Entscheidungsstichwort (Thema)
Beihilfe nach EKT. Ausschluß von Beschäftigten und Anspruchsberechtigten der Altersversorgung, die nicht Mitglied der Beschäftigungskasse sind. Gleichheitssatz
Orientierungssatz
1. Die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag, der Beihilfeleistungen nicht nur für Beschäftigte, sondern auch für „Anspruchsberechtigte der Altersversorgung” vorsieht, bezieht sich auch auf Änderungen des Tarifvertrags, die nach Eintritt des Arbeitnehmers in den Ruhestand erfolgen, wenn der Tarifvertrag nach der Bezugnahmeklausel in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden soll.
2. Nach Nr. 1 der Anlage 8 zum EKT in der bis zum 31. Dezember 1994 geltenden Fassung erhielten Beschäftigte und Anspruchsberechtigte der Altersversorgung Beihilfe unabhängig davon, ob sie bei ihrer Beschäftigungskasse oder anderweitig krankenversichert waren. Seit dem 1. Januar 1995 besteht ein Beihilfeanspruch nach der genannten Tarifbestimmung nur noch für Beschäftigte und Anspruchsberechtigte der Altersversorgung, die bei ihrer Beschäftigungskasse versichert oder nur deshalb nicht dort versichert sind, weil die Voraussetzungen dafür weder bei Abschluß des Arbeitsvertrags noch danach jemals vorgelegen haben. Diese Bestimmung verstößt gegen den Gleichheitssatz, soweit dadurch Beschäftigte und Anspruchsberechtigte der Altersversorgung von Beihilfeleistungen ausgeschlossen werden, die zwar vor dem 31. Dezember 1994 die Möglichkeit hatten, sich bei ihrer Beschäftigungskasse krankenzuversichern, von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht oder ihre Mitgliedschaft vor dem 31. Dezember 1994 wieder beendet hatten und die nach dem 1. Januar 1995 nicht mehr Mitglied ihrer Beschäftigungskasse werden können. Für die Ungleichbehandlung dieser Beschäftigten und Anspruchsberechtigten der Altersversorgung gegenüber denjenigen, die zu keinem Zeitpunkt seit Abschluß des Arbeitsvertrags die Möglichkeit hatten, sich bei ihrer Beschäftigungskasse krankenzuversichern, besteht kein sachlicher Grund.
3. Es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob die Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung unmittelbar an die Grundrechte und damit an Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind. Sie haben in jedem Fall den Gleichheitssatz als ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie zu beachten.
Normenkette
TVG § 1 Gleichbehandlung; Ersatzkassentarifvertrag (EKT) Anlage 8 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 26. September 2000 – 3 Sa 10/99 – in der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin zurückgewiesen worden ist.
2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 4. November 1998 – 19 Ca 318/98 – teilweise abgeändert.
a) Es wird festgestellt, daß die Klägerin in Krankheits-, Geburts- oder Todesfällen sowie für Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einen Anspruch auf Gewährung von Beihilfe nach der Anlage 8 zum Ersatzkassentarifvertrag gegen die Beklagte hat.
b) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 94,08 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 25. Juni 1998 zu zahlen.
3. Die Anschlußrevision der Beklagten wird zurückgewiesen.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Beihilfe nach Anlage 8 zum Ersatzkassentarifvertrag (EKT) zu gewähren.
