Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit eines Antrags auf gerichtliche Festsetzung des Streitwerts
Leitsatz (NV)
- Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf gerichtliche Festsetzung des Streitwerts für ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof ist gegeben, wenn der Kostenbeamte des BFH in der Kostenrechnung für das Rechtsmittelverfahren einen anderen Streitwert ermittelt hat als der Kostenbeamte des FG im Kostenfestsetzungsbeschluß.
- Im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung ist der Streitwert nach der mutmaßlichen einkommensteuerrechtlichen Auswirkung zu schätzen. Ist nach den Umständen des Falles davon auszugehen, daß streitige Verlustbeträge zum Ausgleich von nach höchsten Steuertarifsätzen zu besteuernden Einkünften der Kläger dienen sollen, ist es angemessen, den Streitwert im Hauptsacheverfahren auf 50 v.H. der streitigen Gewinne oder Verluste zu schätzen.
Normenkette
GKG § 25 Abs. 2 S. 1
Tatbestand
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) hatte bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb der zwischen den Antragstellern und Beschwerdeführern (Antragsteller) bestehenden atypisch stillen Gesellschaft die Gewinne/Verluste für die Jahre 1990 bis 1993 zunächst entsprechend den eingereichten Feststellungserklärungen wie folgt festgestellt.
Im Anschluß an eine Außenprüfung bei der atypisch stillen Gesellschaft vertrat das FA die Auffassung, daß die Voraussetzungen für eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb nicht erfüllt seien und erließ gegenüber den Antragstellern negative Feststellungsbescheide für die Streitjahre 1990 bis 1995.
Gegen die negativen Feststellungsbescheide vom 18. Oktober 1996 legten die Antragstellerin zu 26 und der Antragsteller zu 12 Einsprüche ein.
Nach erfolglosem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim FA haben die Antragsteller zu 1 bis 26 beim Finanzgericht (FG) beantragt, die Vollziehung der negativen Feststellungsbescheide 1990 bis 1995 bis einen Monat nach Zustellung der Einspruchsentscheidung auszusetzen; für die negativen Feststellungsbescheide der Jahre 1994 und 1995 gelte dies mit der Maßgabe, daß vorläufig von Verlusten der atypisch stillen Gesellschaft in Höhe von 118 996 DM für 1994 und von 329 076 DM für 1995 auszugehen sei.
Gegen den eine Aussetzung der Vollziehung ablehnenden Beschluß des FG haben die Antragsteller Beschwerde zum Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt, die zum Teil Erfolg hatte. Der erkennende Senat legte die Kosten des gesamten Verfahrens zu 52 v.H. den Antragstellern und zu 48 v.H. dem FA auf.
Aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des BFH vom 3. März 1998 VIII B 62/97 setzte der Kostenbeamte des FG durch Kostenfestsetzungsbeschluß vom 4. Juni 1998 die den Kostengläubigern zu erstattenden Kosten auf der Grundlage eines Streitwerts von 204 258 DM auf 7 561,15 DM fest.
Der Kostenbeamte des BFH setzte durch Kostenrechnung vom 10. Juni 1998 die von den Antragstellern zu entrichtenden Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren vor dem BFH auf 1 328,60 DM fest. Dabei legte er einen Streitwert von 339 535 DM zugrunde. Diesen Streitwert ermittelte der Kostenbeamte auf der Grundlage eines angenommenen Streitwerts für das Hauptsacheverfahren in Höhe von 50 v.H. der insgesamt streitigen Einkünfte. Den Streitwert des Aussetzungsverfahrens setzte der Kostenbeamte mit 10 v.H. des angenommenen Streitwerts für das Hauptsacheverfahren an.
Mit Schreiben vom 29. März 1999 beantragen die Prozeßbevollmächtigten der Antragsteller, den Streitwert durch das Gericht wie in der Kostenrechnung des BFH vom 10. Juni 1998 festzusetzen. Hilfsweise beantragen sie, die Kostenrechnung vom 10. Juni 1998 zu überprüfen und für den Fall, daß ein niedrigerer Streitwert anzusetzen sein sollte, die überzahlten Gerichtskosten zu erstatten.
