Entscheidungsstichwort (Thema)
(Keine) Postulationsfähigkeit von Kammerrechtsbeiständen vor dem Landesarbeitsgericht. Versäumte Berufungsfrist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtsbeistand ist vor dem Landesarbeitsgericht nicht postulationsfähig, auch wenn er Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ist.
Orientierungssatz
1. Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 ArbGG müssen sich die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht – mit wenigen Ausnahmen – durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind nach § 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG außer Rechtsanwälten nur die in § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5 ArbGG bezeichneten Organisationen zugelassen. Zum Kreis dieser Vertretungsberechtigten zählen nicht natürliche Personen, die im Besitz einer Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten sind und auf Antrag gemäß § 209 Abs. 1 BRAO in die Rechtsanwaltskammer aufgenommen wurden (sog. Kammerrechtsbeistände). Soweit diese Rechtsbeistände nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 RDGEG den Rechtsanwälten in § 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG gleichgestellt sind, bezieht sich dies nur auf das – erstinstanzliche – Verfahren vor dem Arbeitsgericht.
2. Die Postulationsfähigkeit der Bevollmächtigten ist Prozesshandlungsvoraussetzung. Die Einlegung der Berufung durch einen Kammerrechtsbeistand im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist unwirksam und zur Wahrung der Berufungsfrist nicht geeignet.
3. Hat eine Partei die Frist des § 66 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Satz 2 ArbGG versäumt, weil sie bei Einlegung der Berufung nicht ordnungsgemäß vertreten war, und hat sie die Berufung nach Ablauf der Frist durch einen Rechtsanwalt erneut eingelegt, kommt eine Wiedereinsetzung in die versäumte Rechtsmittelfrist nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur in Betracht, wenn die Partei im Termin zur mündlichen Verhandlung über die nachgeholte Prozesshandlung ordnungsgemäß vertreten war.
Normenkette
GG Art. 12 Abs. 1; ArbGG § 11 Abs. 1-4, § 66 Abs. 1 Sätze 1-2, § 11 Abs. 2 S. 1; BRAO § 209 Abs. 1; RDGEG § 3 Abs. 1 Nrn. 1, 3-6, Abs. 3; ZPO §§ 78, 79 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 18. November 2013 – 1 Sa 12/13 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Kündigungsschutzklage über die Zulässigkeit der Berufung des Klägers.
Der Kläger war seit September 1985 bei der Beklagten tätig. Ab September 1991 wurde er als Straßenreinigungswart und seit August 2001 als Mülllader beschäftigt. Im Rahmen dieser Tätigkeit bezog er zuletzt Vergütung nach der Entgeltgruppe 3 TVöD. Im Jahr 2007 übertrug ihm die Beklagte die Aufgaben eines Haus- und Hofreinigers in ihrem Eigenbetrieb A bei gleichbleibender Vergütung.
Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses traten beim Kläger krankheitsbedingt erhebliche Fehlzeiten auf. Seit März 2011 ist er als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Im Jahr 2012 führte die Beklagte ein Präventionsverfahren durch. Dabei wurde ein Gutachten erstellt, in dem es heißt, der Kläger sei gesundheitlich nicht mehr in der Lage, vollschichtig als Mülllader oder Straßenreiniger zu arbeiten. Möglich sei die Verrichtung leichterer Tätigkeiten wie die eines Haus- und Hofreinigers.
Mit Schreiben vom 21. März 2011 bot die Beklagte dem Kläger ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) an. Seiner Ankündigung, mit der zuständigen Mitarbeiterin einen Termin zu vereinbaren, kam der Kläger nicht nach.
Von Januar bis Anfang September 2012 war der Kläger durchgängig arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien – nach Beteiligung des Personalrats und mit Zustimmung des Integrationsamts – außerordentlich mit „sozialer Auslauffrist” zum 30. Juni 2013.
Dagegen hat der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei gemäß § 34 Abs. 2 TVöD iVm. § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT unzulässig. Jedenfalls fehle es an einem wichtigen Grund. Er habe Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung. Auf das Fehlen geeigneter Beschäftigungsmöglichkeiten könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie ein bEM nicht durchgeführt habe. Die Fristen des § 626 Abs. 2 BGB und § 91 Abs. 5 SGB IX seien nicht gewahrt. Auch sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Für die Dauer der Auslauffrist habe er Anspruch auf Zahlung seines Entgelts und auf eine Jahressonderzahlung.
