Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme eines Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Ausbildungsverhältnis eines Beratungsanwärters bei der Bundesanstalt für Arbeit geht nach erfolgreichem Abschluß der Prüfung jedenfalls dann nicht in ein Arbeitsverhältnis über, wenn die Bundesanstalt für Arbeit vor Abschluß der Ausbildung erklärt hat, sie werde den Beratungsanwärter nicht in ein Arbeitsverhältnis übernehmen.
2. Die Bestimmungen der §§ 17, 18 Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Beratungsanwärter (TV- Beratungsanwärter) vom 16. Juni 1972) verbieten der Bundesanstalt für Arbeit nicht, eine negative Entscheidung über den "Ansatz" zu treffen, einen Anwärter nicht in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen.
3. Die Entscheidung muß durch gewichtige Gründe gerechtfertigt sein, die einer Beschäftigung in dem angestrebten Beruf als Berater entgegenstehen.
4. Die Bundesanstalt für Arbeit hat diese Gründe im Streitfall darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.
5. Alkoholabhängigkeit ist ein gewichtiger Grund.
Normenkette
TVG § 1
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 07.06.1984; Aktenzeichen 9 Sa 1387/83) |
ArbG Kassel (Entscheidung vom 24.08.1983; Aktenzeichen 4 Ca 423/83) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger ab 1. September 1983 in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen.
Der 1948 geborene Kläger schloß mit der Beklagten am 1. September 1980 einen Ausbildungsvertrag, wonach der Kläger für eine qualifizierte Beratungstätigkeit in der Arbeitsvermittlung oder Berufsberatung beim Arbeitsamt K ab 1. September 1980 eingestellt wurde. Auf das Ausbildungsverhältnis fand der Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Beratungsanwärter (TV-Beratungsanwärter) vom 16. Juni 1972 und die Ausbildungs-, Studien- und Prüfungsordnung für Beratungsfachkräfte in der Bundesanstalt für Arbeit (ASPO) in der jeweils gültigen Fassung als Vertragsrecht Anwendung. Im Tarifvertrag ist u.a. folgendes bestimmt:
§ 17
Beendigung des Ausbildungsverhältnisses
(1) Das Ausbildungsverhältnis endet mit
Ablauf der Ausbildungszeit, jedoch
nicht vor der Entscheidung der BA über
den Ansatz. Ist bei Ablauf der Ausbildungszeit
die Entscheidung über den
Ansatz noch nicht getroffen, so erhält
der Beratungsanwärter vom Beginn des
Kalendermonats nach Ablauf der Ausbildungszeit
die Vergütung eines Angestellten der
Vergütungsgruppe IV a.
(2) Die BA und der Beratungsanwärter können das
Ausbildungsverhältnis mit einer Frist von
einem Monat zum Ende eines Kalendermonats
kündigen.
(3) Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes können
die BA und der Beratungsanwärter das Ausbildungsverhältnis
fristlos kündigen.
(4) Das Ausbildungsverhältnis kann im gegenseitigen
Einvernehmen jederzeit beendet werden (Auflösungsvertrag).
§ 18
Erstattung von Ausbildungskosten
(1) Der Beratungsanwärter hat Ausbildungskosten
zu erstatten, wenn
a) im Anschluß an den erfolgreichen
Abschluß der Ausbildung aus einem
von ihm zu vertretenden Grunde ein
Angestelltenverhältnis zur BA nicht
begründet werden kann,
oder
b) ...
(2) ...
Mit Schreiben vom 14. Juli 1983 teilte die Beklagte dem alkoholabhängigen Kläger mit, sein Ausbildungsverhältnis bei der Bundesanstalt für Arbeit ende nach § 17 Abs. 1 TV-Beratungsanwärter mit Ablauf der Ausbildungszeit am 31. August 1983. Von der Übernahme in das Angestelltenverhältnis und somit der Begründung eines Arbeitsverhältnisses ab 1. September 1983 sehe sie ab. Aufgrund erheblicher persönlicher Mängel halte sie den Kläger für eine Tätigkeit bei der Bundesanstalt für Arbeit für nicht geeignet.
Der Kläger hat gemeint, die Beklagte sei zu seiner Übernahme in ein Arbeitsverhältnis nach erfolgreichem Abschluß gem. § 17 TV-Beratungsanwärter verpflichtet. Das folge auch aus § 18 des Tarifvertrages. Er hat behauptet, die Beklagte habe bisher alle erfolgreich ausgebildeten Beratungsanwärter in ein Angestelltenverhältnis übernommen.