Entscheidungsgründe
1. Der Antrag auf Streitwertfestsetzung ist zulässig.
Der erkennende Senat geht davon aus, daß die Prozeßbevollmächtigten den Antrag auf gerichtliche Festsetzung des Streitwerts im eigenen Namen gestellt haben.
Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.d.F. des Gesetzes vom 1. November 1996 (BGBl I, 1626) setzt im finanzgerichtlichen Verfahren das Prozeßgericht den Wert des Streitgegenstandes für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluß fest, wenn u.a. ein Beteiligter dies beantragt und ein Rechtsschutzbedürfnis dafür besteht (BFH-Beschluß vom 26. Januar 1998 VII B 180/96, BFH/NV 1998, 879). Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte kann auch der Prozeßbevollmächtigte eines Beteiligten den Antrag stellen. Prozeßgericht i.S. des § 25 Abs. 2 GKG ist für das Beschwerdeverfahren der BFH. Der Zulässigkeit des Antrags steht es nicht entgegen, daß bereits ein Kostenansatz des Kostenbeamten vorliegt (BFH-Beschluß vom 17. März 1982 VII S 104/81, BFHE 135, 172, BStBl II 1982, 328).
Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag ist gegeben. Es ist im Streitfall schon deshalb zu bejahen, weil der Kostenbeamte des BFH in der Kostenrechnung für das Beschwerdeverfahren einen anderen Streitwert ermittelt hat als der Kostenbeamte des FG im Kostenfestsetzungsbeschluß (BFH-Beschluß vom 23. Juni 1993 VIII S 17/91, juris).
2. Der Senat setzt den Streitwert für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf 339 285 DM fest. Dieser Betrag entspricht 10 v.H. des Streitwerts der Hauptsache. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung der Streitwert nach der mutmaßlichen einkommensteuerrechtlichen Auswirkung zu schätzen. Dabei sind für das Hauptsacheverfahren grundsätzlich 25 v.H. des streitigen Gewinns oder Verlusts anzusetzen (BFH-Beschluß vom 17. November 1987 VIII R 346/83, BFHE 152, 5, 10, BStBl II 1988, 287). Je nach den im Feststellungsverfahren erkennbaren einkommensteuerrechtlichen Auswirkungen kann jedoch auch ein anderer, der progressiven Besteuerung Rechnung tragender Prozentsatz in Betracht kommen (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 1982 IV R 46/79, BFHE 135, 457, BStBl II 1982, 542). Im Streitfall ist nach den gesamten Umständen des Falles davon auszugehen, daß die streitigen Verlustbeträge zum Ausgleich von nach höchsten Steuertarifsätzen zu besteuernden Einkünften der Antragsteller dienen sollten. Dafür spricht vor allem der Umstand, daß die Antragstellerin zu 26 den atypisch stillen Gesellschaftern für das Beitrittsjahr 1990 eine Verlustzuweisung von 100 v.H. ihrer Beteiligung in Aussicht gestellt hat. Der erkennende Senat hält es deshalb für angemessen, den Streitwert auf der Grundlage eines im Hauptsacheverfahren streitigen Betrages von 50 v.H. der erklärten Gewinne bzw. Verluste (= 3 392 853 DM) festzusetzen (vgl. BFH-Beschluß vom 2. Oktober 1980 IV R 235/75, BFHE 131, 288, BStBl II 1981, 38).
Aus der geringfügigen Differenz zu dem vom Kostenbeamten des BFH in der Kostenrechnung vom 10. Juni 1998 angenommenen Streitwert von 339 535 DM ergeben sich keine Auswirkungen auf die den Antragstellern in Rechnung gestellten Gerichtskosten.
Fundstellen