Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Feststellungsklage. Feststellungsinteresse. Betriebsübergang im Verlauf des Rechtsstreits. Ablösung verbandstarifvertragliche Regelungen durch Haustarifvertrag. Auslegung eines Tarifvertrags. Ablösung verbandstariflicher Regelungen
Leitsatz (amtlich)
Die Ablösung tariflicher Regelungen durch einen anderen Tarifvertrag setzt voraus, dass die aufeinanderfolgenden Tarifvereinbarungen von denselben Tarifvertragsparteien geschlossen werden. Schließt ein an einen Verbandstarifvertrag kraft Mitgliedschaft gebundener Arbeitgeber mit der Gewerkschaft, die diesen Tarifvertrag vereinbart hat, einen Haustarifvertrag, findet auch hinsichtlich übereinstimmender Regelungsbereiche keine Ablösung statt, sondern es kann lediglich eine Tarifkonkurrenz eintreten.
Orientierungssatz
1. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags, der im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge dauernder Flugdienstuntauglichkeit Leistungen an den Arbeitnehmer vorsieht, besteht bereits im laufenden Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer muss nicht den Eintritt des Leistungsfalls abwarten.
2. Ein im Verlauf eines Rechtsstreits erfolgter Übergang des Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB lässt das besondere Feststellungsinteresse einer im Übrigen zulässigen Feststellungsklage gegen den Betriebsveräußerer nicht entfallen, wenn durch den Feststellungsantrag der streitige Inhalt der Rechte und Pflichten im Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses geklärt wird. Die Rechtskraft des Urteils erstreckt sich in entsprechender Anwendung von § 265 Abs. 1, § 325 ZPO auf den Betriebserwerber.
3. Die Ablösung tarifvertraglicher Regelungen setzt die Identität der tarifvertragsschließenden Parteien voraus. Die Parteien eines Haustarifvertrags können grundsätzlich keine Ablösung verbandstariflicher Tarifbestimmungen herbeiführen.
4. Bei Tarifverträgen muss anhand der Vertragsurkunde hinreichend erkennbar sein, wer im Einzelnen den Tarifvertrag geschlossen hat. Im Falle einer rechtsgeschäftlichen Vertretung muss der entsprechende Wille für einen anderen zu handeln anhand der Urkunde objektiv erkennbar sein. Daran fehlt es regelmäßig schon dann, wenn der Dritte nicht als Vertragspartei genannt ist.
Normenkette
BGB § 164 Abs. 1; ZPO § 91a Abs. 1 S. 1, § 256 Abs. 1, § 265 Abs. 1, § 325; Manteltarifvertrag Nr. 1 für das Cockpitpersonal der Condor und Condor Berlin (gültig ab 1. Januar 2005) vom 1. Januar 2005 § 1, Nr. 2 für das Cockpitpersonal der Condor und Condor Berlin (gültig ab 1. März 2011) vom 26. Januar 2011; Manteltarifvertrag Airberlin Nr. 1a für das Cockpitpersonal vom 28. Februar 2008 § 1; Sideletter zur gemeinsamen Vereinbarung vom 28. März 2008 betreffend Condor/Condor Berlin vom 28. März 2008 Nrn. 2-3; Tarifvertrag „Gemeinsame Vereinbarung vom 28.03.2008 betreffend Condor und Condor Berlin” vom 28. August 2008 Nr. 3; Tarifvertrag Übergangsversorgung Cockpit vom 29. November 2005 § 1
Verfahrensgang
LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 26.06.2012; Aktenzeichen 12 Sa 497/12) |
ArbG Cottbus (Entscheidung vom 15.02.2012; Aktenzeichen 4 Ca 991/11) |
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Juni 2012 – 12 Sa 497/12 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Anwendbarkeit eines Tarifvertrags auf das zwischen ihnen bis zum 31. März 2013 bestandene Arbeitsverhältnis.
Der Kläger ist seit dem 1. Oktober 2008 bei der Beklagten – der Condor Berlin GmbH –, einem Luftfahrtunternehmen, als Flugzeugführer beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag heißt es ua.:
„2. Rechte und Pflichten
Das Arbeitsverhältnis unterliegt den jeweils bei Condor Berlin geltenden Tarifverträgen und Tarifvereinbarungen für die nach dem 28.03.2008 eingestellten Mitarbeiter des Cockpitpersonals, sowie den diese Tarifverträge ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Vereinbarungen.