Der Kläger hat – zusammengefasst – beantragt
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29. Oktober 2012 nicht aufgelöst worden ist;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.034,81 Euro brutto abzüglich 1.162,50 Euro netto Arbeitslosengeld nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Oktober 2012 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Monate Oktober 2012 bis einschließlich Januar 2013 je 2.441,78 Euro brutto abzüglich je 1.395,00 Euro netto Arbeitslosengeld nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Werktag des jeweiligen Folgemonats zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Monate Februar bis einschließlich Juni 2013 je 2.436,28 Euro brutto abzüglich je 1.395,00 Euro netto Arbeitslosengeld nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Werktag des jeweiligen Folgemonats zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 1.465,07 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Januar 2013 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Der Kläger sei auf Dauer nicht mehr in der Lage gewesen, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit zu verrichten. Geeignete leidensgerechte Arbeitsplätze seien auf absehbare Zeit nicht vorhanden gewesen. Eine dauerhafte Beschäftigung als Haus- und Hofreiniger habe sie nicht anbieten müssen. Ein solcher Arbeitsplatz sei im Stellenplan ihres Eigenbetriebs nicht vorgesehen. Unabhängig davon sei der Kläger gesundheitlich auch zur Verrichtung dieser Tätigkeiten nicht mehr in der Lage gewesen. Der Personalrat sei ordnungsgemäß unterrichtet worden. Er habe sich zur Kündigungsabsicht nicht geäußert.
Vor dem Arbeitsgericht hat sich der Kläger durch Herrn „Rechtsbeistand” J vertreten lassen. Diesem war zuvor – durch Verfügung des Präsidenten des Amtsgerichts S vom 23. August 1983 – die Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erteilt worden. Mit Schreiben des Justizministeriums B vom 22. November 1985 war Herr J in die Rechtsanwaltskammer S aufgenommen worden. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2008 hatte die Kammer seine Mitgliedschaft als eingetragener „Kammerrechtsbeistand” bestätigt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Gegen das ihm am 27. Mai 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13. Juni 2013 Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift war von Herrn J unterschrieben. Auf – formularmäßigen – Hinweis des Landesarbeitsgerichts zu einem bestehenden Vertretungszwang hat Herr J auf § 3 Abs. 1 Nr. 3 RDGEG verwiesen und die Auffassung vertreten, nach dieser Bestimmung sei er im Berufungsverfahren vertretungsbefugt. Mit Verfügung vom 8. Juli 2013 hat der Vorsitzende der Berufungskammer Herrn J mitgeteilt, der vorangehende Hinweis habe sich auf die Vertretung der Beklagten bezogen. Ihm sei bekannt gewesen, dass er – Herr J – „als Kammerrechtsbeistand gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 RDGEG vor dem Landesarbeitsgericht postulationsfähig [sei]”. Am 22. Juli 2013 hat der Kläger die Berufung – vertreten durch Herrn J – begründet. Mit Schriftsatz vom gleichen Tage hat die Beklagte Zweifel an dessen ordnungsgemäßer Vertretung angemeldet. Daraufhin hat der Kläger mit anwaltlichem Schriftsatz vom 30. Juli 2013 erneut – vorsorglich – Berufung eingelegt und das Rechtsmittel zugleich begründet. Mit Verfügung vom 2. August 2013 hat der Vorsitzende der Berufungskammer den Parteien mitgeteilt, „die Frage der Postulationsfähigkeit von Kammerrechtsbeiständen” sei keineswegs zweifelsfrei im Sinne seiner zunächst geäußerten Auffassung zu beantworten. Die Gesetzessystematik und die Entstehungsgeschichte von § 3 Abs. 1 RDGEG wiesen auf das gegenteilige Ergebnis hin.
Das Landesarbeitsgericht hat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. November 2013 – die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, unter anderem mit der Begründung, die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel unverändert weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet.
A. Die Revision des Klägers ist zulässig. Sie wurde durch eine den Kläger vertretende Rechtsanwältin form- und fristgerecht eingelegt sowie frist- und ordnungsgemäß begründet (§ 74 Abs. 1 ArbGG, § 551 Abs. 3 ZPO).
B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht als unzulässig verworfen. Dieser war, soweit für ihn Rechtsbeistand J mit Schriftsatz vom 13. Juni 2013 Berufung eingelegt hat, vor dem Landesarbeitsgericht nicht ordnungsgemäß vertreten (I.). Die mit anwaltlichem Schriftsatz vom 30. Juli 2013 erneut eingelegte Berufung war verspätet (II.). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte dem Kläger nicht gewährt werden (III.).
I. Die durch Rechtsbeistand J unterzeichnete, am 13. Juni 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufungsschrift entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Herr J war nicht vertretungsberechtigt.
