Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachvertragliches Wettbewerbsverbot. fehlende Karenzentschädigung. salvatorische Klausel. Wettbewerbsverbot
Leitsatz (amtlich)
Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das entgegen § 74 Abs. 2 HGB keine Karenzentschädigung enthält, ist kraft Gesetzes nichtig. Eine salvatorische Klausel ist nicht geeignet, diese Folge zu beseitigen oder zu heilen.
Orientierungssatz
1. Wettbewerbsverbote, die entgegen § 74 Abs. 2 HGB keine Karenzentschädigung vorsehen, sind nichtig.
2. Eine ersetzende salvatorische Klausel, die eine automatische Ersetzung der nichtigen vertraglichen Regelung vorsieht, führt nicht zur Wirksamkeit einer Wettbewerbsvereinbarung ohne zugesagte Karenzentschädigung. Die salvatorische Klausel beinhaltet nicht die erforderliche eindeutige Zusage einer Karenzentschädigung. Der Arbeitnehmer kann aus ihr weder bei Vertragsschluss noch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkennen, ob er Anspruch auf eine Karenzentschädigung hat.
3. Es bleibt offen, ob Ansprüche auf Karenzentschädigung im Wege der Klage auf zukünftige Leistung nach § 259 ZPO verlangt werden können. Jedenfalls müssten in einem solchen Klageantrag die für den Anspruch maßgebenden Bedingungen, insbesondere die Einhaltung des Wettbewerbsverbots und das Fehlen eines die Anrechnungsgrenzen übersteigenden Erwerbs, Niederschlag finden.
Normenkette
HGB §§ 74, 74a Abs. 1, § 74b Abs. 1, § 90a; BGB § 125 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 5. Juni 2015 – 10 Sa 67/15 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 27. November 2014 – 4 Ca 1218/14 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Karenzentschädigung für die Zeit von Januar 2014 bis Dezember 2015.
Die Beklagte ist ein international tätiges Unternehmen der Kühl- und Gefriertechnikbranche. An ihrem Betriebssitz in E beschäftigt die Beklagte ca. 15 Mitarbeiter.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 26. Mai 2008 als Industriekauffrau tätig, zuletzt zu einer Bruttomonatsvergütung von 1.209,38 Euro. Der Anstellungsvertrag vom 20. Mai 2008 lautet auszugsweise:
Ӥ 3 |
Aufgabengebiet und Arbeitsort |
(1) |
Das Aufgabengebiet der Mitarbeiterin umfasst die Organisation der Logistik der Gesellschaft, sowohl im Office als auch im Betrieb. |
… |
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(1) |
Der Mitarbeiterin ist es untersagt, für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung dieses Vertrages in selbstständiger, unselbstständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Firma in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist. In gleicher Weise ist es der Mitarbeiterin untersagt, während der Dauer dieses Verbotes ein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen. Das Wettbewerbsverbot gilt auch zu Gunsten von mit der Firma verbundenen Unternehmen. |
(2) |
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot hat die Mitarbeiterin eine Vertragsstrafe in Höhe von EUR 10.000,00 zu zahlen. Im Fall eines Dauerverstoßes wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat neu verwirkt. Die Geltendmachung eines darüber hinausgehenden Schadens bleibt vorbehalten. |
(3) |
Das Wettbewerbsverbot gilt auch mit einem Rechtsnachfolger des Betriebes, insbesondere geht es bei einer Veräußerung auf den Erwerber über. Der Arbeitnehmer ist mit dem Übergang der Rechte aus dieser Vereinbarung auf den Rechtsnachfolger einverstanden. |
(4) |
Das Wettbewerbsverbot tritt nicht in Kraft, wenn die Mitarbeiterin bei ihrem Ausscheiden das 65. Lebensjahr vollendet oder das Arbeitsverhältnis weniger als ein Jahr bestanden hat. |
(5) |
Die Mitarbeiterin hat von der Gesellschaft eine vollständige Abschrift dieser Vereinbarung erhalten. |
Die Mitarbeiterin ist verpflichtet, gegenüber Dritten über alle Angelegenheiten der Gesellschaft und ihren Beteiligungsgesellschaften strengstes Stillschweigen zu bewahren. Diese Verpflichtung besteht auch nach dem Ausscheiden aus den Diensten der Gesellschaft. Sollte die Mitarbeiterin gegen seine Geheimhaltungspflicht verstoßen, hat die Gesellschaft gegen den Mitarbeiterin auf Ersatz des dadurch entstehenden Schadens.