Auf das Arbeitsverhältnis finden vollinhaltlich der Manteltarifvertrag Nr. 1a airberlin und der Vergütungstarifvertrag Nr. 1a airberlin entsprechende Anwendung bis zu dem Zeitpunkt, ab dem gemäß Vereinbarung vom 28.03.2008 ein neuer Manteltarifvertrag und Vergütungstarifvertrag zwischen Condor und der Vereinigung Cockpit zustande kommt.”
Die Beklagte ist Mitglied in der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e.V. (AVH). Der Kläger trat am 1. November 2008 in die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit e.V. (VC) ein.
Die AVH und die VC schlossen bereits am 1. Januar 2005 den „Manteltarifvertrag Nr. 1 für das Cockpitpersonal der Condor und Condor Berlin (gültig ab 01.01.2005)” (MTV Nr. 1) sowie am 29. November 2005 den „Tarifvertrag Übergangsversorgung Cockpit” (TV Übergangsversorgung).
Der TV Übergangsversorgung bestimmt zum Geltungsbereich in § 1: „Dieser Tarifvertrag gilt:
- räumlich: für die Bundesrepublik Deutschland;
- persönlich: für die Mitarbeiter des Cockpitpersonals, die unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrags für das Cockpitpersonal der CFG und der CiB in seiner jeweils gültigen Fassung fallen, mit Ausnahme der leitenden Angestellten im Sinne von § 1 Absatz 2 MTV.”
§ 1 Abs. 1 MTV Nr. 1 sieht zum Geltungsbereich vor:
„Der Tarifvertrag gilt für die in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Mitarbeiter des Cockpitpersonals der Condor Flugdienst GmbH (CFG) und der Condor Berlin GmbH (CIB) – im folgenden Mitarbeiter genannt.”
Im Hinblick auf eine geplante Übernahme der Beklagten und der Condor Flugdienst GmbH (CFG) durch die Air Berlin PLC (airberlin) und Thomas Cook fanden Tarifverhandlungen zwischen der VC einerseits und ua. der Beklagten, der CFG, der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG, der LTU Lufttransport-Unternehmen GmbH (LTU) sowie der dba Luftfahrtgesellschaft mbH (dba) andererseits statt. Diese führten am 28. März 2008 zu einer „Gemeinsamen Vereinbarung”, die ua. von der Beklagten und der VC unterzeichnet wurden.
In einem „Sideletter zur gemeinsamen Vereinbarung vom 28.03.2008 betreffend Condor/Condor Berlin” (Sideletter) vom gleichen Tag heißt es ua.:
- „ Die Tarifpartner stimmen darin überein, dass angesichts des fest vereinbarten Verkaufs der Condor-Anteile durch Lufthansa die Condor zukünftig eine eigene Tarifkommission haben wird, welche aus Cockpitmitarbeitern besteht, die nach dieser Vereinbarung eingestellt werden.
Die Tarifpartner sind sich darüber einig, dass die gemeinsame Vereinbarung airberlin, dba und LTU vom 28.03.2008 entsprechende Geltung auch für die Condor/Condor Berlin entfaltet und das bestehende Tarifwerk der Condor/Condor Berlin für alle ab dem 28.03.2008 eingestellten Piloten ablöst. Dies bedeutet insbesondere, dass die mit diesem Ergebnis gefundenen Regelungen zu VTV und Bereederung (gemäß der gemeinsamen Vereinbarung vom 28.03.2008), sowie die Regelungen des VTV Nr. 1a airberlin sowie der MTV Nr. 1a airberlin auf alle Neueinstellungen, Förderungen und Wechsel der Condor/Condor Berlin in der airberlin-Gruppe entsprechende Anwendung finden und als eigenständige Tarifverträge gleichlautend abgeschlossen sind.
Diese Vereinbarung steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Kartellamts zum Zusammenschluss airberlin und Condor/Condor Berlin.