1. Die Berufungsschrift ist als bestimmender Schriftsatz von einem postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten zu unterzeichnen (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 519 Abs. 4, § 130 Nr. 6 ZPO). Dieser Anforderung genügt der fragliche Schriftsatz nicht. Herr J war als Kammerrechtsbeistand (§ 209 Abs. 1 BRAO) zur Vertretung des Klägers vor dem Landesarbeitsgericht nicht befugt.
a) Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 ArbGG müssen sich die Parteien vor dem Bundesarbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht – mit Ausnahmen, zu denen die Berufungseinlegung nicht rechnet – durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind nach § 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG außer Rechtsanwälten nur die in § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5 ArbGG bezeichneten Organisationen zugelassen.
b) Zum Kreis dieser Vertretungsberechtigten zählen nicht natürliche Personen iSd. § 209 Abs. 1 BRAO, die im Besitz einer Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten sind und die auf Antrag in die Rechtsanwaltskammer aufgenommen wurden. Zwar stehen diese Kammerrechtsbeistände (zum Terminus vgl. § 6 RDGEG) nach § 3 Abs. 1 RDGEG in bestimmten, abschließend aufgezählten Vorschriften, zu denen nach Nr. 3 die Bestimmung des § 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG rechnet, einem Rechtsanwalt gleich. Diese Gleichstellung bezieht sich aber „nur” auf das – erstinstanzliche – Verfahren vor dem Arbeitsgericht. Sie erstreckt sich nicht auf die Vertretung in den Rechtsmittelinstanzen, die sich nach § 11 Abs. 4 ArbGG bestimmt. Das ergibt die Auslegung (im Ergebnis ebenso BCF/Bader ArbGG 5. Aufl. § 11 Rn. 13; GK-ArbGG/Bader Stand April 2012 § 11 Rn. 72; ErfK/Koch 15. Aufl. § 11 ArbGG Rn. 7; Dötsch in Deckenbrock/Henssler RDG 4. Aufl. § 3 RDGEG Rn. 6, 15; HK-RDG/Offermann-Burckart § 3 RDGEG Rn. 22; Perschke in Natter/Gross ArbGG 2. Aufl. § 11 Rn. 6; Johnigk in Gaier/Wolf/Göcken Anwaltliches Berufsrecht § 209 BRAO Rn. 5; wohl auch Wolmerath in Düwell/Lipke ArbGG 3. Aufl. § 11 Rn. 7; aA Pfeiffer in Natter/Gross ArbGG 2. Aufl. § 66 Rn. 5).
aa) Dafür spricht zunächst der Wortlaut des Gesetzes. § 3 Abs. 1 Nr. 3 RDGEG stellt Kammerrechtsbeistände „in § 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG” einem Rechtsanwalt gleich. § 11 Abs. 4 ArbGG, der sich auf die Vertretung vor „dem Bundesarbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht” bezieht, findet – obwohl auch dort die Vertretung durch Rechtsanwälte angesprochen ist – keine Erwähnung.
bb) § 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG wiederum regelt allein die Prozessvertretung vor dem Arbeitsgericht (vgl. BCF/Bader ArbGG 5. Aufl. § 11 Rn. 13; ErfK/Koch 15. Aufl. § 11 ArbGG Rn. 1; Perschke in Natter/Gross ArbGG 2. Aufl. § 11 Rn. 1; Wolmerath in Düwell/Lipke 3. Aufl. § 11 ArbGG Rn. 1).
(1) Allerdings ist der Wortlaut der Bestimmung insoweit nicht eindeutig. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG können sich die Parteien „durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen”. Die Vorschrift kann – isoliert betrachtet – auch dahin verstanden werden, dass sie sich auf die Prozessvertretung in allen Instanzen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens beziehe.
(2) Bereits die Systematik des Gesetzes weist jedoch auf das gegenteilige Verständnis hin.
(a) § 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG ist eingebettet in Regelungen zur Prozessvertretung in erster Instanz. Die vorhergehende Bestimmung des § 11 Abs. 1 ArbGG erlaubt es den Parteien, den Prozess „vor dem Arbeitsgericht” selbst zu führen. Daran schließt § 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG unmittelbar an. Nachfolgend bestimmt § 11 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, welche Personen und Organisationen „darüber hinaus” als Bevollmächtigte „vor dem Arbeitsgericht” vertretungsbefugt sind. Hierauf wiederum bezieht sich § 11 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, der anordnet, dass Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragte Vertreter handeln.
(b) Die Vertretung in den Rechtsmittelinstanzen („Vor dem Bundesarbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht”) ist demgegenüber in § 11 Abs. 4 ArbGG normiert. Die Bestimmung regelt ihren Gegenstand abschließend. Während Satz 1 zunächst – in allgemeiner Form – einen Vertretungszwang für das Rechtsmittelverfahren anordnet, bestimmt Satz 2, wem die Vertretungsbefugnis zusteht – „außer Rechtsanwälten” lediglich den in § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5 bezeichneten Organisationen. Deren Befugnis wird durch Satz 3 für die Vertretung vor dem Bundesarbeitsgericht insoweit eingeschränkt, als die in Satz 2 genannten Organisationen in Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln müssen.
