Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungskosten. Rückzahlungsvereinbarung. Vgl. – 5 AZR 420/90 –; – 5 AZR 443/90 –
Leitsatz (amtlich)
Die Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausbildungskosten beurteilt sich grundsätzlich nach den Umständen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Die spätere Entwicklung kann dafür nur herangezogen werden, wenn sie bei Vertragsabschluß vorhersehbar war.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 26.04.1990; Aktenzeichen 10 Sa 144/90) |
ArbG Köln (Urteil vom 30.11.1989; Aktenzeichen 13 Ca 7463/89) |
Tenor
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 26. April 1990 – 10 Sa 144/90 – aufgehoben.
- Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger die Kosten für die Ausbildung auf dem Flugzeugmuster Boeing 737-300 anteilig tragen muß.
Der Kläger ist Flugzeugführer für Verkehrsflugzeuge. Er bewarb sich bei der Beklagten, die ihn als Co-Piloten auf einer Boeing 737-300 nach vorherigem Erwerb der Musterberechtigung einstellte. Darüber haben die Parteien unter dem 25. Juni 1987 einen schriftlichen Arbeitsvertrag abgeschlossen, dessen § 2 wie folgt lautet:
“Ausbildung
Der Mitarbeiter wird ab 04.11.1987 in Seattle, USA, durch die Firma Boeing zum Co-Piloten auf dem Flugzeugmuster Boeing 737-300 ausgebildet. Nach Erhalt des Type-Ratings wird der Mitarbeiter auf diesem Flugzeugmuster als Co-Pilot eingesetzt.
Sollte der Mitarbeiter – gleich aus welchem Grunde – vor Ablauf von 3 Jahren nach dem ersten kommerziellen Einsatz aus den Diensten der G… Fluggesellschaft ausscheiden, so hat er die Kosten des Type-Ratings an die Gesellschaft zurückzuzahlen, wobei er jeweils 1/36 des Type-Rating-Betrages je Dienstmonat gutgebracht bekommt.
Der Wert des Type-Ratings ist mit 80.000,00 DM festgesetzt worden.
…”
Der Kläger ist entsprechend vom 2. November bis 20. Dezember 1987 ausgebildet worden. Sein erster kommerzieller Einsatz auf der Boeing 737-300 für die Beklagte erfolgte am 9. Februar 1988. Der Kläger erzielte bei der Beklagten ein durchschnittliches Monatseinkommen von etwa 7.000,-- DM im Jahre 1988 und von etwa 8.500,-- DM im Jahre 1989. Dagegen hat sein Monatseinkommen beim früheren Arbeitgeber zuletzt 5.786,60 DM brutto betragen.
Der Kläger kündigte mit Schreiben vom 20. Juli 1989 das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30. September 1989 und schied zu diesem Zeitpunkt bei der Beklagten aus. Daraufhin verlangte die Beklagte anteilig die Kosten des Type-Ratings unter Berücksichtigung einer Beschäftigungszeit von 19 Monaten und 20 Tagen zurück und berechnete dafür 36.296,-- DM. Sie behielt die restliche Arbeitsvergütung des Klägers in Höhe von 7.243,85 DM und weitere 1.799,43 DM zur Verrechnung mit ihrer Rückzahlungsforderung ein.
Den erstgenannten Betrag hat der Kläger in diesem Rechtsstreit mit der Begründung verlangt, die Rückzahlungsvereinbarung sei rechtsunwirksam. Die Ausbildung sei nur im Interesse der Beklagten zum Einsatz auf diesem Flugzeugtyp erfolgt und verbessere die Chancen des Klägers auf dem Arbeitsmarkt nicht. Er habe von der Musterberechtigung für den Flugzeugtyp Boeing 737-300 nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses keinen Gebrauch gemacht, denn er sei bei seinem neuen Arbeitgeber auf einer MD 80 eingesetzt. Für den Erwerb einer entsprechenden Musterberechtigung habe der neue Arbeitgeber für den Kläger 90.000,-- DM aufgewandt. Der Kläger sei nicht deswegen ausgeschieden, um die Musterberechtigung für die Boeing 737-300 zu verwerten, sondern weil das Betriebsklima bei der Beklagten ebenso wie die Bezahlung der Piloten sehr schlecht gewesen sei. Demgegenüber erhalte der Kläger von seinem neuen Arbeitgeber ein Monatsgehalt von etwa 14.400,-- DM brutto.