Ab dem 28.03.2008 finden angesichts der ausstehenden Entscheidung des Kartellamts zum Zusammenschluss von airberlin und Condor/Condor Berlin auf neueingestellte Mitarbeiter vorläufig die VTV- und MTV-Konditionen der airberlin in der Fassung der Vereinbarung vom 28.03.2008 entsprechend Anwendung.
Die Tarifpartner sind sich darin einig, dass in dem Fall einer Nichterteilung der Kartellamtszustimmung unverzüglich die Verhandlungen durchgeführt werden, die die Regelung des vorstehenden Satzes ersetzen sollen.”
Airberlin und Thomas Cook zogen zu einem späteren Zeitpunkt ihren Antrag auf Zustimmung zum Zusammenschluss von airberlin und der Beklagten sowie der CFG beim Kartellamt zurück. Nachfolgend schlossen die Beklagte und die CFG sowie die VC am 28. August 2008 einen Tarifvertrag (TV Gemeinsame Vereinbarung), der mit dem Sideletter bis auf den nachstehenden Inhalt übereinstimmte:
‚Gemeinsame Vereinbarung vom 28.03.2008, betreffend Condor und Condor Berlin’ |
Zwischen |
der Condor Flugdienst GmbH und der Condor Berlin |
GmbH, |
einerseits |
und |
der Vereinigung Cockpit e.V., |
andererseits |
werden nachfolgende Regelungen vereinbart: |
… |
|
3. |
…. |
4. |
Die Vereinbarungen zwischen der Vereinigung Cockpit und Condor / Condor Berlin aus den Regelungen des KTV der Deutschen Lufthansa / Condor / Condor Berlin bleiben hiervon unberührt. |
… |
|
|
Für die Vereinigung Cockpit … Für die (AHV) Condor Flugdienst GmbH / Condor e.V. Berlin GmbH |
Der in der Fußnote genannte Manteltarifvertrag Airberlin Nr. 1a (MTV-AB Nr. 1a) regelt zum Geltungsbereich in § 1:
„Dieser Tarifvertrag gilt:
…
persönlich: |
für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (nachfolgend zusammenfassend ‚Arbeitnehmer’) des Cockpitpersonals der Air Berlin; ausgenommen sind Arbeitnehmer mit einem Ausbildungsvertrag.” |
Die AVH, die CFG sowie die Beklagte erzielten mit der VC am 26. Januar 2011 ein „Verhandlungsergebnis Tarifrunde 2009/2010”, das ua. folgenden Inhalt hat:
„C. Manteltarifvertrag Nr. 2 für das Cockpitpersonal der Condor und Condor Berlin |
Mit Wirkung ab März 2011 gilt Manteltarifvertrag Nr. 2, dessen Inhalt mit dem Manteltarifvertrag Nr. 1 übereinstimmt, soweit nachfolgend abweichend nichts anderes geregelt ist. Er findet Anwendung auf alle Cockpitmitarbeiter der CFG und CIB.
…
XI. Altersgrenze
1. Das Arbeitsverhältnis endet – ohne dass es einer Kündigung bedarf – mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter das 60. Lebensjahr vollendet.
2. Zwischen den Tarifpartnern besteht derzeit kein Einvernehmen hinsichtlich der in Ziffer 1 genannten Altersgrenze sowie des Anwendungsbereichs von tariflichen Regelungen zur Übergangsversorgung und Betrieblichen Altersvorsorge für die unter VTV Nr. 1 (Verhandlungsergebnis vom 08.12.2009) fallenden Mitarbeiter. Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Tarifpartner bis zu einer abschließenden Rechtsklärung für die oben genannten Mitarbeiter, die in Ziffer 1 genannte Regelung auszusetzen.”
Unter dem gleichen Datum schlossen die AVH und die VC den mit dem Verhandlungsergebnis übereinstimmenden „Manteltarifvertrag Nr. 2 für das Cockpitpersonal der Condor und Condor Berlin (gültig ab 01.03.2011)” (MTV Nr. 2), der ua. regelt:
„§ 1 Geltungsbereich
(1) Der Tarifvertrag gilt für die in der Bundesrepublik Deutschland tätigen Mitarbeiter des Cockpitpersonals der Condor Flugdienst GmbH (CFG) und der Condor Berlin GmbH (CIB) – im folgenden Mitarbeiter genannt.”