(3) Das Verständnis, § 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG regele lediglich die Prozessvertretung in erster Instanz, wird durch Sinn und Zweck der Vorschrift und ihre Entstehungsgeschichte gestützt.
(a) § 11 ArbGG wurde mit Wirkung vom 1. Juli 2008 durch Art. 11 Nr. 1 RBerNeureglungsG (BGBl. I 2007, 2840, 2852 f.) neu gefasst. Die Vorläuferregelung bestimmte in ihrem Absatz 1 Satz 1, dass die Parteien „vor den Arbeitsgerichten” den Rechtsstreit selbst führen oder sich vertreten lassen können. In § 11 Abs. 1 Satz 2 bis Satz 5 ArbGG aF waren die Voraussetzungen einer Vertretung durch Vertreter von Gewerkschaften und anderen Organisationen geregelt. Die daneben unbestritten mögliche erstinstanzliche Prozessvertretung durch Rechtsanwälte (vgl. ErfK/Koch 8. Aufl. § 11 ArbGG Rn. 5) fand im Gesetz keine ausdrückliche Erwähnung. § 11 Abs. 2 ArbGG aF enthielt Bestimmungen zur – notwendigen – Vertretung „vor den Landesarbeitsgerichten und vor dem Bundesarbeitsgericht”, wobei neben der in § 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG aF genannten Vertretungsmöglichkeit „durch Rechtsanwälte als Prozessbevollmächtigte” in Satz 2 für die Vertretung vor dem Landesarbeitsgericht die Vertretungsbefugnis bestimmter Organisationen normiert war.
(b) Nach der Gesetzesbegründung (vgl. für den Entwurf der Bundesregierung BT-Drs.16/3655, für die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses BT-Drs. 16/6634, für die Annahme in der Ausschussfassung BT-Plenarprotokoll 16/118 S. 12263B) orientieren sich die Änderungen in § 11 ArbGG an der Neuregelung der Prozessvertretung in der ZPO und berücksichtigen die in der Arbeitsgerichtsbarkeit geltenden Besonderheiten. Die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG sollte dabei der für den Zivilprozess vorgesehenen neuen Konzeption Rechnung tragen, derzufolge die Prozessvertretung grundsätzlich Rechtsanwälten vorbehalten ist. § 11 Abs. 2 Satz 2 ArbGG nennt demgegenüber die Personen und Organisationen, die „daneben” zur Prozessvertretung vor den Arbeitsgerichten befugt sind (BT-Drs. 16/3655 S. 93). Mit den Regelungen in § 11 Abs. 4 ArbGG sollte der bereits bestehende Vertretungszwang (§ 11 Abs. 2 ArbGG aF) vor den Landesarbeitsgerichten und dem Bundesarbeitsgericht fortgeführt werden. Allerdings sollten als Prozessbevollmächtigte in zweiter Instanz außer Rechtsanwälten auch Gewerkschaften oder Vereinigungen von Arbeitgebern in gleicher Weise vertretungsbefugt sein wie in erster Instanz (BT-Drs.16/3655 S. 93). Dies unterstützt die Annahme, dass die systematische Differenzierung zwischen den Instanzenzügen im Rahmen der Neuregelung beibehalten werden sollte. Für Rechtsmittelverfahren bedurfte es angesichts des ohnehin bestehenden Vertretungszwangs auch keiner Hervorhebung der anwaltlichen Vertretung.
cc) Das Verständnis, § 3 Abs. 1 Nr. 3 RDGEG stelle Kammerrechtsbeistände den Rechtsanwälten nur für die Vertretung vor dem Arbeitsgericht gleich, trägt dem Sinn und Zweck auch dieser Regelung Rechnung. Diese zielt auf eine Rechtsvereinheitlichung. Im zivilgerichtlichen Verfahren erfasst die Gleichstellung nicht die Fälle der notwendigen Vertretung. Daran sollte die Rechtslage betreffend die Postulationsfähigkeit der Kammerrechtsbeistände in anderen Verfahrensordnungen angeglichen werden.
(1) Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sollte die schon nach altem Rechtszustand bestehende „weitgehende Gleichstellung” der Kammerrechtsbeistände mit den Rechtsanwälten bei der Prozessvertretung im Zivilverfahren (§ 25 EGZPO) in das RDGEG übernommen und für den allgemeinen Zivilprozess durch die Verweisung auf § 79 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 3 ZPO sichergestellt werden, dass die Kammerrechtsbeistände „auch künftig im Parteiprozess als Bevollmächtigte tätig werden können”. Zugleich sollte die Vorschrift inhaltlich auf die Vertretung in den übrigen Verfahrensordnungen ausgedehnt werden (vgl. BT-Drs. 16/3655 S. 79).