Die Klägerin war bis zum 30. September 1994 bei der Beklagten als Sozialversicherungsfachangestellte beschäftigt. Seit dem 1. Oktober 1994 befindet sie sich im Ruhestand. Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 15. August 1973 fand auf das Arbeitsverhältnis der Ersatzkassentarifvertrag (EKT) mit den dazugehörigen Anlagen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
Die Klägerin war bis zum 30. September 1993 bei der Beklagten krankenversichert. Zuletzt war sie wegen Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V freiwillig versichert. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten endete durch Kündigung der Klägerin. Seit dem 1. Oktober 1993 ist sie bei der DKV privat krankenversichert. Vor ihrem Wechsel zur DKV hatte sich die Klägerin bei der Beklagten erkundigt, ob auch bei anderweitiger Krankenversicherung ein Beihilfeanspruch bestehe. Mit Schreiben vom 22. September 1993 hatte die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, die Beihilfe betrage nach Anlage 8 zum EKT 80 % der beihilfefähigen Aufwendungen unter der Voraussetzung, daß eine Krankenversicherung bestehe und „Leistungen erbracht habe”. Die Beihilfe betrage 60 % der beihilfefähigen Aufwendungen, sofern bei einer privaten Krankenversicherung keine Vollversicherung bestehe. Mit Schreiben vom 18. Oktober 1993 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, daß eine bestehende Krankenversicherung Voraussetzung für die Beihilfe sei.
Anlage 8 zum EKT lautete in der bis zum 31. Dezember 1994 gültigen Fassung auszugsweise wie folgt:
„Nr. 1
Beihilfeberechtigte Personen
(1) In Krankheits-, Geburts- und Todesfällen sowie für Aufwendungen bei Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten werden Beihilfen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen gewährt:
1. Beschäftigten gemäß § 1 EKT, solange sie Gehaltsbezüge oder Vergütung für Auszubildende erhalten,
2.a. Anspruchsberechtigten der Altersversorgung – Anlage 7 oder 7 a – oder solchen Angestellten, die nur deshalb keine Anspruchsberechtigung haben, weil sie sich nach dem 31. Dezember 1979 Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung oder zur Höherversicherung haben erstatten lassen,
…”
Zum 1. Januar 1995 wurde die Anlage 8 wie folgt geändert:
„Nr. 1
Beihilfeberechtigte Personen
(1) In Krankheits-, Geburts- und Todesfällen sowie für Aufwendungen bei Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten werden Beihilfen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen gewährt:
1. Beschäftigten gemäß § 1 EKT, die der Krankenkasse als Versicherte angehören, bei der sie beschäftigt sind, solange sie Gehaltsbezüge oder Vergütung für Auszubildende erhalten,
2. Beschäftigten gemäß Ziffer 1, die nur deshalb nicht bei ihrer Beschäftigungskasse versichert sind, weil die Voraussetzungen hierfür weder bei Abschluß des Arbeitsvertrages noch späterhin jemals vorgelegen haben,
3.a. Anspruchsberechtigten der Altersversorgung – Anlage 7 oder 7 a – die bei ihrer ehemaligen Beschäftigungskasse versichert oder nur deshalb nicht versichert sind, weil die Voraussetzungen hierfür weder bei Abschluß des Arbeitsvertrages noch späterhin jemals vorgelegen haben, oder solchen ansonsten beihilfeberechtigten Angestellten, die nur deshalb keine Anspruchsberechtigung haben, weil sie sich nach dem 31. Dezember 1979 Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung oder zur Höherversicherung haben erstatten lassen.
…”
In dem von der Beklagten herausgegebenen Mitteilungsblatt für Pensionäre Nr. 2 vom Juni 1995, das auch die Klägerin erhalten hat, heißt es ua.:
„Der Vorstand der Tarifgemeinschaft der Ersatzkassen hat nunmehr der zwischen der Verhandlungskommission der Tarifgemeinschaft der Ersatzkassen und den Verhandlungskommissionen der Gewerkschaften ausgehandelten Neufassung des EKT-Verbandstarifvertrages zugestimmt. Auf Grund der Neufassung des EKT-Verbandstarifvertrages ergeben sich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DAK keine Änderungen. Im Rahmen dieser Verhandlungen sind Änderungen vereinbart worden für Teilzeitbeschäftigte und Mitarbeiter/innen, die nicht bei ihren Arbeitgebern krankenversichert sind.”
