Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine Prozeßvollmacht
Leitsatz (NV)
Die nach § 62 Abs. 3 FGO zu erteilende und dem Gericht vorzulegende Vollmacht muß sich - sofern keine Generalvollmacht vorliegt - auf das konkrete gerichtliche Verfahren beziehen.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 1, 3
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatten im Verfahren des Finanzgerichts (FG) zuletzt die Feststellung begehrt, daß der Einkommensteuerbescheid für 1978 vom 4. Dezember 1980 (über 29 730 DM) rechtswidrig gewesen sei. Außerdem sollten die Einkommensteuervorauszahlungen für 1981 von damals insgesamt 7 048 DM auf 42 DM pro Quartal herabgesetzt werden.
Das FG wies die Klage jedoch schon als unzulässig ab, da bis zur Urteilsverkündung keine schriftliche Prozeßvollmacht zu den Gerichtsakten gelangt sei. Bereits in früheren Gerichtsverfahren (u. a. auch in der Streitsache VII 229-230/80) vorgelegte Vollmachten, die nicht ausdrücklich auf diese Verfahren beschränkt waren, ließ das FG nicht genügen. Es war der Auffassung, daß sie mit Abschluß der betreffenden Verfahren - jeweils schon vor Erhebung der nunmehr zu beurteilenden Klage (am 3. August 1981) - durch Zweckerreichung erloschen seien.Dagegen legte der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater S am 19. April 1982 für die Kläger Revision ein. Eine Prozeßvollmacht übersandte er erst, nachdem ihn die Geschäftsstelle des damals noch zuständigen I. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) gebeten hatte, eine solche ,,für das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof" nachzureichen.
Die von beiden Klägern unterzeichnete Vollmachtsurkunde trägt als Datum der Bevollmächtigung den 3. August 1981 und hat in ihrem allgemeinen Teil folgenden Wortlaut:
,,Ich / Wir bevollmächtige(n) Sie hiermit, mich / uns in meinen / unseren Steuer- / Angelegenheiten vor den Finanzbehörden und Steuergerichten / zu vertreten und rechtsverbindlich für mich / uns zu zeichnen."
Es folgen sodann die üblichen Hinweise auf die Möglichkeit der Unterbevollmächtigung und den Umfang der gegenüber den Behörden abzugebenden Erklärungen sowie der Prozeßhandlungen.
Zusammen mit der Revisionsbegründung reichte S die Kopie einer weiteren Vollmachtsurkunde ein. Sie trägt das Datum vom 9. Juli 1980 und ist im übrigen völlig identisch mit der früher eingegangenen. Das Original soll nach den Ausführungen des S im FG-Verfahren VII 229-230/80 (wegen Einkommensteuer 1977) vorgelegt worden sein.
Der Vorsitzende des I. Senats des BFH wies S mit Schreiben vom 17. September 1982 u. a. darauf hin, daß sich keine der Vollmachten auf einen bestimmten Rechtsstreit beziehe. S sah dies nicht als erheblich an.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
S hat keine hinreichende Prozeßvollmacht vorgelegt.
1. Läßt sich ein Beteiligter vor einem Gericht der Finanzgerichtsbarkeit durch einen Bevollmächtigten vertreten, so hat er eine schriftliche Vollmacht zu erteilen (§ 62 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Wird die Vollmachtsurkunde nicht vorgelegt, ist der betreffende Rechtsbehelf wegen Fehlens einer Prozeßvoraussetzung unzulässig (vgl. z. B. das Urteil des BFH vom 15. Mai 1981 VI R 212/78, BFHE 133, 344, BStBl II 1981, 678).