(2) Dementsprechend verweist § 3 Abs. 1 Nr. 1 RDGEG für die Vertretungsbefugnis im zivilgerichtlichen Verfahren ausschließlich auf die Bestimmung des § 79 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die Vorschrift dient der Klarstellung, dass die Vertretung durch Rechtsanwälte im „Parteiprozess”, den § 79 ZPO gemäß seiner Überschrift ausschließlich regelt, uneingeschränkt zulässig ist und den Regelfall der Prozessvertretung darstellt. Lediglich in dieser Beziehung sind Kammerrechtsbeistände – wie bisher (zur Vorläuferregelung des § 25 EGZPO vgl. BGH 18. September 2003 – V ZB 9/03 – zu III 1 der Gründe) – den Rechtsanwälten gleichgestellt, nicht aber im „Anwaltsprozess”, für den nach § 78 ZPO Anwaltszwang besteht (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 30. Aufl. § 78 ZPO Rn. 6; Zöller/Heßler ZPO 30. Aufl. § 25 EGZPO; Dötsch in Deckenbrock/Henssler RDG 4. Aufl. § 3 RDGEG Rn. 6; Musielak/Voit/Weth ZPO 12. Aufl. § 78 Rn. 4; BeckOK ZPO/Piekenbrock Stand 1. Juni 2015 § 78 ZPO Rn. 18; MüKoZPO/Toussaint 4. Aufl. § 78 Rn. 52; HK-RDG/Offermann-Burckart § 3 RDGEG Rn. 17). Im Sinne der zivilprozessualen Unterscheidung ist „Parteiprozess” in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten nur das Verfahren vor dem Arbeitsgericht. Zudem sind die Bestimmungen des § 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG und des § 79 Abs. 2 Satz 1 ZPO wortgleich. Das stützt ein Verständnis dahin, es handele sich bei § 3 Abs. 1 Nr. 1 RDGEG lediglich um eine Klarstellung der Möglichkeit, sich durch Rechtsanwälte im ersten Rechtszug vertreten zu lassen (zur klarstellenden Funktion der Vorschrift des § 79 Abs. 2 Satz 1 ZPO vgl. BT-Drs. 16/3655 S. 87). Eine Angleichung an die Vertretungsmöglichkeit im Zivilprozess bewirkt § 3 Abs. 1 Nr. 3 RDGEG iVm. § 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG insofern, als der bisherige Ausschluss der Kammerrechtsbeistände von der Vertretung in der mündlichen Verhandlung entfällt (zur früheren Rechtslage vgl. § 11 Abs. 3 ArbGG aF; dazu BAG 26. September 1996 – 2 AZR 661/95 – zu II 4 der Gründe, BAGE 84, 204).
(3) Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurden Kammerrechtsbeistände bereits vor Inkrafttreten des § 3 Abs. 1 RDGEG lediglich dann als postulationsfähig angesehen, wenn ein Vertretungszwang nicht bestand (vgl. VGH BadenWürttemberg 6. Mai 1997 – 2 S 651/97 –). Die Regelungen in § 3 Abs. 1 Nr. 5 RDGEG iVm. § 67 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 6 Satz 4 VwGO und § 3 Abs. 1 Nr. 4 RDGEG iVm. § 73 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 6 Satz 5 SGG sollen sicher stellen, dass Kammerrechtsbeistände „wie im geltenden Recht […] auch künftig vor den Verwaltungs- und Sozialgerichten auftreten dürfen” (vgl. BT-Drs. 16/3655 S. 79). Eine Änderung der Rechtslage war somit nicht beabsichtigt. Diesem Anliegen trägt die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 5 RDGEG dadurch Rechnung, dass sie lediglich § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO nennt, nicht aber die für die Vertretung vor dem Oberverwaltungsgericht maßgebende Vorschrift des § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO. Kammerrechtsbeistände werden demnach überwiegend als vor dem Oberverwaltungsgericht nicht postulationsfähig angesehen (vgl. OVG NRW 7. November 2008 – 20 A 2504/08 –; W.-R. Schenke in Kopp/ Schenke VwGO 21. Aufl. § 67 Rn. 34; Schoch/Schneider/Bier/Meissner/Schenk VwGO Stand Oktober 2014 § 67 Rn. 79; Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/ von Albedyll VwGO 6. Aufl. § 67 Rn. 32; aA BeckOK VwGO/Hartung Stand 1. April 2015 § 67 VwGO Rn. 19, 55a; Mouqué Rbeistand 2009, 40). Im sozialgerichtlichen Verfahren beschränkt sich der Vertretungszwang auf das Bundessozialgericht. Vor diesem sind Kammerrechtsbeistände nicht vertretungsbefugt. Auf die maßgebende Vorschrift des § 73 Abs. 4 SGG verweist § 3 Abs. 1 Nr. 4 RDGEG nicht (vgl. BSG 18. November 2009 – B 1 KR 111/09 B – Rn. 5; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 11. Aufl. § 73 Rn. 8, 49).
