Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag bei Tanzgruppenmitgliedern
Leitsatz (redaktionell)
1. Die im Tarifvertrag "Normalvertrag Tanz" vom 9. Juni 1980 vorgesehene Befristung von Arbeitsverhältnissen mit Tanzgruppenmitgliedern ist zulässig (im Anschluß an BAG Urteil vom 21.5.1981 - 2 AZR 1117/78 = BAGE 35, 309 = AP Nr 15 zu § 611 BGB Bühnenengagementsvertrag).
2. Der Arbeitgeber braucht die Gründe für die von ihm beabsichtigte Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses erst bei der in § 24 Abs 4 Normalvertrag Tanz vorgesehenen Anhörung des Bühnenmitglieds mitzuteilen (im Anschluß an BAG Urteil vom 11.3.1982 - 2 AZR 233/81 = BAGE, 39, 1 = AP Nr 19 zu § 611 BGB Bühnenengagementsvertrag).
3. Rügen gegen das Verfahren des Bühnenoberschiedsgerichts sind unter Beachtung des § 67 Abs 2 ArbGG jedenfalls in den Tatsacheninstanzen des arbeitsgerichtlichen Aufhebungsverfahrens (§ 110 ArbGG) vorzubringen; sie müssen den Anforderungen des § 554 Abs 3 Nr 3b ZPO entsprechen.
Normenkette
TVG § 1; BGB §§ 611, 620 Abs. 1; ArbGG § 110 Fassung: 1979-07-02
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 09.01.1985; Aktenzeichen 7 Sa 966/84) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 15.08.1984; Aktenzeichen 9 Ca 3785/84) |
Tatbestand
Die Klägerin war seit dem 1. März 1970 bei der Bayerischen Staatsoper, die vom Beklagten betrieben wird, als Gruppentänzerin beschäftigt. Ihren letzten Arbeitsvertrag mit dem Beklagten schloß sie am 16. Dezember 1980 für die Spielzeit 1980/81, d.h. bis zum 31. August 1981. Gemäß § 9 dieses Vertrages entscheiden über alle Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis unter Ausschluß des ordentlichen Rechtswegs die zwischen den Tarifvertragsparteien des Normalvertrags Tanz vereinbarten Schiedsgerichte. Gemäß § 7 des Vertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Normalvertrag Tanz und den ihn ergänzenden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen sowie den sonstigen vom Deutschen Bühnenverein über die Dienstverhältnisse der Tanzgruppenmitglieder abgeschlossenen Tarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung. § 24 des Normalvertrags Tanz vom 9. Juni 1980 (NVT) lautet:
Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Nichtverlängerung
(1) Das Arbeitsverhältnis endet mit dem im Arbeitsvertrag
vereinbarten Zeitpunkt. Ein mindestens für ein Jahr
(Spielzeit) abgeschlossener Arbeitsvertrag verlängert
sich zu den gleichen Bedingungen um ein Jahr (Spiel-
zeit), es sei denn, eine Vertragspartei teilt der an-
deren bis zum 31. Oktober der Spielzeit, mit deren
Ablauf der Arbeitsvertrag endet, schriftlich mit,
daß sie nicht beabsichtigt, den Arbeitsvertrag zu
verlängern (Nichtverlängerungsmitteilung).
(2) Besteht das Arbeitsverhältnis am Ende einer Spielzeit
ununterbrochen mehr als acht Jahre (Spielzeiten), muß
die Nichtverlängerungsmitteilung der anderen Ver-
tragspartei bis zum 31. Juli der jeweils vorange-
gangenen Spielzeit schriftlich zugegangen sein.
(3) .....
(4) Bevor der Arbeitgeber eine Nichtverlängerungsmittei-
lung ausspricht, hat er das Tanzgruppenmitglied - auf
dessen schriftlichen Wunsch auch den Sprecher der
Tanzgruppe oder das von dem Tanzgruppenmitglied be-
nannte Vorstandsmitglied des Lokalverbandes der ver-
tragschließenden Gewerkschaft, das an der gleichen
Bühne beschäftigt ist - zu hören.
Das Tanzgruppenmitglied und der von ihm nach Unterab-
satz 1 Benannte sind unter Berücksichtigung der durch
die Theaterferien oder einen Gastierurlaub bedingten
Abwesenheit des Tanzgruppenmitglieds spätestens zwei
Wochen vor den in den Absätzen 1 und 2 genannten Zeit-
punkten zu hören, es sei denn, das Tanzgruppenmit-
glied verzichtet schriftlich darauf, gehört zu werden.