(1) |
Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages einschließlich dieser Bestimmung selbst sind nur wirksam, wenn sie schriftlich abgeschlossen oder schriftlich wechselseitig bestätigt worden sind. |
(2) |
Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages nichtig oder unwirksam sein, so soll dadurch der Vertrag im Übrigen in seinem rechtlichen Bestand nicht berührt werden. Anstelle der nichtigen oder unwirksamen Bestimmung soll eine angemessene Regelung gelten, die, soweit rechtlich möglich, dem am nächsten kommt, was die Vertragsparteien gewollt haben oder nach dem Sinn und Zweck dieses Vertrages gewollt hätten, sofern sie bei Abschluss dieses Vertrages die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit bedacht hätten.” |
In einer „Vereinbarung über die Arbeitszeitänderung ab dem 01.01.2012” vom 12. August 2011, in der die Parteien eine Teilzeitbeschäftigung der Klägerin vereinbarten, heißt es auszugsweise:
„Der Hauptaufgabenbereich wird sich voraussichtlich auf die telefonische Akquise (ca. 50 %), Telefondienst und Logistik verlagern.
Alle übrigen schriftlichen Vereinbarungen und Bestimmungen (wie z.B. aus dem Arbeitsvertrag vom 10.05.2008) bleiben erhalten.”
Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund ordentlicher Kündigung der Klägerin mit Ablauf des 31. Dezember 2013.
Im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Mai 2014 bezog die Klägerin ein monatliches Arbeitslosengeld iHv. 611,70 Euro. Ab dem 1. Juni 2014 erzielte die Klägerin Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, die die Grenze von 110 % der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Vergütung nicht erreichten. Wettbewerbshandlungen nahm die Klägerin nicht vor.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigen vom 25. März 2014 verlangte die Klägerin die Zahlung einer Karenzentschädigung für die Dauer von zwei Jahren iHv. 604,69 Euro brutto, beginnend ab 1. Januar 2014. Der Bevollmächtigte der Beklagten wies die Forderung unter Hinweis auf die Nichtigkeit des vereinbarten Wettbewerbsverbots mit Schreiben vom 31. März 2014 zurück.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, arbeitsvertraglich sei ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gegen Zahlung einer Karenzentschädigung in der gesetzlich vorgesehenen Höhe wirksam vereinbart. Zwar enthalte § 10 des Arbeitsvertrags keine ausdrückliche Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Karenzentschädigung; die Bestimmungen des Formulararbeitsvertrags ließen jedoch gemäß § 305c Abs. 2 BGB eine solche Auslegung zu. Jedenfalls sei § 10 aufgrund der in § 14 des Arbeitsvertrags enthaltenen salvatorischen Klausel um eine Regelung über die Karenzentschädigung zu ergänzen. Das Schriftformerfordernis des § 74 Abs. 1 HGB werde mit dem von beiden Parteien unterschriebenen und der Klägerin im Original ausgehändigten Arbeitsvertrag erfüllt.
Die Klägerin hat zuletzt – zusammengefasst – beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie für die Monate Januar bis September 2014 eine Karenzentschädigung iHv. monatlich 604,69 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach zeitlich bestimmter Staffelung zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie eine zukünftige Karenzentschädigung monatlich wiederkehrend ab dem 31. Oktober 2014 bis zum 31. Dezember 2015 iHv. 604,69 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zum jeweils Monatsletzten zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das vereinbarte Wettbewerbsverbot sei nichtig.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die Klage ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet. Die Klägerin hat mangels wirksamer Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots keinen Anspruch auf eine Karenzentschädigung. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (§ 562 Abs. 1 ZPO), zur Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts und zur Abweisung der Klage (§ 563 Abs. 3 ZPO).