Mit seiner Klage hat der Kläger ua. die Feststellung begehrt, dass der TV Übergangsversorgung nach wie vor für das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis maßgebend sei. Dies ergebe sich sowohl kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme als auch aufgrund unmittelbarer Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien. Weder der Sideletter noch der TV Gemeinsame Vereinbarung habe den Tarifvertrag abgelöst.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass auf sein Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag Übergangsversorgung Cockpit vom 29. November 2005 Anwendung findet.
Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, aufgrund des Sideletter und des TV Gemeinsame Vereinbarung sei der TV Übergangsversorgung abgelöst worden. Zudem werde der Kläger nicht mehr von deren Geltungsbereich erfasst, da der MTV Nr. 1 nicht für ihn gelte.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Im Verlauf des Revisionsverfahrens ist das Arbeitsverhältnis des Klägers am 1. April 2013 auf die Condor Flugdienst GmbH übergegangen. Den weiteren Antrag auf Feststellung, dass der „Tarifvertrag Lufthansa-Betriebsrente für das Cockpitpersonal gültig ab 01. Januar 2002” (TV Betriebsrente) Anwendung findet, haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Tarifvertragsparteien zum TV Betriebsrente im August 2013 ein Verhandlungsergebnis erzielt und nachfolgend einen neuen Tarifvertrag geschlossen haben, von dessen personellen Geltungsbereich auch der Kläger erfasst wird.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den zulässigen Feststellungsantrag, über den der Senat aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien allein noch zu entscheiden hatte, zu Recht stattgegeben. Es kann dahingestellt bleiben, ob der TV Übergangsversorgung ab dem 1. November 2008 kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG für das Arbeitsverhältnis der Parteien galt. Denn dieser Tarifvertrag fand jedenfalls aufgrund der vertraglichen Bezugnahme in Nr. 2 des Arbeitsvertrags ab dem 1. Oktober 2008 Anwendung.
I. Der Feststellungsantrag, dessen gebotene (dazu BAG 4. Juli 2012 – 4 AZR 759/10 – Rn. 13 mwN) und vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigte Auslegung ergibt, dass er die Anwendbarkeit des TV Übergangsversorgung seit Beginn des Arbeitsverhältnisses am 1. Oktober 2008 auf das zwischen den Parteien bis zum 31. März 2013 bestehende Arbeitsverhältnis festgestellt wissen will, ist zulässig. Insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.
1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn die klagende Partei ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Das besondere Feststellungsinteresse ist eine in jedem Stadium des Rechtsstreits von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung. Es muss auch noch in der Revisionsinstanz gegeben sein (vgl. nur BAG 22. Februar 2012 – 4 AZR 580/10 – Rn. 15 mwN). Wird ein Antrag auf die Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtet, besteht ein Feststellungsinteresse nur dann, wenn sich aus der Entscheidung noch Rechtsfolgen für die Zukunft ergeben (vgl. nur BAG 22. Februar 2012 – 4 AZR 580/10 – aaO).
2. Nach diesen Maßstäben ist das erforderliche Feststellungsinteresse gegeben.
a) Durch die Entscheidung kann die zwischen den Parteien streitige Frage geklärt werden, ob der TV Übergangsversorgung auf das zwischen ihnen ehemals bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund vertraglicher Bezugnahme Anwendung fand und dem Kläger im Falle einer tarifvertraglichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund dauernder Flugdienstuntauglichkeit Leistungen nach diesem Tarifvertrag beanspruchen kann. Für die Feststellung dieser Verpflichtung kann der Kläger nicht darauf verwiesen werden, erst den Eintritt des Leistungsfalls abzuwarten (st. Rspr., etwa für Versorgungsanwartschaften BAG 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – zu A III 2 der Gründe, BAGE 79, 236).
b) Das Feststellungsinteresse ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht allein deshalb entfallen, weil das Arbeitsverhältnis nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien im Verlauf des Revisionsverfahrens zum 1. April 2013 nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die CFG übergegangen ist (zur Berücksichtigung des Vorbringens in der Revisionsinstanz s. nur BAG 22. Februar 2012 – 4 AZR 580/10 – Rn. 28 f. mwN).
