Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde: Keine grundsätzliche Bedeutung bestimmter Fragen zur differenzierten Ausfuhrerstattung
Leitsatz (NV)
- Im Falle einer nach differenzierten Sätzen gewährten Ausfuhrerstattung ist diese zurückzufordern, wenn sich nachträglich herausstellt, dass das betreffende Erzeugnis innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht in das vorgesehene Drittland oder eines der Drittländer eingeführt worden ist, für das die Erstattung vorgesehen war.
- Die Vorlage der Verzollungsbescheinigung reicht zum Nachweis dafür, dass die Erzeugnisse tatsächlich den Markt des Bestimmungslandes erreicht haben, nicht aus, wenn die Gesundheitsbehörden die Ware nicht freigegeben haben.
- Wird geltend gemacht, von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob die Umkehr der Beweislast nach § 11 MOG rechtmäßig sei, so gehören zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage Ausführungen, inwieweit die Vorschrift gegen höherrangiges Recht verstoßen soll.
- Es ist durch die Rechtsprechung des Senats geklärt, dass das FG auch in Streitigkeiten über die Rückforderung von Ausfuhrerstattung die Befugnis zur Schätzung hat.
Normenkette
EWGV 3665/87 Art. 16 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3, § 118 Abs. 2; MOG §§ 10-11
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) führte im Jahre 1991 Fleisch nach Ägypten aus und erhielt dafür im Wege der Vorfinanzierung einen der Ausfuhrerstattung entsprechenden Betrag. Das Fleisch hatte der Kläger an die Firma O verkauft, die den Export nach Ägypten besorgte. Die streitgegenständliche Fleischpartie (2 371 Kartons) war Teil einer Sendung von 12 727 Kartons Rindfleisch, die im Mai 1991 mit dem Seeschiff A nach Ägypten verschifft wurde. Mit Schreiben vom März 1992 reichte der Kläger das Zolldokument X vom 20. September 1991 und eine zugehörige Übersetzung ein. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt ―HZA―) sandte dem Exporteur (Firma B), der für alle Beteiligten die Einreichung der erforderlichen Dokumente vorgenommen hatte, das Dokument zurück, weil in ihm nicht die Abfertigung des Fleisches zum freien Verkehr in Ägypten durch die zuständigen Behörden (Dreierausschuss) vermerkt war. Die Firma B reichte mit Schreiben vom 21. Juli 1992 das Zolldokument erneut ein. Die ebenfalls übersandte neue Übersetzung enthielt nunmehr im Feld für die Freigabe der Erzeugnisse die Eintragung: "Die Ware wurde zum freien Verkehr abgefertigt". Das HZA ging davon aus, dass eine entsprechende Korrektur des Zolldokuments stattgefunden hatte. Es nahm eine Abfertigung der Erzeugnisse zum freien Verkehr in Ägypten an und gab die geleisteten Sicherheiten frei.
Anlässlich einer Betriebsprüfung im Hause der Firma O wurde festgestellt, dass ein Teil der Erzeugnisse in Ägypten nicht vermarktet worden sein soll. Aufgrund dieser Feststellungen und einer erneuten Prüfung des Zolldokumentes sah das HZA die Abfertigung des Fleisches zum freien Verkehr in Ägypten sowie die anschließende Vermarktung dort nicht als erwiesen an und forderte die im Vorfinanzierungswege gezahlte Ausfuhrerstattung in Höhe von … DM mit dem angefochtenen Bescheid (vom 5. Oktober 1994) zurück. Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 1998) und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte aus, das HZA habe die gewährte Ausfuhrerstattung mit Recht gemäß dem seinerzeit geltenden § 10 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) zurückgefordert, weil der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass das Erzeugnis tatsächlich den Bestimmungsmarkt des Drittlandes erreicht hat, um dort vermarktet zu werden. Die vorgelegten Zolldokumente vom 5. und 20. September 1991 sowie vom 26. August 1991 seien nur widerlegbare Indizien für den tatsächlichen Zugang der Ausfuhrware zum Markt des Drittlandes. Ihre Beweiskraft entfalle, wenn begründete Zweifel aufkämen, ob die Waren in unverändertem Zustand tatsächlich auf den Markt des Bestimmungslandes gelangt seien, um dort vermarktet zu werden. Solche Zweifel bestünden im Streitfall, wie das FG näher ausführt.