I. Die Klage ist nur teilweise, nämlich hinsichtlich der Karenzentschädigung für die Monate Januar 2014 bis Mai 2015, zulässig. Der Antrag auf zukünftige Leistung für den Zeitraum von Juni bis Dezember 2015 ist hingegen unzulässig.
1. Die zu 1. zusammengefassten Leistungsanträge, die sich auf die Monate Januar bis September 2014 beziehen, sind zulässig. Darüber hinaus war der Antrag zu 2. zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 5. Juni 2015 aufgrund Eintritts der Fälligkeit nach § 74b Abs. 1 HGB hinsichtlich der Monate Oktober 2014 bis einschließlich Mai 2015 nicht mehr auf eine künftige Leistung gerichtet und insoweit ebenfalls zulässig. Ohne Antragsänderung hätte ein unbedingtes Urteil ergehen können (vgl. BAG 22. Oktober 2014 – 5 AZR 731/12 – Rn. 15, BAGE 149, 343).
2. Hinsichtlich der Monate Juni bis Dezember 2015 ist die Klage hingegen bereits deshalb unzulässig, da die für die begehrte Karenzentschädigung maßgebenden Bedingungen nicht im Antrag aufgenommen sind.
a) Nach § 259 ZPO kann Klage auf künftige Leistung erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen. § 259 ZPO lässt grundsätzlich auch die Verurteilung zu künftigen Leistungen zu, die von einer im Urteil anzugebenden Gegenleistung abhängig sind (vgl. BAG 22. Oktober 2014 – 5 AZR 731/12 – Rn. 40, BAGE 149, 343; 28. Januar 2009 – 4 AZR 904/07 – Rn. 42).
b) Die Karenzentschädigung ist Gegenleistung für die Unterlassung von Konkurrenztätigkeit (vgl. BAG 7. Juli 2015 – 10 AZR 260/14 – Rn. 29, BAGE 152, 99). Ob Ansprüche auf Karenzentschädigung im Wege der Klage auf zukünftige Leistung nach § 259 ZPO geltend gemacht werden können, kann vorliegend dahinstehen (ablehnend für künftige Vergütungsansprüche BAG 22. Oktober 2014 – 5 AZR 731/12 – Rn. 40, BAGE 149, 343). Jedenfalls wären die für die Leistung maßgebenden Bedingungen in den Antrag aufzunehmen gewesen, wobei nur das Unerwartete hätte unberücksichtigt bleiben können. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung wäre dann gemäß § 726 Abs. 1 ZPO vor Erteilung der Vollstreckungsklausel zu prüfen, ob die für die künftigen Vergütungsansprüche maßgeblichen Bedingungen vorliegen (vgl. BAG 9. April 2008 – 4 AZR 104/07 – Rn. 28; 13. März 2002 – 5 AZR 755/00 – zu I 1 der Gründe). Bei einer Klage auf künftige Leistung von Karenzentschädigung müssten deshalb insbesondere die Einhaltung des Wettbewerbsverbots sowie das Fehlen eines die Anrechnungsgrenzen übersteigenden anderweitigen Erwerbs im Antrag Niederschlag finden (vgl. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 7. Aufl. Rn. 757; ua. deswegen eine Feststellungsklage für zulässig haltend BAG 14. Juli 2010 – 10 AZR 291/09 – Rn. 39, BAGE 135, 116). In dem Klageantrag zu 2. sind diese Bedingungen nicht enthalten. Eines Hinweises durch den Senat nach § 139 Abs. 2 ZPO bedurfte es trotz der fehlenden Erörterung dieser Frage in den Vorinstanzen nicht, da der Anspruch auch materiell-rechtlich nicht besteht.
II. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot ist mangels Zusage einer Karenzentschädigung wegen Verstoßes gegen § 74 Abs. 2 HGB nichtig und kann einen Anspruch auf Karenzentschädigung nicht begründen. Die salvatorische Klausel in § 14 Abs. 2 des Arbeitsvertrags führt zu keinem anderen Ergebnis.
1. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitnehmer grundsätzlich frei, mit seinem ehemaligen Arbeitgeber in Wettbewerb zu treten oder für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu werden. Dieses durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse des Arbeitnehmers, über sein berufliches Fortkommen selbst zu bestimmen, sieht das Gesetz dem wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers, sich vor Nachteilen einer Konkurrenztätigkeit zu schützen, als übergeordnet an (BAG 15. Juni 1993 – 9 AZR 558/91 – zu I 2 b aa der Gründe, BAGE 73, 229).
2. Gemäß § 110 Satz 1 GewO können Arbeitgeber und Arbeitnehmer die berufliche Tätigkeit des Arbeitnehmers für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses allerdings durch Vereinbarung beschränken (Wettbewerbsverbot). Die §§ 74 bis 75f HGB sind entsprechend anzuwenden (§ 110 Satz 2 GewO).
a) Diese gesetzlichen Bestimmungen konstituieren ein im Grundsatz geschlossenes gesetzliches System, das die Bedingungen und Voraussetzungen für nachvertragliche Wettbewerbsverbote – auch in Abgrenzung zu den Regelungen für Handelsvertreter (§ 90a HGB) – festlegt und von dem nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden darf (§ 75d HGB; BAG 3. Mai 1994 – 9 AZR 606/92 – zu I 1 b der Gründe). Nur eine diesen Anforderungen genügende Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ermöglicht es dem Arbeitgeber, dem früheren Mitarbeiter Wettbewerbshandlungen zu untersagen. Hinsichtlich der Beziehungen von Arbeitgebern untereinander wird die Verwirklichung des Rechts des Arbeitnehmers aus Art. 12 Abs. 1 GG zusätzlich geschützt durch die in § 75f HGB normierte Unverbindlichkeit von Sperrabreden (BGH 30. April 2014 – I ZR 245/12 – Rn. 25, BGHZ 201, 205).
b) Danach ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wirksam und für beide Vertragsparteien verbindlich, wenn es dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient, nach Ort, Zeit und Gegenstand nicht zu weit reicht (§ 74a Abs. 1 HGB) und der Arbeitgeber sich verpflichtet, eine Karenzentschädigung zu zahlen, die mindestens die Hälfte der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht (§ 74 Abs. 2 HGB). Darüber hinaus verlangt § 74 Abs. 1 HGB für eine solche Wettbewerbsabrede die Einhaltung der Schriftform und die Aushändigung einer vom Arbeitgeber unterzeichneten entsprechenden Urkunde an den Arbeitnehmer. Liegen diese Voraussetzungen vor, sind beide Parteien an die Vereinbarung gebunden. Der Arbeitnehmer hat sich, soweit die Abrede reicht, des Wettbewerbs zu enthalten und hat im Gegenzug unter Berücksichtigung gegebenenfalls erzielten anderweitigen Erwerbs (§§ 74b, 74c HGB) Anspruch auf die vereinbarte Karenzentschädigung (vgl. zum Gegenseitigkeitsverhältnis: BAG 7. Juli 2015 – 10 AZR 260/14 – Rn. 29, BAGE 152, 99; 14. Juli 2010 – 10 AZR 291/09 – Rn. 22, BAGE 135, 116).
c) Wettbewerbsverbote, die entgegen § 74 Abs. 2 HGB keine Karenzentschädigung vorsehen, sind hingegen nach ständiger Rechtsprechung nichtig. Weder der Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber können aus einer solchen Abrede Rechte herleiten (zuletzt zB BAG 15. Januar 2014 – 10 AZR 243/13 – Rn. 14 mwN, BAGE 147, 128; allgM zB: Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 7. Aufl. Rn. 152; ErfK/Oetker 17. Aufl. § 74 HGB Rn. 18; MüKoHGB/ von Hoyningen-Huene 4. Aufl. § 74 Rn. 49 „praktisch” nichtig). Auch § 90a HGB kann keine analoge Anwendung finden (BAG 18. Januar 2000 – 9 AZR 929/98 – zu II c der Gründe). Für eine Wahl des Arbeitnehmers zwischen der Ausübung von Wettbewerb und der Wettbewerbsenthaltung gegen Entschädigung bleibt insoweit kein Raum (Baumbach/Hopt/Roth HGB 37. Aufl. § 74 Rn. 22).