Der Kläger hält außerdem die von der Beklagten geforderten Ausbildungskosten für zu hoch, denn sie hätte eine entsprechende Einweisung in England für einen weitaus geringeren Betrag von etwa 30.000,-- DM durchführen können.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.243,85 DM netto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1989 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und mit ihrer Widerklage verlangt,
den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an sie 27.252,72 DM nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Kläger und Widerbeklagte hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Rückzahlungsverpflichtung sei wirksam, denn der Erwerb der Musterberechtigung habe allein im Interesse des Klägers gelegen, weil er als Berufsanfänger dadurch erstmals die Möglichkeit erhalten habe, als Pilot auf Großraumflugzeugen eingesetzt zu werden. Die Boeing 737-300 sei das modernste und meist verkaufte Flugzeug der westlichen Welt und werde in der Bundesrepublik von der Lufthansa, der Condor, der Euro-Berlin sowie der Hapag-Lloyd verwendet. Darüber hinaus habe die … -Flug bereits elf Piloten der Beklagten nach Erwerb der Musterberechtigung bei ihr und vorzeitiger Kündigung des Arbeitsverhältnisses übernommen. Insgesamt hätten 20 Piloten der Beklagten in vergleichbarer Situation gekündigt. Der Kläger sei im Rahmen der Ausbildung für das Type-Rating auch im Umgang mit dem modernsten Navigationssystem EFIS geschult worden.
Die Beklagte habe für den Kläger Ausbildungskosten von 80.000,-- DM gehabt, denn damit sei sie von ihrer Muttergesellschaft (S… -Fluggesellschaft mbH) belastet worden. Im Zeitpunkt der Ausbildung des Klägers sei der Erwerb einer Musterberechtigung in England für nur 30.000,-- DM noch nicht möglich gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger verfolgt mit der Revision sein Klageziel weiter und will die Abweisung der Widerklage erreichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und muß zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur weiteren Sachaufklärung in der Vorinstanz führen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat den Kläger zur Zahlung des mit der Widerklage geforderten Betrages verurteilt, weil es ihn für verpflichtet hält, der Beklagten die von ihr geforderten Kosten für den Erwerb der Musterberechtigung für den Flugzeugtyp Boeing 737-300 zu ersetzen. Dazu habe der Beklagte sich vor Erwerb der Musterberechtigung vertraglich verpflichtet.
Zwar könnten derartige Zahlungsverpflichtungen das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 12 GG) beeinträchtigen. Insoweit komme es im Rahmen einer Interessenabwägung darauf an, ob den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenüberstehe. Das sei hier der Fall.
Die Beklagte habe ein begründetes und billigenswertes wirtschaftliches Interesse daran, die mit der Ausbildung erreichte förmliche Befähigung ihrer Piloten möglichst lange selbst zu nutzen, weil sie dafür bezahlt habe. Die Aufwendungen der Beklagten hierfür beliefen sich auf den im Arbeitsvertrag festgesetzten Betrag von 80.000,-- DM, weil die Beklagte mit diesem Betrag durch ihre Muttergesellschaft belastet worden sei. Der Kläger habe “nach Erörterung dieses Gesichtspunktes in der Berufungsverhandlung sein Bestreiten zur Höhe der entstandenen Ausbildungskosten nicht aufrechterhalten”. Die Höhe der Rückzahlungsverpflichtung sei auf eine Bindungsdauer von drei Jahren gleichmäßig verteilt bei einem monatlichen Gehalt von mehr als 8.000,-- DM angemessen.