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist von einer Rechtskrafterstreckung der Entscheidung in entsprechender Anwendung von §§ 265, 325 Abs. 1 ZPO auf den Betriebserwerber auszugehen. Die bindende Feststellung eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebsveräußerer wirkt gegenüber dem Betriebserwerber, wenn der Betriebsübergang nach Rechtshängigkeit erfolgt ist (BAG 22. Februar 2012 – 4 AZR 580/10 – Rn. 21 mwN). Die Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnis, in das der Betriebserwerber nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB eintritt, werden dann auch ihm gegenüber bindend festgestellt.
II. Die Klage ist begründet. Der TV Übergangsversorgung ist kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme in Nr. 2 des Arbeitsvertrags Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses gewesen. Eine Ablösung des TV Übergangsversorgung ist nicht erfolgt. Das ergibt die Auslegung der vereinbarten tariflichen Regelungen (zu den Maßstäben etwa BAG 28. Januar 2009 – 4 ABR 92/07 – Rn. 26 mwN, BAGE 129, 238).
1. Nach der unter Nr. 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vereinbarten Bezugnahmeregelung sind auf das Arbeitsverhältnis des Klägers die für die Beklagten „geltenden Tarifverträge” anzuwenden. Zu diesen bei Vertragsschluss geltenden Tarifverträgen gehörte der am 29. November 2005 geschlossene TV Übergangsversorgung.
a) Die Beklagte war aufgrund ihrer Mitgliedschaft im tarifschließenden Verband an den von der AVH und der VC „für das Cockpitpersonal der … Condor Berlin GmbH (CiB)” geschlossenen TV Übergangsversorgung nach § 3 Abs. 1 TVG gebunden.
b) Der TV Übergangsversorgung wurde entgegen der Auffassung der Beklagten weder aufgrund des Sideletter, bei dem es sich aufgrund der getroffenen Regelungen um einen Tarifvertrag handelt (zu den Maßstäben etwa BAG 19. September 2007 – 4 AZR 670/06 – Rn. 16 mwN, BAGE 124, 110), noch durch den TV Gemeinsame Vereinbarung abgelöst.
aa) Die wirksame Ablösung eines Tarifvertrags durch eine Neuregelung setzt voraus, dass die aufeinanderfolgenden Tarifregelungen von denselben Tarifvertragsparteien vereinbart werden (BAG 24. Februar 2010 – 4 AZR 708/08 – Rn. 20). Schließt daher ein Arbeitgeber, der kraft Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband an die von diesem geschlossenen Verbandstarifverträge gebunden ist, mit der Gewerkschaft, die diesen Tarifvertrag abgeschlossen hat, einen Haustarifvertrag ab, führt dies, auch wenn übereinstimmende Regelungsbereiche gegeben sind, nicht zu einer Ablösung der verbandstariflichen Bestimmungen, sondern es kann (lediglich) zu einer Tarifkonkurrenz führen.
Danach ist im Entscheidungsfall eine Ablösung des TV Übergangsversorgung schon deshalb nicht eingetreten, weil sowohl der Sideletter als auch der TV Gemeinsame Vereinbarung auf Arbeitgeberseite von der AVH geschlossen wurde. Vertragsparteien auf Arbeitgeberseite sind nach dem Vertragstext – lediglich – die Beklagte und die CFG.
bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft dies auch für den TV Gemeinsame Vereinbarung zu. Allein aus dem in der Unterschriftenzeile enthaltenen Zusatz „(AVH)” vor den Worten „Condor Flugdienst GmbH/Condor Berlin GmbH” kann nicht gefolgert werden, dieser Tarifvertrag sei als verbandsbezogener Haustarifvertrag von den beiden Gesellschaften sowohl in Vollmacht als auch im Namen der AVH geschlossen worden.
