Entscheidungsstichwort (Thema)
Sinngemäße Anwendung der AO 1977 auf Bescheide über Kindergeld; fehlerhafte Rechtsanwendung kein Revisionszulassungsgrund
Leitsatz (NV)
- Es ist nicht klärungsbedürftig, sondern ergibt sich aus dem Gesetz und der bereits vorliegenden BFH-Rechtsprechung, dass auf Bescheide über Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG die Vorschriften der AO 1977 sinngemäß anzuwenden sind.
- Mit allgemeinen Angriffen gegen die Richtigkeit des FG-Urteils wird auch nach der Neufassung des § 115 Abs. 2 FGO durch das 2. FGOÄndG in der Regel kein Zulassungsgrund dargelegt.
Normenkette
EStG § 31 S. 3, §§ 62, 70, 74 Abs. 2; AO 1977 § 155 Abs. 4, § 173 Abs. 1 Nr. 2; FGO § 115 Abs. 2
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 19.09.2003; Aktenzeichen 18 K 4329/02 Kg) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat keinen der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt.
1. Der Kläger hat sinngemäß ausgeführt, dass entgegen der Annahme des Finanzgerichts (FG) die Voraussetzungen für eine Änderung des bestandskräftigen Ablehnungsbescheides vom 6. September 2000 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) vorgelegen hätten, weil der Beklagte und Beschwerdegegner (Beklagter) bereits aufgrund des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 4. Mai 1999 C-262/96 (EuGHE I 1999, 2685) hätte erkennen müssen, dass ihm Kindergeld zu bewilligen sei. Er hat damit eine seiner Meinung nach fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG im Streitfall geltend gemacht. Er hat mit diesem Vorbringen jedoch nicht dargetan, weshalb eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) erforderlich erscheint.
2. Der Kläger hat mit seinem Vorbringen, es sei nicht gerechtfertigt, die Vorschriften der AO 1977 für die Überprüfung eines Kindergeldbescheides heranzuziehen, nicht die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO dargelegt. Vielmehr lässt sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten und ist durch die bereits vorliegende Rechtsprechung des BFH geklärt, dass sich die Überprüfung von Bescheiden über die Festsetzung von Kindergeld i.S. der §§ 62 ff. des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach den Vorschriften der AO 1977 und nicht ―wie der Kläger erstrebt― nach den Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) richtet. Denn daraus, dass das Kindergeld als Steuervergütung ausgestaltet ist (vgl. § 31 Satz 3 EStG) und für Steuervergütungen gemäß § 155 Abs. 4 AO 1977 die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sinngemäß gelten, ergibt sich die sinngemäße Anwendung der Vorschriften der AO 1977 auf die Bescheide über die Festsetzung von Kindergeld; dabei werden die Vorschriften der AO 1977 nicht durch § 70 EStG verdrängt (vgl. BFH-Urteile vom 26. Juli 2001 VI R 163/00, BFHE 196, 274, BStBl II 2002, 174; vom 23. November 2001 VI R 125/00, BFHE 197, 387, BStBl II 2002, 296; vom 25. Juli 2001 VI R 18/99, BFHE 196, 260, BStBl II 2002, 81). Soweit der Gesetzgeber eine entsprechende Anwendung von Vorschriften des SGB X für geboten erachtet hat, hat er dies ausdrücklich bestimmt (vgl. § 74 Abs. 2 EStG).
3. Der Kläger hat auch bezüglich der Frage, ob ein Bescheid, der an "Frau … " adressiert ist, dem Antragsteller wirksam bekannt gegeben worden ist, wenn dieser ein Mann ist und die Behörde den ausländischen Vornamen des Mannes irrtümlich für den Namen einer Frau gehalten hat, keine Abweichung der Vorentscheidung von der Rechtsprechung des BFH dargelegt (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Er hat aus den vom ihm zitierten Entscheidungen des BFH und aus der Vorentscheidung keine abstrakten und einander widersprechenden Rechtssätze herausgearbeitet. Vielmehr beanstandet der Kläger in Wirklichkeit die Richtigkeit der Entscheidung des FG, dass im Streitfall vom Empfängerhorizont aus betrachtet klar gewesen sei, dass der Bescheid für den Kläger bestimmt gewesen sei. Damit macht er eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG geltend. Auch nach der Neufassung der Zulassungsgründe in § 115 Abs. 2 FGO durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) soll jedoch nicht jede Vorentscheidung schon mit der Begründung revisibel sein, das FG habe falsch entschieden (vgl. BFH-Beschluss vom 15. März 2002 V B 33/01, BFH/NV 2002, 1040). Deshalb eröffnen allgemeine Angriffe gegen die Richtigkeit der Vorentscheidung die Zulassung der Revision weiterhin nicht.
4. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.
Fundstellen