d) Unverbindlich sind hingegen Wettbewerbsverbote, die zwar schriftlich vereinbart wurden und dem Grunde nach einen Anspruch auf eine Karenzentschädigung vorsehen, aber zuungunsten des Arbeitnehmers von den gesetzlichen Vorgaben abweichen. Hierzu gehören insbesondere Vereinbarungen, bei denen die Entschädigung nicht (eindeutig) die gesetzliche Mindesthöhe erreicht (vgl. zB BAG 15. Januar 2014 – 10 AZR 243/13 – BAGE 147, 128), die zu weit gefasst sind (vgl. zB BAG 21. April 2010 – 10 AZR 288/09 – BAGE 134, 147) und die unter Bedingungen stehen oder dem Arbeitgeber ein Wahlrecht einräumen (vgl. zB BAG 14. Juli 2010 – 10 AZR 291/09 – BAGE 135, 116). In solchen Fällen sehen die §§ 74 ff. HGB nicht die Rechtsfolge der Nichtigkeit der gesamten Vereinbarung vor. Vielmehr hat der Arbeitnehmer die Wahl, ob er sich an die Vereinbarung hält, also Wettbewerb – zurückgeführt auf das zulässige Maß der Beschränkung – unterlässt, und damit einen Anspruch auf die Karenzentschädigung erwirbt (BAG 15. Januar 2014 – 10 AZR 243/13 – Rn. 31, BAGE 147, 128), oder ob er in Wettbewerb zu seinem ehemaligen Arbeitgeber tritt, ohne hierfür wegen der für ihn bestehenden Unverbindlichkeit Sanktionen befürchten zu müssen. Diese Entscheidung muss der Arbeitnehmer zu Beginn der Karenzzeit für den gesamten Zeitraum treffen (BAG 14. Juli 2010 – 10 AZR 291/09 – Rn. 22, BAGE 135, 116).
3. Nach diesen Grundsätzen ist das in § 10 des Arbeitsvertrags vereinbarte Wettbewerbsverbot mangels Zusage einer Karenzentschädigung nichtig. Die salvatorische Klausel in § 14 Abs. 2 des Arbeitsvertrags führt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zu keinem anderen Ergebnis.
a) Die Wettbewerbsvereinbarung der Parteien verpflichtet die Beklagte nicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung. Davon ist das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen.
aa) Der Arbeitsvertrag vom 20. Mai 2008 enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. §§ 305 ff. BGB. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel” an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 3. August 2016 – 10 AZR 710/14 – Rn. 16 mwN).
bb) § 10 des Arbeitsvertrags enthält nach seinem Wortlaut keine ausdrückliche Regelung über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Karenzentschädigung. Es ist darin auch keine Bestimmung enthalten, die – etwa durch Bezugnahme auf die gesetzlichen Bestimmungen – mindestens unter Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB als Zusage einer Karenzentschädigung verstanden werden könnte (vgl. zu solchen Fallgestaltungen zB: BAG 28. Juni 2006 – 10 AZR 407/05 – Rn. 14; 31. Juli 2002 – 10 AZR 513/01 – zu II 1 der Gründe, BAGE 102, 103; 14. August 1975 – 3 AZR 333/74 – zu 1 der Gründe; sehr weitgehend LAG Köln 28. Mai 2010 – 10 Sa 162/10 –; kritisch insb. im Hinblick auf das Schriftformgebot Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 7. Aufl. Rn. 199 ff.). Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung lässt sich aus § 14 Abs. 2 des Arbeitsvertrags nichts anderes herleiten. Die salvatorische Klausel kann überhaupt nur dann Bedeutung erlangen, wenn eine Bestimmung des Arbeitsvertrags nichtig oder unwirksam ist. Für die Auslegung der in § 10 vereinbarten Wettbewerbsabrede hat sie keine Bedeutung.
b) Ein wirksames Wettbewerbsverbot ergibt sich nicht unter Heranziehung der salvatorischen Klausel in § 14 Abs. 2 des Arbeitsvertrags. Diese kann die fehlende Zusage einer Karenzentschädigung nicht in einer den Anforderungen des § 74 Abs. 2 HGB entsprechenden Weise ersetzen oder heilen.