(4) Für die Vertretung vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit sind Kammerrechtsbeistände gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 6 RDGEG einem Rechtsanwalt in § 62 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 6 Satz 4 FGO nur unter der Voraussetzung gleichgestellt, dass die ihnen erteilte Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst. Die Vorschrift des § 62 Abs. 4 FGO, die den Vertretungszwang vor dem Bundesfinanzhof regelt, findet keine Erwähnung (zur früheren Rechtslage, nach der eine Vertretung durch Kammerrechtsbeistände im Verfahren vor dem Bundesfinanzhof ausgeschlossen war, vgl. BFH 28. Mai 2003 – IV B 60/02 –).
dd) Der Lesart, die Gleichstellung in § 3 Abs. 1 Nr. 3 RDGEG iVm. § 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG beziehe sich lediglich auf die Vertretung vor dem Arbeitsgericht, widerspricht es nicht, dass sich die Parteien vor den Landesarbeitsgerichten nach § 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG „außer durch Rechtsanwälte” auch durch die in § 11 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 5 ArbGG genannten Verbände und Organisationen vertreten lassen können. Die Regelung trägt den Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens Rechnung. Das Gesetz geht davon aus, dass diese Bevollmächtigten aufgrund ihrer ständigen Befassung mit rechtlichen Fragen des Arbeitslebens über spezifische materiell- und verfahrensrechtliche Kenntnisse im Arbeitsrecht verfügen, die sie für eine sachgerechte Prozessvertretung im arbeitsgerichtlichen Verfahren qualifizieren (vgl. BT-Drs. 16/3655 S. 93).
ee) Gegen ein solches Verständnis bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
(1) Die Beschränkung ihrer Postulationsfähigkeit auf Verfahren vor dem Arbeitsgericht beeinträchtigt Kammerrechtsbeistände nicht unverhältnismäßig in ihrer Berufungsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG; zum Ausschluss von der Vertretung im Anwaltsprozess vgl. BGH 18. September 2003 – V ZB 9/03 – zu III der Gründe; Musielak/Voit/Weth ZPO 12. Aufl. § 78 Rn. 4). Ihre Ausgangsqualifikation ist – bei typisierender Betrachtung – nicht mit der eines Rechtsanwalts vergleichbar. Daran durfte der Gesetzgeber anknüpfen (vgl. BVerfG 12. Februar 1998 – 1 BvR 272/97 – zu II 2 b bb der Gründe; BGH 18. September 2003 – V ZB 9/03 – aaO; siehe auch OVG NRW 7. November 2008 – 20 A 2504/08 –; zur Untersagung des Berufs des Vollrechtsbeistands als verhältnismäßiges Mittel zum Schutz der Rechtspflege vgl. BVerfG 5. Mai 1987 – 1 BvR 724/81, 1 BvR 1000/81, 1 BvR 1015/81, 1 BvL 16/82, 1 BvL 5/84 – zu C I 2 der Gründe, BVerfGE 75, 246). Die Privilegierung der in § 11 Abs. 4 Satz 2 iVm. § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5 ArbGG genannten Organisationen und Verbände gegenüber Kammerrechtsbeiständen beruht auf der ihnen generell zuerkannten spezifischen Sach- und Fachkunde. Zwar ergeben sich aus § 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG – anders als nach Satz 3 der Bestimmung für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht – keine Anforderungen an die formale juristische Qualifikation der für die Organisationen und Verbände im zweiten Rechtszug handelnden Personen. Das Gesetz überlässt die Auswahl der Eigenverantwortung der bevollmächtigten Organisation. Auch dies hält sich jedoch im Rahmen der dem Gesetzgeber zukommenden Einschätzungsprärogative. Er durfte darauf vertrauen, dass eine mit der Prozessführung betraute Gewerkschaft oder Arbeitgebervereinigung die Auswahl in einer dem Zweck des Vertretungszwangs entsprechenden Weise trifft.
(2) Soweit der Kläger vorbringt, der mit dem Vertretungszwang bezweckte Schutz der Qualität der Rechtspflege sei durch die Möglichkeit einer Zurückweisung nach § 11 Abs. 3 ArbGG hinreichend gewährleistet, übersieht er, dass die Vorschrift nur auf das Verfahren erster Instanz Anwendung findet (BT-Drs. 16/3655 S. 93). Im Rechtsmittelverfahren sind Prozesshandlungen nicht postulationsfähiger Bevollmächtigter von vorneherein rechtsunwirksam; für eine Zurückweisung durch Beschluss ist hier kein Raum (Perschke in Natter/Gross ArbGG 2. Aufl. § 11 Rn. 24). Auch diese Differenzierung hält sich im Wertungsspielraum des Gesetzgebers. Die Möglichkeit einer Zurückweisung nach § 3 Abs. 3 RDGEG, auf die der Kläger außerdem verweist, erfasst nur registrierte Erlaubnisinhaber iSv. § 1 Abs. 1 RDGEG. Sie findet auf Kammerrechtsbeistände keine Anwendung (BT-Drs. 16/3655 S. 89).
