Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit von Warnstreiks
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Warnstreik auch in der Form der sogenannten neuen Beweglichkeit ist keine gegenüber anderen Arbeitskampfformen privilegierte Kampfform. Er unterliegt wie diese dem ultima-ratio-Prinzip. Seine gegenteilige Ansicht (Urteil vom 12. September 1984 - 1 AZR 342/83 - BAGE 46, 322 = AP Nr 81 zu Art 9 GG Arbeitskampf, Urteil vom 29. Januar 1985 - 1 AZR 179/84 = AP Nr 83 zu Art 9 GG Arbeitskampf) gibt der Senat auf.
2. Das ultima-ratio-Prinzip verlangt nicht, daß die Tarifverhandlungen förmlich für gescheitert erklärt werden, damit Arbeitskampfmaßnahmen zulässig werden. In der Einleitung von Arbeitskampfmaßnahmen liegt vielmehr die freie und nicht nachprüfbare Entscheidung der Tarifvertragspartei, daß sie die Verhandlungsmöglichkeiten ohne begleitende Arbeitskampfmaßnahmen als ausgeschöpft ansieht.
3. Vom Streikrecht nicht gedeckt ist die Verhinderung des Zu- und Abgangs von Waren und Kunden sowie die Hinderung arbeitswilliger Arbeitnehmer am Betreten des Betriebes, soweit dies über das bloße Zureden, sich am Streik zu beteiligen, hinausgeht.
4. Handlungen anläßlich eines Streiks, die vom Streikrecht nicht gedeckt sind, machen den Streik als solchen nicht rechtswidrig. Sie verpflichten jedoch zum Ersatz des Schadens, der gerade durch diese Handlungen entstanden ist.
5. Für unerlaubte Handlungen der Streikleiter haftet die Gewerkschaft nach § 31 BGB, für solche der Streikposten nach § 831 BGB.
Normenkette
BGB §§ 31, 831; ZPO § 259; BGB § 1004; GG Art. 9 Abs. 3; BGB § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 29.10.1986; Aktenzeichen 3 Sa 5/86) |
ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 14.01.1986; Aktenzeichen 2 Ca 175/85) |
Tatbestand
I. Die Klägerin betreibt ein Einzelhandelsunternehmen und unterhält in der Bundesrepublik über 50 Niederlassungen. Eine ihrer Niederlassungen liegt in R, K-Straße. Hier beschäftigt die Klägerin 102 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer sowie zwischen 30 und 40 Teilzeitkräfte. Die Klägerin ist u.a. mit dieser Niederlassung Mitglied des Einzelhandelsverbandes Baden-Württemberg.
Die Niederlassung R wurde am 27. April 1985, einem sogenannten kurzen Samstag, an dem die Geschäfte lediglich bis 14.00 Uhr geöffnet sein dürfen, in der Zeit von 6.30 Uhr bis 11.50 Uhr bestreikt. Zu diesem Streik hatte die HBV-Landesbezirksleitung Baden-Württemberg aufgerufen. Nach der Behauptung der Klägerin ist es anläßlich dieses Streiks zu einer Vielzahl von "Streikausschreitungen" gekommen. Die Klägerin verlangt Ersatz des Schadens, der ihr durch diesen Streik entstanden ist, und die Unterlassung künftiger Warnstreiks an kurzen Samstagen, die länger als 30 Minuten, hilfsweise 90 Minuten, dauern. Außerdem verlangt sie die künftige Unterlassung der behaupteten Ausschreitungen und eine Verpflichtung der Beklagten, auf streikende Arbeitnehmer und Streikposten dahin einzuwirken, daß solche Ausschreitungen künftig unterbleiben.
Die Klage richtet sich mit allen Anträgen gegen die Mitglieder der HBV-Bezirksverwaltung R B. und Sch., die bei dem Streik als Streikleiter tätig waren (im folgenden nur Streikleiter B. und Streikleiter Sch.), gegen die HBV-Landesbezirksleitung Baden-Württemberg (im folgenden nur Landesbezirksleitung) und gegen die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen insgesamt (im folgenden nur HBV).
II. Zu dem Streik vom 27. April 1985, den die Parteien übereinstimmend als "Warnstreik" bezeichnen, kam es im Laufe der Tarifverhandlungen über den Neuabschluß des Manteltarifvertrages und der Gehalts- und Lohnabkommen für den Einzelhandel in Baden-Württemberg. Tarifpartner dieser Tarifverträge sind die HBV, die DAG und der Einzelhandelsverband Baden-Württemberg. Der Manteltarifvertrag vom 1. April 1980, der zum 31. Dezember 1982, hinsichtlich einzelner Bestimmungen aber erst zum 31. Dezember 1984 kündbar war, sollte nach einer Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom September 1982 mit Rücksicht auf die Allgemeinverbindlichkeit nicht gekündigt werden. Gleichwohl verpflichtete sich der Einzelhandelsverband, über einen neuen Manteltarifvertrag zu verhandeln und behielten sich die Gewerkschaften vor, die Tarifverträge ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen.
Schon im November 1982 erhob die HBV Forderungen zur Neuregelung des Manteltarifvertrages, die im Februar 1984 um die Forderung auf Einführung der 35-Stunden-Woche erweitert wurden. Daneben wurde eine tarifliche Absicherung von Sonderzahlungen sowie ein besserer Kündigungsschutz und eine Verdienstsicherung für ältere Arbeitnehmer verlangt.
Am 9. November 1984 kam es zu ersten Tarifvertragsverhandlungen, die am 26. November 1984 fortgesetzt wurden. Da zwischenzeitlich die HBV, die DAG und der Hauptverband des Einzelhandels für den 17. und 18. Januar 1985 ein Spitzengespräch in Hannover vorgesehen hatten, wurde vereinbart, das Ergebnis dieses Spitzengesprächs abzuwarten.
An diesem Spitzengespräch nahmen Vertreter auch der Landestarifverbände teil. Die Arbeitgeber hatten Leitlinien für Tarifverhandlungen erarbeitet, die zur Diskussion gestellt wurden. Anläßlich der weiteren Tarifvertragsverhandlungen in Baden- Württemberg am 12. Februar 1985 erklärte sich der Einzelhandelsverband Baden-Württemberg bereit, einer Arbeitszeitverkürzung unter Beachtung der Leitlinien von Hannover zuzustimmen. Am 25. und 26. Februar 1985 trafen sich HBV, DAG und der Hauptverband des Einzelhandels erneut zu einem Spitzengespräch in Essen, wo sich die Spitzenverbände auf die nachfolgende Empfehlung einigten:
1. Der Sozialpolitische Beirat ist bereit, ab 1.
Januar 1986 die Arbeitszeit auf 38,5 Stunden
pro Woche festlegen zu lassen.
2. Die Laufzeit dieser Arbeitszeitverkürzung soll
drei Jahre betragen.
3. Für die Laufzeit dieser Arbeitszeitregelung wird
die Systematik bei Urlaubsgeld, Sonderzuwendungen
und vermögenswirksamen Leistungen nicht verändert.
Die entsprechenden Verträge werden bis
Ende 1988 verlängert.
4. In den Manteltarifverträgen ist zu vereinbaren,
daß trotz tariflicher Verkürzung der Wochenarbeitszeit
in jedem Betrieb die Möglichkeit besteht,
unbeschadet einer besonderen Ausgleichsregelung
bis 40 Wochenstunden ohne Mehrarbeitszuschläge
zu arbeiten.
5. a) Hinsichtlich der Teilzeitarbeitsverträge wäre
der Sozialpolitische Beirat der HDE bereit zu
empfehlen, die diesbezügliche Soll-Regelung von
Nordrhein-Westfalen und Hessen in alle Tarifverträge
der Länder zu übernehmen.
b) Der Besitzstand für Teilzeitarbeitskräfte,
die bisher der Arbeitslosenversicherung angehören,
bleibt gewahrt.
6. Alle sonstigen die Arbeitszeit betreffenden Forderungen
zum Manteltarifvertrag einschließlich
der Forderung zur Erweiterung des § 92 BetrVG
sind dann nicht mehr Gegenstand der Verhandlungen
in den Ländern. Dies betrifft auch weitergehende
Forderungen zu den Teilzeitarbeitsverhältnissen
in den Ländern.
7. Die bisher auf Länderebene erzielten Ergebnisse
beim Manteltarifvertrag bleiben unberührt.
8. Es besteht Einigkeit, daß eine volle Anrechnung
der Arbeitszeitverkürzung auf die beiden Tarifabschlüsse
1985 und 1986 erfolgt. Über die Höhe
der Kostenbelastung (3,9 % oder 4,2 %) besteht
noch Uneinigkeit.
Ob auch Ziff. 8 dieser Empfehlung vereinbart wurde, ist unter den Parteien streitig.
Während der weiteren Tarifvertragsverhandlungen am 21. März 1985 erklärte sich der Einzelhandelsverband Baden-Württemberg bereit, auf der Grundlage der Essener Empfehlung unter Anrechnung der Arbeitszeitverkürzung auf die Lohnerhöhungen 1985 und 1986 abzuschließen, während die HBV weitere, im einzelnen umstrittene Forderungen erhob, so Forderungen nach Erhöhung des Urlaubsgeldes und der tariflichen Sonderzahlungen, einer Regelung des Rücktritts von Auflösungsverträgen, Sonderregelungen für Teilzeitbeschäftigte u.ä. Die Verhandlungen in Baden-Württemberg wurden am 18. April 1985 fortgesetzt. Die Arbeitgeberseite bot die Arbeitszeitverkürzung auf 38,5 Stunden ab dem 1. Januar 1986 bei bis zu 40 Stunden wöchentlich zuschlagsfreier Mehrarbeit an, eine Verbesserung des Kündigungsschutzes für ältere Arbeitnehmer sowie Erhöhung der Löhne und Gehälter 1985 um 2,5 % und 1986 um 2,1 %. Dieses Angebot hielt die HBV für zu gering und kündigte noch am 18. April 1985 die Tarifverträge. Ein neuer Verhandlungstermin wurde für den 7. Mai 1985 vereinbart. An diesem Tage einigten sich die Tarifvertragsparteien. Dabei ist streitig, ob die Einigung auf der Grundlage des Arbeitgeberangebots vom 18. April 1985 zusätzlich einer Regelung über Auflösungsverträge erfolgte oder ob dabei weitere Forderungen der HBV berücksichtigt wurden.