aa) Nach § 14 Abs. 2 des Arbeitsvertrags soll, sollte eine Bestimmung dieses Vertrags nichtig oder unwirksam sein, der Vertrag im Übrigen in seinem rechtlichen Bestand nicht berührt werden. Anstelle der nichtigen oder unwirksamen Bestimmung soll eine angemessene Regelung gelten, die, soweit rechtlich möglich, dem am nächsten kommt, was die Vertragsparteien gewollt haben oder nach dem Sinn und Zweck dieses Vertrags gewollt hätten, sofern sie bei Abschluss dieses Vertrags die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit bedacht hätten. Die Regelung enthält damit in Satz 1 eine sog. Erhaltungsklausel, in Satz 2 eine sog. Ersetzungsklausel (zur Differenzierung vgl.: BGH 25. Juli 2007 – XII ZR 143/05 – Rn. 25 ff.; MüKoBGB/Busche 7. Aufl. § 139 Rn. 13).
bb) Der Umstand, dass salvatorische Klauseln in Formulararbeitsverträgen regelmäßig einer Kontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB nicht standhalten (vgl. zB BAG 28. Mai 2013 – 3 AZR 103/12 – Rn. 20; 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04 – zu IV 8 c der Gründe, BAGE 115, 19; Schmidt in Ulmer/Brandner/ Hensen AGB-Recht 12. Aufl. § 306 BGB Rn. 39 mwN), stünde ihrer Anwendung allerdings nicht entgegen, da sich die Beklagte als Verwenderin nicht auf die Unwirksamkeit von ihr selbst vorformulierter Vertragsbedingungen berufen kann (BAG 22. September 2016 – 2 AZR 509/15 – Rn. 20; BGH 8. Mai 2007 – KZR 14/04 – Rn. 24; Stoffels ABG-Recht 3. Aufl. Rn. 89).
cc) Zugunsten der Klägerin kann unterstellt werden, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags dahingehend zu verstehen ist, dass eine „automatische” Ersetzung der nichtigen Bestimmung durch eine wirksame Bestimmung erfolgt, die den Inhalt des Schuldverhältnisses unmittelbar und mit Wirkung ab Vereinbarung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots verändert. Bei einer derartigen Klausel tritt die Ersatzregelung ohne weiteres Tätigwerden an die Stelle der nichtigen Regelung oder der Vertragslücke (vgl. MaSiG/Windeln 2. Aufl. C.490 Rn. 26; Michalski NZG 1998, 7, 8; vgl. zum Fall der Notwendigkeit einer Ersatzvereinbarung durch die Parteien BGH 11. Oktober 1995 – VIII ZR 25/94 – zu II 2 b cc der Gründe).
dd) Auch bei einem solchen Verständnis genügt § 10 iVm. § 14 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags nicht den Anforderungen des § 74 Abs. 2 HGB (Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 7. Aufl. Rn. 199b, 527; HWK/Diller 7. Aufl. § 74 HGB Rn. 93; MAH ArbR/Reinfeld 4. Aufl. § 32 Rn. 40; aA: LAG Hamm 18. Februar 2014 – 14 Sa 806/13 – zu II 2 a der Gründe [im Revisionsverfahren verglichen]; Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 16. Aufl. § 55 Rn. 57).