Seine Nichtzulassungsbeschwerde stützt der Kläger auf alle in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Zulassungsgründe. Er macht folgende Beschwerdegründe geltend:
Die Beweiskraft des vorgelegten Zollpapiers hänge nicht mehr davon ab, ob die Ware den Markt des Bestimmungslandes erreicht habe, um dort vermarktet zu werden.
Das FG habe den Begriff des "tatsächlich den Bestimmungsmarkt des Drittlandes erreicht, um dort vermarktet zu werden", verkannt und daher zu Unrecht angenommen, dass die Beweiskraft des Verzollungsdokumentes entfallen sei.
Der Kläger sei nicht beweispflichtig dafür, ob die von ihm gelieferten 2 371 Kartons mit Fleisch zu den angeblich vernichteten oder unter Quarantäne gestellten Kartons zählen.
Dem Kläger sei zumindest eine anteilige Ausfuhrerstattung für diejenigen Kartons zu gewähren, die nicht vernichtet worden seien; ihr prozentualer Anteil richte sich nach dem Verhältnis der von ihm gelieferten Kartons zu der Gesamtzahl der exportierten Kartons.
Sollte der Senat in dem Revisionszulassungsverfahren auch die Frage prüfen, ob ein ordnungsgemäßes Verzollungsdokument vorgelegt wurde, und sollte der bisherige Tatsachen- und Rechtsvortrag in erster Instanz zur Entscheidung nicht ausreichen, so wäre im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzung des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Sollte der Senat auch die Frage der handelsüblichen Qualität der exportierten Ware prüfen, so wäre dies nach Auffassung des Klägers zu bejahen.
Das HZA hält die Nichtzulassungsbeschwerde für unzulässig.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe, soweit sie hinreichend dargelegt worden sind (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), jedenfalls nicht vorliegen.
1. Es bestehen bereits Zweifel, ob der Kläger hinsichtlich des ersten Beschwerdegrundes die grundsätzliche Bedeutung der Sache ausreichend dargelegt hat (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO), weil der Kläger insoweit keine Rechtsfrage ausdrücklich formuliert hat. Sollte seinen Ausführungen die Frage zu entnehmen sein, ob im Falle der Ausfuhrerstattung nach differenzierten Sätzen ebenso wie im Falle der Ausfuhrerstattung nach nicht differenzierten Sätzen die zusätzliche Voraussetzung, dass das Erzeugnis in ein Drittland ausgeführt wurde, nur vor der Zahlung der Erstattung geltend gemacht werden kann, so ist sie in einem Revisionsverfahren jedenfalls nicht klärungsbedürftig, weil sich ihre Beantwortung ohne weiteres aus den maßgebenden Rechtsvorschriften ergibt. Nach Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 351/1) ist nämlich die Zahlung der Erstattung von ―wie im Streitfall― je nach der Bestimmung unterschiedlichen Erstattungssätzen von den zusätzlichen Bedingungen abhängig, die in den Art. 17 bis 18 VO Nr. 3665/87 festgelegt sind. Nach Art. 17 Abs. 1 dieser Verordnung ist es erforderlich, dass das betreffende Erzeugnis in unverändertem Zustand in das Drittland oder in eines der Drittländer, für welche die Erstattung vorgesehen ist, innerhalb einer Frist von zwölf Monaten nach Annahme der Ausfuhranmeldung … eingeführt ist. Stellt sich nach Gewährung der Ausfuhrerstattung heraus, dass diese Bedingung nicht eingehalten worden ist, so ist der begünstigende Bescheid rechtswidrig und daher gemäß dem seinerzeit geltenden § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG zurückzunehmen.