Der Kläger hat beantragt,
die beklagte Bundesanstalt zu verpflichten,
ihn ab 1. September 1983 in das Angestelltenverhältnis
zu übernehmen und ihm unverzüglich
eine seiner Ausbildung entsprechende Tätigkeit
zu übertragen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, eine Rechtspflicht zur Übernahme des Klägers in ein Angestelltenverhältnis nach Ablauf der Ausbildungszeit am 31. August 1983 habe nicht bestanden. Die durch Schreiben vom 14. Juli 1983 dem Kläger mitgeteilte Entscheidung, von der Übernahme in das Angestelltenverhältnis und damit der Begründung eines Arbeitsverhältnisses wegen dessen Alkoholabhängigkeit abzusehen, sei gleichzeitig die im Tarifvertrag geforderte Entscheidung über den Ansatz. Das auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Ausbildungszeit befristete Ausbildungsverhältnis habe mit dem Abschluß der Ausbildung geendet, ohne daß es einer Kündigung oder der Beteiligung des Personalrats bedurft habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es bestehe keine Rechtspflicht der Beklagten zur Übernahme des Klägers in ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger sei nur befristet zum Zweck der Ausbildung eingestellt gewesen. Aus § 17 Abs. 1 Satz 1 TV-Beratungsanwärter ergebe sich, daß das Ausbildungsverhältnis mit Ablauf der Ausbildungszeit ende. Auch § 18 des Tarifvertrages Beratungsanwärter gehe von der Befristung der Ausbildung aus. § 17 Abs. 1 Satz 2 TV-Beratungsanwärter regele lediglich die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses bis zur Entscheidung der Beklagten über die Übernahme in das Arbeitsverhältnis und die inzwischen zu zahlende Vergütung. Der Vorschrift sei nicht zu entnehmen, daß für diese Zeit bis zur Entscheidung der Beklagten bereits eine feste Beschäftigung im Angestelltenverhältnis bestehe. Eine Vereinbarung der Parteien neben dem Ausbildungsvertrag, den Kläger nach Abschluß der Ausbildung in ein Angestelltenverhältnis zu übernehmen, gebe es nicht. Zwar hätten beide Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein erhebliches Interesse an der anschließenden Verwendung bei der Beklagten gehabt. Ihre Rechtsbeziehungen regelten sich aber ausschließlich nach dem Ausbildungsvertrag vom 1. September 1980 und dem darin vereinbarten Tarifvertrag, der in § 18 die Möglichkeit der Nichtbegründung eines Angestelltenverhältnisses nach Beendigung der Ausbildung vorsehe und daran unter bestimmten Voraussetzungen die Erstattungspflicht der Ausbildungskosten knüpfe. Einen Übernahmeanspruch könne der Kläger auch nicht unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung und Gleichbehandlung herleiten. Angesichts der tariflichen Regelung, die den Fall der Nichtbegründung eines Arbeitsverhältnisses in § 18 TV-Beratungsanwärter ausdrücklich vorsehe, sei die Herausbildung einer gegenteiligen betrieblichen Übung ausgeschlossen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz schließe eine Differenzierung aus sachlichen Gründen nicht aus. Angesichts der Alkoholabhängigkeit des Klägers seien Zweifel an seiner Eignung erlaubt, was eine unterschiedliche Behandlung nicht mißbräuchlich erscheinen lasse. Dabei könne es nicht darauf ankommen, ob die Kriterien für eine krankheitsbedingte Kündigung erfüllt seien, weil das Ausbildungsverhältnis aufgrund Befristung, nicht jedoch aufgrund Kündigung ende.
II. Das Landesarbeitsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten im Ergebnis zu Recht verneint.
1. Zutreffend verneint das Landesarbeitsgericht, daß nach erfolgreichem Abschluß des befristeten Ausbildungsverhältnisses zwischen Parteien ein Arbeitsverhältnis begründet worden ist. Das entspricht auch der Vorstellung des Klägers, dessen Klage auf Abgabe einer Willenserklärung der Beklagten zum Abschluß eines das Arbeitsverhältnis erst begründenden Arbeitsvertrages gerichtet ist. Wenn die Revision allerdings auch meint, der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag sei letztlich als Anstellungsvertrag zu verstehen, der lediglich in der ersten Zeit eine Ausbildungsphase beinhalte, so entspricht das weder dem anderweitigen Vorbringen noch dem Antrag. Angesichts dieser Auffassung des Klägers hätte er einen Antrag auf Feststellung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses stellen müssen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Auffassung des Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 20. Januar 1977 - 3 AZR 523/75 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Ausbildungsverhältnis), nach erfolgreichem Abschluß der Prüfung gehe das Ausbildungsverhältnis automatisch in ein Arbeitsverhältnis über, zu folgen ist. Das gilt jedenfalls dann nicht, wenn die beklagte Bundesanstalt für Arbeit vor Ablauf der Ausbildungszeit ausdrücklich erklärt hat, sie werde den Beratungsanwärter nicht übernehmen.