In der Zeit zwischen dem 18. April und dem 7. Mai 1985 kam es in Baden-Württemberg zu Warnstreiks gegenüber zwölf Mitgliedsfirmen des Einzelhandelsverbandes. Betroffen waren neben der Niederlassung R der Klägerin auch deren Niederlassungen in M und S.
III. Am 27. April 1985 dauerte die Ladenöffnungszeit in der Niederlassung R von 8.30 Uhr bis 14.00 Uhr. Die Arbeitszeit der im Verkauf beschäftigten Angestellten lief von 8.25 Uhr bis 14.00 Uhr. Die Arbeitszeit der Teilzeitkräfte begann unterschiedlich um 8.30 Uhr, 9.00 Uhr und 9.30 Uhr, die von weiteren 21 nicht im Verkauf beschäftigten Arbeitnehmern zwischen 6.30 Uhr und 8.00 Uhr.
Nach der Behauptung der Klägerin waren von 6.30 Uhr an der Personaleingang und die Kundeneingänge durch Streikposten und Gegenstände versperrt. Während dieser Zeit hätten nur der Niederlassungsleiter R. und acht zum Notdienst eingeteilte Arbeitnehmer den Betrieb betreten können. Erst nachdem um 9.45 Uhr die Streikposten abgezogen und um 10.08 Uhr der Kundeneingang freigemacht gewesen seien, hätten arbeitswillige Arbeitnehmer den Betrieb wieder betreten können. Das seien 27 Vollzeit- und sechs Teilzeitkräfte gewesen. Die streikenden Arbeitnehmer seien erst um 11.40 Uhr vom Streiklokal zurückgekehrt, während andere Arbeitnehmer bis dahin vor dem Niederlassungsgebäude gewartet hätten. Nach einer Schlußkundgebung vor dem Niederlassungsgebäude seien um 11.50 Uhr 64 Vollzeitbeschäftigte und 27 Teilzeitkräfte wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt, so daß die Kundeneingänge um 11.55 Uhr hätten geöffnet werden können.
Zumindest in der Zeit von 6.30 Uhr bis kurz nach 10.00 Uhr sind die Streikleiter B. und Sch. vor dem Niederlassungsgebäude der Klägerin anwesend gewesen.
Innerhalb des genannten Zeitraums ist nach der Behauptung der Klägerin Folgendes geschehen:
1. Zumindest ab 6.45 Uhr war der Personaleingang in der Ka-Straße deswegen nicht zu öffnen, weil vor der sich nach außen öffnenden Tür drei Bänke und zwei Tische aufgestellt gewesen seien. Der Niederlassungsleiter habe die Streikleiter B. und Sch. aufgefordert, diese Gegenstände zu entfernen, worauf der Streikleiter B. nur erwidert habe, "das sei halt bei einem Warnstreik so". Auf eine spätere weitere Aufforderung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, die Gegenstände wegzuräumen, habe die Streikleiterin Sch. erklärt, es gebe keine Arbeitswilligen. Erst um 10.08 Uhr habe der Streikleiter B. die Bänke und Tische weggeräumt, so daß der Personaleingang um 10.10 Uhr wieder passierbar gewesen sei.
2. In der Zufahrt zur Rampe für die Warenanlieferung habe ein Audi 100 GL gestanden. Die Bitte des Niederlassungsleiters, die Rampenzufahrt für die Anlieferung von Frischware freizumachen, sei von den Streikleitern B. und Sch. abgelehnt worden.
3. Das Rollgitter an der Warenanlieferung sei vom Niederlassungsleiter R. und dem Hausmeister geöffnet worden, um dadurch ins Haus zu kommen. Gegen 7.30 Uhr sei das Rollgitter wieder heruntergelassen gewesen.
4. Vor den Kundeneingängen G-Straße, K-Straße/Ka-Straße und G-Straße/K-Straße (Haupteingang) sowie um das ganze Haus herum hätten etwa 80 Streikposten gestanden, überwiegend nicht Arbeitnehmer der Klägerin, die sämtliche Eingänge besetzt hätten. Der Haupteingang sei von zehn Streikposten mit einem quer vor den Eingang gespannten roten Tuch versperrt worden. Erst um 9.45 Uhr seien die Streikposten abgezogen.
5. In der Auffahrt zum Parkhaus habe der von der Streikleiterin Sch. genutzte Audi 80 und in der Abfahrt der Mercedes Kombi 206 D gestanden, den der Streikleiter B. später zum Abtransport der Tische und Bänke genutzt habe. Das Parkhaus habe daher nicht befahren werden können. An der Einfahrt zum Parkhaus hätten Streikposten ankommende Fahrzeuge mit der Bemerkung, hier werde gestreikt, weitergeleitet. Erst um 9.45 Uhr seien die Fahrzeuge entfernt worden.
6. Die Schaufenster der Niederlassung seien mit 10 bis 15 Warnstreikplakaten beklebt worden.
7. Um 8.30 Uhr sei der Kundeneingang K-Straße/Ka-Straße geöffnet worden. Durch diesen Eingang habe die Substitutin G. den Betrieb betreten wollen. Sie sei daran von acht bis zehn Schulter an Schulter vor dem Eingang stehenden Streikposten gehindert worden. Erst um 9.05 Uhr sei es ihr gelungen, den Betrieb durch diesen Eingang zu betreten.
Vor dem Betrieb hätten Streikposten Handzettel verteilt, in denen Streikbrecher in übler Weise beschimpft wurden. Ankommende Arbeitnehmer seien von Betriebsratsmitgliedern beobachtet worden, so daß sich Arbeitswillige nicht ins Haus gewagt, sondern das Ende des Streiks abgewartet hätten. Der Streikleiter B. sei mit einem Megaphon um das Niederlassungsgebäude gelaufen und habe wiederholt gerufen: "Händler heißen sie, uns bescheißen sie".
IV. Die Klägerin hält Warnstreiks grundsätzlich für rechtswidrig. Zumindest im Einzelhandel könnten Warnstreiks an kurzen Samstagen, die länger als 30 Minuten, hilfsweise 90 Minuten, dauerten, nicht zulässig sein. Jedenfalls der gegen die Niederlassung R am 27. April 1985 geführte Warnstreik sei rechtswidrig gewesen. Durch diesen Warnstreik sei eine Ladenöffnungszeit von drei Stunden und 20 Minuten, das seien 60 % der Öffnungszeit überhaupt, ausgefallen. Dadurch sei ein erheblicher Umsatzausfall entstanden, der erfahrungsgemäß später nicht nachholbar sei. Gerade für Samstage geplante Einkäufe der Kundschaft aus der Stadt und der Umgebung würden nicht aufgeschoben, sondern bei anderen Betrieben gedeckt. Das Vorstandsmitglied der HBV Steinborn habe am 22. April 1985 in der WAZ selbst erklärt, daß ein ausgefallener Umsatz im Einzelhandel nicht nachholbar sei. Damit sei dieser Warnstreik unverhältnismäßig gewesen, zumal er auch Interessen Dritter, der Kunden, beeinträchtigt habe. Der Streik am 27. April 1985 sei nicht mehr erforderlich gewesen. Auf das vom Einzelhandelsverband Baden-Württemberg am 18. April 1985 gemachte Angebot hätten sich die Tarifvertragsparteien am 7. Mai 1985 geeinigt. Diese Einigung sei zu erwarten gewesen, nachdem es bereits in mehreren Tarifgebieten ohne Arbeitskampf zur Einigung auf der Grundlage der Essener Empfehlungen gekommen war.
Die anläßlich des Streiks erfolgten Absperrungen der Eingänge und Zufahrten sowie die Behinderung arbeitswilliger Arbeitnehmer bei dem Versuch, das Niederlassungsgebäude zu betreten, seien rechtswidrig gewesen. Die Beklagten hätten solche Handlungen künftig zu unterlassen und darauf hinzuwirken, daß Streikposten und Streikende solche Handlungen nicht vornehmen.
V. Die Klägerin verlangt Ersatz des Schadens, der ihr durch den Warnstreik am 27. April 1985 entstanden ist. Sie beziffert den Umsatzausfall unter Hinweis auf den Umsatz in der Niederlassung R an den vorausgehenden Samstagen und auf die Umsätze in den vergleichbaren Niederlassungen U und Re auf 100.000,-- DM. Bei einem Bruttogewinn von 38,6 % ergebe das nach Abzug der Mehrwertsteuer, der durch den Warnstreik ersparten Löhne und Gehälter und der darauf entfallenden Arbeitgeberanteile einen Schaden von 28.902,32 DM.
Die Klägerin hat vor dem Landesarbeitsgericht zuletzt beantragt:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,
an die Klägerin DM 28.902,32 zu bezahlen.
2. Die Beklagten werden verurteilt,
bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall
der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes
bis DM 500.000,-- ersatzweise Ordnungshaft
bis zu sechs Monaten oder einer Ordnungshaft
bis zu sechs Monaten, es zu unterlassen,
a) die in der Zweigniederlassung R
der Klägerin - R, K-Straße beschäftigten
Arbeitnehmer während noch
laufender Tarifverhandlungen an sogenannten
kurzen Samstagen (gesetzliche Ladenöffnungszeit
bis 14.00 Uhr) zu Warnstreiks aufzurufen,
deren Dauer - gerechnet ab vertraglich
geschuldetem Arbeitsbeginn - über 30 Minuten
hinausgeht und solche Warnstreiks durchzuführen
hilfsweise
die in der Zweigniederlassung R
der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer
während noch laufender Tarifverhandlungen
an sogenannten kurzen Samstagen (gesetzliche
Ladenöffnungszeit bis 14.00 Uhr) zu
Warnstreiks aufzurufen, deren Dauer - gerechnet
ab vertraglich geschuldetem Arbeitsbeginn
- über 1 1/2 Stunden hinausgeht und
solche Warnstreiks durchzuführen;
b) während der Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen
die Ein- und Ausgänge der Zweigniederlassung
R der Klägerin sowie
die Zu- und Abfahrt zum Parkhaus und
die Warenannahme auf solche Weise zu blockieren
oder blockieren zu lassen, daß Zutrittswilligen,
wie insbesondere
arbeitsbereiten Betriebsangehörigen, Arbeitnehmern
von Mietern der Klägerin, Kunden
und Besuchern sowie Lieferanten
in Ansehung des Parkhauses und/oder der
Warenannahme
auch unter Benutzung von Fahrzeugen
hinsichtlich der Zweigniederlassung nicht
ein wenigstens drei Meter breiter, sowohl
auf dem Erdboden als auch im Luftraum darüber
von Kontrollen und/oder Behinderungen,
gleich welcher Art, freier und nicht gestörter
Zugang und Ausgang zur Verfügung steht
und hinsichtlich des Parkhauses und/oder
der Warenannahme dem vorgenannten Personenkreis
die Einfahrten und Ausfahrten nicht
in voller Breite zur Verfügung stehen, insbesondere,
wenn dies dadurch geschieht, daß
aa) der Personaleingang durch Gegenstände,
insbesondere Tische und Bänke, versperrt
wird,
bb) die Zufahrt zur Rampe der Warenannahme
durch ein Kraftfahrzeug verstellt
wird,
cc) das geöffnete Rollgitter der Warenanlieferung
heruntergelassen wird,
dd) die Auf- und Abfahrt des Parkhauses
durch Kraftfahrzeuge zugestellt wird,
ee) an die Fenster des Warenhauses Plakate
geklebt werden, die auf den "Warnstreik"
hinweisen,
ff) der Hauptkundeneingang durch Aufstellen
von Streikposten mit einem quer vor dem
Kundeneingang gespannten roten Tuch versperrt
wird,
gg) am Eingang des Parkhauses ankommende
Fahrzeuge unter Hinweis auf den Warnstreik
abgewiesen bzw. weitergeleitet
werden,
hh) Mitarbeiter durch körperliches Abdrängen
am Betreten des Warenhauses gehindert
werden.