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat mehrfach entschieden, dass Voraussetzung für die Gewährung der differenzierten Ausfuhrerstattung der Nachweis ist, dass das Erzeugnis in das betreffende Drittland oder in eines der Drittländer eingeführt worden ist, für das die Erstattung vorgesehen war (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 13. März 1997 Rs. C-109/95, EuGHE 1997, I-1385), und dass es im Hinblick auf den Zweck des Systems der differenzierten Ausfuhrerstattung wesentlich ist, dass die durch die Gewährung einer Erstattung subventionierten Waren tatsächlich den Bestimmungsmarkt erreichen und auf diesem in den Verkehr gebracht werden (vgl. EuGH, Urteil vom 28. März 1996 Rs. C-299/94, EuGHE 1996, I-1925). Von dieser Auffassung ist der EuGH in dem von dem Kläger zitierten Urteil vom 14. Dezember 2000 Rs. C-110/99, EuGHE 2000, I-11569) nicht abgewichen. Die Ausführungen dieses Urteils zu den Voraussetzungen, unter denen Ausfuhrerstattung gewährt werden kann, beziehen sich ausdrücklich nur auf den Fall der nichtdifferenzierten Ausfuhrerstattung und nur auf die Frage, inwieweit die Zahlung der nichtdifferenzierten Ausfuhrerstattung (ausnahmsweise) von zu der Voraussetzung der Ausfuhr hinzutretenden zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht werden kann. Darum geht es im Streitfall aber nicht; hier geht es allein um die Frage, ob die Regelvoraussetzungen (Art. 16 ff. VO Nr. 3665/87) für die Gewährung der differenzierten Ausfuhrerstattung erfüllt sind.
Da auch nicht ersichtlich ist, dass das angefochtene Urteil von der zuvor zitierten Rechtsprechung des EuGH abweicht, ist der in diesem Zusammenhang weiter geltend gemachte Zulassungsgrund "Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung" ebenfalls nicht gegeben.
2. In Bezug auf den zweiten Beschwerdegrund hält der Kläger die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, "ob Rindfleisch, das in Ägypten durch die zuständige Zollverwaltung zum freien Verkehr abgefertigt wurde, jedoch unter einer Verarbeitungsauflage mit einer Aufsicht der zuständigen Gesundheitsbehörden gestellt wurde, tatsächlich den Bestimmungsmarkt Ägyptens erreicht hat, um dort vermarktet zu werden". Weiterhin meint der Kläger, dass das FG bei der Behandlung dieser Frage von der Rechtsprechung des EuGH in seinen Urteilen vom 11. Juli 1984 Rs. 89/83 (EuGHE 1984, 2815) und vom 31. März 1993 Rs. C-27/92 (EuGHE 1993,
I-1701) abgewichen sei.
Eine Zulassung der Revision zur Klärung dieser Rechtsfrage kommt jedoch nicht in Betracht, weil sie in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wäre. Denn nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) ist das Fleisch nicht nur unter die Aufsicht der zuständigen Gesundheitsbehörden gestellt worden, sondern es fehlt für die betreffenden Erzeugnisse an Unterlagen über deren endgültige Freigabe durch die ägyptischen Gesundheitsbehörden. Würde die gestellte Frage auf diesen Tatbestand erweitert, so bestünden unter Zugrundelegung der von dem Kläger genannten beiden EuGH-Urteile auch keine Zweifel, die in einem Revisionsverfahren zu klären wären, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der differenzierten Ausfuhrerstattung nicht erfüllt sind. Die Verzollungsbescheinigung allein reicht bei Zugrundelegung der Ausführungen dieser Urteile für den Nachweis, dass die Erzeugnisse tatsächlich den Markt des Bestimmungslandes erreicht haben, nicht aus, wenn trotz deren Vorlage erhebliche Zweifel bestehen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist (vgl. EuGH in EuGHE 1984, 2815 Rdnr. 11, und in EuGHE 1993, I-1701). Haben die Gesundheitsbehörden aber die Ware nicht freigegeben, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Erzeugnisse auf dem Markt des Bestimmungslandes in Verkehr gebracht werden können und sie damit den Markt des Bestimmungslandes erreicht haben (vgl. EuGH in EuGHE 1984, 2815 Rdnr. 18; in EuGHE 1996, I-1925 Rdnr. 28, und EuGH, Urteil vom 16. Dezember 1999
Rs. C-74/98, EuGHE 1999, I-8759 Rdnr. 28).