2. Die Postulationsfähigkeit ist Prozesshandlungsvoraussetzung. Die Einlegung der Berufung durch Kammerrechtsbeistand J war damit unwirksam (vgl. zu dieser Konsequenz auch BAG 17. September 2013 – 9 AZR 75/12 – Rn. 15; BGH 18. Juli 2014 – V ZR 287/13 – Rn. 14). Gleiches gilt für die Berufungsbegründung, soweit sie durch ihn erfolgt ist. Der Mangel der Vertretungsbefugnis ist von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG 17. September 2013 – 9 AZR 75/12 – Rn. 8; BGH 11. Oktober 2005 – XI ZR 398/04 – zu II 2 c der Gründe). Überdies wurde er im Streitfall gerügt.
II. Die erneute Einlegung der Berufung mit anwaltlichem Schriftsatz vom 30. Juli 2013 war verspätet (zum Verständnis solcher zweier Prozesserklärungen als einheitliches Rechtsmittel und zu den Wirkungen der wiederholten Einlegung desselben Rechtsmittels vgl. BGH 20. September 1993 – II ZB 10/93 –; 15. Oktober 1992 – I ZB 8/92 – zu II 3 der Gründe; Zöller/Heßler ZPO 30. Aufl. § 519 ZPO Rn. 3). Sollte in den anwaltlichen Erklärungen eine Genehmigung der bisherigen Prozessführung durch Herrn J liegen, wäre auch sie verspätet erfolgt. Bei fristgebundenen Prozesshandlungen muss die Genehmigung einer bis dahin unwirksamen Handlung vor Fristablauf erklärt werden (BAG 17. September 2013 – 9 AZR 75/12 – Rn. 15). Eine rückwirkende Heilung kommt nicht in Betracht (vgl. BAG 17. September 2013 – 9 AZR 75/12 – aaO; BGH 16. Dezember 1992 – XII ZB 137/92 – zu II 3 der Gründe; ErfK/ Koch 15. Aufl. § 11 ArbGG Rn. 7).
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist dem Kläger am 27. Mai 2013 wirksam zugestellt worden. Die Zustellung erfolgte an Herrn J. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 RDGEG iVm. § 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG war dieser erstinstanzlich zur Vertretung des Klägers berechtigt. Zustellungen an ihn konnten nach § 174 ZPO gegen Empfangsbekenntnis erfolgen.
2. Der Kläger hat die einmonatige Berufungsfrist (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Satz 2 ArbGG) versäumt. Die anwaltlich unterzeichnete Berufungsschrift ging erst am 31. Juli 2013 beim Landesarbeitsgericht ein.
III. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte dem Kläger nicht gewährt werden. Das schied schon deshalb aus, weil er in der dazu anberaumten mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer am 18. November 2013 durch Herrn J nicht wirksam vertreten war. Darauf, ob die Verspätung der anwaltlich bewirkten Prozesshandlung – wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat – iSv. § 233 Satz 1 ZPO verschuldet war, kommt es nicht an.
1. Nach § 233 ZPO ist einer Partei auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, eine Notfrist einzuhalten. Die Wiedereinsetzung ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu beantragen (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Der Antrag muss nach § 236 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten. Gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann einer Partei auch ohne Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden ist (vgl. BAG 15. Oktober 2013 – 3 AZR 640/13 – Rn. 9; 23. Mai 1989 – 2 AZB 1/89 – zu II 2 c bb der Gründe). Für das Verfahren gilt Vertretungszwang, sofern für die nachzuholende Prozesshandlung ein solcher besteht.
2. Einen Antrag auf Wiedereinsetzung hat der Kläger nicht, auch nicht konkludent gestellt. Eine Wiedereinsetzung kann zwar – wie erwähnt – auch ohne Antrag erfolgen. Das setzt aber voraus, dass die Partei im Verfahren auf Wiedereinsetzung wirksam vertreten ist. Das war hier nicht der Fall. Für den Kläger war in der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2013 ein postulationsfähiger Bevollmächtigter nicht erschienen.