Der wirtschaftliche Vorteil, den der Kläger mit dem Type-Rating erlangt habe, bestehe in erster Linie darin, daß der Kläger bei der Beklagten als Co-Pilot eines Großraumflugzeuges arbeiten konnte und dadurch seine monatlichen Einkünfte gegenüber dem vorhergehenden Arbeitsverhältnis zumindest um 2.000,-- DM brutto steigern konnte. Außerdem sei ihm auf diese Weise die Möglichkeit eröffnet worden, als Flugkapitän einer Boeing 737-300 bei anderen Fluggesellschaften tätig zu werden und zugleich die Übernahme der restlichen Ratingkosten von dem neuen Arbeitgeber zu erreichen. Ob der Kläger von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht habe, sei für den Streitfall nicht entscheidend. Bei Abschluß der Rückzahlungsvereinbarung seien zwar nur wenige Boeing 737-300 in Deutschland eingesetzt worden. Es sei aber in diesem Zeitpunkt schon voraussehbar gewesen, daß dieser Flugzeugtyp sich stark verbreiten werde und dem Kläger entsprechende berufliche Chancen eröffnen. Tatsächlich habe der Kläger die von der Beklagten finanzierte Musterberechtigung als Flugkapitän bei seinem neuen Arbeitgeber, der A… verwenden und damit sein Einkommen verdoppeln können.
Die vom Kläger genannten Gründe für sein Ausscheiden seien unerheblich, weil er einen diesbezüglichen Sachverhalt nicht ausreichend substantiiert dem Gericht vorgetragen habe.
II. Die Revision macht demgegenüber geltend, der Kläger sei bei der Einstellung bereits ausgebildeter Flugzeugführer gewesen und habe durch die Musterberechtigung für den Flugzeugtyp Boeing 737-300 keine zusätzliche Qualifikation erworben, denn er sei auch danach Pilot geblieben. Einem Luftfahrzeugführer werde mit der Musterberechtigung im Interesse der Flugsicherheit die Erlaubnis für ein bestimmtes Luftfahrzeugmuster beschränkt erteilt. Der sachliche Grund dafür liege darin, daß unterschiedliche Anforderungen an das Führen und Bedienen der einzelnen Luftfahrzeuge gestellt werden müßten. Die Musterberechtigung verfalle aber nach verhältnismäßig kurzer Zeit, wenn der Pilot nicht eine bestimmte Mindeststundenzahl erreiche. Das führe in der Praxis dazu, daß er bei einem Wechsel des Flugzeugtyps die alte Musterberechtigung nach kurzer Zeit verliere. Die Einweisung in einen bestimmten Flugzeugtyp führe daher nicht zu einer Erweiterung seiner Qualifikation, sondern nur zu einem Auswechseln der auf ein bestimmtes Flugzeugmuster bezogenen Spezialqualifikation. Daher sei diese Einweisung des Piloten in ein bestimmtes Flugzeugmuster nur als Einweisung auf einem bestimmten Arbeitsplatz zu sehen. Daran habe nur die Beklagte ein Interesse, weil sie ohne Musterberechtigung und Einweisung des Klägers den Flugzeugtyp Boeing 737-300 nicht einsetzen dürfe. Zur Zeit der Einweisung des Klägers seien nur wenige Flugzeuge dieses Typs in der Bundesrepublik Deutschland geflogen worden und es habe deswegen auch keine Piloten mit dieser Musterberechtigung gegeben. Die Beklagte sei daher darauf angewiesen gewesen, daß sie Piloten gefunden habe, die zu dieser Schulung bereit gewesen seien. Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel sei auf den Zeitpunkt der Vereinbarung abzustellen. Unstreitig habe es sowohl im Zeitpunkt der Ausbildung als auch nach ihrem Abschluß in der Bundesrepublik Deutschland kaum Fluggesellschaften gegeben, die die Boeing 737-300 eingesetzt hätten. Der Kläger sei damals das Risiko eingegangen, eine Musterberechtigung zu erwerben, die er nach dem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten so gut wie nicht mehr habe verwenden können.
Der Kläger habe weder im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch später eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten. Das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht eine berufliche Verbesserung darin gesehen, daß er damit die Möglichkeit erhalten habe, ein Großraumflugzeug zu fliegen. Den Begriff des Großraumflugzeuges gebe es gar nicht. Eine Verbesserung der beruflichen Möglichkeiten des Klägers ergebe sich auch nicht daraus, daß andere Fluggesellschaften im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers die Boeing 737-300 einsetzten. Demgegenüber hätte die Beklagte darlegen müssen, daß Bedarf nach derartigen ausgebildeten Piloten bestanden habe. Das habe die Vorinstanz nicht berücksichtigt.
