweder durch Bereitschaftsdienste oder durch zeitversetzte und geteilte Dienste, aber auch durch Ausweitung des Arbeitszeitrahmens zu bewältigen. Der Beklagte hätte also die in der Vergangenheit angeordneten Bereitschaftsdienste statt durch Ausweitung des Arbeitszeitraumrahmens auch durch Einführung von Schichtdienst ablösen können, ohne daß die Anordnung anders als durch gerichtliche Beurteilung auf Ausübung billigen Ermessens hätte überprüft werden können. Keine der Ablösungsmöglichkeiten der bisherigen Bereitschaftsdienste hätte der Änderungskündigung bedurft. Sie stellen sich nicht als Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes dar.
4. Die Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit bedurfte nicht der Zustimmung des Personalrats. Die Bestimmung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen in § 71 Abs. 3 Nr. 1 PersVG Schleswig-Holstein begründet ebenso wie § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Dauer der geschuldeten wöchentlichen Arbeitszeit (BAGE 51, 134; BAG Beschluß vom 13. Oktober 1987 - 1 ABR 10/86 - zur Veröffentlichung bestimmt). Erst wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit bestimmt ist, hat der Personalrat über die Verteilung auf den Arbeitstag und auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen (BAG Beschluß vom 13. Oktober 1987, aaO).
5. Da das Landesarbeitsgericht die tariflichen Voraussetzungen für die Anordnung des Beklagten nicht überprüft und dementsprechend die Maßnahme nicht auf die Einhaltung billigen Ermessens beurteilt hat, kann der Senat den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Die Sache muß vielmehr insoweit zur Prüfung und Bewertung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden.
a) Dabei sollte das Landesarbeitsgericht die Parteien zunächst darauf hinweisen, daß der Sachvortrag bisher in einigen Punkten ungenügend ist. So ist nicht für jeden Kläger bekannt, seit wann er bei dem Beklagten beschäftigt ist. Es liegen ebensowenig die Arbeitsverträge/Einstellungsschreiben aller Kläger vor wie unbekannt ist, ob alle Kläger die Vereinbarung vom 24. März 1982 incl. Nebenabrede mit dem Beklagten getroffen haben (wegen der Bedeutung dieser Tatsache vgl. BAGE 47, 363, 375 = AP Nr. 27 zu § 611 BGB Direktionsrecht). Ferner ist der Verdienst der Kläger aus dem Bereitschaftsdienst unbekannt. Bisher haben die Parteien lediglich den Verdienst des Klägers zu 1) für einen Monat mit 430,-- DM angegeben. Diese Umstände können für die Beurteilung des billigen Ermessens ebenso von Bedeutung sein, wie die Höhe der Grundvergütung der Kläger, die sich nach ihrer bisher nicht festgestellten Einstufung richtet. Das Landesarbeitsgericht sollte desweiteren durch entsprechende Auflagen klären, welche Bedeutung die bisherige "Erstattung" der Kreiskrankenhäuser an den Kreis und die Folgen der "Einstellung der Erstattung" für die Entscheidung über die Erweiterung der regelmäßigen Arbeitszeit zukommt. Nach dem bisherigen Vortrag des Beklagten ist nicht ersichtlich, wie weit sich die Verwendung der Begriffe "Erstattung" und "die Krankenhäuser seien dazu nicht mehr in der Lage" rechtfertigt. Da die Kreiskrankenhäuser Einrichtungen des Beklagten sind, liegt es nahe, lediglich von einer haushaltsmäßigen Umverteilung und nicht von einer Erstattung der Einrichtung an die Gebietskörperschaft auszugehen. In diesem Fall könnte der krankenversicherungsrechtliche Hintergrund eine Rolle spielen, der die Kreiskrankenhäuser zu ihrer Haltung veranlaßt haben könnte. Schließlich sollten die Parteien klären, daß die Kläger vor dem 1. April 1983 Bereitschaftsdienst und nicht Arbeitsbereitschaft erbracht haben, wie das Arbeitsgericht wohl unter Verwechslung der Begriffe angenommen hat.
b) Das Landesarbeitsgericht wird sodann durch Erhebung der von den Parteien angebotenen Beweise aufzuklären haben, ob in die bisherige tägliche achtstündige Arbeitszeit wenigstens drei Stunden Arbeitsbereitschaft gefallen sind oder ob mehr als fünf Stunden pro Tag Vollarbeit von den Klägern zu verrichten war. Dabei wird es die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu beachten haben, wonach es sich bei der Arbeitsbereitschaft um Zeiten wacher Achtsamkeit im Zustande der Entspannung handelt (vgl. insbesondere die zur Arbeitsbereitschaft von Rettungssanitätern ergangene Entscheidung des Siebten Senats vom 12. Februar 1986, BAGE 51, 131 = AP Nr. 7 zu § 15 BAT; ferner BAG Urteil vom 30. Januar 1985 - 7 AZR 446/82 - AP Nr. 2 zu § 35 BAT; BAG Urteil vom 28. Januar 1981 - 4 AZR 892/78 - AP Nr. 1 zu § 18 MTL II). In diesem Zusammenhang kommt auch dem Streitpunkt der Parteien Bedeutung zu, ob das Abhören des Funkverkehrs zu den Pflichten der Kläger gehört und den Charakter der Wartezeit eines oder aller anwesenden Rettungssanitäter ändert oder nicht.
c) Sofern das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis kommt, die tariflichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 BAT für eine Verlängerung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf 55 Stunden seien gegeben, wird es zu überprüfen haben, ob die von dem Beklagten angeordnete Ausweitung der regelmäßigen Arbeitszeit billigem Ermessen entspricht oder nicht. Dazu wird das Landesarbeitsgericht alle bereits bekannten und noch aufzuklärenden Umstände gegeneinander abzuwägen haben. Weitere Hinweise vermag der Senat insoweit nicht zu geben.
Dr. Röhsler Dr. Jobs Dörner
Ramdohr Buschmann
Fundstellen
BAGE 58, 19-30 (LT1-3) |
BAGE, 19 |
DB 1988, 1855-1856 (LT1-3) |
NJW 1989, 1564 |
RdA 1988, 317 |
ZTR 1988, 416-418 (LT1-3) |
AP § 15 BAT (LT1-3), Nr 11 |
EzBAT § 15 BAT Verlängerung der Arbeitszeit, Nr 1 (LT1-3) |
PersR 1989, 76-79 (LT1-3) |
VR 1989, 424 (K) |