a) Ausweislich des Sitzungsprotokolls waren zu dem fraglichen, am 22. August 2013 anberaumten „Termin zur Berufungsverhandlung” der Kläger in Person und für ihn „Rechtsbeistand J” erschienen. Da sich der Vertretungszwang auf die mündliche Verhandlung erstreckt und Herr J – wie dargelegt – nicht postulationsfähig ist, war der Kläger nicht ordnungsgemäß vertreten. Das steht seinem Nichterscheinen gleich (vgl. BGH 6. Oktober 2011 – IX ZB 148/11 – zu II 2 b bb (1) der Gründe). Dem steht nicht entgegen, dass gerade die Postulationsfähigkeit seines Beistands im Streit stand. Soweit angenommen wird, in einem solchen Fall sei die im Prozess handelnde Person bis zur Klärung ihrer Vertretungsbefugnis als postulationsfähig zu behandeln (vgl. OLG Frankfurt 18. Januar 1994 – 3 WF 6/94 –; Musielak/Voit/Weth ZPO 12. Aufl. § 78 Rn. 4; Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. § 78 Rn. 19), bedeutet dies nur, dass sie nicht von vorneherein – etwa durch Anordnung des Ruhens des Verfahrens – von einer Prozessführung, die auf die Klärung ihrer Vertretungsberechtigung zielt, ausgeschlossen werden darf. Es bedeutet dagegen nicht, dass die Partei objektiv als ordnungsgemäß durch sie vertreten anzusehen wäre.
b) Die unzureichende Vertretung führte dazu, dass eine Sachprüfung möglicher Wiedereinsetzungsgründe zu unterbleiben hatte.
aa) Hat eine Partei Wiedereinsetzung in eine Rechtsmittelfrist beantragt und ist die Entscheidung hierüber der mündlichen Verhandlung vorbehalten worden, so ist das Gesuch ohne Sachprüfung durch Versäumnisurteil zurückzuweisen, wenn der Antragsteller in dem fraglichen Termin säumig war. Das folgt aus § 238 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 330 ZPO und gilt auch bei gleichzeitiger – insoweit kontradiktorischer – Entscheidung über das Rechtsmittel (vgl. BAG 14. Juli 2010 – 10 AZR 781/08 – Rn. 5; BGH 28. Januar 1969 – VI ZR 195/67 –).
bb) Gleiches gilt für die im Rahmen von § 236 Abs. 2 Satz 2, Halbs. 2 ZPO „von Amts wegen” zu treffende Entscheidung, ob Wiedereinsetzung auch ohne Antrag zu gewähren ist. Die entsprechende Sachprüfung ist nur veranlasst, wenn die Partei im Termin zur mündlichen Verhandlung über die nachgeholte Prozesshandlung ordnungsgemäß vertreten ist. Ist dies nicht der Fall, ist für eine Wiedereinsetzung „von Amts wegen” kein Raum. § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO erklärt lediglich den fehlenden Antrag auf Wiedereinsetzung für entbehrlich. Die Vorschrift eröffnet dagegen keine Wiedereinsetzung in einer Situation, in der sie auch bei ausdrücklicher oder konkludenter Antragstellung nicht – hier mangels wirksamer Vertretung nicht – hätte gewährt werden können.
cc) Diese Folge der nicht ordnungsgemäßen Vertretung vor dem Berufungsgericht ist im Revisionsverfahren auch dann zu beachten, wenn das Berufungsgericht eine Sachprüfung vorgenommen und die Wiedereinsetzung auf deren Grundlage versagt hat. Eine unbillige Verkürzung der Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Partei geht damit nicht einher. Wird ein – ausdrücklich oder konkludent angebrachter – Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 238 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 330 ZPO zurückgewiesen, steht der antragstellenden Partei gemäß § 238 Abs. 2 ZPO der Einspruch nicht zu (vgl. BAG 14. Juli 2010 – 10 AZR 781/08 – Rn. 5). Rechtsmittel – auch Revision – kann sie nur mit der Begründung einlegen, ein Fall der Säumnis habe nicht vorgelegen oder sie habe die Säumnis nicht verschuldet (§ 565 Satz 1 iVm. § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO; Zöller/Heßler ZPO 30. Aufl. § 514 ZPO Rn. 6). Diese Beschränkung gilt unbeschadet einer vom Prozessgericht gleichwohl vorgenommenen sachlichen Prüfung der Wiedereinsetzungsgründe (vgl. BGH 28. Januar 1969 – VI ZR 195/67 – zu I der Gründe).
dd) Der Kläger wendet sich im Revisionsverfahren nicht dagegen, dass das Landesarbeitsgericht im Termin vom 18. November 2013 über die Zulässigkeit der Berufung, soweit sie durch anwaltlichen Schriftsatz am 31. Juli 2013 eingelegt worden ist, überhaupt entschieden hat. Insbesondere rügt er nicht, dass er zu dem Termin nicht ordnungsgemäß geladen worden sei. Dies ist nach der Aktenlage auch nicht etwa offensichtlich. Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte dafür, dass den Kläger am Fehlen einer zureichenden Vertretung trotz § 85 ZPO kein Verschulden träfe.
C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Kreft, Berger, Niemann, Beckerle, Grimberg
Fundstellen
Haufe-Index 9089831 |
BAGE 2016, 34 |
BB 2016, 628 |
DB 2016, 7 |