3. Den Beklagten wird aufgegeben, sowohl auf
Streikende als auch auf Streikposten einzuwirken,
um diese ihrerseits von Blockaden
der unter Ziffer 2 b) beschriebenen Art abzuhalten
oder zu deren Aufhebung zu bewegen.
VI. Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie halten Warnstreiks auch im Einzelhandel und auch an kurzen Samstagen mit einer Dauer von mehr als 30 bzw. 90 Minuten für zulässig. Auch der gegen die Niederlassung R am 27. April 1985 geführte Warnstreik sei zulässig gewesen. Die von der Klägerin behaupteten Vorfälle anläßlich dieses Warnstreiks hätten sich nicht oder nicht so zugetragen.
Der Personaleingang sei während des Streiks geöffnet gewesen. Vor der Tür hätten lediglich ein Informationstisch und zwei Bänke gestanden, die Tür habe sich jedoch öffnen lassen. Durch diese Tür habe auch die Substitutin G. den Betrieb betreten.
Die Rampenzufahrt sei frei gewesen. Eine Frau B., der Notdienst und der Niederlassungsleiter R. hätten über die Rampe den Betrieb betreten. Das Rollgitter an der Warenanlieferung sei von ihnen nicht herabgelassen worden.
Die Kundeneingänge seien nicht von Streikposten versperrt worden. Richtig sei, daß an den Eingängen insgesamt 18 bis 20 durch eine Plakette ausgewiesene Streikposten gestanden hätten. Die Eingänge seien jedoch von der Klägerin geschlossen gehalten worden. Kunden oder arbeitswillige Arbeitnehmer seien nicht abgehalten worden. Der Haupteingang G-Straße/Ka-Straße sei von der Klägerin später geöffnet worden. Etwa zehn Kunden, die die Verkaufsräume betreten hätten, habe die Klägerin jedoch nicht bedient, sondern zurückgeschickt.
Vor dem Gebäude der Niederlassung hätten verschiedene Personen auch Transparente getragen, sich mit diesen jedoch hin und her bewegt, so daß nur für eine kurze Zeit der Hauptkundeneingang durch ein solches Transparent hätte versperrt gewesen sein können.
Die Beklagten bestreiten, daß die genannten Pkws in der Auf- und Abfahrt zum Parkhaus gestanden hätten. Vor der Einfahrt zum Parkhaus hätten lediglich zwei Streikposten gestanden und die Kunden über den Zweck des Warnstreiks informiert, so daß diese von selbst davon Abstand genommen hätten, in das Parkhaus zu fahren.
Die Schaufenster seien von ihnen nicht mit Plakaten beklebt worden.
Arbeitswillige seien am Betreten des Betriebes nicht gehindert worden. Die Streikposten hätten lediglich die Aufgabe gehabt, die zu Notdienstarbeiten eingeteilten Arbeitnehmer zu kontrollieren. Zulässig sei es, Arbeitnehmer zur Beteiligung am Streik aufzufordern. Gewalt sei dabei nicht angewandt worden. Alle Streikposten seien am Tage zuvor über ihre Aufgaben belehrt worden, die auch im Streikpostenausweis schriftlich festgehalten seien. Ihnen sei insbesondere erklärt worden, "wer unbedingt hinein will, darf hinein".
Die Beklagten bestreiten die Angaben der Klägerin zur Berechnung des Schadens. Der behauptete Umsatzausfall sei übersetzt und habe im übrigen nachgeholt werden können. Die Angabe zum Bruttogewinn sei unsubstantiiert und überhöht, die Angaben zu den ersparten Personalkosten untersetzt, da die Klägerin selbst immer wieder behauptet habe, die Personalkosten beliefen sich auf rd. 20 % des Umsatzes.
VII. Das Arbeitsgericht hat die Klage in vollem Umfange abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hat sie in vollem Umfange abgewiesen, soweit sie gegen die HBV gerichtet ist. Es hat die Streikleiter B. und Sch. sowie die Landesbezirksleitung verurteilt, es während eines Warnstreiks gegen die Zweigniederlassung R zu unterlassen,
- den Personaleingang durch Gegenstände, insbesondere
Tische und Bänke, zuzustellen
- in der Zufahrt zur Rampe der Warenannahme Kraftfahrzeuge
abzustellen
- in die Auffahrt zu und in die Abfahrt von dem
Parkhaus Kraftfahrzeuge abzustellen
- an Fenster des Kaufhauses Plakate zu kleben, die
auf einen Warnstreik hinweisen
- den Hauptkundeneingang zu versperren, indem Streikposten
ein Tuch quer über die maßgebende Grundfläche
spannen
- Fahrer von Kraftfahrzeugen am Eingang des Parkhauses
aufzufordern, nicht in dasselbe einzufahren
- in bezug auf Mitarbeiter dieser Niederlassung deren
Zugang zum Betriebsgebäude durch die Bildung von
Menschenketten zu hindern.
Die weitergehende Klage gegen diese drei Beklagten hat auch das Landesarbeitsgericht abgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Anträge weiter, wobei sie den auf die Unterlassung bestimmter Handlungen anläßlich eines Warnstreiks bezogenen Antrag der vom Landesarbeitsgericht ausgesprochenen Verurteilung anpaßt. Die von den Beklagten geforderte Einwirkung auf Streikende und Streikposten gemäß Ziff. 3 des Klageantrags soll durch entsprechende Aufforderungen erfolgen.
Die Streikleiter B. und Sch. sowie die Landesbezirksleitung haben ebenfalls Revision eingelegt, mit der sie die Abweisung der Klage auch insoweit erstreben, als das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben hat.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist zum Teil, die Revisionen der Streikleiter B. und Sch. und der Landesbezirksleitung sind in vollem Umfang begründet. Zur abschließenden Entscheidung über einen Teil der Klageanträge muß der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden.
A. Das Landesarbeitsgericht hat den auf Schadenersatz gerichteten Antrag der Klägerin gegen alle vier Beklagten abgewiesen. Insoweit ist die Revision der Klägerin teilweise begründet. Die Klägerin kann von den Streikleitern B. und Sch. und von der HBV Schadenersatz verlangen, wenn die von ihr behaupteten Ausschreitungen tatsächlich stattgefunden haben und der Klägerin durch diese ein Schaden entstanden ist. Der gegen die Niederlassung R der Klägerin geführte Warnstreik vom 27. April 1985 hingegen war als solcher nicht rechtswidrig.
I. Der gegen die Niederlassung R der Klägerin am 27. April 1985 geführte Warnstreik war zulässig.
1. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 12. September 1984 (BAGE 46, 322 = AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) ausgesprochen, daß das ultima-ratio-Prinzip nicht kurze und zeitlich befristete Streiks verbietet, zu denen die Gewerkschaft während laufender Tarifverhandlungen - nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Friedenspflicht - aufruft. Das gelte auch für Warnstreiks in der Form der "neuen Beweglichkeit". Er hat an dieser Entscheidung in seinem Urteil vom 29. Januar 1985 (- 1 AZR 179/84 - AP Nr. 83 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) festgehalten.
Er hat mit diesen Entscheidungen an das erste Warnstreikurteil (Urteil des Senats vom 17. Dezember 1976, BAGE 28, 295 = AP Nr. 51 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) angeknüpft, in der der Senat näher ausgeführt hat, daß sich das ultima-ratio-Prinzip nur auf längerfristige oder zeitlich unbegrenzte Arbeitskämpfe beziehe.
Diese Entscheidungen des Senats haben im Schrifttum verbreitet Kritik erfahren. Diese läßt sich unter zwei Hauptangriffspunkten zusammenfassen. Dem Senat wird einmal vorgeworfen, er habe Funktion und Bedeutung sowie die tatsächlichen Auswirkungen von Warnstreiks in der Form der neuen Beweglichkeit verkannt und diese zu Unrecht dem "Warnstreik", über den der Senat 1976 zu entscheiden hatte, gleichgesetzt. Warnstreiks in Form der neuen Beweglichkeit seien echte Erzwingungsstreiks. Wenn das ultima-ratio-Prinzip solchen Streiks nicht entgegenstehen solle, sei damit das ultima-ratio-Prinzip praktisch aufgegeben. Zum anderen wird geltend gemacht, der Senat habe die dienende Funktion des Arbeitskampfes im Hinblick auf die Tarifautonomie verkannt, wenn er die Unterscheidung zwischen der Verhandlungs- und Kampfphase aufgebe und damit an die Stelle des freien Verhandelns den Kampf setze. Eine Darstellung der Kritik im einzelnen erscheint nicht erforderlich. Sie ist auch den Parteien des Rechtsstreits aus dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten von Professor Richardi bekannt.