2. Wenn das Landesarbeitsgericht einen einzelvertraglichen Anspruch des Klägers auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis aus einer neben dem Ausbildungsvertrag vom 1. September 1980 geschlossenen Vereinbarung verneint, so ist das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat damit eine angebliche individuelle, nicht typische Vereinbarung bewertet, die nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfung unterliegt, nämlich ob das Landesarbeitsgericht die Auslegungsgrundsätze eingehalten, den gesamten Sachverhalt berücksichtigt und Denkgesetze und Erfahrungsregeln beachtet hat (BAG Urteil vom 27. Juni 1963 - 5 AZR 383/62 - AP Nr. 5 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsabschluß). Ein Verstoß des Landesarbeitsgerichts gegen diese Regeln ist von der Revision weder gerügt noch erkennbar.
3. Entgegen der Auffassung der Revision folgt aus § 17 Abs. 1 TV-Beratungsanwärter kein uneingeschränkter tariflicher Anspruch des Klägers auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis. Denn die Beklagte hat eine negative Entscheidung über den "Ansatz" getroffen, indem sie dem Kläger mitteilte, sie werde ihn nicht übernehmen. Eine solche Entscheidung ist statthaft. Sie ist im Streitfall auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Der Senat vermag der Auffassung des Klägers nicht zuzustimmen, aus dem Gesamtzusammenhang des Tarifvertrages folge ein Anspruch des Anwärters auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis, weil die Beklagte, sofern sie von ihrem Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht habe, nur die Möglichkeit einer positiven Ansatzentscheidung habe. Vielmehr ergibt die Auslegung des § 17 TV-Beratungsanwärter, daß die Beklagte neben den Möglichkeiten, das Ausbildungsverhältnis nach § 17 Abs. 2 bis 4 TV-Beratungsanwärter zu beenden, auch die Entscheidungsfreiheit hat, am Ende der Ausbildung über die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis negativ zu entscheiden.
a) Tarifvertragsnormen sind wie Gesetze auszulegen. So ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Es ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mit zu berücksichtigen, so weit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat (BAGE 42, 86; 46, 308, 313 = AP Nr. 128 und 135 zu § 1 TVG Auslegung). Ferner ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Dieser kann Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geben, so daß auf diese Weise der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann. Sind auf diese Weise zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu erlangen, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien, wie etwa die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, ggfls. auch eine praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAGE 42, 244, 254 = AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II; 46, 308, 313 = AP, aaO).
b) Der Wortlaut des § 17 Abs. 1 TV-Beratungsanwärter läßt keinen eindeutigen Schluß auf die Frage zu, ob die Beklagte am Ende der Ausbildung gehalten ist, nur noch über die Art des Ansatzes zu entscheiden, nicht aber mehr die Entscheidung treffen darf, ob der ausgebildete Beratungsanwärter in ein Arbeitsverhältnis übernommen wird oder nicht. Die Anmerkungen der Beklagten in Nr. 3 Satz 4 zu § 17 TV-Beratungsanwärter und die Anmerkungen zum insoweit inhaltsgleichen § 16 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrages zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Fachanwärter für Arbeitsvermittlung und Berufsberatung in der Bundesanstalt vom 6. Februar 1969 (TV-Fachanwärter) gehen zwar davon aus, auch noch nach erfolgreichem Abschluß der Ausbildung könne eine Entscheidung über die Übernahme selbst getroffen werden. Daraus kann jedoch nicht auf einen entsprechenden gemeinsamen Willen der Tarifvertragspartner geschlossen werden, weil es sich bei diesen Anmerkungen um behördeninterne Anweisungen handelt, die ähnlich wie zu Gesetzen ergangenen Verwaltungsvorschriften lediglich die Aufgabe haben, die gleichmäßige Anwendung des Tarifvertrages zu gewährleisten und verbindliche Auslegungsregeln für die nachgeordneten Dienststellen der Bundesanstalt festzulegen.
c) Der Zusammenhang der Vorschriften des § 17 TV-Beratungsanwärter mit dem nachfolgenden § 18 Abs. 1 TV-Beratungsanwärter läßt ebenfalls keinen eindeutigen Schluß auf den Willen der Tarifvertragsparteien zu. Aus § 18 Abs. 1 TV-Beratungsanwärter geht lediglich hervor, daß die Tarifvertragsparteien eine Nichtübernahme des Auszubildenden, die dieser zu vertreten hat, für möglich halten. Damit könnte einerseits nur der Fall der Nichtübernahme nach entsprechender Erklärung des Auszubildenden gemeint sein, während eine solche Möglichkeit für die Beklagte ausgeschlossen sein könnte. Andererseits bleibt bei dieser Formulierung eine Nichtübernahme nach Entscheidung der Beklagten möglich.