Unterläßt es der Arbeitgeber, das Tanzgruppenmitglied
fristgerecht zu hören, ist die Nichtverlängerungsmit-
teilung unwirksam.
Ist das Tanzgruppenmitglied durch Arbeitsunfähigkeit
oder aus einem anderen Grunde verhindert, die Anhörung
bis zu dem in Unterabsatz 2 genannten Zeitpunkt wahr-
zunehmen, oder nimmt das Tanzgruppenmitglied die An-
hörung nicht wahr, bedarf es seiner Anhörung zur
Wirksamkeit der Nichtverlängerungsmitteilung nicht. Im
Falle der Verhinderung ist der Arbeitgeber auf
schriftlichen Wunsch des Tanzgruppenmitgliedes jedoch
verpflichtet, den Sprecher der Tanzgruppe oder das von
dem Tanzgruppenmitglied benannte Vorstandsmitglied des
Lokalverbandes der vertragschließenden Gewerkschaft,
das an dem gleichen Theater beschäftigt ist, zu
hören; Satz 1 gilt entsprechend. Der schriftliche
Wunsch muß dem Arbeitgeber spätestens zwei Wochen vor
den in den Absätzen 1 und 2 genannten Zeitpunkten
zugegangen sein. In diesem Falle muß die Anhörung
spätestens drei Tage vor den in den Absätzen 1 und 2
genannten Zeitpunkten vorgenommen sein.
Der auf Wunsch des Tanzgruppenmitgliedes beteiligte
Sprecher der Tanzgruppe und das beteiligte Vor-
standsmitglied des Lokalverbandes der vertrag-
schließenden Gewerkschaft haben über den Inhalt der
Anhörung gegenüber Dritten Vertraulichkeit zu wahren.
Die Protokollnotiz zu dieser Vorschrift lautet:
Die Einhaltung von Form und Fristen der Nichtverlänge-
rungsmitteilung sowie die fristgerechte Durchführung des
Anhörungsverfahrens sind Voraussetzung der Rechtswirk-
samkeit der Nichtverlängerungsmitteilung. Weitere Fälle
der Unwirksamkeit werden durch diese Vorschriften nicht
begründet.
Die Nichtverlängerungsmitteilung ist unwirksam, wenn
sie eine unzulässige Rechtsausübung darstellt.
Da keine der Vertragsparteien eine Nichtverlängerungsmitteilung abgab, verlängerte sich der Arbeitsvertrag bis zum Ende der Spielzeit 1981/82. Mit einem Schreiben mit dem Briefkopf "Intendanz der Bayerischen Staatsoper" vom 30. Juni 1981 bat der Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, Prof. S, die Klägerin unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 5 des Tarifvertrages über die Mitteilungspflicht vom 23. November 1977 (TVM), am 8. Juli 1981 zu einem Gespräch zu ihm zu kommen. Bei diesem Gespräch war außer Prof. S und der Klägerin der Verwaltungsdirektor der Bayerischen Staatsoper, Sch, anwesend. Mit Schreiben vom 16. Juli 1981, das der Klägerin am 22. Juli 1981 ausgehändigt wurde, teilte die Intendanz der Klägerin mit, das zwischen ihr und dem Beklagten bestehende Vertragsverhältnis könne nicht über den 31. August 1982 hinaus verlängert werden und ende daher mit Ablauf des August 1982.