(1) Die gesetzliche Regelung des Wettbewerbsverbots in den §§ 74 ff. HGB bezweckt ua., den Arbeitnehmer vor schwer durchschaubaren Vertragswerken zu schützen. Der Arbeitnehmer soll bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass er im Unklaren darüber bleibt, ob er einer wirksamen Wettbewerbsbeschränkung unterliegt oder nicht (vgl. zu sog. „bedingten Wettbewerbsverboten” BAG 5. September 1995 – 9 AZR 718/93 – zu A II 2 b bb der Gründe, BAGE 80, 380). Nur wenn hierüber Klarheit besteht, kann er entsprechende Dispositionen treffen. Im Fall der wirksamen Abrede muss er Wettbewerb unterlassen und erhält die vereinbarte Entschädigung. Im Fall der unverbindlichen Vereinbarung muss er sich zu Beginn des Karenzzeitraums endgültig entscheiden, ob er Wettbewerb unterlässt und damit Karenzentschädigungsansprüche erwirbt, oder ob er sanktionslos in Wettbewerb zum ehemaligen Arbeitgeber treten will (BAG 14. Juli 2010 – 10 AZR 291/09 – Rn. 22, BAGE 135, 116). Bei der nichtigen Abrede ist er in seiner Betätigung frei, erlangt aber auch dann keinen Anspruch auf Karenzentschädigung gegen seinen früheren Arbeitgeber, wenn er Wettbewerb unterlässt. Deshalb muss die Verpflichtung zur Leistung der Karenzentschädigung Inhalt der schriftlichen Wettbewerbsabrede und so eindeutig und klar formuliert sein, dass aus Sicht des Arbeitnehmers kein vernünftiger Zweifel über seinen Entschädigungsanspruch bleibt (Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 7. Aufl. Rn. 435; NK-GA/Reinhard § 74 HGB Rn. 59). Dabei ist es angesichts der Regelungsdichte der gesetzlichen Vorschriften ausreichend, wenn die Parteien in der vertraglichen Wettbewerbsklausel auf die §§ 74 ff. HGB verweisen (BAG 28. Juni 2006 – 10 AZR 407/05 – Rn. 14 mwN).
(2) Diesen Anforderungen genügt die salvatorische Klausel in § 14 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags nicht. Diese enthält keine eindeutige rechtsgeschäftliche Zusage einer Karenzentschädigung. Aus der gewählten Vertragskonstruktion – nichtige Wettbewerbsabrede in § 10 und ersetzende salvatorische Klausel in § 14 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags – ist für den Arbeitnehmer weder bei Abschluss der Vereinbarung noch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ersichtlich, ob ein Anspruch auf Karenzentschädigung dem Grunde nach besteht oder nicht. Vielmehr bedarf es noch einer wertenden Entscheidung, ob die Vertragsparteien, wenn sie von der Nichtigkeit der Wettbewerbsvereinbarung Kenntnis gehabt hätten, eine wirksame Vereinbarung einschließlich Entschädigungszusage abgeschlossen und welchen Inhalt diese gehabt hätte. Erst danach stünde für den Arbeitnehmer fest, ob eine wirksame, unverbindliche oder nichtige Wettbewerbsvereinbarung vorliegt und wie er sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verhalten kann oder muss. Die umfangreichen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts in der angegriffenen Entscheidung machen ebenso wie diejenigen im Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 18. Februar 2014 (– 14 Sa 806/13 – zu II 2 a bb (2) (c) der Gründe) deutlich, dass der Ausgang einer solchen Wertung völlig offen ist. Dies ist mit § 74 Abs. 2 HGB nicht zu vereinbaren.
c) Ob mit der salvatorischen Klausel das Schriftformgebot des § 74 Abs. 1 HGB erfüllt wäre (so LAG Hamm 18. Februar 2014 – 14 Sa 806/13 – zu II 2 a bb (2) (c) (bb) (fff) der Gründe; Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 16. Aufl. § 55 Rn. 57; abl.: Diller NZA 2014, 1184, 1186; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 7. Aufl. Rn. 199b), oder ob – wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat – sich die Beklagte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf den Formmangel nicht berufen kann, bedarf aus den genannten Gründen keiner Entscheidung. Ebenso kann dahinstehen, ob die Annahme des Landesarbeitsgerichts zutrifft, wonach die Vereinbarung eines wirksamen Wettbewerbsverbots dem hypothetischen Willen der Klägerin entsprochen hätte oder ob nicht vielmehr bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Freiheit, über ihr berufliches Fortkommen nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses ohne jede Beschränkung selbst zu bestimmen (vgl. oben II 1), vorrangig gewesen wäre.
III. Die Klägerin hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Unterschriften
Linck, Schlünder, W. Reinfelder, Merkel, Uhamou
Fundstellen
Haufe-Index 10879811 |
BAGE 2017, 329 |
BB 2017, 1523 |
BB 2017, 1981 |
BB 2017, 819 |
DB 2017, 15 |
DB 2017, 1658 |
DB 2017, 7 |
DStR 2017, 1217 |
DStR 2017, 14 |