Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristsetzung nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO; Wiedereinsetzung
Leitsatz (NV)
1. Es ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob eine Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 S. 2 FGO überhaupt ermessensfehlerfrei gesetzt werden kann, wenn das Verfahren nach Versäumung der Frist erst nach mehr als drei Jahren durch Prozessurteil beendet werden kann.
2. Ob eine solche Frist gesetzt wird, obliegt dem pflichtgemäßen Ermessens des Gerichts.
3. Für die Frage, ob die Frist ermessensfehlerfrei gesetzt worden ist, kommt es allein auf die Umstände im Zeitpunkt der Fristsetzung an, nicht aber darauf, wann, wie und unter welchen Umständen das gerichtliche Verfahren beendet worden ist.
4. Nach Ablauf der Frist des § 56 Abs. 2 S. 1 FGO können Wiedereinsetzungsgründe nicht mehr nachgeschoben, sondern nur noch unklare und unvollständige Angaben ergänzt oder vervollständigt werden.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 2 S. 2, § 56 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Hessisches FG (Urteil vom 16.02.2005; Aktenzeichen 1 K 2927/01) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen in der Begründung der Beschwerde die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden, d.h. in der Beschwerdeschrift muss entweder dargetan werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert, oder dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
1. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht. Das gilt insbesondere für die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) für grundsätzlich bedeutsam erachtete Rechtsfrage, ob eine Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO überhaupt ermessensfehlerfrei gesetzt werden kann, wenn das Verfahren nach der Versäumung der Frist erst nach mehr als drei Jahren durch Prozessurteil beendet werden kann. Die Rechtsfrage ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil es an ihrer Klärungsbedürftigkeit fehlt.
a) Nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht dem Kläger für die Ergänzung der Klageschrift eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift genannten Erfordernisse fehlt. Ob eine solche Ausschlussfrist gesetzt wird, obliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 65 Rz. 61, m.w.N.). Im Zeitpunkt des Setzens einer Ausschlussfrist kann das Gericht jedoch weder erkennen, wann das Verfahren beendet sein wird, ob es zu einer einvernehmlichen Einigung zwischen den Beteiligten oder zu einer streitigen Entscheidung kommen wird, noch ob das Verfahren ggf. durch Sach- oder durch Prozessurteil entschieden wird. Es ergibt sich daher aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes, dass für die Frage, ob eine Ausschlussfrist i.S. des § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO ermessenfehlerfrei gesetzt worden ist, allein auf die Umstände im Zeitpunkt der Fristsetzung abzustellen ist, nicht aber darauf, wann, wie und unter welchen Umständen das gerichtliche Verfahren beendet worden ist.
b) Im Übrigen ist durch die ständige Rechtsprechung des BFH geklärt, dass eine Klage mit erfolglosem Ablauf der Ausschlussfrist gemäß § 65 Abs. 2 FGO endgültig unzulässig wird, sofern nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 23. September 1998 IV B 130/97, BFH/NV 1999, 486; vom 27. Februar 2004 XI B 131/03, BFH/NV 2004, 973; Gräber/von Groll, a.a.O., § 65 Rz. 65; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 65 FGO Tz. 40, m.w.N.). Soweit die Kläger sich in diesem Zusammenhang auf den BFH-Beschluss vom 15. März 1999 VII B 8/99 (BFH/NV 1999, 1346) berufen, verkennen sie, dass der BFH auch in jener Entscheidung deutlich gemacht hat, dass nach Verstreichen der Ausschlussfrist gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO ein Ruhen des Verfahrens nicht mehr in Betracht kommt, wenn es wegen einer nunmehr unzulässigen Klage nicht mehr zu einer Sachentscheidung kommen kann.
2. Soweit die Kläger rechtsfehlerhaftes Verfahren zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rügen, wird den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen schon nicht Genüge getan. Die Kläger haben insoweit ihre Beschwerde auf den Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO gestützt; der Sache nach rügen sie jedoch mit ihrem Vorbringen zugleich einen Verfahrensfehler des Finanzgerichts --FG-- (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Mai 2003 VII B 236/02, BFH/NV 2003, 1208). Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BFH liegt ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor, wenn das FG zu Unrecht einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ablehnt und wegen der Fristversäumnis ein Prozessurteil erlässt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Januar 2002 IV B 32/01, BFH/NV 2002, 927; vom 26. November 2004 XI B 167/02, juris; vom 26. September 2005 VIII B 293/03, BFH/NV 2006, 109).