(1) Eine wirksame Vertretung nach § 164 Abs. 1 BGB, die für den Abschluss von Tarifverträgen ebenso gilt, setzt voraus, dass der Vertreter – neben der Bevollmächtigung zur Abgabe der Willenserklärung – erkennbar im Namen des Vertretenen gehandelt hat. Anhand der Vertragsurkunde muss hinreichend erkennbar sein, wer im Einzelnen den Tarifvertrag für wen abgeschlossen hat (st. Rspr., s. nur BAG 22. Februar 2012 – 4 AZR 24/10 – Rn. 28 f. mwN). Allein der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien einvernehmlich davon ausgehen, eine der Vertragsparteien habe zugleich in Vertretung für eine andere Person gehandelt, reicht nicht aus, wenn dies im Tarifvertragstext keinen hinreichend deutlichen Niederschlag gefunden hat und daher objektiv nicht erkennbar ist (BAG 18. November 2009 – 4 AZR 491/08 – Rn. 16 mwN, BAGE 132, 268).
(2) Ausgehend von diesen Maßstäben fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten in der Vertragsurkunde, der TV Gemeinsame Vereinbarung sollte zugleich für die AVH, vertreten durch die Beklagte, geschlossen werden. Die AVH ist bereits nicht als – weitere – Vertragspartei aufgeführt. Auch ist anhand der Unterschriftenzeile für den einzelnen Tarifgebundenen nicht mit der hinreichenden Deutlichkeit erkennbar, die Beklagte wolle als Mitglied der AVH nicht nur für sich, sondern zugleich im Namen der AVH handeln.
c) Die arbeitsvertragliche Bezugnahme des TV Übergangsversorgung entfällt selbst dann nicht, wenn man davon ausgehen wollte, der Sideletter und der TV Gemeinsame Vereinbarung könnten die verbandstariflichen Regelungen, an die die Beklagte gebunden ist, infolge einer Tarifkonkurrenz nach dem Spezialitätsprinzip verdrängen (vgl. dazu etwa BAG 23. Januar 2008 – 4 AZR 312/01 – Rn. 31, BAGE 125, 314; 4. April 2001 – 4 AZR 237/00 – zu II 1 d der Gründe, BAGE 97, 263), und dies wirke sich zugleich auf die Anwendbarkeit der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifbestimmungen aus. Denn es bestand mangels Überschneidung der tariflichen Regelungsbereiche bereits keine Tarifkonkurrenz zwischen den von der Beklagten selbst vereinbarten Tarifbestimmungen und der AVH geschlossenen TV Übergangsversorgung, die einer Auflösung bedurft hätte.
aa) Soweit nach Nr. 2 Sideletter und Nr. 2 TV Gemeinsame Vereinbarung „die gemeinsame Vereinbarung airberlin, dba und LTU vom 28.03.2008 entsprechende Geltung auch für die Condor/Condor Berlin” entfalten und „das bestehende Tarifwerk der Condor/Condor Berlin für alle ab dem 28.03.2008 eingestellten Piloten” ablösen soll, ist diese Vereinbarung aufgrund der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) nicht in Kraft getreten. Da der entsprechende Antrag zurückgenommen wurde, liegt keine Zustimmung des Kartellamts zum erwähnten Zusammenschluss vor. Von daher musste der Senat nicht darüber befinden, ob eine tarifrechtliche Verdrängung des TV Übergangsversorgung überhaupt in Betracht gekommen wäre.
bb) Eine von dem durch die AVH vereinbarten TV Übergangsversorgung abweichende tarifliche Regelung durch einen von der Beklagten selbst geschlossenen Tarifvertrag, die in Anwendung des Spezialitätsprinzips zu dessen Verdrängung führen könnte, besteht nicht. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus der „vorläufigen, entsprechenden Anwendung des VTV Nr. 1a und des MTV Nr. 1a der airberlin-Gruppe” für ab dem 28. März 2008 „neueingestellte Mitarbeiter” nach der Fußnote zu Nr. 3 des TV Gemeinsame Vereinbarung und Nr. 3 Abs. 1 Sideletter.
(1) Eine Tarifkonkurrenz wäre nur dann möglich, wenn sich aus den von der Beklagten geschlossenen Tarifverträgen ergeben würde, eine tarifliche Übergangsversorgung solle für ab dem 28. März 2008 eingestellte Arbeitnehmer nicht mehr bestehen.
