Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache
Leitsatz (NV)
Zur Kostenentscheidung nach dem mutmaßlichen Ausgang einer auf Divergenz und Verfahrensfehler gestützten Nichtzulassungsbeschwerde, nachdem die Hauptsache wegen prüfungsfreier Bestellung des Klägers als Steuerberater für erledigt erklärt worden ist.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 138 Abs. 1; StBerG § 38 Abs. 2 S. 1, § 37 Abs. 3 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war bis zu seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit am 31. März 1988 im gehobenen Dienst der Finanzverwaltung tätig. Seit Juni 1988 ist er bei den Steuerberatern S beschäftigt. Der bei dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzministerium -- FinMin --) bestehende Zulassungsausschuß für Steuerberater lehnte mit Beschluß vom 22. Juni 1989 den Antrag des Klägers auf Befreiung von der Steuerberaterprüfung ab, weil der Kläger sich so verhalten habe, daß die Besorgnis begründet sei, er werde den Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen (§38 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. §37 Abs. 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes -- StBerG --). Der Zulassungsausschuß stützte dies auf unbefugte Hilfeleistung des Klägers in Steuersachen gegenüber den Eheleuten X und in zahlreichen sonstigen ihm vorgeworfenen Fällen.
Die Klage des Klägers blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:
Ob der Kläger auch den Eheleuten X bei der Einkommensteuererklärung 1987 unbefugt geholfen habe, könne dahinstehen. Auf einen Fall mehr oder weniger komme es nicht an. Denn der Kläger gebe zu, den im Tatbestand angeführten Personen in Steuersachen geholfen zu haben. Der Kläger habe damit in einer Vielzahl von Fällen gegen die §§2 und 3 StBerG verstoßen. Auf eine Ausnahme von der unbefugten Steuerberatung gemäß §6 Nr. 2 StBerG könne er sich nicht berufen. Denn Vettern und Cousinen gehörten nicht zu den Angehörigen im Sinne dieser Vorschrift i. V. m. §15 der Abgabenordnung (AO 1977).
Daß seit 1989 keine weiteren Fälle unbefugter Steuerberatung bekanntgeworden seien, könne im vorliegenden Verfahren nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt werden. Denn das Gericht habe den angefochtenen Verwaltungsakt nur daraufhin zu überprüfen, ob dem Zulassungsausschuß ein Ermessensfehler unterlaufen sei. Maßgeblich dafür sei nur der dem Ausschuß seinerzeit bekannte Sachverhalt. Das spätere, über eine Reihe von Jahren beanstandungsfreie Verhalten des Klägers könne nur im Rahmen eines neuerlichen Antrags auf Befreiung von der Steuerberaterprüfung gewürdigt werden.
Der Kläger legte gegen das Urteil des FG Nichtzulassungsbeschwerde ein, die auf Divergenz und Verfahrensfehler (§115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) gestützt wurde. Nachdem er inzwischen aufgrund eines erneuten Antrags durch den Zulassungsausschuß bei dem FinMin von der Steuerberaterprüfung befreit und auch zum Steuerberater bestellt worden ist, haben die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und widerstreitende Kostenanträge gestellt.
Entscheidungsgründe
Da der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, ist nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (§138 Abs. 1 FGO).
1. Obwohl die Erledigung dadurch eingetreten ist, daß dem auch im Klageverfahren von dem Kläger gestellten Antrag auf Befreiung von der Steuerberaterprüfung (insoweit Verpflichtungsklage) entsprochen worden ist, sind die Kosten nicht nach §138 Abs. 2 FGO dem FinMin aufzuerlegen. Die Kostenfolge ist vielmehr der Grundregelung des §138 Abs. 1 FGO zu entnehmen. Danach ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands -- d. h. des mutmaßlichen Ausgangs des Verfahrens, wenn keine Erledigung der Hauptsache eingetreten wäre -- zu entscheiden. Die Kosten des Verfahrens sind danach dem Kläger aufzuerlegen, denn seine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des FG wäre vermutlich ohne Erfolg geblieben; daß seinem Begehren auf prüfungsfreie Bestellung als Steuerberater schließlich entsprochen worden ist, beruht nicht auf dem vorliegenden Verfahren, sondern auf einem erneuten Antrag und einer neuerlichen Ermessensentscheidung des Zulassungsausschusses.