Die Klägerin hält die Nichtverlängerung ihres Vertrages für nicht gerechtfertigt, weil insbesondere das Anhörungsverfahren nicht den Vorschriften des § 24 Abs. 4 NVT entsprechend durchgeführt worden sei. Nach Ablehnung ihres Abhilfegesuchs vom 8. Dezember 1981 durch Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 9. Februar 1982 hat sie am 5. März 1982 Klage zum Bühnenschiedsgericht München erhoben mit dem Antrag
festzustellen, daß das Vertragsverhältnis der Parteien
über den 31. August 1982 weiterbesteht.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat sich auf Verwirkung berufen, da die Klägerin ihre Einwände gegen das Anhörungsverfahren nicht sofort erhoben, sondern bis Dezember 1981 geschwiegen und die Staatsoper so lange in dem Glauben gelassen habe, für die neue Spielzeit über die Planstelle der Klägerin verfügen zu können. Auch habe die Anhörung der Klägerin allen Anforderungen entsprochen, die die Rechtsprechung an diesen Vorgang stelle. Prof. S habe der Klägerin erklärt, für die Nichtverlängerung seien ausschließlich künstlerische Gründe maßgebend. Diese Gründe seien von Prof. S im einzelnen spezifiziert worden; er habe erklärt, daß die Klägerin im wahrsten Sinne des Wortes aus der Reihe tanze, auf der Spitze in ihren Leistungen nicht ausreiche und daß sie auf der Spitze wackele. Der Beklagte ist ferner den Auffassungen der Klägerin entgegengetreten, daß für ihre Anhörung die Anwesenheit des Ballettdirektors erforderlich gewesen sei und daß ihr Einsatz während der Vertragszeit einer Nichtverlängerung ihres Beschäftigungsverhältnisses entgegenstehe. Daß der Ballettdirektor G der Klägerin erklärt habe, sie brauche nicht mit einer Nichtverlängerungsmitteilung zu rechnen, hat er bestritten.
Das Bühnenschiedsgericht hat die Klage durch Schiedsspruch vom 6. Juli 1982 abgewiesen. Das Bühnenoberschiedsgericht hat durch Schiedsspruch vom 6. Juli 1983 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Anhörung der Klägerin sei ordnungsgemäß erfolgt. Durch das Einladungsschreiben sei die Klägerin ausreichend über den Sinn der Anhörung unterrichtet worden; die fehlerhafte Bezugnahme auf § 2 Abs. 5 TVM sei unschädlich, weil diese Vorschrift mit § 24 Abs. 4 des einschlägigen NVT inhaltsgleich sei. Zum Verlauf des Anhörungsgesprächs habe Prof. S als Zeuge vor dem Bühnenschiedsgericht klar und eindeutig ausgesagt, daß er der Klägerin als künstlerische Gründe genannt habe, nach Meinung des Ballettdirektors könne sie sich nicht mehr organisch in die Gruppe einfügen, tanze sozusagen aus der Reihe und sei nicht mehr völlig sicher im Spitzentanz. Diese Aussage werde durch den Inhalt des über die Anhörung der Klägerin angefertigten Protokolls vom 8. Juli 1981 bestätigt. Danach bestehe für das Bühnenoberschiedsgericht kein Zweifel daran, daß der Klägerin bei der Anhörung konkrete künstlerische Gründe für die beabsichtigte Nichtverlängerung genannt worden seien.
Gegen diesen ihr am 18. April 1984 zugestellten Schiedsspruch hat die Klägerin am 30. April 1984 Aufhebungsklage zum Arbeitsgericht Köln erhoben mit den Anträgen,
1. den Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts
Frankfurt a.M. vom 06.07.1983, Az. OSch 24/82,
und den Schiedsspruch des Bühnenschiedsgerichts
München, Reg.Nr. 3/82, vom 06.07.1982 aufzuheben;
2. festzustellen, daß das Vertragsverhältnis der
Parteien über den 31.08.1982 weiterbesteht.
Die Klägerin macht mit ihrer Aufhebungsklage geltend, das Bühnenoberschiedsgericht habe die Nichtverlängerungsmitteilung zu Unrecht als wirksam angesehen. Es genüge nicht, die Gründe für die Nichtverlängerungsmitteilung erst im Anhörungstermin zu nennen; vielmehr seien sie schon v o r h e r, spätestens im Einladungsschreiben, bekanntzugeben. Selbst bei der gegenüber der Nichtverlängerung viel milderen Verhängung von Ordnungsmaßnahmen gemäß § 10 Abs. 1 Buchst. f der Anlage 2 zum NVT bestehe ein fester Bühnenbrauch, dem betroffenen Ballettmitglied den Sachverhalt bereits in der Einladung schriftlich mitzuteilen. Schließlich seien die Aussagen S und Sch unrichtig.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Aufhebungsklage abgewiesen.
Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre mit der Aufhebungsklage gestellten Anträge weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Aufhebungsklage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
I. 1. Das Landesarbeitsgericht hat die Nichtverlängerungsmitteilung des Beklagten schon deshalb als wirksam angesehen, weil sich aus der einschlägigen Vorschrift des § 24 Abs. 4 Normalvertrag Tanz (NVT) nicht ergebe, daß im Anhörungsverfahren die Gründe für die Nichtverlängerung des Arbeitsvertrages mitzuteilen seien. Es hat hierzu im wesentlichen ausgeführt, die Formulierung in § 24 Abs. 4 NVT, der Arbeitgeber habe das Tanzgruppenmitglied vor Ausspruch der Nichtverlängerungsmitteilung "zu hören", bedeute nur, daß dem Tanzgruppenmitglied der Gegenstand der Anhörung mitzuteilen sei, nicht aber, daß ihm die Gründe für die Nichtverlängerung bekanntzugeben seien. Die Tarifvorschrift sei von den Tarifvertragsparteien inhaltlich unverändert aus § 2 Abs. 5 des Tarifvertrags über die Mitteilungspflicht (TVM) übernommen worden. Aus der Entstehungsgeschichte dieses Tarifvertrages ergebe sich, daß zwar die Arbeitnehmerseite gefordert habe, eine Begründungspflicht für die Nichtverlängerungsmitteilung im Tarifvertrag festzulegen. Dies sei jedoch von der Arbeitgeberseite abgelehnt worden. Es könne nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen sein, eine Forderung, die eine der Tarifvertragsparteien am Verhandlungstisch nicht habe durchsetzen können, im Wege der Rechtsprechung durchzusetzen. Deshalb sei es unerheblich, ob im vorliegenden Falle der Beklagte der Klägerin ausreichend konkrete Gründe für die Nichtverlängerung des Arbeitsvertrages genannt habe.
2. Diese Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts wird vom Senat nicht geteilt. Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat sich bereits in seinem Urteil vom 11. März 1982 (- 2 AZR 233/81 - BAG 39, 1 = AP Nr. 19 zu § 611 BGB Bühnenengagementsvertrag) gegen diese Auffassung gewandt und dargelegt, aus der sachgerechten Auslegung des § 2 Abs. 5 TVM folge, daß der Arbeitgeber, bevor er eine Nichtverlängerungsmitteilung ausspreche, das Bühnenmitglied nicht nur zu hören, sondern diesem auch die hierfür maßgeblichen Gründe mitzuteilen habe. Dafür spreche der allgemeine und juristische Sprachgebrauch, der unter "zu hören" nicht nur ein stummes, reaktionsloses Abwarten des Anhörenden verstehe. Der Anzuhörende müsse notwendigerweise zuvor Kenntnis vom Sachverhalt haben, d.h. Kenntnis der Gründe für die beabsichtigte Nichtverlängerungsmitteilung, bevor er dazu sachlich Stellung nehmen und seine Gegenargumente vorbringen könne. Zudem hätten die Tarifvertragsparteien einen Begriff verwendet, der in der Rechtsterminologie einen festen Inhalt habe. Obwohl in § 66 BetrVG 1952 nur vorgesehen gewesen sei, den Betriebsrat vor der beabsichtigten Kündigung zu hören, habe doch unstreitig dazugehört, dem Betriebsrat auch die Gründe für diese Maßnahme mitzuteilen. Soweit nunmehr in § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1972 ausdrücklich bestimmt sei, daß der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen habe, stelle dies somit lediglich eine Klarstellung dessen dar, was ohnehin schon längst geltendes Recht gewesen sei. Diesem dem Sinn und Zweck der Tarifvorschrift entsprechenden Auslegungsergebnis, wonach die Anhörung "insbesondere soziale Härten vermeiden helfen und den Intendanten ggf. zum nochmaligen Überdenken seiner Entscheidung veranlassen" solle, stünden weder die Protokollnotiz zum TVM noch die gemeinsamen Niederschriften der Tarifvertragsparteien über die Verhandlungen zur Neufassung des Mitteilungspflichtabkommens entgegen. Ebenso wie sich der Arbeitgeber im Bereich des § 102 BetrVG 1972 nicht auf eine pauschale, schlagwort- oder stichwortartige Bezeichnung der Kündigungsgründe beschränken dürfe, könne sich der Arbeitgeber auch im Rahmen des § 2 Abs. 5 TVM nicht mit dem bloßen Hinweis begnügen, daß die Nichtverlängerung aus künstlerischen oder ähnlichen, die Qualität und die Leistung des Bühnenmitglieds betreffenden Gründen geboten sei. Vielmehr bedürfe es einer auf die Person des betroffenen Mitglieds bezogenen konkreten und nachvollziehbaren Begründung für die beabsichtigte Nichtverlängerung. Etwas anderes könne allenfalls für die in § 2 Abs. 7 TVM ausdrücklich geregelte Nichtverlängerung aus Anlaß des Intendantenwechsels gelten; allerdings bedürfe es dann eines eindeutigen und abschließenden Hinweises auf diesen Tatbestand.