2. Die Kritik an den Warnstreikentscheidungen des Senats ist zum Teil berechtigt.
Arbeitskampfmaßnahmen unterliegen nach ständiger Rechtsprechung dem ultima-ratio-Prinzip (grundlegend BAGE 23, 292 = AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Die davon abweichende Freistellung bestimmter Arbeitskampfformen wie etwa des Warnstreiks auch in der Form der neuen Beweglichkeit von der Geltung des ultima-ratio-Prinzips setzt voraus, daß sich diese Kampfformen in rechtlich relevanter Weise von anderen Arbeitskampfformen, die als Erzwingungsstreiks dem ultima-ratio-Prinzip unterliegen, so unterscheiden, daß eine andere rechtliche Beurteilung ihrer Zulässigkeit geboten und gerechtfertigt erscheint. Eine solche Unterscheidung ist angesichts der Entwicklung der Warnstreik- Praxis in den letzten Jahren nicht mehr möglich.
a) Der Senat hat in den genannten Entscheidungen zur Unterscheidung hervorgehoben, bei Warnstreiks handele es sich um "kurze und zeitlich befristete" Streiks, wobei unschädlich sei, daß diese wiederholt und nach einem bestimmten Plan geführt würden. Auch werde durch solche Streiks lediglich ein "milder Druck" auf den tariflichen Gegenspieler ausgeübt, der gerade wegen seiner zunächst damit verbundenen Vermeidung eines Erzwingungsstreiks die Respektierung des ultima-ratio-Prinzips darstelle. Diese angeführten Kriterien vermögen eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung nicht zu begründen.
Warnstreiks auch in der Form der neuen Beweglichkeit unterscheiden sich in ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht von Erzwingungsstreiks. Darauf hat der Senat schon in seiner Entscheidung vom 8. Juni 1982 (1 AZR 464/80 - DB 1982, 1827) hingewiesen. Er hat im damaligen Zusammenhang darauf aufmerksam gemacht, daß das rechtlich entscheidende Merkmal eines Warnstreiks nicht seine Dauer oder sein wechselnder Einsatz gegen bestimmte Betriebe sei, sondern der Umstand, daß er noch vor einem Scheitern der Tarifverhandlungen geführt werde.
Die Dauer der einzelnen Arbeitsniederlegungen, deren Häufigkeit in den einzelnen Betrieben oder die Höhe des durch Warnstreiks verursachten Schadens sind aber keine verläßlichen Abgrenzungsmerkmale. Ein kurzer Flächenstreik kann zu einem geringeren Schaden führen als eine sich über längere Zeit hinziehende Warnstreikaktion. Ein Schaden und damit der Druck auf den Tarifpartner ist nicht stets und notwendig geringer, wenn ein Betrieb mehrfach für wenige Stunden bestreikt wird, als im Falle eines durchgehenden Streiks während einer größeren Zahl von Stunden. Die "Kürze" eines Streiks, sein "milder Druck" oder der durch ihn bewirkte "geringe Schaden" wären als Kriterien zur Unterscheidung des Warnstreiks vom Erzwingungsstreik allenfalls dann brauchbar, wenn sie näher definiert würden. Eine solche Definition müßte allgemein oder jeweils für bestimmte Branchen zeitliche Obergrenzen festlegen und bestimmen, wie oft Warnstreiks gegen den gleichen Betrieb oder im Kampfgebiet wiederholt werden dürfen und wie hoch höchstens ein Schaden sein dürfte. Eine solche Definition wäre willkürlich, sie fände in der Rechtsordnung keine Grundlage.
b) Auch die in der Literatur erörterten Funktionen eines Warnstreiks vermögen eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung nicht zu rechtfertigen.
aa) Soweit mit dem Warnstreik zunächst Druck auf die Arbeitgeberseite ausgeübt werden soll, hat der Warnstreik diese Druckfunktion mit dem Erzwingungsstreik gemeinsam. Wenn - auch von der Klägerin - gesagt wird, mit dem Warnstreik dürfe lediglich Druck dahin ausgeübt werden, daß zügig verhandelt und mehr Kompromißbereitschaft gezeigt werde, mit dem Erzwingungsstreik solle aber auf den Abschluß eines Tarifvertrages mit einem bestimmten Inhalt hingewirkt werden, und diese unterschiedliche Druckrichtung rechtfertige auch eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung, so wird damit ein einheitlicher Lebenssachverhalt willkürlich aufgespalten. Ziel aller Tarifvertragsverhandlungen ist der Abschluß eines Tarifvertrages. Von daher zielt jede angedrohte oder tatsächliche Druckausübung auf die Arbeitgeberseite auf den Abschluß eines Tarifvertrages hin. Es kann nicht unterschieden werden zwischen einer Druckausübung mit dem Ziel, überhaupt oder zügig und kompromißbereit zu verhandeln, und einer Druckausübung mit dem Ziel, zum Abschluß eines Tarifvertrages zu kommen.
bb) Auch durch eine Demonstrationsfunktion unterscheidet sich der Warnstreik nicht vom Erzwingungsstreik. Diese Demonstrationsfunktion wird darin gesehen, daß der Warnstreik die Kampfbereitschaft der Gewerkschaft demonstrieren und der Arbeitgeberseite vor Augen führen solle, daß bei einem Scheitern der Tarifverhandlungen Druck durch Arbeitskampfmaßnahmen ausgeübt werde.
Sicher kann schon die Demonstration von Kampfbereitschaft Druck auf die Arbeitgeberseite ausüben. Die Anwendung eines solchen Drucks und damit die Demonstration von Kampfbereitschaft ist als solche nicht unzulässig. Die Demonstration der Kampfbereitschaft in Form von Warnstreiks, d.h. von Arbeitsniederlegungen, demonstriert aber nicht nur Kampfbereitschaft und übt nicht nur psychologischen Druck aus, sondern ist unmittelbar materielle Druckausübung durch die Folgen und Schäden der Arbeitsniederlegung selbst. Das aber ist die Funktion des Erzwingungsstreiks. Eine solche als Demonstration von Kampfbereitschaft gedachte Maßnahme, die nach dem Gesagten sich vom Erzwingungsstreik nicht unterscheidet, kann auch nur den Regeln über den Arbeitskampf selbst unterliegen und nicht deswegen privilegiert sein, weil sie sich nicht auf die unmittelbare Druckausübung durch die Arbeitsniederlegung beschränkt, sondern gleichzeitig psychologischen Druck dadurch ausübt, daß sie weitere Arbeitskampfmaßnahmen und damit weiteren unmittelbaren Druck in Aussicht stellt. Auch der Erzwingungsstreik herkömmlicher Art nach Scheitern der Tarifverhandlungen demonstriert jeweils gleichzeitig Kampfbereitschaft für die Zukunft und dient damit der möglichst baldigen Wiederaufnahme der Tarifverhandlungen. Eine Demonstrationsfunktion rechtfertigt daher nicht die Privilegierung des verhandlungsbegleitenden Warnstreiks gegenüber dem Erzwingungsstreik.
cc) Für die Zulässigkeit des verhandlungsbegleitenden Warnstreiks wird weiter geltend gemacht, er sei ein notwendiger Test für die Gewerkschaften, die Solidarität und die Arbeitskampfbereitschaft ihrer Mitglieder und der Außenseiter zu erkunden. Das mag zutreffen. Dieser Test als innergewerkschaftlicher Vorgang darf jedoch nicht zu Lasten der Arbeitgeberseite erfolgen. Auch wenn für effektive Verhandlungen erforderlich ist, daß eine Gewerkschaft weiß, für welche Ziele ihre Mitglieder und auch Außenseiter notfalls bereit sind zu streiken, fordert das verfassungsmäßige Recht auf koalitionsmäßige effektive Betätigung doch nicht, daß schon um dieses Testes willen die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung verweigert werden darf. Die Gewerkschaft kann auch auf andere Weise die Arbeitskampfbereitschaft ihrer Mitglieder und der Außenseiter testen. Daß dies organisatorisch schwieriger ist und möglicherweise zu weniger sicheren Ergebnissen führt, rechtfertigt nicht, den Warnstreik allein wegen dieser Testfunktion rechtlich zu privilegieren, d.h. ihn vom ultima-ratio-Prinzip auszunehmen.
Damit unterscheidet sich der Warnstreik auch in der Form der neuen Beweglichkeit nicht in irgendwelchen relevanten Kriterien vom Erzwingungsstreik. Er kann daher nur den gleichen Regeln unterliegen wie dieser. Warnstreiks auch in der Form der neuen Beweglichkeit unterliegen daher dem ultima-ratio-Prinzip. An seiner von dieser Sicht abweichenden Bewertung des Warnstreiks als rechtlich privilegierter Kampfform, wie sie in den genannten Entscheidungen zum Ausdruck gekommen ist, hält der Senat nicht fest.
3. Gleichwohl war der gegen die Niederlassung R der Klägerin am 27. April 1985 geführte Warnstreik nicht unzulässig. Er verstieß nicht gegen das ultima-ratio-Prinzip.
a) Der Große Senat hat in seiner Entscheidung vom 21. April 1971 (BAGE 23, 292 = AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) ausgesprochen:
"Arbeitskämpfe dürfen nur insoweit eingeleitet und durchgeführt werden, als sie zur Erreichung rechtmäßiger Kampfziele und des nachfolgenden Arbeitsfriedens geeignet und sachlich erforderlich sind. Jede Arbeitskampfmaßnahme - sei es Streik, sei es Aussperrung - darf ferner nur nach Ausschöpfung aller Verständigungsmöglichkeiten ergriffen werden; der Arbeitskampf muß also das letzte mögliche Mittel (ultima ratio) sein".
Der Große Senat hat dabei dieses ultima-ratio-Prinzip als Teil des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verstanden, soweit dieses "Prinzip der Verhältnismäßigkeit" u.a. den Zeitpunkt des Arbeitskampfes betrifft. "Nach Ausschöpfung aller Verständigungsmöglichkeiten" bezeichnet daher den Zeitpunkt, von dem an Arbeitskampfmaßnahmen überhaupt zulässig sind.
