Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderzahlung. billiges Ermessen. Konkretisierung
Orientierungssatz
1. Eine Bestimmung im Arbeitsvertrag, nach der eine Weihnachtsgratifikation gezahlt wird, die „derzeit ein Bruttogehalt nicht übersteigt”, deren Höhe „jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekanntgegeben” und auf die im Juni „ein Vorschuss in Höhe von bis zu einem halben Monatsgehalt gezahlt” wird, räumt dem Arbeitgeber sowohl in Bezug auf den Vorschuss als auch auf die endgültige Höhe der Sonderzahlung in zulässiger Weise ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSv. § 315 BGB ein.
2. Allein die gleichbleibende Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts über einen längeren Zeitraum führt nicht zu einer Konkretisierung der Anspruchshöhe mit der Folge, dass jede andere Ausübung des Ermessens nicht mehr der Billigkeit entspräche.
Normenkette
BGB § 315
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 26. Mai 2016 – 1 Sa 25/15 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung eines weiteren halben Bruttogehalts in rechnerisch unumstrittener Höhe von 999,00 Euro als Sonderzahlung für das Jahr 2014.
Die Klägerin ist bei der Beklagten als DUP-Operator beschäftigt. Der Anstellungsvertrag vom 16. Oktober 1984 (im Folgenden Arbeitsvertrag) enthält in § 3 zum „Entgelt” folgende Regelungen:
„Das monatliche Bruttogehalt – zahlbar am 1. des folgenden Monats – beträgt 2.200,00 DM.
Zusätzlich zum Grundgehalt wird – nach Ablauf der Probezeit – als freiwillige Leistung – eine Weihnachtsgratifikation gezahlt, deren Höhe jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekanntgegeben wird und deren Höhe derzeit ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt.
Sofern das Arbeitsverhältnis vor dem 01. April eines Jahres begonnen hat, soll auf die vorstehende Gratifikation im Juni dieses Jahres ein Vorschuß in Höhe von bis zu einem halben Monatsgehalt gezahlt werden. Sofern zwischen Beginn des Arbeitsverhältnisses und dem 30. November eines Jahres weniger als 11 Monate liegen, beträgt die Gratifikation 1/12 für jeden Monat des Arbeitsverhältnisses.
Endet das Arbeitsverhältnis bis zum 31.03. des Folgejahres, ist das Unternehmen berechtigt, die geleistete Gratifikation von der letzten Gehaltszahlung im Rahmen der Pfändbarkeit einzubehalten. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den dann noch offenen Restbetrag an die Gesellschaft zurückzuzahlen.”
Bis einschließlich des Jahres 2013 leistete die Beklagte an die Klägerin in jedem Kalenderjahr eine Sonderzahlung in Höhe eines ganzen Bruttogehalts. Eine Hälfte als wurde als Vorschuss mit der Vergütung für Mai und die andere Hälfte mit der Vergütung für November abgerechnet und gezahlt. Außerhalb der Verdienstabrechnungen erfolgten seitens der Beklagten keine Mitteilungen über die Weihnachtsgratifikation.
In der Verdienstabrechnung der Klägerin für Mai 2014 war neben dem Monatsgehalt ein als „Abschl. J-gratifikat.” bezeichneter Betrag in Höhe eines halben Bruttogehalts ausgewiesen, der nach Abzug von Steuern und Beiträgen netto an die Klägerin ausgezahlt wurde.