An dieser Auffassung hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinen Urteilen vom 23. Januar 1986 - 2 AZR 111/85 und 2 AZR 243/85 -, in denen er sich mit der oben unter I 1 dargestellten Ansicht des Landesarbeitsgerichts eingehend auseinandergesetzt hat, ausdrücklich festgehalten.
3. Der erkennende Senat sieht keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung des Zweiten Senats abzuweichen.
a) Zwar ist richtig, daß die Gerichte für Arbeitssachen nicht etwas durchsetzen dürfen, was eine der Tarifvertragsparteien bei Verhandlungen nicht hat erreichen können. Die Entstehungsgeschichte des TVM, aus dem § 24 Abs. 4 NVT unverändert übernommen wurde, zeigt jedoch mit der erforderlichen Deutlichkeit nur, daß sich die Arbeitgeberseite dagegen wehrte, für die Nichtverlängerungsmitteilung sei eine materielle, gerichtlich nachprüfbare Begründung nötig. Die Arbeitgeberseite wollte einen Begründungszwang verhindern, weil sie befürchtete, die Nennung von Gründen könne eine gerichtliche Prüfung auslösen, ob die genannten Gründe tatsächlich vorlägen bzw. eine Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigten. Nicht hinreichend deutlich wird jedoch, daß sich die Arbeitgeberseite auch dagegen gewehrt hat, dem Arbeitnehmer sei bei der Anhörung die subjektive, für die Arbeitgeberentscheidung ursächlich gewordene Motivation des Arbeitgebers mitzuteilen. Allein die Mitteilung dieser subjektiven, für die Arbeitgeberentscheidung ausschlaggebend gewesenen Erwägungen aber hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 11. März 1982 (aaO) gefordert. Eine gerichtliche Nachprüfung, ob die vom Arbeitgeber angenommenen und mitgeteilten Gründe tatsächlich vorliegen und die Nichtverlängerung rechtfertigen, wird damit schon deshalb nicht ermöglicht, weil ein wirksam befristetes Arbeitsverhältnis allein aufgrund der vereinbarten Befristung endet und es daher irgendwelcher Gründe für seine Nichtverlängerung nicht bedarf.
b) Dem Landesarbeitsgericht mag zuzugeben sein, daß die vom Zweiten Senat zu § 102 Abs. 1 BetrVG gezogene Parallele nicht überzeugt. Denn bei der Anhörung des Arbeitnehmers vor einer Nichtverlängerungsmitteilung geht es weder darum, einem Dritten einen Sachverhalt darzulegen, noch ihm Gründe mitzuteilen, die eine beabsichtigte Entscheidung rechtfertigen sollen, sondern um die Einleitung eines Gesprächs, das auch dem Arbeitnehmer die Darlegung der aus seiner Sicht für eine Vertragsverlängerung sprechenden Gründe ermöglichen soll. Entgegen der Würdigung des Landesarbeitsgerichts erfordert jedoch gerade dieser Zweck des Anhörungsgesprächs, daß der Arbeitgeber jedenfalls auf entsprechende Fragen des Arbeitnehmers bereit ist, die für seine Entscheidung ausschlaggebenden Erwägungen so konkret und für den Arbeitnehmer nachvollziehbar zu nennen, daß der Arbeitnehmer bei der Darlegung seines Standpunktes auf sie eingehen kann. Jedenfalls im Ergebnis schließt sich deshalb der erkennende Senat der dargestellten Rechtsprechung des Zweiten Senats an.
II. Auf der mithin rechtsfehlerhaften Ansicht des Landesarbeitsgerichts beruht jedoch sein Urteil nicht, weil es die Aufhebungsklage im Ergebnis zu Recht als unbegründet angesehen hat. Der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts ist richtig, weil er bereits von der zutreffenden Rechtsauffassung des Zweiten Senats ausgegangen ist und auf dieser Grundlage rechtsfehlerfrei begründet hat, daß der Beklagte im Anhörungsverfahren seiner Begründungspflicht nachgekommen war.