Ein Beihilfeantrag der Klägerin vom 26. November 1996 wurde im März 1997 positiv beschieden. Im August und September 1997 beantragte die Klägerin erneut Beihilfe wegen von ihrer Krankenversicherung nicht erstatteter Aufwendungen für Zahnersatz und für die Kosten einer stationären Krankenhausbehandlung in der Zeit von Juni bis August 1997. Die Beklagte verweigerte die Zahlung der Beihilfe in unstreitiger Höhe von 4.311,00 DM (2.204,18 Euro) unter Hinweis darauf, daß die Klägerin nach den geänderten Tarifbestimmungen nicht mehr beihilfeberechtigt sei.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, nach Anlage 8 zum EKT stehe ihr weiterhin Beihilfe zu. Durch die Änderung der tariflichen Bestimmungen sei die Beihilfeberechtigung nicht rückwirkend entzogen worden. Der Tarifvertrag sei allenfalls insoweit lückenhaft, als er keinen ausdrücklichen Beihilfeanspruch für ehemalige Arbeitnehmer vorsehe, die ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten vor Inkrafttreten der Tarifänderung gekündigt hätten und die sich wegen Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht mehr bei der Beklagten versichern könnten. Die Tariflücke sei in dem Sinne zu schließen, daß diese Angestellten ebenso zu behandeln seien wie die nicht bei der Beklagten versicherten Angestellten, denen ein Beihilfeanspruch zustehe, weil ihnen die Versicherung bei der Beklagten zu keiner Zeit möglich gewesen sei. Andernfalls verstieße die tarifliche Regelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG und den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Sie habe sich nach dem Wechsel zur DKV auf den Fortbestand der Beihilfeberechtigung eingerichtet. In dieses Recht habe nicht rückwirkend eingegriffen werden dürfen. Schließlich habe die Beklagte gegen die ihr obliegende Aufklärungspflicht über die Tarifänderung verstoßen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
- festzustellen, daß sie in Krankheits-, Geburts- oder Todesfällen sowie für Aufwendungen bei Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einen Anspruch auf Gewährung von Beihilfe nach der Anlage 8 zum Ersatzkassentarifvertrag gegen die Beklagte hat;
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.311,00 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 25. Juni 1998 zu bezahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, eine Tariflücke bestehe nicht. Die Tarifvertragsparteien hätten mit der Neuregelung gerade beabsichtigt, diejenigen Beschäftigten und Anspruchsberechtigten der Altersversorgung von der Beihilfeberechtigung auszuschließen, für die die Möglichkeit bestanden habe, sich bei ihrem (ehemaligen) Arbeitgeber zu versichern, hiervon jedoch keinen Gebrauch gemacht hätten. Der sachliche Grund für die Neuregelung bestehe zum einen darin, die durch die Krankenversicherung beim jeweiligen Arbeitgeber zum Ausdruck kommende Bindung zu diesem zu belohnen. Zum anderen werde durch die Anknüpfung der Beihilfe an die Krankenversicherung beim Arbeitgeber die Bearbeitung von Beihilfeanträgen erleichtert, weil sich die jeweilige Beihilfestelle nicht auf die unterschiedlichen Leistungen verschiedener Krankenkassen einzustellen brauche. Die Klägerin sei über die Änderung der Beihilfevoraussetzungen ausreichend informiert worden. Zudem habe sie jederzeit mit einer Änderung des Tarifvertrags rechnen müssen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage, mit der die Klägerin – neben der Feststellung – Zahlung von 5.648,36 DM begehrt hatte, abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin, mit der diese den Zahlungsantrag auf 4.311,00 DM nebst Zinsen beschränkt hatte, hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 4.127,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 25. Juni 1998 verurteilt; im übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte erstrebt