Nachdem die Beklagte im August 2014 bei einem geschätzten Aufwand von 320.000,00 bis 350.000,00 Euro für die „zweite Hälfte” der Weihnachtsgratifikation ein negatives Betriebsergebnis vor Steuern prognostiziert hatte, entschied sie im September 2014, keine weitere Gratifikation an die Belegschaft zu zahlen. Im Oktober 2014 unterrichtete sie die Klägerin schriftlich darüber, dass „aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage …[der Beklagten] die Zahlung des zweiten Teils der Jahresendgratifikation mit der Novemberabrechnung 2014 nicht erfolgen” könne.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Regelung in § 3 Abs. 2 Arbeitsvertrag sei intransparent und daher so auszulegen, dass jährlich mindestens ein Monatsgehalt als Weihnachtsgratifikation gezahlt werden müsse. Die Beklagte habe überdies bereits durch die Abrechnung und Zahlung eines Abschlags im Mai 2014 zum Ausdruck gebracht, dass eine zweite Zahlung in gleicher Höhe folgen werde. Der Anspruch bestehe aufgrund der langjährigen vorbehaltlosen Zahlungspraxis der Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Übung.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 999,00 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszins der EZB seit dem 1. Dezember 2014 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, § 3 Abs. 2 Arbeitsvertrag räume ihr in Bezug auf die endgültige Anspruchshöhe ein Leistungsbestimmungsrecht ein, das sie im September 2014 aufgrund des damals prognostizierten Betriebsergebnisses vor Steuern nach billigem Ermessen ausgeübt habe. Das Geschäftsergebnis sei seit Jahren rückläufig gewesen und es habe im Jahre 2014 erstmals ein Abrutschen in die Verlustzone gedroht. Dies habe allein dadurch verhindert werden können, dass sie beschlossen habe, die zweite Hälfte der Weihnachtsgratifikation nicht auszuzahlen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin von der Beklagten nicht die Zahlung weiterer 999,00 Euro brutto als Weihnachtsgratifikation für das Kalenderjahr 2014 verlangen kann. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 3 Arbeitsvertrag (dazu I.). Soweit die Klägerin ihn darüber hinaus auf eine betriebliche Übung gestützt hat, war bereits ihre Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts unzulässig (dazu II.).
I. Nach § 3 Abs. 2 und Abs. 3 Arbeitsvertrag hat die Klägerin Anspruch auf eine kalenderjährliche Weihnachtsgratifikation, auf die jeweils im Juni ein Vorschuss zu leisten ist. Die Höhe der Weihnachtsgratifikation und des Vorschusses bestimmt die Beklagte nach billigem Ermessen. Der Anspruch der Klägerin auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen ist erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB), nachdem die Beklagte das ihr zustehende Bestimmungsrecht wirksam ausgeübt und der Klägerin im Oktober 2014 mitgeteilt hat, dass die Zahlung des zweiten Teils der Gratifikation aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfolgen könne.
1. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass es sich bei den Regelungen im Arbeitsvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Hierfür spricht bereits das formalisierte Erscheinungsbild des Vertragstextes. Überdies haben die Parteien übereinstimmend vorgetragen, dass über die Wirksamkeit der Klausel an diversen Standorten der Beklagten eine Vielzahl von Rechtsstreiten geführt wurden und werden.
2. Die Regelungen zur Gestaltung der Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes sind nach der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB anzuwenden, obwohl der Arbeitsvertrag bereits im Jahr 1984 geschlossen wurde (vgl. zuletzt BAG 21. Februar 2017 – 3 AZR 297/15 – Rn. 18).
3. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 19. März 2014 – 10 AZR 622/13 – Rn. 29 mwN, BAGE 147, 322).
4. Danach hat die Klägerin gemäß § 3 Abs. 2 und Abs. 3 Arbeitsvertrag Anspruch auf eine jährliche Weihnachtsgratifikation, auf die im Juni ein Vorschuss zu leisten ist. Die Höhe der Weihnachtsgratifikation und des Vorschusses bestimmt die Beklagte nach billigem Ermessen (§ 315 BGB).
a) Mit der Formulierung „Zusätzlich zum Grundgehalt wird … eine Weihnachtsgratifikation gezahlt”, wie sie in § 3 Abs. 2 Arbeitsvertrag verwendet wird, begründet der Arbeitgeber typischerweise einen Entgeltanspruch des Arbeitnehmers. Die Bezeichnung der Gratifikation als „freiwillige Leistung” in § 3 Abs. 2 Arbeitsvertrag schließt – wovon auch die Beklagte ausgeht – den Rechtsanspruch auf die Leistung ebenso wenig aus wie die Formulierung „derzeit” (vgl. BAG 13. Mai 2015 – 10 AZR 266/14 – Rn. 22 mwN).
b) Aus der Bezeichnung der Gratifikation als „Weihnachtsgratifikation” in § 3 Abs. 2 Arbeitsvertrag folgt, dass sie zum Ende des laufenden Kalenderjahres fällig wird. Dass sie nicht vor dem 30. November zu zahlen ist, ergibt sich zumindest mittelbar aus der Regelung in § 3 Abs. 3 Satz 2 Arbeitsvertrag, wonach die Gratifikation 1/12 für jeden Monat des Arbeitsverhältnisses beträgt, „sofern zwischen Beginn des Arbeitsverhältnisses und dem 30. November eines Jahres weniger als 11 Monate liegen.”