1. Das Bühnenoberschiedsgericht hat aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt, der Klägerin sei als Grund für die Nichtverlängerung ihres Arbeitsverhältnisses mitgeteilt worden, sie könne sich nach Meinung des Ballettdirektors nicht mehr organisch in die Gruppe einfügen, sie tanze aus der Reihe und sei nicht mehr völlig sicher im Spitzentanz.
2. An diese tatsächlichen Feststellungen des Bühnenoberschiedsgerichts sind die Gerichte für Arbeitssachen und damit auch der erkennende Senat in entsprechender Anwendung des § 561 Abs. 2 ZPO gebunden, weil sie in den Tatsacheninstanzen nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen im Sinne des § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO angegriffen worden sind.
a) Gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG kann auf Aufhebung des Schiedsspruchs geklagt werden, wenn dieser auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht. Wegen der Übereinstimmung dieser Vorschrift mit § 73 Abs. 1 ArbGG (vgl. auch § 549 Abs. 1 ZPO) handelt es sich beim Aufhebungsverfahren des § 110 ArbGG nach allgemeiner Ansicht um ein revisionsähnliches Verfahren. Der Spruch des Bühnenoberschiedsgerichts kann nur auf Rechtsfehler überprüft werden. Dabei sind materielle Rechtsfehler von Amts wegen zu berücksichtigen, während es bei Verfahrensmängeln einer dem Revisionsrecht entsprechenden Verfahrensrüge bedarf (vgl. z.B. BAG 15, 87, 95, 96, 97 = AP Nr. 11 zu § 101 ArbGG, zu II 1 der Gründe; BAG 22, 356 = AP Nr. 1 zu § 110 ArbGG 1953; BAG 39, 1, 6 = AP Nr. 19 zu § 611 BGB Bühnenengagementsvertrag, zu I der Gründe; Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 110 Rz 3 ff.; Riepenhausen, Das Arbeitsrecht der Bühne, Ergänzungsband 1965, S. 181).
b) Die Tatsachen, die den Verfahrensmangel ergeben sollen, sind jedenfalls in den Tatsacheninstanzen des Aufhebungsverfahrens (Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht) in der durch § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO gebotenen Form vorzutragen; dabei sind vor dem Landesarbeitsgericht die Zulassungsbeschränkungen des § 67 Abs. 2 ArbGG zu beachten. Im Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht können nur noch Verfahrensfehler des Landesarbeitsgerichts gerügt werden.
Darüber hinaus in entsprechender Anwendung des § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO zu fordern, daß Verfahrensmängel des Bühnenoberschiedsgerichts schon in der Aufhebungsklageschrift zu rügen seien (vgl. z.B. BAG 22, 356 = AP Nr. 1 zu § 110 ArbGG 1953), hält der Senat für bedenklich. Im Vergleich zu dem durch die Revisions- und Revisionsbegründungsfrist zur Verfügung stehenden Zeitraum ist die zweiwöchige Notfrist des § 110 Abs. 3 Satz 1 ArbGG zur Erhebung der Aufhebungsklage unverhältnismäßig kurz; auch kann von dem Arbeitnehmer, der die Aufhebungsklage ohne Vertretungszwang selbst erheben darf, die Beachtung der Förmlichkeiten des Revisionsrechts wohl kaum gefordert werden. Eine abschließende Stellungnahme des erkennenden Senats zu dieser Frage ist jedoch nicht erforderlich, weil im vorliegenden Rechtsstreit weder vor dem Arbeitsgericht noch vor dem Landesarbeitsgericht durchgreifende Rügen gegen das Verfahren des Bühnenoberschiedsgerichts erhoben worden sind.
aa) Die Beweiswürdigung des Tatsachenrichters kann im Revisions- und damit auch im Aufhebungsverfahren des § 110 ArbGG nur daraufhin überprüft werden, ob sie rechtlich möglich ist und ob der Tatsachenrichter Grenzen und Voraussetzungen der richterlichen Überzeugung gewahrt hat (vgl. z.B. BAG 5, 221, 224 = AP Nr. 6 zu § 4 TVG Übertarifl. Lohn u. Tariflohnerhöhung). Es bedarf daher einer formellen Verfahrensrüge unter genauer Darlegung, aufgrund welcher Tatsachen sich ergibt, daß der Richter gegen § 286 ZPO verstoßen habe oder ihm bei der Beweiswürdigung ein sonstiger Rechtsfehler unterlaufen sei.