mit der Anschlußrevision die vollständige Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen hat. Die Klage ist, soweit sie in der Revision noch anhängig ist, in vollem Umfang begründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts war daher abzuändern und der Klage auch hinsichtlich des Feststellungsantrags und des weitergehenden Zahlunsantrags in Höhe von 184,00 DM (94,08 Euro) stattzugeben. Die Anschlußrevision der Beklagten war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Feststellungsantrag sei unbegründet. Nach Nr. 1 Abs. 1 Ziff. 3 a der Anlage 8 zum EKT in der ab dem 1. Januar 1995 geltenden Fassung habe die Klägerin keinen Anspruch auf Beihilfe, weil sie nicht mehr bei der Beklagten krankenversichert sei. Diese Regelung verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Tarifvertragsparteien seien auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes verpflichtet gewesen, eine Übergangsregelung für die bisher Beihilfeberechtigten zu schaffen, die die Krankenkasse nicht mehr wechseln können. Schließlich sei die Beklagte nicht zur dauerhaften Fortzahlung der Beihilfe im Wege des Schadensersatzes verpflichtet. Der Klägerin stehe jedoch ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.127,00 DM wegen der im Zusammenhang mit der Krankenhausbehandlung entstandenen beihilfefähigen Aufwendungen zu, weil diese Kosten nicht angefallen wären, wenn die Beklagte zuvor ihrer gegenüber der Klägerin bestehenden Verpflichtung zur Aufklärung über die Tarifänderung nachgekommen wäre. Wegen der durch die Zahnbehandlung entstandenen Kosten könne die Klägerin keinen Schadensersatz verlangen, weil diese Kosten auch bei ordnungsgemäßer Information durch die Beklagte angefallen wären.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat zwar zutreffend erkannt, daß sich die Beihilfeberechtigung der Klägerin nach Anlage 8 zum EKT in der ab dem 1. Januar 1995 geltenden Fassung richtet und ihr danach Beihilfe nicht zusteht. Diese Regelung verstößt jedoch entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gegen den Gleichheitsgrundsatz mit der Folge, daß die Klägerin nach Nr. 1 Abs. 1 Ziff. 3 a der Anlage 8 zum EKT Beihilfe beanspruchen kann.
1. Zwar stand der Klägerin nach Anlage 8 Nr. 1 Abs. 1 Ziff. 2 a zum EKT in der bei Eintritt in den Ruhestand am 1. Oktober 1994 geltenden Fassung Beihilfe zu. Diese Bestimmung ist jedoch für die streitgegenständlichen Beihilfeansprüche nicht maßgeblich. Vielmehr richten sich die Beihilfeansprüche der Klägerin seit dem 1. Januar 1995 nach Anlage 8 zum EKT in der ab dem 1. Januar 1995 geltenden Fassung.
a) Das Landesarbeitsgericht hat die Bezugnahme auf den EKT einschließlich künftiger Änderungen im Arbeitsvertrag vom 15. August 1973 dahingehend ausgelegt, daß davon auch Änderungen des Tarifvertrags erfaßt werden, die nach dem Eintritt der Klägerin in den Ruhestand erfolgen. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
b) Nach §§ 133, 157 BGB ist die arbeitsvertragliche Inbezugnahme von Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung regelmäßig dahingehend auszulegen, daß sie auch Tarifänderungen nach dem Eintritt des Arbeitnehmers in den Ruhestand betrifft. Der Arbeitgeber will Leistungen nicht nur an seine Arbeitnehmer, sondern auch an Versorgungsempfänger nach einheitlichen Regeln erbringen. Es soll gerade verhindert werden, daß die Versorgungsempfänger nach jeweils bei Eintritt in den Ruhestand unterschiedlichen tariflichen Regelungen unterschiedlich behandelt werden. Nur so kann erreicht werden, daß Versorgungsempfänger auch an tariflichen Verbesserungen teilnehmen (BAG 18. Januar 1996 – 6 AZR 405/95 – nv., zu II 2 der Gründe; 4. Mai 1993 – 3 AZR 181/92 – nv., zu II 1 der Gründe; 24. August 1993 – 3 AZR 313/93 – AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 19, zu B I 2 b der Gründe).