3. Bezüglich seines dritten Beschwerdegrundes meint der Kläger, von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob die Umkehr der Beweislast gemäß § 11 MOG überhaupt rechtmäßig sei, da der Erstattungsempfänger letzten Endes nicht "Begünstigter" sei. Eine Entscheidung dieser Frage diene außerdem der Fortbildung des Rechts sowie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
Die genannten Zulassungsgründe sind jedoch nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt. Die grundsätzliche Bedeutung ergibt sich nicht allein daraus, dass die Entscheidung der Frage für den Ausgang des Rechtsstreits erheblich sein kann und angeblich Entscheidungen zu dieser Frage bisher noch nicht ergangen sind. Da es sich bei der genannten Vorschrift um eine gesetzliche Regelung handelt, hätte der Kläger zumindest eingehend darlegen müssen, inwieweit die Vorschrift des § 11 MOG seiner Meinung nach gegen höherrangiges Recht verstoßen soll. Denn nur in diesem Fall könnte sie unrechtmäßig sein. Dazu aber führt der Kläger nichts aus.
4. Hinsichtlich seines vierten Beschwerdegrundes hält der Kläger die Frage, ob bei fehlendem Nämlichkeitsnachweis dem Erstattungsberechtigten zumindest entsprechend seinem Anteil an der Gesamtpartie eine Erstattung zu gewähren ist, für grundsätzlich bedeutsam. Darin sieht er zugleich auch eine Frage einheitlicher Rechtsanwendung, weil das HZA in anderen Fällen angeblich eine prozentuale Aufteilung vorgenommen habe.
Abgesehen von Verfahrensfragen hinsichtlich der Feststellung des Anteils des von dem Kläger ausgeführten Erzeugnisses an der Gesamtpartie läuft die Frage darauf hinaus, ob und inwieweit im Streitfall eine Schätzung in Betracht gekommen wäre, mit dem Ziel, dem Kläger wenigstens für einen verhältnismäßigen Anteil an der freigegebenen Ware die Ausfuhrerstattung zu gewähren. Diese Frage hat jedoch keine grundsätzliche Bedeutung, weil durch die Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 18. Mai 1993 VII R 44/92, BFHE 172, 190) geklärt ist, dass das FG auch in Streitigkeiten über die Rückforderung von Ausfuhrerstattung die Befugnis zur Schätzung hat. Es ist jedoch keine Frage grundsätzlicher Bedeutung, ob und inwieweit die Grundsätze dieser Rechtsprechung im Einzelfall angewendet werden.
Die Ausführungen des Klägers dazu, dass das HZA das Recht insoweit uneinheitlich anwende, reichen über die bloße Behauptung dieses Vorwurfs nicht hinaus. Im Übrigen würde ein entsprechender Vortrag aber auch nicht eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO begründen, weil der darin geregelte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, nicht aber der Herbeiführung einheitlichen Verwaltungshandelns dient.
5. Sollte der Kläger die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG (§ 76 Abs. 1 FGO) als Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) rügen wollen, weil das FG seinen Beweisangeboten zur Frage des "Freigabevermerks" auf dem Verzollungsdokument nicht gefolgt ist, wäre die Rüge unbegründet. Denn unter Zugrundelegung der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des FG (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 50, § 120 Rz. 68) kam es auf den Freigabevermerk auf den Zolldokumenten nicht an, weil die Beweiskraft der im Urteil genannten Zolldokumente wegen anderer Umstände ohnehin entfiel. Der vermeintliche Verfahrensfehler wäre also nicht entscheidungserheblich gewesen.
Fundstellen
Haufe-Index 906397 |
BFH/NV 2003, 670 |