(2) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann nach dem eindeutigen Regelungsbereich der beiden Tarifregelungen, die ausschließlich die Geltung des „VTV Nr. 1a und des MTV Nr. 1a der airberlin-Gruppe” betreffen, nicht davon ausgegangen werden, auch das sonstige bei der Beklagten bestehende Tarifwerk und der TV Übergangsversorgung sollten nicht mehr zur Anwendung kommen und „nur noch” die „VTV- und MTV-Konditionen … entsprechend Anwendung” finden (Nr. 3 Abs. 1 Sideletter/TV Gemeinsame Vereinbarung). Das zeigt die Systematik der beiden Tarifvereinbarungen. Lediglich für den Fall einer Zustimmung des Kartellamts für den geplanten Zusammenschluss sollte das „bestehende Tarifwerk” der Beklagten „abgelöst” werden.
(3) Ein von der Beklagten für ihre Auffassung angeführter etwaiger Wille der Tarifvertragsparteien, es sollten lediglich die bei airberlin zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Tarifverträge – Mantel- und ein Vergütungstarifvertrag – für neu eingestellte Mitarbeiter gelten, hat in den von der Beklagten geschlossenen Tarifverträgen Sideletter und TV Gemeinsame Vereinbarung keinen Niederschlag gefunden (zu diesem Erfordernis BAG 21. März 2012 – 4 AZR 254/10 – Rn. 40; 19. September 2007 – 4 AZR 670/06 – Rn. 32 mwN, BAGE 124, 110). Gleiches trifft auf ihr weiteres Vorbringen zu, es habe kein Anlass bestanden, neu eingestellte Mitarbeiter unter den Geltungsbereich insbesondere des TV Übergangsversorgung zu fassen. Entgegen der Revision spricht für eine solche Auslegung des Sideletter und des TV Gemeinsame Vereinbarung auch nicht die Regelung in Nr. 1 Sideletter, nach der „Condor zukünftig eine eigene Tarifkommission haben wird”. Schlussfolgerungen für bereits bestehende Tarifverträge und deren Geltung ergeben sich hieraus nicht. Ebenso können Nr. 3 Abs. 2 Sideletter/TV Gemeinsame Vereinbarung keine Anhaltspunkte entnommen werden, die die Auffassung der Beklagten stützen, die weiteren bei der Beklagten bestehenden Tarifverträge sollten „abgelöst” werden. Die Verhandlungen, die „in dem Fall einer Nichterteilung der Kartellamtszustimmung … durchgeführt werden” sollen, beziehen sich lediglich auf die „Regelungen des vorstehenden Satzes”, also den Mantel- und den Vergütungstarifvertrag der airberlin, nicht aber auf weitere bei der Beklagten und nach ihrer Auffassung „vormals” bestehende Tarifverträge.
2. Der Kläger wird auch vom in § 1 Buchst. b TV Übergangsversorgung geregelten personellen Geltungsbereich erfasst.
a) Der TV Übergangsversorgung gilt „für die Mitarbeiter des Cockpitpersonals, die unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrags für das Cockpitpersonal … der CiB in seiner jeweils gültigen Fassung fallen”. Der Kläger gehört als Flugzeugführer zum Cockpitpersonal der Beklagten iSd. jeweiligen § 1 MTV Nr. 1 und den diesen ablösenden MTV Nr. 2, der ebenfalls von der AVH und der VC geschlossen wurde. An den MTV Nr. 1 war die Beklagte kraft Mitgliedschaft im tarifschließenden Verband ununterbrochen gebunden, bis er durch den MTV Nr. 2 – der gleichfalls nach § 3 Abs. 1 TVG für sie gilt – zum 1. März 2011 abgelöst wurde.