2. Die Klägerin hat nach Anlage 8 zum EKT in der seit dem 1. Januar 1995 geltenden Fassung keinen Anspruch auf Beihilfe. Nach Nr. 1 Abs. 1 Ziff. 3 a der Anlage 8 zum EKT erhalten nur Anspruchsberechtigte der Altersversorgung, die bei ihrer ehemaligen Beschäftigungskasse versichert sind und diejenigen, bei denen die Voraussetzungen hierfür weder bei Abschluß des Arbeitsvertrags noch späterhin jemals vorgelegen haben, Beihilfe. Da die Klägerin seit Oktober 1993 nicht mehr bei der Beklagten krankenversichert ist, gehört sie nicht zu den Beihilfeberechtigten. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Tarifvertrag in der seit dem 1. Januar 1995 geltenden Fassung nicht lückenhaft. Vielmehr sind die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Beihilfe im Tarifvertrag abschließend geregelt. Nach dem eindeutigen Tarifwortlaut werden auch Anspruchsberechtigte der Altersversorgung, die – wie die Klägerin – ursprünglich bei ihrer Beschäftigungskasse krankenversichert waren, dies jedoch nicht mehr sind und die nicht mehr die Möglichkeit haben, sich bei ihrer Beschäftigungskasse krankenzuversichern, von dem Anspruch auf Beihilfe ausgeschlossen.
3. Die tarifliche Regelung verstößt jedoch, soweit sie Beschäftigte und Anspruchsberechtigte der Altersversorgung, die vor der Tarifänderung am 1. Januar 1995 die Möglichkeit hatten, sich bei ihrer Beschäftigungskasse krankenzuversichern, davon aber keinen Gebrauch gemacht oder ihre Mitgliedschaft wieder beendet haben und die sich nach dem 1. Januar 1995 nicht mehr bei ihrer Beschäftigungskasse krankenversichern können, gegen den Gleichheitsgrundsatz und ist insoweit nichtig. Dies hat zur Folge, daß der Klägerin weiterhin Beihilfe zusteht.
a) Der aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gleichheitssatz verbietet es, gleiche Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln (vgl. etwa BAG 15. Januar 1955 – 1 AZR 305/54 – BAGE 1, 258, 260 ff.; 20. April 1977 – 4 AZR 732/75 – BAGE 29, 122; 13. November 1985 – 4 AZR 234/84 – BAGE 50, 137, 141 ff.; 30. Juli 1992 – 6 AZR 11/92 – BAGE 71, 68). Eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung liegt vor, wenn sich für die vorgenommene Differenzierung ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund nicht finden läßt, wenn also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtung die Regelung als willkürlich anzusehen ist (vgl. BVerfG 19. Juli 1972 – 2 BvL 7/71 – BVerfGE 33, 367, 384; 15. Oktober 1985 – 2 BvL 4/83 – BVerfGE 71, 39, 58). Der Gleichheitssatz wird durch eine Tarifnorm verletzt, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Die Tarifvertragsparteien haben hiernach eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Sie brauchen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu wählen, vielmehr genügt es, wenn sich für die getroffene Regelung ein sachlicher vertretbarer Grund ergibt (BVerfG 17. Dezember 1953 – 1 BvR 147/52 – BVerfGE 3, 58, 135; 12. April 1972 – 2 BvR 704/70 – BVerfGE 33, 44, 51; 26. März 1980 – 1 BvR 121, 122/76 – BVerfGE 54, 11, 25 f.; 15. Oktober 1985 – 2 BvL 4/83 – aaO; 8. April 1987 – 2 BvR 909/82 – ua. – BVerfGE 75, 108, 157; BAG 1. Juni 1983 – 4 AZR 566/80 – AP BGB § 611 Deputat Nr. 5; 25. Februar 1987 – 8 AZR 430/84 – BAGE 54, 210; 30. Juli 1992 – 6 AZR 11/92 – aaO). Die aus dem Gleichheitssatz folgenden Grenzen sind insbesondere dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten (BVerfG 2. Dezember 1992 – 1 BvR 296/88 – BVerfGE 88, 5, 12; 11. Januar 1995 – 1 BvR 892/88 – BVerfGE 92, 53, 68 f.). So verhält es sich hier. Der Ausschluß der Klägerin von den Beihilfeleistungen ist auch unter Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien gleichheitswidrig.