Die Entscheidung des Großen Senats enthält keine Ausführungen darüber, wann die Ausschöpfung aller Verhandlungsmöglichkeiten angenommen werden kann und wie dieser Zeitpunkt festzustellen ist. Sie besagt nicht, daß dieser für die Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen maßgebende Zeitpunkt erst dann gegeben ist, wenn das "Scheitern der Tarifverhandlungen" ausdrücklich erklärt oder festgestellt worden ist.
b) Für die Bestimmung dieses Zeitpunkts kann nicht darauf abgestellt werden, ob tatsächlich alle Verständigungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind oder ob weitere Verhandlungen noch Aussicht auf eine Einigung bieten. Eine solche materielle Betrachtungsweise ist weder möglich noch zulässig. Sie scheitert praktisch schon daran, daß eine noch bestehende Verhandlungs- und Kompromißbereitschaft der Tarifvertragsparteien als innere Tatsache nicht oder jedenfalls nur unter größten Schwierigkeiten anhand von Indizien festgestellt werden könnte. Sie ist vor allen Dingen unzulässig, weil sie im Ergebnis zu einer Tarifzensur führen würde. Eine Entscheidung dahin, ein Arbeitskampf habe noch nicht geführt werden dürfen, weil noch bestehende Meinungsverschiedenheiten zwischen den Tarifvertragsparteien überbrückbar gewesen seien, schließt die Entscheidung darüber ein, daß die eine oder andere Tarifvertragspartei letztlich doch zum Nachgeben verpflichtet gewesen wäre, um einen Arbeitskampf zu vermeiden. Von daher wird auch im Schrifttum, soweit es sich überhaupt mit der Frage befaßt, "wann" alle Verständigungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind oder "wann die Verhandlungen gescheitert sind", übereinstimmend die Auffassung vertreten, daß es auf eine tatsächlich noch bestehende Verhandlungs- oder Kompromißbereitschaft nicht ankommt. Die Tarifvertragsparteien könnten vielmehr selbst frei bestimmen, wann die Tarifverhandlungen gescheitert seien (Konzen, Europäische Sozialcharta und ultima-ratio-Prinzip, JZ 1986, 157, 161). Auf die innere Verhandlungsbereitschaft der Tarifvertragsparteien komme es nicht an (Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, 2. Aufl., Rz 201). Auch Picker, Behandlungsbegleitende Arbeitskämpfe - ein Epilog zum Warnstreik - DB 1985 Beil. 7, anerkennt, daß in das Tarifvertragssystem ein Element der Fremdbestimmung gebracht werde, wenn den Tarifvertragsparteien durch das ultima-ratio- Prinzip vorgeschrieben werde, wie oft und wie lange sie zu verhandeln haben. Ob ein tarifvertragliches Regelungsziel angemessen sei und ob es verhältnismäßig sei, zu seiner Durchsetzung Kampfmaßnahmen zu ergreifen, unterliege nicht der gerichtlichen Überprüfung, weil eine derartige Kontrolle mit der Tarifautonomie unvereinbar wäre.
Von daher bleibt nur die Möglichkeit, den Zeitpunkt, an dem alle Verständigungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, d.h., von dem ab Arbeitskampfmaßnahmen ergriffen werden können, formell zu bestimmen. In Erkenntnis dieser einzigen Möglichkeit wird daher in der Literatur verlangt, daß das Scheitern der Verhandlungen "eindeutig" erklärt werden müsse (Brox/Rüthers, aa0), das Scheitern der Verhandlungen "offiziell erklärt" werde, bei materieller Prüfung käme man zu einer Tarifzensur (Seiter, Die Warnstreikentscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, S. 101).
Allein diese Forderung, das Scheitern der Tarifverhandlungen müsse offiziell erklärt werden, damit Arbeitskampfmaßnahmen nach dem ultima-ratio-Prinzip zulässig sind, hat zur Problematik der Zulässigkeit von Warnstreiks geführt. Diese werden geführt, bevor eine der Tarifvertragsparteien offiziell das Scheitern der Verhandlungen erklärt hat. Von diesem Verständnis des maßgebenden Zeitpunkts ist auch der Senat in seinen bisherigen Warnstreikentscheidungen ausgegangen. Nur wenn der Warnstreik als besondere Arbeitskampfform vor diesem Zeitpunkt zulässig ist, gleichzeitig aber vor der offiziellen Erklärung des Scheiterns der Verhandlungen andere Arbeitskampfmaßnahmen, auch eine Abwehraussperrung der Arbeitgeber, nicht zulässig ist, stellt sich der Warnstreik als eine gegenüber dem ultima-ratio-Prinzip privilegierte Arbeitskampfform dar.
c) Arbeitskampfmaßnahmen sind jedoch nicht erst dann zulässig, wenn das Scheitern der Tarifvertragsverhandlungen "offiziell" erklärt oder festgestellt worden ist. Wenn es auf eine fortbestehende Verhandlungs- und Kompromißbereitschaft der Tarifvertragsparteien materiell nicht ankommen kann, die Tarifvertragsparteien vielmehr selbst frei darüber bestimmen, wann die Verhandlungen gescheitert sind, kann auch eine irgendwie geartete formalisierte Erklärung des Scheiterns der Tarifverhandlungen eine Arbeitskampfmaßnahme nicht erst zulässig machen. Diejenige Tarifvertragspartei, die zu Arbeitskampfmaßnahmen greift, gibt damit vielmehr gleichzeitig zu erkennen, daß sie die Verhandlungsmöglichkeiten für ausgeschöpft hält und keine Möglichkeit sieht, ohne den Einsatz von Arbeitskampfmaßnahmen noch zu einer Einigung zu kommen. Darauf, ob diese Einschätzung zutreffend ist, kommt es - wie dargelegt - nicht an und kann es nicht ankommen, weil dies wiederum zu der materiellen Prüfung führen würde, ob noch Verhandlungs- und Kompromißbereitschaft bestand (so aber Konzen, JZ 1986, 157, 161, der darauf abstellt, ob es nach den "Vorstellungen der Gewerkschaft" noch unklar ist, ob ein Tarifabschluß ohne einen Arbeitskampf erreichbar ist).
Ist diese Einschätzung durch die Tarifvertragspartei aber allein Voraussetzung dafür, daß von jetzt an Arbeitskampfmaßnahmen eingesetzt werden können, ohne gegen das ultima-ratio-Prinzip zu verstoßen, so besteht nach der Entscheidung des Großen Senats kein Anlaß, die Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen noch an eine besondere formalisierte Erklärung des Scheiterns der Verhandlungen zu knüpfen. Eine solche Erklärung als Voraussetzung zulässiger Arbeitskampfmaßnahmen können zwar die Tarifvertragsparteien in einer Arbeitskampf- oder Schlichtungsordnung vereinbaren. Solchen Vereinbarungen kommt dann nach der Entscheidung des Großen Senats (Teil III A 3 der Gründe) ein Vorrang gegenüber der "gesetzlichen" bzw. richterrechtlichen Ausgestaltung des Arbeitskampfrechts zu. Diesem läßt sich aber die Notwendigkeit einer solchen formellen Erklärung nicht entnehmen. Im Schrifttum wird daher auch durchweg nicht begründet, warum das Scheitern der Tarifvertragsverhandlungen formell erklärt sein müsse, bevor Arbeitskampfmaßnahmen zulässig sind. Lediglich Seiter (Streikrecht und Aussperrungsrecht, S. 515 Fn. 7) gibt dafür eine Begründung: "Eine Partei, die letztlich lieber nachgibt, als einen Kampf zu führen, aber bislang auf einen günstigeren Kompromiß gehofft hat, muß wissen, wann der äußerste Punkt für ein Einlenken erreicht ist". Diese Überlegung allein macht eine förmliche Erklärung des Scheiterns der Tarifverhandlungen jedoch nicht erforderlich. Arbeitskämpfe auch in der Form von Warnstreiks können nicht von einem Augenblick auf den anderen in die Tat umgesetzt werden. Sie erfordern eine organisatorische Vorbereitung, zu ihnen müssen die Arbeitnehmer aufgerufen werden. Zwischen dem Aufruf zu einem Warnstreik und dem Beginn desselben wird daher eine gewisse Zeitspanne liegen, mag diese auch kurz sein. Von dem Aufruf zum Warnstreik wird auch die Arbeitgeberseite regelmäßig allgemein Kenntnis erhalten. Sie weiß daher ebenso wie bei einer offiziellen Erklärung des Scheiterns der Verhandlungen, daß die Gewerkschaft die Verhandlungsmöglichkeiten als ausgeschöpft ansieht und zu Arbeitskampfmaßnahmen greift. Sofern sie "lieber nachgibt, als einen Arbeitskampf zu führen", kann sie nachgeben und angesichts der heute bestehenden Kommunikationsmöglichkeiten ihre Abschlußbereitschaft der Gewerkschaft noch vor dem tatsächlichen Beginn des Arbeitskampfes mitteilen mit der Folge, daß der Arbeitskampf nicht mehr erforderlich ist und deswegen unterbleibt, zumindest aber unterbleiben muß.
Nach allem erfordert das ultima-ratio-Prinzip, so wie es vom Großen Senat in der Entscheidung vom 21. April 1971 formuliert worden ist, nicht eine offizielle Erklärung des Scheiterns der Tarifvertragsverhandlungen als Voraussetzung für die Einleitung von Arbeitskampfmaßnahmen jeder Art. In der Einleitung von Arbeitskampfmaßnahmen liegt vielmehr die freie und nicht nachprüfbare und daher allein maßgebende Erklärung der Tarifvertragspartei, daß sie die Verständigungsmöglichkeiten ohne Ausübung von Druck als ausgeschöpft ansieht. Es gibt damit auch keinen weiteren maßgebenden späteren Zeitpunkt, von dem ab erst andere Arbeitskampfmaßnahmen als Warnstreiks, auch solche des anderen Tarifpartners, zulässig sind. Von diesem (einheitlichen) Zeitpunkt an ist ein Warnstreik, wie jede andere Arbeitskampfmaßnahme, auch während laufender Tarifvertragsverhandlungen nicht ausgeschlossen.
d) Mit diesem Verständnis wird das ultima-ratio-Prinzip nicht seiner Bedeutung für das Arbeitskampfrecht beraubt. Es behält nach wie vor Gültigkeit für die Frage, ob und ab wann Arbeitskampfmaßnahmen zulässig sind.
Das ultima-ratio-Prinzip ist eine Ausformung des Grundsatzes der Erforderlichkeit. Arbeitskampfmaßnahmen sind erst erforderlich, wenn ohne sie ein Tarifabschluß im Wege der Verhandlungen nicht zu erreichen ist. Damit setzt die Zulässigkeit jeder Arbeitskampfmaßnahme voraus, daß zuvor Forderungen für den Inhalt des abzuschließenden Tarifvertrages erhoben worden sind und daß in der Regel über diese Forderungen auch Tarifvertragsverhandlungen geführt wurden; eine Ausnahme gilt dann, wenn die andere Seite Verhandlungen über eine Forderung überhaupt ablehnt. Nicht erforderlich ist ein Arbeitskampf, wenn der Tarifpartner die Forderung bereits akzeptiert hat (vgl. Seiter, Die Warnstreikentscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, S. 101 f.; Kalb, Arbeitskampfrecht, S. 71). Das ultima-ratio-Prinzip verbietet daher den Arbeitskampf um des Arbeitskampfes und der Demonstration einer Stärke willen und zu einem Zeitpunkt, zu dem noch nicht einmal der Standpunkt der Gegenseite zur Kenntnis genommen worden ist. Das ultima-ratio-Prinzip ist damit, wie Seiter (aa0) richtig gesehen hat, ein formales Prinzip, das lediglich die Einhaltung von "Minimalanforderungen" für die Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen voraussetzt. Es ist lediglich mit einer begrenzten inhaltlichen Mißbrauchskontrolle verbunden.
