Entscheidungsstichwort (Thema)
Postulationsfähigkeit für Gegenvorstellungen
Leitsatz (NV)
- Eine Gegenvorstellung gegen eine Entscheidung des BFH kann nur dann zulässig sein, wenn sie durch eine vor dem BFH vertretungsbefugte Person erhoben wurde (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 15. Dezember 1998 I B 46/97, BFH/NV 1999, 806).
- Eine Gegenvorstellung gegen eine Entscheidung des BFH über eine Nichtzulassungsbeschwerde ist grundsätzlich nicht statthaft (Bestätigung der BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; FGO § 115
Tatbestand
I. Der Senat hat durch Beschluß vom 26. August 1997 die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) als unzulässig verworfen. Hiergegen erhob die Klägerin Gegenvorstellungen, wobei sie nicht durch einen Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater vertreten wurde. Der Senat verwarf diese Gegenvorstellungen als unzulässig, da die Klägerin vor dem Bundesfinanzhof (BFH) nicht postulationsfähig sei (Beschluß vom 15. Dezember 1998 I B 46/97, BFH/NV 1999, 806).
Mit Schriftsatz vom 29. Juni 1999 erhob die Klägerin erneut Gegenvorstellungen, mit denen sie sich gegen die vorgenannten Beschlüsse des Senats wendet. Zur Begründung macht sie zum einen geltend, das mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtene Urteil des FG sei ein offensichtliches Fehlurteil, das zu einer maßlosen Steuerübererhebung und in der Folge zu einer Vernichtung ihrer --der Klägerin-- Existenz geführt habe. Zum anderen sei der Senat in seiner Entscheidung über die ersten Gegenvorstellungen zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Regelungen zur Postulationsfähigkeit vor dem BFH auch für Gegenvorstellungen gälten. In der Literatur zum Zivilprozeßrecht sei anerkannt, daß Gegenvorstellungen nicht dem Anwaltszwang unterlägen. Über diese Gegenvorstellungen ist nunmehr zu entscheiden.
Entscheidungsgründe
II. Die Gegenvorstellungen der Klägerin sind unzulässig, da sie nicht durch eine vor dem BFH postulationsfähige Person erhoben worden sind:
1. Der Senat hat in seinem Beschluß in BFH/NV 1999, 806 dargelegt, daß sich vor dem BFH jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen muß und daß dieses Erfordernis auch für die Erhebung von Gegenvorstellungen gilt. Diese Einschätzung entspricht nicht nur der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. neben den Zitaten in der vorgenannten Entscheidung z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. Juli 1997 XI S 22, 23/97, BFH/NV 1998; 63, vom 16. März 1998 XI S 4/98, BFH/NV 1998, 993; vom 14. Mai 1998 XI S 6/98, BFH/NV 1998, 1371; vom 2. Juni 1998 V B 99/97, BFH/NV 1999, 182; vom 19. August 1998 X B 84/98, BFH/NV 1999, 210; vom 27. Juni 1996 IX S 3/96, BFH/NV 1996, 926, sowie Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 62 Rz. 86, m.w.N.), sondern auch dem Text der einschlägigen gesetzlichen Regelung. Diese geht nämlich dahin, daß sich "vor dem BFH" jeder Beteiligte durch eine der im Gesetz genannten postulationsfähigen Personen vertreten lassen muß; hiernach bezieht sich der Vertretungszwang auf die gesamte Verfahrensdauer (Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 62 FGO Anm. 64), ohne daß speziell für Gegenvorstellungen eine Ausnahme angeordnet ist. Schließlich entspricht die Erstreckung des Vertretungszwangs auf Gegenvorstellungen auch dem Zweck der Regelung über die Postulationsfähigkeit, der darin liegt, den BFH von ohne hinreichende Erfolgsaussicht eingeleiteten oder nicht sachgerecht geführten Verfahren zu entlasten (vgl. BFH-Beschluß vom 16. Januar 1984 GrS 5/82, BFHE 140, 408, BStBl II 1984, 439). Vor diesem Hintergrund gibt der Vortrag der Klägerin, daß in der zivilprozessualen Literatur eine abweichende Auffassung herrschend sei, dem Senat keine Veranlassung zur Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung. Insbesondere muß in diesem Zusammenhang nicht untersucht werden, ob und ggf. welche Gründe bestehen, die angesprochene Rechtsfrage für den Bereich der Zivilgerichte anders als für das finanzgerichtliche Revisionsverfahren zu beurteilen.
2. Abgesehen davon sind die Gegenvorstellungen der Klägerin auch deshalb unzulässig, weil nach der ständigen Rechtsprechung des BFH eine formell rechtskräftige Entscheidung grundsätzlich nicht auf eine Gegenvorstellung hin aufgehoben oder geändert werden kann (z.B. BFH in BFH/NV 1998, 63 und 1371; BFH-Beschlüsse vom 17. Dezember 1997 XI S 44/97, BFH/NV 1998, 724; vom 8. Oktober 1998 IX S 8/98, BFH/NV 1999, 499). Eine mit diesem Ziel erhobene Gegenvorstellung ist mithin in der Regel nicht statthaft. Zu den formell rechtskräftigen Entscheidungen in diesem Sinne zählt namentlich der Beschluß über die Verwerfung einer Nichtzulassungsbeschwerde (BFH, a.a.O.). Eine Ausnahme von der genannten Regel gilt allenfalls dort, wo mit der Gegenvorstellung substantiiert geltend gemacht wird, daß die Entscheidung des BFH unter Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter oder auf rechtliches Gehör zustandegekommen ist (BFH in BFH/NV 1998, 63, 993 und 1371). Eine solche Gestaltung liegt indessen im Streitfall, in dem die Klägerin lediglich dem FG eine Verletzung des Rechts auf Gehör vorwirft, nicht vor. Demgemäß müßten, selbst wenn die Frage der Postulationsfähigkeit im Sinne der Klägerin zu beurteilen wäre, deren Gegenvorstellungen als unzulässig verworfen werden.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen (vgl. Senatsbeschluß in BFH/NV 1999, 806, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 422546 |
BFH/NV 2000, 206 |