b) Die Tarifvertragsparteien haben in Nr. 1 Abs. 1 der Anlage 8 zum EKT in der ab dem 1. Januar 1995 geltenden Fassung grundsätzlich danach differenziert, ob die Beschäftigten und Anspruchsberechtigten der Altersversorgung bei ihrer Beschäftigungskasse krankenversichert sind. Ist dies der Fall, besteht ein Anspruch auf Beihilfe, andernfalls nicht. Diese Differenzierung ist sachlich gerechtfertigt. Die Beschäftigten und Anspruchsberechtigten der Altersversorgung, die bei ihrer Beschäftigungskasse versichert sind, tragen durch Krankenversicherungsbeiträge zur Finanzierung ihres Arbeitgebers bei. Unter dieser Voraussetzung erhalten sie – neben dem gesetzlichen Krankenversicherungsschutz – Beihilfe. Durch diese zusätzliche Arbeitgeberleistung soll ein Anreiz dafür geschaffen werden, der Krankenversicherung des Arbeitgebers beizutreten. Dies entspricht der im Arbeitsleben allgemein üblichen und rechtlich nicht zu beanstandenden Praxis, die Arbeitnehmer durch besondere Vergünstigungen zum Verbrauch der Produkte ihres Arbeitgebers zu veranlassen.
Die tarifliche Regelung in der ab dem 1. Januar 1995 geltenden Fassung nimmt jedoch innerhalb der Gruppe derjenigen, die nicht bei ihrer Beschäftigungskasse versichert sind, eine weitere Differenzierung vor. Danach erhalten die Beschäftigten und Anspruchsberechtigten der Altersversorgung, die zu keinem Zeitpunkt seit Abschluß des Arbeitsvertrags die Möglichkeit hatten, sich bei ihrer Beschäftigungskasse krankenzuversichern, Beihilfe, wohingegen diejenigen, für die diese Möglichkeit besteht, die davon aber keinen Gebrauch machen oder ihre Mitgliedschaft bei der Beschäftigungskasse wieder beenden, keine Beihilfe beanspruchen können. Auch diese Ungleichbehandlung ist grundsätzlich nicht gleichheitswidrig. Dadurch sollen Nachteile für die Beschäftigten und Anspruchsberechtigten der Altersversorgung vermieden werden, die nicht aus von ihnen zu vertretenden Umständen, sondern aus Rechtsgründen gehindert sind, sich bei ihrer Beschäftigungskasse krankenzuversichern, weil ihr Einkommen während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses über der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegt und sie deshalb nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse werden können.