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten scheidet eine Bezugnahme des TV Übergangsvorsorgung nicht deshalb aus, weil der MTV Nr. 1 nach dem Inhalt der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeregelung – die in Nr. 2 Abs. 2 bis zum Inkrafttreten des MTV Nr. 2 ua. die Anwendung des MTV-AB Nr. 1a vorsah – nicht auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis anwendbar war.
aa) § 1 Buchst. b TV Übergangsversorgung beschreibt durch die Formulierung „für die Mitarbeiter des Cockpitpersonals, die unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrags für das Cockpitpersonal der CFG und der CiB in seiner jeweils gültigen Fassung fallen” lediglich dessen personellen Anwendungsbereich und inkorporiert damit den bei seinem Inkrafttreten im Jahr 2005 in § 1 Abs. 1 bis 4 MTV Nr. 1 näher geregelten personellen Geltungsbereich des Manteltarifvertrags, an den die Beklagte bis zur Ablösung durch den MTV Nr. 2 auch gebunden war. Das sind vorliegend die „tätigen Mitarbeiter des Cockpitpersonals der … Condor Berlin GmbH (CIB)”, also der Beklagten, iSd. § 1 Abs. 1 MTV Nr. 1. Eine weitere Voraussetzung, nach der die Bestimmungen des Manteltarifvertrags für das betreffende Arbeitsverhältnis kraft Tarifgebundenheit tatsächlich gelten oder im Falle einer Bezugnahme anwendbar sein müssten, kann dem TV Übergangsversorgung nicht entnommen werden.
bb) Darüber hinaus würde der Kläger auch vom Geltungsbereich des bei der Beklagten bis zum 28. Februar 2011 gleichfalls geltenden MTV-AB Nr. 1a erfasst werden, der aufgrund seiner „entsprechenden Anwendung” nach Nr. 3 Abs. 1 Sideletter/TV Gemeinsame Vereinbarung statt „für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (nachfolgend zusammenfassend ‚Arbeitnehmer’) des Cockpitpersonals der Air Berlin” für die Arbeitnehmer der Beklagten gilt.
3. Schließlich ergibt sich auch aus der von der Beklagten in der Revisionsinstanz vorgelegten Gemeinsamen Vereinbarung vom 31. Mai 2007 kein anderes Ergebnis. Es kann dahinstehen, ob es sich um ein neues Vorbringen handelt, das in der Revisionsinstanz nach § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich unzulässig ist. Soweit darin die „Vereinigung Cockpit und Condor” festgelegt haben, über tarifliche Bedingungen der Mitarbeiter, „die neu … eingestellt werden, Verhandlungen zu führen” und weiterhin „die neu abzuschließenden Tarifverträge … für diese Mitarbeiter die bisherigen Tarifverträge” ersetzen sollen, ist schon nicht erkennbar, dass diese Vereinbarung auch von der AVH getroffen wurde oder die VC einerseits sowie die Beklagte und die CFG andererseits durch die AVH zum Abschluss von solchen Tarifverträgen bevollmächtigt waren, um die bestehenden Verbandstarifverträge ablösen zu können. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten hiervon ausginge, hätten weder der Sideletter noch der TV Gemeinsame Vereinbarung aus den vorstehenden Gründen (unter II 1 c, 2) zu einer Ablösung des TV Übergangsversorgung geführt.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im Hinblick auf den von den Parteien in der Hauptsache für übereinstimmend erledigt erklärten Feststellungsantrag zur Anwendbarkeit des TV Betriebsrente waren die Kosten, über die gleichfalls im Urteil zu entscheiden war (BAG 21. Juli 2009 – 9 AZR 279/08 – Rn. 34 mwN), nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nach billigem Ermessen der Beklagten aufzuerlegen. Die vorstehenden Gründe zur Anwendbarkeit des TV Übergangsversorgung (unter II 2) wären für die TV Betriebsrente entsprechend heranzuziehen gewesen.
Unterschriften
Eylert, Rinck, Treber, Bredendiek, Redeker
Fundstellen
Haufe-Index 7693672 |
BAGE 2015, 97 |
DB 2015, 7 |
NJW 2015, 8 |
EBE/BAG 2015 |
NZA 2015, 950 |
ZTR 2015, 264 |
AP 2015 |
EzA-SD 2015, 14 |
EzA-SD 2015, 15 |
EzA 2015 |
NZA-RR 2015, 5 |
AUR 2015, 199 |
ArbR 2015, 209 |
GWR 2015, 193 |