Diesen Anforderungen ist die Aufhebungsklägerin nicht gerecht geworden. Sie hat in den Tatsacheninstanzen lediglich darzulegen versucht, daß die Aussagen der Zeugen S und Sch unrichtig seien. Hierin liegt nicht die Darlegung eines Rechtsfehlers des Bühnenoberschiedsgerichts, sondern lediglich eine abweichende Beweiswürdigung durch die Aufhebungsklägerin.
bb) Ob das Bühnenschiedsgericht die Herren S und Sch statt als Zeugen als Partei hätte vernehmen müssen, kann dahinstehen. Hierin läge ein verzichtbarer Verfahrensmangel, der bereits durch die erneute Antragstellung vor dem Schiedsgericht im Termin vom 6. Juli 1982 gemäß § 295 ZPO geheilt worden ist (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 13. Aufl., Vorbem. 3 am Ende vor § 373 ZPO).
3. Auf der Grundlage der den Senat mithin bindenden tatsächlichen Feststellungen des Bühnenoberschiedsgerichts ist auch die Würdigung des Bühnenoberschiedsgerichts rechtsfehlerfrei, der Beklagte habe bei der Anhörung der Klägerin die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Anforderungen erfüllt. Bei der Prüfung, ob die Begründung für die Nichtverlängerung diesen Anforderungen gerecht geworden ist, steht dem Bühnenoberschiedsgericht als Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu (BAG 39, 1, 15 = AP Nr. 19 zu § 611 BGB Bühnenengagementsvertrag, zu IV 2 der Gründe). Daß das Bühnenoberschiedsgericht diesen Beurteilungsspielraum überschritten habe, ist weder von der Klägerin dargelegt worden noch sonst ersichtlich.
III. Ein Mangel des durchgeführten Anhörungsverfahrens läge deshalb nur vor, wenn der Ansicht der Klägerin zu folgen wäre, daß die Mitteilung der Gründe nicht - wie nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts - erst im Anhörungstermin, sondern schon v o r h e r - insbesondere im Einladungsschreiben zum Anhörungstermin oder innerhalb einer bestimmten Frist vor dem Anhörungstermin - zu erfolgen hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Die Klägerin hat zwar eine Reihe von Gesichtspunkten angeführt, aus denen es zweckmäßig sein könnte, den Arbeitnehmer bereits einige Zeit vor dem Anhörungsgespräch über die Gründe der beabsichtigten Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses zu unterrichten. Insbesondere für die Ausübung seines in § 24 Abs. 4 Unterabs. 1 NVT vorgesehenen Wahlrechts, die Anhörung auch des Tanzgruppensprechers oder eines Gewerkschaftsvertreters zu verlangen, kann die Kenntnis wichtig sein, ob die Nichtverlängerung etwa auf künstlerische oder auf verhaltensbedingte Gründe gestützt wird.
Eine derartige Verpflichtung des Arbeitgebers läßt sich jedoch aus § 24 Abs. 4 NVT bzw. § 2 Abs. 5 TVM nicht herleiten. Beide Vorschriften sehen lediglich vor, daß der Arbeitgeber das Tanzgruppenmitglied zu "hören" hat. Ein formalisiertes Verfahren ist dafür nicht vorgeschrieben; insbesondere bedarf es keiner formellen Einladung zum Anhörungsgespräch. Mit der Auslegung, der Arbeitgeber habe dem Tanzgruppenmitglied bei der Anhörung seine Motive für die beabsichtigte Nichtverlängerung zu nennen, ist die Rechtsprechung bereits bis an die äußerste Grenze der Auslegungsmöglichkeiten des Wortes "hören" gegangen. Für eine noch weitergehende Auslegung in dem Sinne, die Erwägungen des Arbeitgebers seien sogar noch eine bestimmte Zeit vor der Durchführung des Anhörungsgesprächs bekanntzugeben, enthält der Tarifvertrag keinerlei Anhaltspunkte mehr.