Es besteht jedoch kein sachlicher Grund dafür, diese Gruppe gegenüber den Beschäftigten und Anspruchsberechtigten der Altersversorgung zu begünstigen, für die zwar während des Arbeitsverhältnisses und vor der Änderung der tariflichen Regelung am 1. Januar 1995 die Möglichkeit bestand, sich bei ihrer Beschäftigungskasse krankenzuversichern, die davon jedoch keinen Gebrauch gemacht oder, wie die Klägerin, ihre Mitgliedschaft wieder beendet haben und sich nicht erneut bei ihrer Beschäftigungskasse krankenversichern können. Die Tarifvertragsparteien haben nicht berücksichtigt, daß sich diese Beschäftigten und Anspruchsberechtigten der Altersversorgung nach der Tarifänderung in der gleichen Situation befinden wie diejenigen, die sich zu keinem Zeitpunkt seit Abschluß des Arbeitsvertrags bei ihrer Beschäftigungskasse krankenversichern konnten. Beiden Gruppen ist es nicht möglich, ihr Verhalten so einzurichten, daß sie die Anspruchsvoraussetzungen der geänderten Tarifnorm erfüllen. Unerheblich ist, daß diese Möglichkeit für die Gruppe der Benachteiligten in der Zeit vor dem 31. Dezember 1994 bestand. Dies kann die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Denn nach der damaligen tariflichen Rechtslage war das nunmehr anspruchsausschließende Verhalten ohne Konsequenzen für die Beihilfeberechtigung. Diese Beschäftigten und Anspruchsberechtigten der Altersversorgung sind daher, ebenso wie die von der Tarifnorm Begünstigten, nicht aus von ihnen zu vertretenden Umständen, sondern allein aus Rechtsgründen gehindert, die Anspruchsvoraussetzungen zu erfüllen. Für die Ungleichbehandlung besteht daher kein sachlicher Grund.
Die Unterscheidung ist nicht wegen verwaltungsmäßigen Erleichterungen bei der Leistungsabwicklung gerechtfertigt. Es mag zutreffen, daß die Bearbeitung von Beihilfeanträgen für den Arbeitgeber einfacher ist, wenn der Beihilfeberechtigte gleichzeitig bei ihm krankenversichert ist. Dies ist jedoch auch bei den von der Tarifnorm Begünstigten nicht der Fall.
c) Zwar wird in jüngerer Zeit die bisher gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach die Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung an die Grundrechte gebunden sind, zunehmend in Frage gestellt (vgl. BAG 25. Februar 1998 – 7 AZR 641/96 – BAGE 88, 118, 123; 30. August 2000 – 4 AZR 563/99 – BAGE 95, 277, 282 ff., 291 ff.; offengelassen von BVerfG 21. Mai 1999 – 1 BvR 726/98 – NZA 1999, 878, zu II der Gründe; BAG 5. Oktober 1999 – 4 AZR 668/98 – BAGE 92, 303, 309; 26. April 2000 – 4 AZR 177/99 – BAGE 94, 273; 24. April 2001 – 3 AZR 329/00 – EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 109, zu C II 4 der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Einer Stellungnahme dazu bedarf es jedoch im Streitfall nicht. Auch wenn man eine Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte verneint, bildet der allgemeine Gleichheitssatz die ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie. Differenzierungen der Tarifvertragsparteien sind daher unzulässig, wenn ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonstwie einleuchtender Unterscheidungsgrund nicht erkennbar ist, die Regelung also das Willkürverbot verletzt (BAG 4. April 2000 – 3 AZR 729/98 – AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 2 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 19, zu III 2 der Gründe; Dieterich FS Schaub S 117, 123 und 128 ff.; ErfK/Dieterich 2. Aufl. Einl. GG Rn. 46 ff. und Art. 3 GG Rn. 26 ff.).
4. Der Verstoß der tariflichen Regelung gegen den Gleichheitssatz führt nicht zur Nichtigkeit der gesamten Bestimmung in Nr. 1 Abs. 1 Ziff. 3 a der Anlage 8 zum EKT, sondern dazu, daß die Klägerin über den 31. Dezember 1994 hinaus bis zu einer etwaigen anderweitigen wirksamen Regelung der Tarifvertragsparteien zu den Beihilfeberechtigten im Sinne dieser Vorschrift gehört.
