Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerlicher Progressionsvorbehalt und Altersteilzeitvereinbarung; Verletzung von Aufklärungspflichten; Altersteilzeitrecht. Verletzung von Aufklärungspflichten. Altersteilzeitrecht
Leitsatz (amtlich)
In der Zusage, während der Altersteilzeit des Arbeitnehmers das Arbeitsentgelt auf einen Prozentsatz des um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelts aufzustocken, liegt nicht ohne weiteres die Verpflichtung des Arbeitgebers, die steuerliche Mehrbelastung zu übernehmen, die dadurch entsteht, daß zwar der Aufstockungsbetrag selbst steuerfrei bleibt, sich jedoch der Steuersatz für das zu versteuernde Einkommen erhöht.
Orientierungssatz
- Schließen die Arbeitsvertragsparteien eine Altersteilzeitvereinbarung ab und vereinbaren sie, daß der Arbeitgeber neben dem für die verminderte Arbeitsleistung zu erbringenden Arbeitsentgelt einen Aufstockungsbetrag zahlt, ist dieser Aufstockungsbetrag steuerfrei. Er löst jedoch den einkommenssteuerlichen Progressionsvorbehalt aus, so daß sich der Steuersatz für das zu versteuernde Einkommen erhöht.
- Die Arbeitsvertragsparteien können – wie bei einer Nettolohnvereinbarung – vereinbaren, daß der Arbeitgeber die sich daraus ergebenden steuerlichen Nachteile trägt. Ob das im Einzelfall vereinbart worden ist, ergibt die Auslegung der Altersteilzeitvereinbarung.
- Verpflichtet sich der Arbeitgeber, das Arbeitsentgelt während der Altersteilzeit mindestens auf einen Prozentsatz “des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts, das der Arbeitnehmer ohne Eintritt in die Altersteilzeit erzielt hätte” aufzustocken, übernimmt er damit keine steuerlichen Mehrbelastungen, die sich nicht beim Lohnsteuerabzug, sondern erst in der jährlichen Einkommenssteuerveranlagung auswirken.
- Der steuerliche Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG wirkt sich nicht bei den monatlichen Lohnsteuerabzügen, sondern erst bei der jährlichen Einkommenssteuerveranlagung aus. Die steuerlichen Nachteile aus dem Progressionsvorbehalt sind deshalb nicht vom Arbeitgeber zu tragen.
- Das Bestehen von Aufklärungspflichten bei Abschluß einer Altersteilzeitvereinbarung richtet sich nach den Grundsätzen, die für Belehrungspflichten des Arbeitgebers bei Abschluß eines Aufhebungsvertrages entwickelt wurden.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 28, § 32b Abs. 1 Nr. 1g, Abs. 2 Nr. 1, § 46 Abs. 2 Nr. 1; ATG § 3 Abs. 1 Nr. 1a; BGB § 242
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 23. Januar 2001 – 7 Sa 902/00 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger während der Altersteilzeit entstandene steuerliche Mehrbelastungen auszugleichen.
Der am 11. November 1938 geborene Kläger war seit dem 1. August 1988 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Chemieindustrie, beschäftigt. Am 16. April 1998 schlossen die Parteien auf einem Formular der Beklagten eine Altersteilzeitvereinbarung. Danach sollte das Arbeitsverhältnis ab dem 1. Mai 1998 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt werden und am 30. November 2000 ohne Kündigung enden. Die Arbeitszeit sollte dadurch halbiert werden, daß der Kläger während der ersten Ziffer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses in Vollzeit arbeiten und später vollständig von der Arbeitsleistung freigestellt werden sollte. Neben dem anteiligen Arbeitsentgelt sollte der Kläger eine Aufstockungszahlung erhalten. Hinsichtlich derer enthielt die Vereinbarung in § 4 Abs. 1 folgende Regelung:
“Der Arbeitnehmer erhält zusätzlich eine Aufstockungszahlung in Höhe von 40 % des Arbeitsentgelts für die Altersteilzeitarbeit. Das Arbeitsentgelt ist jedoch auf mindestens 85 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts, das der Arbeitnehmer ohne Eintritt in die Altersteilzeitarbeit erzielt hätte, aufzustocken. Für die Berechnung dieses Nettoarbeitsentgelts ist die auf das Altersteilzeitarbeitsverhältnis anzuwendende Steuerklasse maßgebend.”
Bereits im Jahre 1997 hatte die Beklagte für den Kläger eine “Vergleichsrechnung für Altersteilzeit” erstellt. Daraus ergab sich auf der Basis einer 18,75 Stundenwoche ein Nettoarbeitsentgelt von 3.679,49 DM und ein “Aufstockungsbetrag steuer- und sv.-frei 40 % von Brutto bei 18,75 Stunden” in Höhe von 2.233,00 DM, was zusammen 5.912,49 DM ergab. Gleichzeitig wurden 85 % des beim Kläger auf der Basis von 37,5 Stunden zugrunde zu legenden Nettoeinkommens von 6.924,21 DM mit 5.885,58 DM berechnet.
Die Beklagte hatte vor Abschluß der Altersteilzeitvereinbarung nicht auf den Umstand hingewiesen, daß der Aufstockungsbetrag zwar steuer- und sozialversicherungsfrei war, jedoch der für den Kläger maßgebliche Steuersatz sich durch den Zuschuß erhöhte (“Progressionsvorbehalt”). Allerdings hatte der Betriebsrat bereits im Jahre 1997 das Problem in einer schriftlichen Mitteilung an die Belegschaft erläutert.
Dem Kläger entstanden im Jahre 1998 steuerliche Mehrbelastungen in Höhe von 93,46 DM und im Jahre 1999 in Höhe von 1.514,22 DM, insgesamt also von 1.607,68 DM. Diese Mehrbelastungen beruhen ausschließlich auf dem Progressionsvorbehalt.
Mit der am 13. März 2000 erhobenen Klage verlangt der Kläger von der Beklagten den Ausgleich der Mehrbelastungen. Mit der Altersteilzeitvereinbarung habe die Beklagte diese Verpflichtung übernommen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.607,68 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Februar 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag mit der Maßgabe weiter, daß er 821,99 Euro nebst Zinsen verlangt.
Entscheidungsgründe
Unterschriften
Düwell, Zwanziger, Ott, Kranzusch
Richterin am BAG Reinecke ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert.
Düwell
Fundstellen
Haufe-Index 853408 |
BFH/NV Beilage 2003, 147 |
BAGE 2003, 351 |
BB 2002, 2605 |
DB 2002, 2491 |
NWB 2002, 2189 |
EBE/BAG 2003, 10 |
EWiR 2003, 117 |
FA 2002, 284 |
FA 2002, 386 |
FA 2003, 50 |
NZA 2003, 859 |
SAE 2003, 359 |
StuB 2003, 96 |
ZIP 2003, 181 |
ZTR 2002, 374 |
ZTR 2003, 33 |
AP, 0 |
AuA 2002, 374 |
EzA-SD 2002, 19 |
EzA-SD 2002, 3 |
EzA |
MDR 2003, 35 |
PERSONAL 2003, 59 |
ZMV 2002, 244 |
ArbRB 2002, 358 |
RdW 2003, 246 |
BAGReport 2003, 36 |
BFH/NV-Beilage 2003, 147 |
PP 2002, 28 |