Für eine weitergehende Auslegung fehlt es auch an einem praktischen Bedürfnis. Erwägt das Bühnenmitglied, die Anhörung des Tanzgruppensprechers oder eines Gewerkschaftsvertreters zu verlangen und erscheint ihm für die insoweit zu treffende Wahl bereits die Kenntnis der Gründe wichtig, so mag es schon vor dem Anhörungstermin nach den Gründen der Nichtverlängerung fragen. Es liegt dann im eigenen Interesse des Arbeitgebers, diesem Verlangen so rechtzeitig Rechnung zu tragen, daß die Anhörung auch des Sprechers bzw. des Vertreters noch innerhalb der Zweiwochenfrist des § 24 Abs. 4 Unterabs. 2 NVT erfolgen kann. Aus ähnlichen Erwägungen kann auch der Arbeitgeber, der die Gründe erst im Anhörungstermin nennen will, gehalten sein, das Anhörungsgespräch so frühzeitig durchzuführen, daß er auch im Falle eines - unverzüglich nach Mitteilung der Gründe zu stellenden - Verlangens des Bühnenmitglieds, den Sprecher bzw. Vertreter zu hören, dessen Anhörung noch fristgerecht durchführen kann. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin eine solche Anhörung aber gar nicht verlangt.
IV. Entgegen den Ausführungen der Revision ist der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil schon die Befristung des Arbeitsverhältnisses überhaupt rechtsunwirksam gewesen wäre. Denn die Befristung der Arbeitsverhältnisse von Tanzgruppenmitgliedern ist zulässig.
Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seinem Urteil vom 21. Mai 1981 (BAG 35, 309 = AP Nr. 15 zu § 611 BGB Bühnenengagementsvertrag) die Befristung der Arbeitsverhältnisse der unter dem Tarifvertrag "Normalvertrag Solo" fallenden künstlerischen Bühnenmitglieder für zulässig erklärt, weil sie einem jahrzehntelangen Bühnenbrauch entspreche, der nach wie vor durch sachliche Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG 10, 65 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) gerechtfertigt sei. Diese Würdigung trifft entgegen den Ausführungen der Revision auch für den Bereich des NVT zu.
1. Die Befristung der Arbeitsverhältnisse der Tanzgruppenmitglieder entspricht ebenfalls jahrzehntelangem Bühnenbrauch; die Tarifvertragsparteien des NVT gehen von ihr übereinstimmend aus. Gemäß § 2 Abs. 1 NVT ist mit dem Tanzgruppenmitglied ein Arbeitsvertrag nach dem Muster der Anlage 1 abzuschließen; dieses Arbeitsvertragsmuster sieht die Befristung für eine oder mehrere Spielzeiten vor. Dies zeigt, daß auch die Tarifvertragsparteien den befristeten Arbeitsvertrag bei Tanzgruppenmitgliedern als die Regel ansehen.
2. Entgegen den Rechtsausführungen der Revision kommt den sachlichen Gründen, aus denen der Zweite Senat in seinem angeführten Urteil die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse bei Solisten herleitet, bei Tanzgruppenmitgliedern das gleiche Gewicht zu. Das individuelle körperliche Erscheinungsbild und die tänzerische Ausdruckskraft jedes einzelnen Mitglieds sind für den Gesamteindruck, den die Tanzgruppe bietet, von entscheidender Bedeutung, weil meistens jedes Mitglied auf der Bühne sichtbar ist und häufig sogar in ständigem Wechsel in den Vordergrund tritt. Insbesondere besteht das vom Zweiten Senat betonte Interesse auch der Arbeitnehmer an der Erhaltung der Freizügigkeit des Engagementswechsels gerade auch bei Tanzgruppenmitgliedern. Der diesbezügliche Einwand der Revision, dem Freizügigkeitsinteresse des Bühnenkünstlers sei durch eine Kündigungsmöglichkeit ausreichend Rechnung zu tragen, verengt den Blick in unzulässiger Weise auf den einzelnen, möglicherweise an einem Engagementswechsel nicht interessierten Arbeitnehmer. Die durch die Befristung ermöglichte leichtere Auswechslung des ganzen Ensembles oder einzelner Ensemblemitglieder liegt vor allem deshalb auch im Interesse der Gesamtheit der Bühnenkünstler, weil ihre Chancen zum beruflichen und künstlerischen Fortkommen entscheidend davon abhängen, daß jeweils an anderen Bühnen durch das Auslaufen der Arbeitsverträge in häufigem Wechsel Stellen frei werden.
Dr. Seidensticker Dr. Becker Dr. Steckhan
Schmalz Stappert
Fundstellen
BAGE 51, 375-386 (LT1-3) |
BAGE, 374 |
JR 1987, 132 |
RdA 1986, 402 |
RzK, I 9f Nr 8 (LT1-3) |
ZTR 1987, 215-216 (LT1-3) |
AP § 611 BGB, Nr 27 |
ZUM 1989, 202-207 (LT1-3) |