a) Eine tarifliche Regelung, die gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, muß nicht insgesamt unwirksam sein. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der gültige Teil der Tarifnorm noch eine sinnvolle in sich geschlossene Regelung enthält (vgl. BAG 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – BAGE 79, 236, 246 f. mwN). So liegt der Fall hier. Durch die Nichtigkeit des Ausschlusses der Gruppe, zu der die Klägerin gehört, verliert die Regelung mit ihrer grundsätzlich sachlich vertretbaren Unterscheidung zwischen Personen, die bei ihrer Beschäftigungskasse versichert sind oder sich dort versichern können auf der einen Seite und Personen, die sich dort nicht versichern wollen, auf der anderen Seite, nicht ihre rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung. Die unwirksame Ausgrenzung derer, die sich vor dem 1. Januar 1995 nicht versichern wollten oder eine zunächst eingegangene Versicherung beendeten, nimmt der Regelung diese Bedeutung nicht. Die Tarifnorm gilt für alle Fälle, in denen Arbeitnehmer nach dem 31. Dezember 1994 darüber entscheiden konnten, ob sie sich bei ihrer Beschäftigungskasse versichern wollen oder nicht. Die Tarifnorm ist in einem solchen Fall ergänzend auszulegen. Abzustellen ist auf den hypothetischen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien. Enthält die Tarifnorm auch ohne den unzulässigen Anspruchsausschluß eine sinnvolle, in sich geschlossene Regelung, ist regelmäßig davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien diese unter Einbeziehung des ausgeschlossenen Personenkreises getroffen hätten, wenn sie die Gleichheitswidrigkeit der von ihnen vorgenommen Gruppenbildung erkannt hätten. Nur ausnahmsweise können die Belastungen, die sich für den Arbeitgeber aus einer solchen „Anpassung nach oben” ergeben, auch bei einer in sich sinnvollen und geschlossenen Regelung zur Annahme der Gesamtnichtigkeit führen (BAG 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – BAGE 79, 236, zu B III der Gründe; 7. November 1995 – 3 AZR 870/94 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 138 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 105, zu III der Gründe; 28. Mai 1996 – 3 AZR 752/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 143 = EzA GG Art. 3 Nr. 55, zu III 1 a der Gründe).
b) Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien bei Kenntnis der Gleichheitswidrigkeit die Beschäftigten und Anspruchsberechtigten der Altersversorgung, die nicht Mitglied ihrer Beschäftigungskasse sind, für die diese Möglichkeit jedoch in der Vergangenheit vor dem 1. Januar 1995 bestand, aber seit dem 1. Januar 1995 nicht mehr besteht, in den Kreis der Begünstigten einbezogen hätten. Aber auch wenn man dieser ergänzenden Tarifauslegung nicht folgt, wäre das Ergebnis kein anderes. Auch bei Nichtigkeit der Tarifnorm, die die Beklagte seit dem 1. Januar 1995 auf die begünstigte Gruppe anwendet, kann für die Vergangenheit die Gleichbehandlung nur dadurch hergestellt werden, daß auch der Gruppe, der die Klägerin angehört, die vorenthaltene Leistung verschafft wird (vgl. dazu BAG 26. Oktober 1995 – 6 AZR 125/95 – BAGE 81, 207, 213; 13. November 1985 – 4 AZR 234/84 – BAGE 50, 137, 145 ff.).
5. Da die Klägerin über den 31. Dezember 1994 hinaus nach Nr. 1 Abs. 1 der Anlage 8 zum EKT zu den beihilfeberechtigten Personen gehört, ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin nicht nur Beihilfe in Höhe des vom Landesarbeitsgericht zuerkannten Betrages von 4.127,00 DM (= 2.110,10 Euro) für die Krankenhausbehandlung, sondern weitere 184,00 DM (= 94,08 Euro) für die Zahnbehandlung zu zahlen.
Die geltend gemachten Zinsen rechtfertigen sich aus § 291 Satz 1 BGB.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, Ehrenamtlicher Richter Stahlheber ist Wegen Ablaufs der Amtszeit aus dem Richteramt ausgeschieden und daher An der Unterschrift verhindert. Dr. Peifer, Dr. Pühler
Fundstellen
NZA 2002, 927 |
ZTR 2002, 478 |
EzA-SD 2002, 15 |
EzA |
NJOZ 2003, 1167 |