c) Zur Höhe der Weihnachtsgratifikation bestimmt § 3 Abs. 2 Arbeitsvertrag, dass diese „jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekanntgegeben wird und … derzeit ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt.” Da nur der „derzeit”, dh. zur Zeit des Vertragsschlusses, auszuzahlende Betrag angegeben ist, der „ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt”, lässt die Regelung erkennbar offen, ob die Gratifikation diese Höhe auch zukünftig erreichen, höher sein oder darunterbleiben wird. Damit kann die Beklagte die Höhe der Weihnachtsgratifikation einseitig nach billigem Ermessen festsetzen (§ 315 BGB).
d) Nach der Regelung in § 3 Abs. 3 Satz 1 Arbeitsvertrag hat die Klägerin im Juni eines jeden Kalenderjahres Anspruch auf einen Vorschuss auf die Weihnachtsgratifikation von bis zu einem halben Monatsgehalt. Unter einem Vorschuss ist eine Vorauszahlung auf nicht verdienten Lohn zu verstehen. Der Vorschussnehmer erhält Geld für eine Forderung, die entweder noch nicht oder nur aufschiebend bedingt entstanden oder zwar entstanden, aber noch nicht fällig ist (BAG 21. Januar 2015 – 10 AZR 84/14 – Rn. 21, BAGE 150, 286). Die Höhe des Vorschusses, die § 3 Abs. 3 Satz 1 Arbeitsvertrag auf maximal ein halbes Monatsgehalt begrenzt, kann die Beklagte einseitig nach billigem Ermessen festsetzen (§ 315 BGB).
5. Dass die vertragliche Regelung der Beklagten sowohl in Bezug auf den Vorschuss als auch auf die endgültige Höhe der Weihnachtsgratifikation ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSv. § 315 BGB einräumt, ist grundsätzlich zulässig. Höhe und Art einer Sonderzahlung müssen nicht abschließend im Arbeitsvertrag festgelegt werden. Ob die vom Arbeitgeber vorgenommene Leistungsbestimmung billigem Ermessen entspricht, unterliegt dabei der vollen gerichtlichen Kontrolle (BAG 19. März 2014 – 10 AZR 622/13 – Rn. 42 mwN, BAGE 147, 322).
6. Dem vertraglich vereinbarten Recht der Beklagten zur Leistungsbestimmung steht nicht entgegen, dass die Beklagte in der Vergangenheit stets eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Monatsgehalts gezahlt hat. Allein die gleichbleibende Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts über einen längeren Zeitraum führt – anders als die Revision meint – nicht zu einer Konkretisierung mit der Folge, dass jede andere Ausübung des Ermessens nicht mehr der Billigkeit entspräche (ebenso zum Direktionsrecht BAG 30. November 2016 – 10 AZR 11/16 – Rn. 26 mwN). Andere Umstände hat die Klägerin nicht benannt.
7. Eine den Vertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht getroffen.
a) Der Umstand, dass die Beklagte die Zahlungen in der Vergangenheit vorbehaltlos erbracht hat, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Soweit der Senat erkannt hat, der Arbeitnehmer könne aus der mehrmaligen vorbehaltlosen Auszahlung einer Gratifikation auf ein verbindliches Angebot des Arbeitgebers iSv. § 145 BGB schließen, in jedem Kalenderjahr eine Sonderzahlung zu leisten (BAG 13. Mai 2015 – 10 AZR 266/14 – Rn. 18), bezog sich dies auf eine Konstellation, in der es an einer ausdrücklichen Vereinbarung fehlte. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte indes durch die vorbehaltlose Zahlung der Weihnachtsgratifikation und des Vorschusses auf diese in den vergangenen Kalenderjahren nicht mehr und nicht weniger getan als die Vereinbarung im Arbeitsvertrag umzusetzen.