d) Die Vorschriften des § 17 Abs.2 bis 4 TV-Beratungsanwärter über die verschiedenen Möglichkeiten, ein Ausbildungsverhältnis vorzeitig zu beenden, lassen ebenfalls nicht den Schluß zu, es sei der Beklagten verwehrt, eine Entscheidung über die Nichtübernahme zu treffen, wenn sie von diesen Auflösungsmöglichkeiten des Tarifes keinen Gebrauch gemacht hat. Zwar haben nach diesen Bestimmungen nicht nur die Beklagte, sondern beide Parteien des Ausbildungsverhältnisses zu (fast) jeder Zeit während der Ausbildung die Möglichkeit einer raschen Trennung, wenn sich z.B. trotz der eingehenden Prüfung über die fachliche und persönliche Eignung des Bewerbers vor Abschluß des Ausbildungsverhältnisses nach § 4 ASPO nachträglich Tatsachen herausstellen, die ihn fachlich oder persönlich ungeeignet erscheinen lassen, den Beruf später auszuüben, oder der Bewerber erkennt, den Anforderungen des Berufes nicht gewachsen zu sein. Die Entscheidung der Beklagten darüber, den erfolgreich Ausgebildeten nicht in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen, wird dadurch aber nicht ausgeschlossen. Wenn die Tarifvertragsparteien das gewollt hätten, müßte die Beklagte unbeschadet der damit verbundenen ideellen Wirkungen stets die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung gem. § 17 Abs. 2 TV-Beratungsanwärter ausschöpfen und beizeiten, spätestens zum Ende des letzten Monats der Ausbildung kündigen, wollte sie einen in der Zwischenzeit als persönlich nicht geeignet erkannten Anwärter nicht übernehmen. Sollten Zweifel an der persönlichen Eignung sogar erst im letzten Monat der Ausbildung auftauchen, könnte die Beklagte darauf überhaupt nicht mehr mit dem tariflich erlaubten Mittel der ordentlichen Kündigung reagieren. Sie müßte außerordentlich kündigen oder ein Arbeitsverhältnis mit dem Kläger begründen, um es sogleich zu kündigen. Der Senat hält das nicht für eine vernünftige, sachgerechte und praktisch brauchbare Regelung, so daß ein derartiger Wille der Tarifvertragsparteien nicht angenommen werden kann.
e) Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil ein Beratungsanwärter vor seiner Ausbildung einem Auswahlverfahren unterworfen war (§ 4 ASPO), in dem aufgrund von Kenntnissen, Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften die Eignung für die Zulassung zur Ausbildung überprüft worden ist und weil der Kläger seine fachliche Eignung durch das erfolgreiche Ablegen der Abschlußprüfung nachweist. Die ASPO ist durch vertragliche Vereinbarung neben dem Tarifvertrag geltendes Vertragsrecht zwischen den Parteien. Sie hindert - wie die Kündigungsmöglichkeiten zeigen - die Beklagte jedoch nicht, auf veränderte Tatsachen im Bereich der persönlichen Eignung zu reagieren, zumal die Prüfung nach § 4 ASPO lediglich die Eignung für die Zulassung zur Ausbildung prognostiziert, nicht aber die für die Ausübung als Berater in der Arbeitsvermittlung und Berufsberatung. Auch die Tatsache, daß der Anwärter praktisch keine andere Tätigkeit als die der Berufsberatung oder der Arbeitsvermittlung im Rahmen der Arbeitsverwaltung ausüben kann, weil die Beklagte für diese Aufgabenbereiche ein gesetzliches Monopol besitzt (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, § 4, § 18 Abs. 1 Satz 2, § 23 Abs. 1 AFG), läßt keinen zwingenden Schluß auf das vom Kläger gewünschte Auslegungsergebnis zu. Dann hätten die Tarifvertragsparteien die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung im letzten Teil der Ausbildung auch nicht zulassen dürfen. Durch diese wird die berufliche Beratertätigkeit in der Arbeitsvermittlung und Berufsberatung im Ergebnis ebenso ausgeschlossen wie durch die negative Entscheidung über den Ansatz.