Außerdem habe das Berufungsgericht versäumt, im einzelnen aufzuklären, wie hoch die Aufwendungen der Beklagten für den Erwerb der Musterberechtigung tatsächlich gewesen seien. Es sei nicht erheblich, ob die Beklagte von ihrer Muttergesellschaft mit Kosten in dieser Höhe buchmäßig belastet worden sei. Der Kläger habe immer wieder bestritten, daß die Beklagte tatsächliche Aufwendungen in dieser Höhe gehabt habe. Dieses Bestreiten habe er in der Vorinstanz auch nicht aufgegeben. Er habe demgegenüber unter Beweis gestellt, daß die Type-Rating-Kosten in der Zeit, in der die Schulung des Klägers hierfür stattgefunden habe, bei anderen Unternehmen für einen deutlich geringeren Betrag in Höhe von ca. 30.000,-- DM zu erhalten gewesen seien.
III. Ob der Kläger zur vereinbarten Rückzahlung der Kosten für den Erwerb der Musterberechtigung – insbesondere in der im Arbeitsvertrag festgelegten Höhe – verpflichtet ist, läßt sich aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nicht abschließend entscheiden und bedarf noch weiterer Sachaufklärung in der Vorinstanz.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Arbeitsvertragsparteien zwar vereinbaren, daß Ausbildungskosten, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer aufgewandt hat, von diesem zurückzuzahlen sind, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf bestimmter Fristen beendet. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Zahlungsverpflichtungen, die an die vom Arbeitnehmer ausgehende Kündigung anknüpfen, können das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 GG beeinträchtigen. Deshalb kommt es darauf an, ob den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenübersteht. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen. Die Rückzahlungspflicht muß vom Standpunkt eines verständigen Betrachters aus einem begründeten und zu billigenden Interesse des Arbeitgebers entsprechen; der Arbeitnehmer muß mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Insgesamt muß die Erstattungspflicht dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein. Dabei kommt es u.a. auf die Dauer der Bindung, den Umfang der Fortbildungsmaßnahme, die Höhe des Rückzahlungsbetrages und dessen Abwicklung an (vgl. BAGE 13, 168, 174 = AP Nr. 25 zu Art. 12 GG, zu II 1 der Gründe; BAGE 28, 159, 163 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 1a der Gründe; BAGE 42, 48 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe; sowie BAG Urteile vom 11. April 1984 – 5 AZR 430/82 – AP Nr. 8 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe und vom 11. April 1990 – 5 AZR 308/89 – DB 1990, 2222).
2. Das Landesarbeitsgericht ist zwar von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen, hat sie aber auf den Sachverhalt nicht zutreffend angewendet.
a) Ob die vorliegend dargelegten Maßstäbe für die Beurteilung der Rückzahlungsverpflichtung vorliegen, hängt entscheidend mit davon ab, auf welchen Zeitpunkt man dabei abstellen muß. Bei der Beurteilung dieser Voraussetzungen ist – wie allgemein im Vertragsrecht – von den zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegebenen Umständen auszugehen. Aus der späteren Entwicklung kann die Unwirksamkeit der Vereinbarung allenfalls abgeleitet werden, wenn sie bei Vertragsabschluß vorhersehbar war (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Oktober 1981 – 6 Sa 353/81 – EzA Art. 12 GG Nr. 18).
Allerdings stellt das Berufungsgericht auf diesen Zeitpunkt ab, denn es führt dazu aus, es seien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erst wenige Boeing 737-300 in der Bundesrepublik Deutschland geflogen worden, jedoch sei die Anzahl der von deutschen Gesellschaften eingesetzten Flugzeuge dieses Typs rasch angestiegen, und mit diesem Anstieg sei auch damals schon zu rechnen gewesen.
b) Es ist nicht ersichtlich, woraus das Landesarbeitsgericht entnimmt, daß im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits voraussehbar gewesen sei, daß nach Ablauf der Bindungsfrist viele Fluggesellschaften die Boeing 737-300 einsetzen werden. Diese Aussage reicht aber nicht aus, um damit einen bleibenden beruflichen Vorteil für den Kläger festzustellen.