Die Kläger haben jedoch nicht schlüssig Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ein solcher Mangel ergibt. Entgegen der Ansicht der Kläger reicht es für eine Wiedereinsetzung nicht aus, innerhalb der Antragsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO lediglich die versäumte Rechtshandlung nachzuholen; vielmehr müssen innerhalb dieser Frist auch die für eine Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen schlüssig vorgetragen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 26. April 2005 I B 248/04, BFH/NV 2005, 1591; vom 16. März 2005 X R 8/04, BFH/NV 2005, 1341; in BFH/NV 2006, 109). Das FG ist nicht verpflichtet, von sich aus zu ermitteln, ob Gründe gegeben sind, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen können. Nach Ablauf der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO können Wiedereinsetzungsgründe nicht mehr nachgeschoben, sondern nur noch unklare und unvollständige Angaben ergänzt oder vervollständigt werden (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1591; Gräber/ Koch, a.a.O., § 56 Rz. 40 f., m.w.N.). Dass das FG dem Wiedereinsetzungsgesuch bereits aufgrund der im Schreiben vom 5. Dezember 2001 vorgetragene Gründen hätte entsprechen müssen, behaupten die Kläger selbst nicht. In einem auf Krankheit des Prozessbevollmächtigten gestützten Wiedereinsetzungsgesuch ist vielmehr substantiiert darzulegen, dass die Krankheit entweder plötzlich und unvorhersehbar eingetreten ist oder so schwer war, dass weder die Frist gewahrt noch ein Vertreter bestellt werden konnte (Gräber/Koch, a.a.O., § 56 Rz. 20 Stichwort "Krankheit").
Da ein Fehler des FG bei der Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch nicht schlüssig dargelegt worden ist, kann die Beschwerde insoweit auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wegen eines sog. qualifizierten Rechtsanwendungsfehlers zugelassen werden.
3. Auch die Frage, ob eine Fristsetzung nach § 65 Abs. 2 FGO wirksam ist, wenn der Kläger ausdrücklich aufgefordert wird, zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens einen "substantiierten Klagevortrag" zu erstellen, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Beschwerdeschrift legt weder dar, dass es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handelt, noch geht sie konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung ein. Es fehlen zudem jegliche Ausführungen, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist. Außerdem hat das FG die Kläger nicht ausdrücklich aufgefordert, zur Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens einen "substantiierten Klagevortrag" zu erstellen, sondern ihnen aufgegeben, den Gegenstand des Klagebegehrens bis zum 30. November 2001 zu bezeichnen und in diesem Zusammenhang angemerkt, dieses setze einen substantiierten Klagevortrag im Sinne der Rechtsprechung des BFH voraus, wobei auf das BFH-Urteil vom 16. März 1988 I R 93/84 (BFHE 153, 290, BStBl II 1988, 895) hingewiesen wurde. Gerade diese Entscheidung macht aber deutlich, dass es zur Bezeichnung des Streitgegenstandes erforderlich ist, klarzustellen, worin die die Kläger treffende Rechtsverletzung liegen soll, inwiefern also der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig sei. Das trifft insbesondere auch für den Streitfall zu, denn mangels Einspruchsbegründung war für das FG nicht erkennbar, worum es im Klageverfahren gehen sollte, so dass das Klagebegehren auch im Wege der Auslegung nicht ermittelt werden konnte (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Juni 2004 XI B 46/02, BFH/NV 2004, 1417).
Weshalb eine derartige Fristsetzung unwirksam sein soll, ist für den Senat nicht erkennbar. Denn letztlich ist es Aufgabe der Kläger, das Gericht in die Lage zu versetzen, zu erkennen, worin die die Kläger treffende Rechtsverletzung nach deren Ansicht liegt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 1417). Das musste dem rechtskundigen Prozessbevollmächtigten der Kläger auch bekannt sein.
Soweit in diesem Vorbringen auch die Rüge eines Verfahrensmangels i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen sollte, genügt das Vorbringen nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen die Nachweise in Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 48, 49). Außerdem müsste der geltend gemachte Verfahrensmangel auch tatsächlich vorliegen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 94, m.w.N.). Wie vorstehend ausgeführt, ist das indes nicht der Fall.
Fundstellen
Haufe-Index 1498446 |
BFH/NV 2006, 1119 |