b) Dass der Vorschuss in der Vergangenheit stets mit der Vergütung für Mai abgerechnet und ausgezahlt wurde, ist gleichfalls nicht geeignet, eine den Vertrag abändernde Vereinbarung zu belegen. Nach § 3 Abs. 1 Arbeitsvertrag ist die Vergütung „zahlbar am 1. des folgenden Monats”. Dementsprechend wurde durch die Abrechnung des Vorschusses zusammen mit der Vergütung für Mai lediglich sichergestellt, dass dieser, wie in § 3 Abs. 3 Satz 1 Arbeitsvertrag vereinbart, tatsächlich „im Juni” gezahlt wurde.
c) Die Klägerin kann sich schließlich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagte bei der Zahlung des Vorschusses nicht darauf hingewiesen hat, sie behalte sich die Ausübung des ihr vertraglich eingeräumten Ermessens in Bezug auf die Weihnachtsgratifikation vor. Dass die Höhe der Gratifikation jeweils von der Beklagten festgesetzt und im Juni ein Vorschuss gezahlt wird, ergibt sich bereits aus § 3 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Arbeitsvertrag. Der vorbehaltlosen Auszahlung des Vorschusses ohne weiteren Hinweis konnte die Klägerin mithin nicht mehr als die konkludente Erklärung der Beklagten entnehmen, sie habe sich nach Prüfung aller Umstände (auch diesmal wieder) für einen Vorschuss in Höhe eines halben Monatsgehalts entschieden.
8. Entgegen der Auffassung der Revision erlaubt die Bezeichnung des in der Vergütungsabrechnung für Mai 2014 als „Abschl. J-gratifikat.” ausgewiesenen Vorschusses nicht den Schluss, die Beklagte habe ihr Leistungsbestimmungsrecht in Bezug auf die Weihnachtsgratifikation bereits im Mai 2014 mit dem Inhalt ausgeübt, dass diese insgesamt ein Monatsgehalt betragen sollte. Mehr als die – konkludente – Erklärung der Beklagten, im Kalenderjahr 2014 jedenfalls ein halbes Gehalt als Weihnachtsgratifikation auszahlen zu wollen, lässt sich der Vergütungsabrechnung für Mai 2014 nicht entnehmen.
a) Lohnabrechnungen geben nur die Höhe der aktuellen Vergütung wieder. Sie dokumentieren den konkret abgerechneten Lohn, bestimmen aber nicht den Anspruch (vgl. BAG 19. Oktober 2011 – 5 AZR 359/10 – Rn. 19 zur Bezeichnung einer Vergütung als „Tariflohn”).
b) Überdies können „Abschläge” zwar als Geldzahlungen auf den bereits verdienten, aber noch nicht abgerechneten Lohn verstanden werden (BAG8. Dezember 1998 – 9 AZR 623/97 – zu I 1 4 d der Gründe). Sie sind jedoch dadurch gekennzeichnet, dass sie nur vorläufig bis zu einer im Wege der Abrechnung festzustellenden endgültigen Vergütung zu leisten sind, und bilden insoweit lediglich (unselbstständige) Rechnungsposten der abzurechnenden Gesamtleistung, ohne dass sie auf einzelne Teilleistungen bezogen werden können. Dabei kommt ein Anspruch auf Rückzahlung in Betracht, wenn die geleisteten Abschlagszahlungen nach dem Ergebnis der vereinbarten Endabrechnung einen entsprechenden Überschuss an Abschlagsbeträgen ergeben (BGH 23. Mai 2012 – VIII ZR 210/11 – Rn. 10 mwN). Dies zeigt, dass auch einer Abschlagszahlung – ebenso wenig wie einem Vorschuss – nicht zwingend noch eine weitere Zahlung folgen muss.
9. Der Anspruch der Klägerin auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen ist erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Beklagte hat das ihr gemäß § 3 Abs. 2 iVm. Abs. 3 Satz 1 Arbeitsvertrag zustehende Bestimmungsrecht in Bezug auf die Festsetzung der Höhe der Weihnachtsgratifikation für das Kalenderjahr 2014 im September 2014 ausgeübt und der Klägerin im Oktober 2014 mitgeteilt, dass die Zahlung des zweiten Teils der Gratifikation aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfolgen könne. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, es bestünden keine Bedenken gegen die Billigkeit der Entscheidung der Beklagten iSv. § 315 BGB, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (zu den insoweit bestehenden Anforderungen vgl. zuletzt [für Versetzungen] zB BAG 18. Oktober 2017 – 10 AZR 330/16 – Rn. 48 ff.).