4. Warnstreiks in der Form der neuen Beweglichkeit sind auch im Einzelhandel und auch an kurzen Samstagen zulässig. Da der Warnstreik wie jede andere Streikform ein Erzwingungsstreik ist, findet er seine Grenze nur im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der die Art der Durchführung und die Intensität der einzelnen Arbeitskampfmaßnahmen bestimmt. Insoweit bestehen jedoch gegen Warnstreiks in der Form der neuen Beweglichkeit keine Bedenken. Es finden sich in der Literatur deshalb auch keine Stimmen, die die Rechtswidrigkeit von Warnstreiks auch in der Form der neuen Beweglichkeit mit einem Verstoß gegen das Übermaßverbot zu begründen versuchen (vgl. Löwisch, Warnstreik und neue Beweglichkeit, BB 1982, 1373). Für den Einzelhandel kann insoweit nichts anderes gelten. Es entspricht dem Grundsatz der freien Wahl und des freien Einsatzes der Arbeitskampfmittel, diese so einzusetzen, daß sie mit möglichst geringem Aufwand eine hohe Wirkung erzielen, d.h. einen durch die Folgen der Arbeitsniederlegung eintretenden Druck ausüben, der geeignet ist, die Arbeitgeberseite zum Nachgeben und Eingehen auf die erhobenen Forderungen zu bestimmen.
5. Der gegen die Niederlassung R der Klägerin am 27. April 1985 geführte Warnstreik war auch nicht deswegen unzulässig, weil er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erforderlich gewesen wäre.
a) Die Tarifvertragsparteien für den Einzelhandel in Baden- Württemberg haben über neue Regelungen im Manteltarifvertrag zunächst am 9. und 26. November 1984 verhandelt. Sie haben diese Verhandlungen nach dem Spitzengespräch vom Januar 1985 in Hannover am 12. Februar 1985 fortgesetzt. Nach dem weiteren Spitzengespräch vom 25. und 26. Februar 1985 in Essen erklärte sich anläßlich der weiteren Tarifvertragsverhandlungen am 21. März 1985 der Einzelhandelsverband Baden-Württemberg bereit, auf der Grundlage der Essener Empfehlung unter Anrechnung der Arbeitszeitverkürzung auf die Lohnerhöhung 1985 und 1986 über die Forderungen der HBV abzuschließen. Die HBV erhob jedoch weitere Forderungen nach einer Erhöhung des Urlaubsgeldes und der tariflichen Sonderzahlungen, nach einer Regelung des Rücktrittsrechts bei Auflösungsverträgen und nach einer Sonderregelung für Teilzeitbeschäftigte. Die Verhandlungen darüber wurden am 18. April 1985 fortgesetzt. An diesem Tage bot die Arbeitgeberseite eine Arbeitszeitverkürzung auf 38,5 Stunden seit dem 1. Januar 1986 bei bis zu 40 Stunden wöchentlich zuschlagsfreier Mehrarbeit an. Auch sollten der Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer verbessert und die Löhne und Gehälter 1985 um 2,5 % und 1986 um 2,1 % erhöht werden. Auf der Grundlage dieses Angebots kam es noch zu keiner Einigung, die HBV kündigte vielmehr noch am 18. April 1985 die Tarifverträge mit sofortiger Wirkung. Ein neuer Verhandlungstermin wurde für den 7. Mai 1985 vereinbart. An diesem Tage kam es zu einer Einigung der Tarifvertragsparteien, wobei streitig ist, ob diese Einigung auf der Grundlage des Arbeitgeberangebots vom 18. April 1985 zusätzlich einer Regelung über Auflösungsverträge erfolgte oder ob dabei noch weitere Forderungen der HBV berücksichtigt wurden.
Im Hinblick auf diese Tarifgeschichte ist die Klägerin der Ansicht, daß die von der HBV bzw. ihren Untergliederungen in der Zeit vom 18. April 1985 bis 7. Mai 1985 geführten Warnstreiks nicht mehr erforderlich gewesen seien. Schon am 18. April 1985 sei eine grundsätzliche Einigung erzielt worden. Der Einleitung und Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen habe es nicht mehr bedurft.
b) Diese Ansicht der Klägerin ist unzutreffend. Auch wenn die Behauptung der Klägerin zutrifft, daß die Tarifvertragsparteien sich am 7. Mai 1985 so geeinigt haben, wie es der Arbeitgeberverband am 18. April 1985 vorgeschlagen hat, kann daraus nicht hergeleitet werden, daß bereits am 18. April 1985 eine Einigung erzielt worden sei, die Arbeitskampfmaßnahmen überflüssig gemacht habe. Die Klägerin trägt selbst vor, daß die HBV noch am 18. April 1985 darüber hinausgehende Forderungen erhoben habe. Die Tarifvertragsparteien haben daher auch folgerichtig für den 7. Mai 1985 einen neuen Verhandlungstermin vereinbart, nicht aber einen Termin, in dem lediglich die getroffene Einigung schriftlich niedergelegt und unterzeichnet werden sollte. Von einer bereits vorliegenden Einigung der Tarifvertragsparteien kann daher keine Rede sein.
c) Die Tatsache allein, daß die Tarifvertragsparteien am 18. April 1985 für den 7. Mai 1985 einen neuen Verhandlungstermin vereinbart haben, macht Arbeitskampfmaßnahmen für die Zeit bis dahin nicht unzulässig. Zwar bedeutet jede Vereinbarung eines neuen Verhandlungstermins, daß die Tarifvertragsparteien die Hoffnung haben, es werde in diesem Termin zu einer Einigung kommen. Nicht aber ist damit gleichzeitig gesagt, daß sie auch die Hoffnung haben, ohne Arbeitskampfmaßnahmen zu einer Einigung zu kommen, sie also noch nicht alle kampffreien Verständigungsmöglichkeiten als ausgeschöpft ansehen. Die Vereinbarung eines neuen Verhandlungstermins kann daher für sich allein eine Arbeitskampfmaßnahme, weil nicht, noch nicht oder nicht mehr erforderlich, nicht unzulässig machen. Wollte man das annehmen, würde dies auch bedeuten, daß immer dann, wenn die Tarifvertragsparteien in Zeiten eines schon laufenden Arbeitskampfes wieder einen Verhandlungstermin vereinbaren, von diesem Zeitpunkt an die laufenden Arbeitskämpfe unzulässig würden. Das aber ist nicht der Fall. Verhandlungen über den Neuabschluß von Tarifverträgen sind während der Dauer von Arbeitskampfmaßnahmen üblich, ohne daß daraus Folgerungen für die Zulässigkeit der laufenden Arbeitskampfmaßnahmen gezogen würden.
Wenn die HBV noch am 18. April 1985 die Tarifverträge kündigte, konnte dieser Schritt nur die Bedeutung haben, die für die HBV bislang noch bestehende Friedenspflicht zum Erlöschen zu bringen, um einen notwendig erscheinenden Arbeitskampf führen zu können. Das war auch dem Arbeitgeberverband erkennbar. In der Zustimmung der HBV zu einem neuen Verhandlungstermin am 7. Mai 1985 konnte der Arbeitgeberverband daher keine Erklärung der HBV sehen, daß sie bis zu diesem Termin auf Arbeitskampfmaßnahmen verzichten wolle. Die Warnstreikaktionen der HBV oder ihrer Untergliederungen in der Zeit vom 18. April bis 7. Mai 1985 waren daher nicht als solche unzulässig.
6. Der gegen die Niederlassung R der Klägerin am 27. April 1985 geführte Warnstreik war als solcher auch dann nicht unzulässig, wenn es anläßlich dieses Warnstreiks zu den von der Klägerin behaupteten Ausschreitungen gekommen sein sollte.
Zugunsten der Klägerin kann an dieser Stelle unterstellt werden, daß die von ihr behaupteten Ausschreitungen anläßlich des Warnstreiks tatsächlich erfolgt sind und sich als rechtswidriger Eingriff in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen. Ein rechtmäßiger Arbeitskampf wird jedoch nicht dadurch rechtswidrig, daß anläßlich dieses Arbeitskampfes streikende Arbeitnehmer, Streikposten oder Streikleitungen rechtswidrige Handlungen begehen, die vom Streikrecht nicht gedeckt sind (Seiter, aa0, S. 525). Das gilt jedenfalls dann, wenn die unzulässigen, vom Streikrecht nicht gedeckten Eingriffe in den Gewerbebetrieb nicht Inhalt der von der Gewerkschaft beschlossenen und von den zuständigen Organen durchgeführten Arbeitskampfmaßnahmen sind. Davon kann im vorliegenden Falle nicht ausgegangen werden. Selbst wenn die örtlichen Streikleiter B. und Sch. die behaupteten unerlaubten Handlungen selbst begangen oder angeordnet haben, folgt daraus noch nicht, daß sie in Ausführung des Streikbeschlusses der Gewerkschaft gehandelt haben, dieser also solche unerlaubten Handlungen zum Inhalt hatte. Die Organisationsanweisungen der HBV für Streikposten weisen aus, daß die HBV jedenfalls generell unerlaubte Handlungen anläßlich von Arbeitskampfmaßnahmen nicht billigt und Streikposten anweist, darauf hinzuwirken, daß solche unerlaubten Handlungen unterbleiben. Dafür, daß davon im vorliegenden Falle abgewichen werden sollte, sind Anhaltspunkte auch aus dem Vorbringen der Klägerin nicht ersichtlich.
Der Warnstreik gegen die Niederlassung R der Klägerin war daher nicht als solcher rechtswidrig. Der Klägerin steht daher ein Schadenersatzanspruch nicht schon deswegen zu, weil am 27. April 1985 gegen ihre Niederlassung R ein Warnstreik geführt worden ist.
II. Ob die Klägerin Ersatz desjenigen Schadens verlangen kann, der ihr durch die behaupteten Ausschreitungen anläßlich des Warnstreiks entstanden ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.