4. Die somit tarifrechtlich nicht ausgeschlossene Entscheidung der Beklagten, das befristete Ausbildungsverhältnis nicht in ein Arbeitsverhältnis überzuleiten, unterliegt allerdings der gerichtlichen Überprüfung. Bereits der Dritte Senat (Urteil vom 20. Januar 1977, aaO) hat zu § 17 Abs. 2 TV-Beratungsanwärter ausgeführt, die Kündigung unterliege im Einzelfall der gerichtlichen Überprüfung. Ausbildungsverträge, die die geregelte Ausbildung für einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf vorsähen, schafften einen Vertrauenstatbestand. Der Auszubildende müsse sich darauf verlassen können, daß ihm auch dann, wenn das Ausbildungsverhältnis ordentlich kündbar sei, nicht grundlos, sondern nur aus gewichtigen Gründen gekündigt werde, die Sinn und Zweck des Ausbildungsverhältnisses in Frage stellten. Im Fall des Beratungsanwärters müsse das um so mehr gelten, als der Auszubildende sich erst im vorgerückten Lebensalter und nach Erfüllung besonderer Bedingungen (Hochschulreife) zu einer Ausbildung entschließe, die ihm wegen ihres speziellen Charakters nur ein begrenztes berufliches Tätigkeitsfeld bei nur einem ganz bestimmten Arbeitgeber eröffnen könne und die ihm außerdem wegen ihrer dauernden nicht zuletzt auch im Hinblick auf die ihm während der Ausbildung gewährte verhältnismäßig hohe Vergütung in besonderem Maße an den Ausbildenden binde. Das gilt sinngemäß für Kündigungen, die zum Ende der Ausbildung erfolgen und für die Entscheidung der Beklagten, den erfolgreich Ausgebildeten nicht zu übernehmen. Die Beklagte muß Gründe darlegen, die der Beschäftigung als Berater trotz der zwischenzeitlich durch die erfolgreiche Abschlußprüfung nachgewiesenen fachlichen Qualifikation entgegenstehen. So verhält es sich im Streitfall. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß der Kläger wenigstens zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten alkoholabhängig war. Gegen diese Feststellung hat die Revision keine zulässigen Verfahrensrügen erhoben. Wenn das Landesarbeitsgericht aufgrund dieser Feststellung zum Ergebnis kommt, es seien Zweifel an der Eignung des Klägers erlaubt, so pflichtet der Senat dem bei (zum Einfluß und Bestand auf ein Arbeitsverhältnis bei Alkoholabhängigkeit vgl. Röhsler, Information St W 1982, 319). Der Berater in der Arbeitsvermittlung und Berufsberatung hat ständigen Kontakt mit der die Dienste der Bundesanstalt in Anspruch nehmenden Bevölkerung. Schon deshalb ist eine regelmäßige und pünktliche Wahrnehmung seiner Aufgaben ebenso zwingend erforderlich wie ein Auftritt in körperlicher und geistiger Frische. Das gilt um so mehr, als der Berater häufig darauf angewiesen ist, z.B. im Beratungsgespräch mit Jugendlichen oder längerfristig Arbeitslosen seine im Studium erworbenen psychologischen Kenntnisse und Fähigkeiten anwenden zu können. Ein alkoholabhängiger Mitarbeiter bietet dafür keine Gewähr. Seine Alkoholabhängigkeit läßt erwarten, daß er seine Aufgaben nur eingeschränkt erfüllen kann. Das könnte für die Beklagte noch hinnehmbar sein, wenn ein zu übernehmender Angestellter seine Aufgaben ausschließlich ohne Kontakte nach außen erfüllen kann. Sie muß das im Berufsfeld des Klägers jedoch angesichts ihrer durch Gesetz aufgegebenen Pflicht zur Beratung bei der Arbeitsvermittlung und Berufsberatung nicht dulden. Sie darf vielmehr von einer Übernahme des Anwärters in ein Arbeitsverhältnis absehen.
5. Aus demselben Grund kann sich der Kläger auch nicht auf die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes berufen. Seine Alkoholabhängigkeit stellt eine Tatsache dar, die es rechtfertigt, ihn anders als die anderen Beratungsanwärter zu behandeln und nicht in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Röhsler Dr. Jobs Dörner
Mergenthaler Scheerer
Fundstellen
Haufe-Index 440897 |
BAGE 55, 246-255 (LT1-5) |
BAGE, 246 |
DB 1987, 2048-2049 (LT1-5) |
EzB TVG § 1, Nr 14 (LT1-5) |
NZA 1987, 818-820 (LT1-5) |
RdA 1987, 317 |
RzK, IV 3d Nr 4 (LT1-5) |
AP § 1 TVG Ausbildungsverhältnis (LT1-5), Nr 2 |
PersV 1991, 230 (K) |