Der Nichtvorlage der Vollmacht ist es gleichzuachten, wenn zwar dem Gericht eine schriftliche Vollmacht eingereicht wurde, diese indessen den an eine ordnungsgemäße Vollmacht zu stellenden Anforderungen nicht entspricht. Denn auch die mit wesentlichen Mängeln behaftete Vollmachtsurkunde hindert das Gericht, eine Sachentscheidung zu fällen. Eine schriftliche Prozeßvollmacht ist ihrem Wesen entsprechend dann mit wesentlichen Mängeln behaftet, wenn sie nicht erkennen läßt, wer bevollmächtigt ist, wer bevollmächtigt hat und wozu bevollmächtigt wurde (Urteil des BFH vom 17. Juli 1984 VIII R 20/82, BFHE 141, 463, BStBl II 1984, 802). Eine ordnungsgemäße Prozeßvollmacht muß eindeutig erkennen lassen, welche Prozeßhandlungen der Bevollmächtigte vornehmen darf (Beschluß des erkennenden Senats vom 28. September 1987 III B 100/86, nicht veröffentlicht - NV -). Die dem Gericht vorzulegende Vollmacht muß sich daher auch - sofern keine Generalvollmacht vorliegt - auf das konkrete gerichtliche Verfahren beziehen (so auch BFH-Beschluß vom 3. Oktober 1984 VII E 2/84, NV).
2. a) Im Streitfall genügt die von S eingereichte Originalvollmacht den genannten Voraussetzungen nicht. Aus der Vollmachtsurkunde ist kein Bezug zu dem in Sachen Einkommensteuer 1978 und Einkommensteuer-Vorauszahlungen 1981 geführten Rechtsstreit erkennbar. Daran ändert auch nichts der Hinweis des S im Schreiben vom 17. Februar 1983, daß das auf der Urkunde angebrachte Datum (3. August 1981) mit dem Tag der Klageerhebung im gegenwärtigen Rechtsstreit identisch sei. Da die Vollmacht ihrem Wortlaut nach auch das Tätigwerden in Verwaltungsverfahren ermöglichte, hätte sie sich z. B. ebenso auf ein derartiges Verfahren beziehen können.
b) Trotz der ihrem Wortlaut nach umfassenden Bevollmächtigung liegt aber auch keine Generalvollmacht der Kläger vor. Dies folgt schon daraus, daß S die ihm für die Führung des Rechtsstreits in Sachen Einkommensteuer 1977 gesondert erteilte Vollmacht gleichen Inhalts einerseits zwar für die Klageerhebung im gegenwärtigen Verfahren als ausreichend ansieht, andererseits aber für das Revisionsverfahren in derselben Sache eine weitere Vollmachtsurkunde mit (lediglich) einem anderen Datum vorgelegt hat. S sah demnach selbst keine der Vollmachten als Generalvollmacht an.
c) Nach alledem ist unklar, in welchem Umfang S für die Kläger Prozeßhandlungen vornehmen durfte. Die auf den 3. August 1981 datierte Vollmachtsurkunde entfaltet bereits aus diesem Grunde keine Rechtswirkungen. Es kann daher dahingestellt bleiben, zu welchem Zeitpunkt sie mit diesem Datum versehen wurde; der erkennende Senat braucht den im Schreiben des Vorsitzenden des I. Senats vom 17. September 1982 insoweit geäußerten Bedenken nicht nachzugehen.
Die Kopie der Vollmacht vom 19. Juli 1980 erfüllt außerdem nicht die Voraussetzung der ,,Schriftlichkeit" (§ 62 Abs. 3 Satz 1 FGO; siehe auch das BFH-Urteil vom 18. Februar 1987 II R 213/84, BFHE 149, 19, BStBl II 1987, 392).
3. Bei dieser Rechts- und Sachlage kann offenbleiben, ob die Revision im Hinblick auf Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) a. F. (Wert des Streitgegenstandes über 10 000 DM) zulässig wäre. Der Senat verweist insoweit lediglich darauf, daß sich mit dem Übergang der Kläger zur Feststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO auch der Streitgegenstand änderte (vgl. dazu u. a. das BFH-Urteil vom 23. März 1976 VII R 106/73, BFHE 118, 503, BStBl II 1976, 459, letzter Absatz der Entscheidungsgründe).
4. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind dem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater S aufzuerlegen. Er hat die erfolglose Prozeßführung veranlaßt, ohne dazu von den Klägern eindeutig und zweifelsfrei beauftragt gewesen zu sein (vgl. hierzu schon den Beschluß des erkennenden Senats vom 19. April 1968 III B 85/67, BFHE 92, 173, BStBl II 1968, 473).
Fundstellen
Haufe-Index 415598 |
BFH/NV 1988, 509 |