2. Die mit der Beschwerde geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision (Divergenz, Verfahrensfehler) liegen nicht vor.
a) Entgegen der Auffassung des Klägers weicht das Urteil des FG nicht von der Entscheidung des Senats vom 6. November 1962 VII 97/61 (Höchstricherliche Finanzrechtsprechung 1963, 36) ab, nach der eine (unbefugte) geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen nur dann vorliegt, wenn sie in selbständiger Tätigkeit erfolgt. Auch das FG ist -- ohne dies ausdrücklich zum Ausdruck zu bringen -- davon ausgegangen, daß der Kläger die unbefugte Hilfe in Steuersachen selbständig ausgeübt hat. Die Frage des Tätigwerdens im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses (Selbständigkeit oder Nichtselbständigkeit) stellte sich nur bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung 1987 für die Eheleute X. Die Beurteilung dieses Sachverhalts ließ das FG aber dahingestellt, weil der Kläger in zahlreichen weiteren Fällen Hilfe in Steuersachen geleistet hatte, und zwar in einem Zeitraum, in dem er noch nicht bei dem Steuerberater S angestellt, sondern Beamter war, und somit die Hilfe in Steuersachen nur in selbständiger Form ausgeübt worden sein konnte.
b) Da das FG den die Eheleute X betreffenden Sachverhalt bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen hat, liegt -- entgegen der Beschwerde -- auch kein Verfahrensfehler (Verletzung der Sachaufklärungspflicht, §76 FGO) darin, daß es den darauf bezogenen Beweisanträgen (Vernehmung der Eheleute X und des Steuerberaters S als Zeugen) nicht nachgekommen ist. Daß der Steuerberater, für den der Kläger erst ab Juni 1988 tätig geworden ist, auch Bekundungen zu den übrigen Fällen der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen, die das FG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, hätte abgeben können, ist weder im Klageverfahren noch mit der Beschwerde substantiiert vorgetragen worden.
c) Auch die behauptete Abweichung der Vorentscheidung von dem Senatsurteil vom 1. Juli 1981 VII R 84/80 (BFHE 134, 79, BStBl II 1981, 740) liegt nicht vor.
In diesem Urteil hat der Senat entschieden, daß Ermessensentscheidungen der Verwaltung grundsätzlich an Hand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung gerichtlich zu überprüfen sind. Die Entscheidung des FG beruht auf diesem Grundsatz. Der Senat hat aber in dem zitierten Urteil, das eine Widerrufsverfügung betraf, weiter ausgeführt, das FG müsse auch prüfen, ob ihre Aufrechterhaltung durch die Behörde dem Recht entspreche. Die zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung bestehende neue Sachlage sei dann zu berücksichtigen, wenn sich aus dieser eine Rechtspflicht zur sofortigen Wiederbestellung des Klägers ergebe; denn es wäre sinnlos, etwas zu nehmen, was sogleich wieder gewährt werden müßte. Zwar sei die Wiederbestellung als Steuerberater bzw. Steuerbevollmächtigter ebenfalls in das Ermessen der Behörde gestellt (§48 StBerG); jedoch könne "im Einzelfall das Ermessen der Behörde derart zusammengeschrumpft sein, daß die Behörde zur Wiederbestellung verpflichtet" sei (BFHE 134, 79, BStBl II 1981, 740, 745).
Es ist bereits zweifelhaft, ob der für den Fall des Widerrufs der Bestellung und zur Frage der späteren Wiederbestellung ergangene Rechtssatz des Senats auf den hier vorliegenden Streitfall um die erstmalige prüfungsfreie Bestellung als Steuerberater übertragbar ist und soweit eine Divergenz überhaupt denkbar ist. Abgesehen davon liegt im Streitfall der vom Bundesfinanzhof dargestellte Ausnahmefall, in dem sich nach der Sachlage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung wegen einer Ermessensreduzierung auf Null eine Rechtspflicht der Behörde zur (hier prüfungsfreien) Bestellung ergibt, nach dem vom FG festgestellten Urteilstatbestand nicht vor. Das FG hat lediglich festgestellt, daß seit 1989 keine weiteren Fälle unbefugter Steuerberatung durch den Kläger bekanntgeworden seien. Es hat aber ausgeführt, daß dieses spätere beanstandungsfreie Verhalten nur im Rahmen eines erneuten Antrags des Klägers von der zuständigen Verwaltungsbehörde gewürdigt werden könne. Zu einer eigenständigen zeitnahen Entscheidung an Stelle der Verwaltung über die begehrte Befreiung von der Steuerberaterprüfung war das FG nicht verpflichtet, weil ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null nicht ersichtlich war. Es war vielmehr denkbar, daß noch andere Gründe vorlagen, die den Zulassungsausschuß weiterhin zur Ablehnung des Antrags berechtigen würden. Das FinMin verweist z. B. insoweit auf die bereits in seiner ursprünglichen Entscheidung zum Ausdruck gebrachten Zweifel des Zulassungsausschusses, ob der Kläger gesundheitlich in der Lage sei, den Beruf des Steuerberaters ordnungsgemäß auszuüben. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers, die zu dessen vorzeitiger Pensionierung geführt haben, kommen auch im Tatbestand des FG-Urteils zum Ausdruck. Es liegt somit keine Abweichung von dem Senatsurteil in BFHE 134, 79, BStBl II 1981, 740 vor, wenn das FG unter diesen Umständen von einer eigenständigen Prüfung der Frage abgesehen hat, ob für den Kläger im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Rechtsanspruch auf die begehrte Befreiung von der Steuerberaterprüfung bestand.
Da seine Beschwerde ohne Erfolg geblieben wäre, hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Fundstellen
Haufe-Index 66981 |
BFH/NV 1998, 487 |