a) Ob eine einseitige Leistungsfestsetzung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten (BAG 19. März 2014 – 10 AZR 622/13 – Rn. 42, BAGE 147, 322). Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem er die Ermessensentscheidung zu treffen hat (BAG 3. August 2016 – 10 AZR 710/14 – Rn. 26 mwN).
b) Danach hält die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Leistungsbestimmung der Beklagten entspreche billigem Ermessen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, welche wirtschaftlichen Umstände sie zu der im September 2014 getroffenen Entscheidung veranlasst haben, für das Kalenderjahr 2014 insgesamt nur ein halbes Bruttogehalt als Weihnachtsgratifikation zu zahlen. Nach ihren im August 2014 angestellten prognostischen Berechnungen hätte das Betriebsergebnis vor Steuern zum Jahresende im vierstelligen Bereich unter null gelegen, falls zusätzlich zu dem bereits an die Belegschaft gezahlten Vorschuss weitere 320.000 bis 350.000 Euro für die Weihnachtsgratifikation aufgewandt worden wären. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung der Beklagten, keine weitere Weihnachtsgratifikation an die Belegschaft zu zahlen, nachvollziehbar. Die Klägerin hat weder die prognostischen Berechnungen angegriffen noch hat sie geltend gemacht, ihre Interessen hätten diejenigen der Beklagten überwogen. Sie hat auch keine sonstigen Umstände vorgetragen, die gegen die Billigkeit der Entscheidung der Beklagten sprechen würden.
II. Soweit die Klägerin ihren Anspruch auf betriebliche Übung stützt, ist die Revision unbegründet, weil in diesem Umfang bereits die Berufung unzulässig war.
1. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach der Berufungseinlegung und deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BAG 26. April 2017 – 10 AZR 275/16 – Rn. 11 mwN). Eine Berufungsbegründung muss gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben. Bei mehreren Streitgegenständen muss für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Begründetheit des einen Anspruchs denknotwendig von der des anderen abhängt (BAG 19. Juli 2016 – 3 AZR 88/15 – Rn. 20 mwN).
2. Die Berufungsbegründung vom 16. Oktober 2015 genügt diesen Anforderungen nicht, soweit die Klägerin ihren Anspruch auf eine betriebliche Übung stützt. Das Arbeitsgericht hat angenommen, ein Anspruch aus betrieblicher Übung sei schon deshalb nicht gegeben, weil ein solcher nur entstehen könne, wenn es an einer kollektiv- oder einzelvertraglichen Regelung fehle. Im Streitfall habe die Zahlung jedoch auf einer einzelvertraglichen Grundlage beruht. Mit dieser Begründung setzt sich die Berufung nicht auseinander. Dies war indes erforderlich, weil es sich bei dem geltend gemachten Anspruch auf Zahlung eines halben Monatsgehalts aus betrieblicher Übung um einen eigenen Streitgegenstand und damit einen eigenen Anspruch im prozessualen Sinn handelt. Die Klägerin hat lediglich geltend gemacht, ihr Anspruch ergebe sich „direkt aus dem zugrunde liegenden Arbeitsvertrag, konkret § 3 des zugrunde liegenden Arbeitsvertrags”. Auch ihre weiteren Ausführungen, der Arbeitgeber habe „über Jahrzehnte in jedem Jahr jeweils exakt den Betrag, den er im Arbeitsvertrag auch ausdrücklich ausgewiesen (habe), gänzlich unkommentiert an die Arbeitnehmer, so auch an die Klägerin ausgezahlt”, und die Klägerin habe „über Jahrzehnte exakt das erhalten, was die Beklagte im Arbeitsvertrag auch ausdrücklich bezeichnet hat”, beziehen sich eindeutig auf die vertragliche Anspruchsgrundlage. Auf den Anspruch aus betrieblicher Übung geht die Berufungsbegründung nicht ein. Die Berufung der Klägerin war deshalb insoweit bereits unzulässig.
III. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Unterschriften
Linck, Schlünder, Brune, Rigo, Züfle, Stefan, Fluri
Fundstellen
Haufe-Index 11373567 |
BB 2017, 2996 |