1. Das Landesarbeitsgericht hat den Schadenersatzanspruch der Klägerin mit der Begründung abgewiesen, diese habe einen Schaden nicht ausreichend dargetan. Es hat die Frage, ob der Klägerin durch die behaupteten Ausschreitungen ein Schaden entstanden ist, nicht geprüft. Auf diese behaupteten Ausschreitungen ist es jedoch im Zusammenhang mit seiner Entscheidung über den Unterlassungsantrag der Klägerin eingegangen. Es hat dem Unterlassungsantrag "aufgrund des im Tatbestand als unstreitig festgestellten Vortrags der Klägerin" stattgegeben. Mit dieser Begründung kann weder die Verurteilung zur Unterlassung der beklagten Streikleiter und der Landesbezirksleitung aufrechterhalten werden noch kann diese Grundlage für eine Entscheidung über einen Schadenersatzanspruch der Klägerin aus diesen behaupteten Ausschreitungen sein.
Die Klägerin hat eine Reihe von Handlungen behauptet, die, wenn sie tatsächlich vorgenommen worden sind, sich als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen. Das gilt für das Zustellen der Tür zum Personaleingang, die Blockade der Zufahrt zur Rampe der Warenannahme und der Zu- und Abfahrt zum Parkhaus sowie die Versperrung der Kundeneingänge ebenso wie für die Behinderung des Zutritts arbeitswilliger Arbeitnehmer durch das Bilden sogenannter Menschenketten. Es wird weiter eine Handlung behauptet, das Bekleben der Schaufenster mit Warnstreikplakaten, die sich als Verletzung des Eigentums der Klägerin darstellt.
Das Landesarbeitsgericht hat den entsprechenden Vortrag der Klägerin "als unstreitig festgestellt". Diese tatsächliche Feststellung ist von der Revision der Beklagten ordnungsgemäß gerügt worden. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbegründung hinsichtlich aller von der Klägerin behaupteten Vorgänge im einzelnen dargelegt, an welcher Stelle ihrer vor dem Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht eingereichten Schriftsätze, die vom Landesarbeitsgericht auch in Bezug genommen worden sind, sie das tatsächliche Vorbringen der Klägerin bestritten und eine eigene Darstellung der Vorgänge unter Beweisantritt gegeben haben. Angesichts dieses Vorbringens der Beklagten durfte das Landesarbeitsgericht den Vortrag der Klägerin nicht als unstreitig "feststellen" und seiner Entscheidung zugrunde legen. Das Landesarbeitsgericht hat damit gegen § 286 ZP0 verstoßen, indem es nicht den gesamten Inhalt der Verhandlungen, also auch das in Bezug genommene Bestreiten der Beklagten, berücksichtigt und über das Vorbringen der Klägerin den angebotenen Beweis und gegebenenfalls den von den Beklagten angebotenen Gegenbeweis nicht erhoben hat.
Die "Feststellung" des Landesarbeitsgerichts ist auch keine Wiedergabe des Tatbestandes, der nach § 314 ZPO Beweis dafür liefern würde, daß das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht unstreitig geworden ist, und die nur mit einem Berichtigungsantrag nach § 320 ZPO hätte angegriffen werden können. Die Beklagten haben einen solchen Berichtigungsantrag gestellt. Das Landesarbeitsgericht hat diesen mit der Begründung zurückgewiesen, daß damit "eine Änderung der rechtlichen Beurteilung des Parteivorbringens" durch das Landesarbeitsgericht erstrebt werde. Das Landesarbeitsgericht gibt damit selbst zu erkennen, daß seine "Feststellung als unstreitig" das Ergebnis einer rechtlichen Würdigung des Parteivorbringens ist, nicht aber die Wiedergabe eines Ergebnisses der letzten mündlichen Verhandlung.
Damit fehlt es an den Senat bindenden Feststellungen zu der Frage, ob es anläßlich des gegen die Niederlassung R der Klägerin geführten Warnstreiks zu den behaupteten Ausschreitungen gekommen ist. Schon das macht die Aufhebung des Urteils notwendig, soweit dieses den Schadenersatzanspruch der Klägerin abgewiesen hat, und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.
2. Sollte die erneute Verhandlung ergeben, daß die behaupteten Ausschreitungen tatsächlich erfolgt sind, ist ein Schadenersatzanspruch der Klägerin dem Grunde nach gegeben.
Das Recht zum Streik beinhaltet das Recht, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu verweigern. Vom Streikrecht mit umfaßt ist auch der Versuch und gegebenenfalls das Gelingen des Versuchs, neue, dem bestreikten Betrieb bisher nicht zugehörige Arbeitskräfte mit Mitteln des gütlichen Zuredens und des Appells an die Solidarität von der Aufnahme der Arbeit im bestreikten Betrieb abzuhalten (Urteil des Senats vom 20. Dezember 1963 - 1 AZR 157/63 - AP Nr. 34 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Dementsprechend ist vom Streikrecht auch umfaßt der Versuch, Arbeitnehmer des bestreikten Betriebes, die sich dem Streik bislang noch nicht angeschlossen haben, zur Teilnahme am Streik zu bewegen, sofern dieser Versuch mit Mitteln des gütlichen Zuredens und des Appells an die Solidarität erfolgt (Seiter, aa0, S. 520 f.; Löwisch, AR-Blattei, Arbeitskampf VI unter A II 2 a; LAG Köln vom 2. Juli 1984 - 9 Sa 602/84 - EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 53 = NZA 1984, 402). Handlungen, die darüber hinausgehen und gar strafrechtlich geschützte Interessen des Arbeitgebers oder Dritter verletzen, werden durch das Streikrecht nicht gerechtfertigt (BGH Urteil vom 19. Oktober 1954 - 5 StR 171/54 - AP Nr. 1 zu § 125 StGB). Unzulässig ist danach auch die Verhinderung des Zu- und Abgangs von Waren und Kunden (RGZ 76, 35; Seiter, aa0, S. 522) sowie die Behinderung arbeitswilliger Arbeitnehmer am Betreten des Betriebes durch Maßnahmen, die über bloßes Zureden, sich am Streik zu beteiligen, hinausgehen (Löwisch, aa0; LAG Köln, aa0).
Solche Handlungen stellen sich ebenso wie ein rechtswidriger Streik als solcher als eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des bestreikten Arbeitgebers und damit als unerlaubte Handlung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB dar (ständige Rechtsprechung des Senats, BAGE 41, 209, 222 = AP Nr. 76 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu A II 2 der Gründe; BAGE 46, 322 = AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAGE 48, 160, 165 = AP Nr. 85 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu II 1 der Gründe). Der Geschädigte kann Ersatz des ihm durch diese unerlaubte Handlung entstandenen Schadens verlangen.
Wenn die Beklagten geltend machen, in einen rechtmäßig bestreikten Betrieb könne nicht mehr durch unerlaubte Handlung eingegriffen werden, weil der Betrieb durch den Streik funktionslos geworden sei und nicht weiter ausgeübt werden könne, so kann dem nicht gefolgt werden. Diese Annahme mag dann zutreffen, wenn alle Arbeitnehmer des Betriebes sich am Streik beteiligen und ohne Arbeitnehmer eine weitere Betriebstätigkeit in keiner Weise denkbar ist. Solange nicht alle Arbeitnehmer streiken, vielmehr Arbeitswillige vom Betreten des Betriebes durch mehr als gütliches Zureden abgehalten, der Zu- und Abgang von Kunden und Waren verhindert werden, stellen sich diese Handlungen als Verhinderung der trotz des Streiks noch möglichen Ausübung des Betriebes und seiner Funktion dar und sind damit als eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu werten.
3. Sollte sich ein Schadenersatzanspruch der Klägerin als begründet erweisen, so haften für diesen Schaden zunächst die Streikleiter B. und Sch. Diese haben die behaupteten unerlaubten Handlungen - wenn sie bewiesen werden - entweder selbst verübt oder doch zumindest billigend geduldet, obwohl sie verpflichtet waren, dafür Sorge zu tragen, daß der Warnstreik die Grenzen einer zulässigen Arbeitskampfmaßnahme nicht überschreitet (s. dazu unten D II). Sie haften daher für den Schaden selbst als unmittelbare Verletzer des Rechts der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Daneben haftet die HBV gemäß § 31 BGB für zum Schadenersatz verpflichtende Handlungen ihrer Organe (Brox/Rüthers, aa0, Rz 373). Ein verfassungsmäßig berufenes Organ der HBV sind auch die örtlichen Streikleitungen der Gewerkschaft. Diese werden nach § 6 der Richtlinien der HBV für die Führung von Arbeitskämpfen mit der Aufgabe der Vorbereitung und Durchführung von Arbeitskampfmaßnahmen betraut und für diese Aufgabe ausdrücklich durch den Hauptvorstand oder den Landesbezirksleiter bestellt. Soweit unerlaubte Handlungen von Streikposten begangen worden sind, haftet die HBV für diese nach § 831 BGB, sofern sie nicht nachweisen kann, daß sie bei der Auswahl und Unterweisung der Streikposten die erforderliche Sorgfalt beachtet hat. Dazu bedarf es gegebenenfalls weiterer Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht. Das Landesarbeitsgericht wird dabei auch werten müssen, ob die von den Beklagten behauptete Belehrung ihrer Streikposten mit den Worten "wer unbedingt rein will, wird reingelassen" eine ausreichende Unterweisung der Streikposten für das Passierenlassen arbeitswilliger Arbeitnehmer darstellt.
Dagegen scheidet eine Haftung der Landesbezirksleitung für eventuelle Schadenersatzansprüche aus. Organe des Landesbezirks haben die behaupteten Ausschreitungen nicht begangen und nicht geduldet. Die den Arbeitskampf führende Gewerkschaft ist entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts die HBV selbst und nicht die Landesbezirksleitung oder der Landesbezirk Baden-Württemberg: Nach § 3 der Richtlinien der HBV für die Führung von Arbeitskämpfen vom 16./17. November 1978 ist zuständig für die Entscheidung über Arbeitskampfmaßnahmen der Hauptvorstand der HBV, in einigen Sonderfällen auch der geschäftsführende Hauptvorstand. Lediglich die Durchführung von Arbeitskämpfen obliegt nach § 6 den Unterorganisationen, insbesondere den Landesbezirken, wenn die Arbeitskampfmaßnahmen über den Bereich einer Bezirks- oder Ortsverwaltung hinausgehen. Dementsprechend hat auch nach § 31 der Satzung der HBV der Landesbezirksleiter nur als Beauftragter des Hauptvorstandes für den Bereich des Landesbezirks Tarifverhandlungen zu führen und Tarifverträge abzuschließen. Der Landesverband haftet daher nicht selbst für das Verschulden von im Arbeitskampf tätig werdenden Organen der HBV. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob der Landesverband selbst rechtsfähig und nach § 10 ArbGG parteifähig ist, da die Schadenersatzklage gegen ihn schon aus den dargelegten Gründen abzuweisen war.