Das Landesarbeitsgericht setzt sich damit in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach kommt es nicht darauf an, ob andere Fluggesellschaften denselben Flugzeugtyp einsetzen, für den der Kläger die Musterberechtigung erworben hat. Es ist vielmehr ausschlaggebend, ob außerhalb des eigenen Betriebes Bedarf nach derart ausgebildeten Arbeitskräften im nennenswerten Umfang besteht und inwiefern die Berufs- und Verdienstchanchen des Arbeitnehmers gerade durch die Ausbildung gesteigert worden sind. Dazu gehören konkrete Angaben über die Lage auf dem Arbeitsmarkt für die Kräfte mit dem Ausbildungsstand des Klägers (vgl. BAGE 28, 159, 166 f. = AP, aaO, zu III 2a der Gründe; BAGE 42, 48, 53 = AP, aaO, zu II 3 der Gründe und BAG Urteil vom 11. April 1990 – 5 AZR 308/89 – DB 1990, 2222 f.).
c) Die tatsächlichen Voraussetzungen für die Rechtswirksamkeit einer Rückzahlungsklausel muß der Arbeitgeber darlegen (BAGE 28, 159, 166 = AP, aaO, zu III 1 der Gründe; BAG Urteil vom 11. April 1990 – 5 AZR 308/89 – DB 1990, 2222). Die Beklagte hat zwar geltend gemacht, daß der Kläger durch den Erwerb der Musterberechtigung seine beruflichen Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt erhöht hätte. Der Kläger hat das jedoch bestritten und insbesondere auf den begrenzten zeitlichen Geltungsbereich der Musterberechtigung hingewiesen. Das Landesarbeitsgericht ist diesem Vortrag der Parteien nicht nachgegangen und wird den Sachverhalt in dieser Richtung aufklären müssen.
Ein solcher Vorteil für die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten des Klägers liegt aber noch nicht darin, daß – wie das Berufungsgericht meint – der Kläger die Möglichkeit erhalten habe, als Pilot “Großraumflugzeuge” zu fliegen. Die Musterberechtigung bezieht sich nur auf einen bestimmten Flugzeugtyp und nicht allgemein auf “Großraumflugzeuge”. Zwar hatte der Kläger zunächst nur die Grundlizenz als Flugzeugführer, als er bei der Beklagten anfing. Er kann jedoch mit der von der Beklagten finanzierten Musterberechtigung einen beruflichen Vorteil nur erreichen, wenn im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses voraussehbar war, daß der Kläger wegen der Nachfrage anderer Fluggesellschaften nach Piloten mit dieser Musterberechtigung seine Verdienstchancen und beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten erhöht hat. Da es auf die Umstände im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ankommt, ist es unerheblich, ob der Kläger bei seinem neuen Arbeitgeber die von der Beklagten finanzierte Musterberechtigung einsetzen konnte oder nicht, denn daraus läßt sich nicht allgemein auf eine größere Nachfrage nach Piloten mit dieser Lizenz schließen, sondern das kann auf Zufall beruhen.
3. Die Revision beanstandet zu Recht die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu dem von der Beklagten behaupteten Kostenaufwand von 80.000,-- DM. Der Kläger hat gerügt (§ 554 Abs. 3 Nr. 3b ZPO), daß diese Ausführungen des Berufungsgerichts im Widerspruch stehen zur Feststellung im Tatbestand, daß nach Meinung des Klägers Ausbildungskosten in Höhe von ca. 30.000,-- DM ausgereicht hätten. Diese Ausführungen des Klägers wären nicht verständlich, wenn er den Kostenaufwand von 80.000,-- DM zugestanden hätte. Insoweit sind die Ausführungen der Vorinstanz widersprüchlich (§ 286 ZPO). Darauf wird es im weiteren Verlauf des Rechtsstreits allerdings nur ankommen, wenn die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz dieser Kosten gegen den Kläger hat. Die tatsächlichen Umstände dafür sind noch aufzuklären.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Dr. Kalb
Der ehrenamtliche Richter Heinz kann nicht mehr unterschreiben, weil seine Amtszeit beendet ist.
Dr. Thomas
Fundstellen
JR 1992, 176 |
NZA 1992, 211 |
RdA 1992, 59 |