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war daher aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, soweit dieses über den geltend gemachten Schadenersatzanspruch gegen die beklagten Streikleiter und die HBV entschieden hat.
B. Die Klägerin kann nicht verlangen, daß die Beklagten künftig Warnstreiks gegen ihre Niederlassung R - gleich welcher Dauer - unterlassen.
Die Klägerin verlangt die künftige Unterlassung aller Warnstreiks an kurzen Samstagen, soweit diese Warnstreiks länger als 30 Minuten - hilfsweise 90 Minuten - dauern. Nach dem unter A I Gesagten sind Warnstreiks grundsätzlich zulässig, sofern sie erforderlich sind und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen. Der Umstand, daß Warnstreiks im Einzelhandel an kurzen Samstagen stattfinden und daß diese länger als 30 oder 90 Minuten dauern, sagt für sich allein weder etwas gegen die Erforderlichkeit solcher Warnstreiks noch läßt er diese stets als unverhältnismäßig erscheinen. Es kann daher nicht gesagt werden, daß alle Warnstreiks an kurzen Samstagen, die länger als 30 bzw. 90 Minuten dauern, unzulässig sind. Damit erweist sich der Unterlassungsantrag der Klägerin zu 2 a als unbegründet (BAGE 46, 322, 354 = AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu B II 2 e der Gründe). Das Landesarbeitsgericht hat diesen Antrag zu Recht abgewiesen.
C. Ob die Klägerin von den Beklagten verlangen kann, daß diese künftig bestimmte Streikausschreitungen anläßlich eines Streiks gegen ihre Niederlassung R unterlassen, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.
I. Das Landesarbeitsgericht hat diesen Unterlassungsantrag gegen die beiden beklagten Streikleiter und die Landesbezirksleitung mit einer Ausnahme stattgegeben und die zu unterlassenden Handlungen näher umschrieben. Die Klägerin verfolgt ihren Unterlassungsantrag nur noch in der vom Landesarbeitsgericht beschiedenen Form - allerdings auch gegen die HBV selbst - weiter. Gegen diese Beschränkung des Antrags bestehen keine Bedenken, da es sich insoweit lediglich um eine Beschränkung der Revision der Klägerin handelt.
Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Verurteilung der beklagten Streikleiter zur Unterlassung nicht aufrechterhalten werden. Wie oben unter A II 1 dargelegt, sind die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellung zur Frage, ob die von der Klägerin behaupteten Ausschreitungen anläßlich des Warnstreiks tatsächlich erfolgt sind, fehlerhaft und daher für den Senat nicht bindend. Auch insoweit muß daher der Rechtsstreit zurückverwiesen werden.
II. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Landesarbeitsgerichts, daß Handlungen streikender Arbeitnehmer oder der für die Streikleitung verantwortlichen Organe der Gewerkschaften anläßlich eines Streiks sich als unerlaubte Handlungen darstellen, soweit sie durch die Ausübung des Streikrechts nicht gedeckt sind (s. oben A II 2). Sind solche unerlaubten Handlungen künftig zu besorgen, so kann die Klägerin entsprechend § 1004 BGB die Unterlassung solcher Handlungen verlangen, wenn deren künftige Wiederholung zu besorgen ist. Das ist vorliegend der Fall. Die Beklagten bestreiten nicht nur die Behauptungen der Klägerin hinsichtlich der einzelnen Ausschreitungen, sie halten diese auch weitgehend für zulässig, wie ihre gesamte Einlassung ergibt. Von daher ist zu befürchten, daß anläßlich künftiger Arbeitskampfmaßnahmen gegen die Niederlassung R der Klägerin gleiche oder gleichartige Ausschreitungen vorkommen werden.
II. Sollte die erneute Verhandlung ergeben, daß die behaupteten Eingriffe in den Gewerbebetrieb der Klägerin tatsächlich geschehen sind, so kann die Klägerin Unterlassung künftiger derartiger Eingriffe jedoch nur von den beiden beklagten Streikleitern verlangen.
Diese waren während des ganzen Streikgeschehens vor dem Niederlassungsgebäude der Klägerin anwesend. Sofern sie nicht selbst einzelne der behaupteten Handlungen begangen haben, wie etwa für das Zustellen des Personaleingangs und die Blockade der Zufahrt zur Rampe und zum Parkhaus nach dem Vorbringen der Klägerin angenommen werden kann, haben sie doch die Handlungen der Streikposten und streikenden Arbeitnehmer zur Kenntnis genommen, ohne dagegen einzuschreiten, und sie damit als Teil des von ihnen geführten und geleiteten Streiks gegen die Beklagte angesehen und gebilligt, obwohl sie zum Einschreiten verpflichtet waren (s. unten D II).
Dagegen scheiden die Landesbezirksleitung und die HBV selbst als Schuldner eines Unterlassungsanspruchs aus. Schuldner eines vorbeugenden Unterlassungsanspruchs kann nur derjenige sein, von dem zu befürchten ist, daß er die zu unterlassende Handlung demnächst vornehmen wird. Für die HBV selbst und die Landesbezirksleitung läßt sich eine solche Besorgnis aus dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen.
Der Unterlassungsantrag der Klägerin gegen die Landesbezirksleitung und die HBV ist daher unbegründet. Insoweit ist der Rechtsstreit zur Entscheidung reif. Hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs gegen die Streikleiter B. und Sch. muß der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden.
D. Auch soweit die Klägerin beantragt hat, den Beklagten aufzugeben, sowohl auf Streikende als auch auf Streikposten einzuwirken, um diese von den im einzelnen genannten Handlungen abzuhalten oder zu deren Aufhebung zu bewegen, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung nicht möglich.
I. Das Landesarbeitsgericht hat diesen Antrag als unzulässig abgewiesen und unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts ausgeführt, dieser Antrag sei nicht bestimmt genug. Er bezeichne nicht diejenigen Handlungen, mit denen die Beklagten ihre Einwirkungspflicht erfüllen sollen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag mit dieser Begründung abgewiesen werden durfte. Die Klägerin hat ihren Einwirkungsantrag in der Verhandlung vor dem Senat beschränkt. Sie verlangt nur noch, daß die Beklagten ihre Einwirkungspflicht "durch entsprechende Aufforderungen" an die Streikenden und Streikposten erfüllen. Damit ist der Antrag ausreichend bestimmt.
In dieser Beschränkung des Antrags liegt keine in der Revisionsinstanz unzulässige Antragsänderung, vielmehr eine teilweise Klagerücknahme. Den Beklagten soll anstelle aller möglichen Einwirkungshandlungen nur noch eine bestimmte Handlung, nämlich eine entsprechende Aufforderung an die Streikenden und Streikposten, aufgegeben werden. Dieser teilweisen Klagerücknahme hat die Klägerin zugestimmt.
II. Eine Gewerkschaft, die zum Streik aufruft, ist verpflichtet, das Kampfverhalten der Arbeitnehmer zu beobachten und gegebenenfalls auf diese dahin einzuwirken, daß die Grenzen eines zulässigen Arbeitskampfes und einzelner Arbeitskampfmaßnahmen nicht überschritten werden (Brox/Rüthers, aaO, Rz 353; Seiter, aaO, S. 525). Soll diese Einwirkung dadurch geschehen, daß Streikende und Streikposten aufgefordert werden, bestimmte Handlungen zu unterlassen oder rückgängig zu machen, so kann diese Verpflichtung nur diejenigen Organe und Personen treffen, die unmittelbar mit der Durchführung und Beobachtung der jeweiligen Arbeitskampfmaßnahme beauftragt sind. Das sind lediglich die örtlichen Streikleiter, die bei ihrer Anwesenheit am Ort des Arbeitskampfgeschehens etwaige Ausschreitungen der Streikenden und Streikposten wahrnehmen und diese auffordern können, solche Ausschreitungen zu unterlassen. Der HBV selbst und der Landesbezirksleitung ist ein solches "Auffordern" nicht möglich. Gegen diese Beklagten ist die darauf gerichtete Klage der Klägerin daher nicht begründet.
III. Ob der Einwirkungsanspruch gegen die beklagten Streikleiter B. und Sch. begründet ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Auch der Anspruch, auf Streikende und Streikposten dahin einzuwirken, daß diese künftig rechtswidrige Eingriffe in den Gewerbebetrieb der Klägerin unterlassen, dient wie der Unterlassungsanspruch gegen die beklagten Streikleiter selbst der Verhütung künftigen Schadens. Er setzt daher ebenso wie der Unterlassungsanspruch die Besorgnis voraus, daß es ohne Erfüllung der Einwirkungspflicht künftig zu solchen rechtswidrigen Eingriffen kommen wird, § 259 ZP0. Ob diese Besorgnis gegeben ist, hängt wiederum davon ab, ob Arbeitnehmer und Streikposten anläßlich des Warnstreiks gegen die Niederlassung der Klägerin in R die behaupteten Handlungen, die sich als Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin darstellen, mit Billigung der beklagten Streikleiter begangen haben. Dazu fehlt es, wie oben unter A II 1 dargelegt, an tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts.
Der Rechtsstreit muß daher auch insoweit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden.
Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
Koerner Mager
Fundstellen
Haufe-Index 437396 |
BAGE 58, 364-394 (LT1-5) |
BAGE, 364 |
BB 1988, 2461-2464 (LT1-5) |
DB 1988, 1952-1957 (LT1-5) |
NJW 1989, 57 |
NJW 1989, 57-61 (LT1-5) |
EWiR 1989, 51-51 (S1-4) |
JR 1989, 176 |
NZA 1988, 535 |
NZA 1988, 846-850 (LT1-5) |
RdA 1988, 383 |
SAE 1989, 93-101 (LT1-5) |
ZTR 1988, 464-466 (LT1-5) |
AP, Arbeitskampf (LT1-5) |
AR-Blattei, Arbeitskampf II Entsch 34 (LT1-5) |
AR-Blattei, ES 170.2 Nr 34 (LT1-5) |
EzA, Arbeitskampf Nr 75 (LT1-5) |
EzBAT § 8 BAT Arbeitskampf, Nr 20 (LT1-5) |
JA 1989, 48-51 (T) |
JZ 1989, 85 |
JZ 1989, 85-91 (LT1-5) |
JuS 1989, 320-321 (L1-5) |
MDR 1989, 94-95 (LT1-5) |
PERSONAL 1990, 41-41 (T) |