Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergehen eines Beweisantrags als Verfahrensmangel
Leitsatz (NV)
Das Übergehen eines entscheidungserheblichen Revisionsantrags ist auch dann ein Verfahrensmangel, wenn der Kläger das Beweisthema nicht hinreichend benennt, weil er die hierfür erforderlichen Urkunden nicht einsehen kann, die dem FG nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO, § 97 Abs. 1 AO 1977 vorgelegt werden müssen.
Normenkette
AO 1977 § 97 Abs. 1; FGO § 76 Abs. 1 S. 4
Gründe
Die Beschwerde ist begründet. Die Revision war wegen des geltend gemachten Verfahrensmangels zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat schlüssig vorgetragen, daß das Finanzgericht (FG) seiner Verpflichtung, den Sachverhalt soweit wie möglich aufzuklären, nicht nachgekommen ist.
1. Das Übergehen eines entscheidungserheblichen Beweisantrags ist ein Verfahrensmangel (vgl. u.a. Beschluß des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 31. Januar 1989 VII B 162/88, BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372, und Urteil vom 13. März 1996 II R 39/94, BFH/NV 1996, 757). Das gilt zwar dann nicht, wenn der Kläger das Beweisthema nicht hinreichend benennt (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 120 Anm. 40); einem unsubstantiierten Beweisantrag muß das FG nicht nachgehen (BFH-Urteil vom 21. Juni 1988 VII R 135/85, BFHE 153, 393, BStBl II 1988, 841, und ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 76 Anm. 25, m.w.N.). Es dürfen aber an diese Benennung keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (BFH in BFH/NV 1996, 757). Das gilt insbesondere für den Fall, daß der Kläger ohne Einsichtnahme in Aufzeichnungen und Urkunden keine weitergehenden konkreten Angaben machen kann; das FG kann den Steuerpflichtigen nur im Rahmen seiner Aufklärungsmöglichkeiten zur Sachverhaltsermittlung heranziehen (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 76 FGO Rz. 2, 7 c, m.w.N.).
Davon hätte das FG im Streitfall ausgehen müssen. Der Kläger hat geltend gemacht, daß die von ihm gezahlten Schuldzinsen ausschließlich mit Schulden zusammenhingen, die seine freiberufliche Tätigkeit und seine Vermietungsobjekte beträfen. Er habe alle erforderlichen Kredite von der B-Bank erhalten. Nähere Angaben seien ihm aber wegen der mehr als 15 Jahre zurückliegenden Geschäfte nicht mehr möglich. Von der Bank habe er nur unzureichende Auskünfte und Unterlagen erhalten und befinde sich deshalb hinsichtlich einer weiteren Konkretisierung der Geschäftsvorfälle im Beweisnotstand. Er beantrage deshalb, die Kreditakte der Bank anzufordern und den Sachbearbeiter der Bank, Herrn G, als Zeugen zu vernehmen.
2. Unter diesen Umständen durfte das FG die Klage nicht ohne weitere Sachaufklärung mit dem Hinweis auf die Beweislast des Klägers für die geltend gemachten Ausgaben abweisen.
Nach § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 97 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) kann das FG die Vorlage von Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zur Einsicht und Prüfung verlangen. Ohne ein solches Auskunftsverlangen ist der Sachverhalt noch nicht hinreichend aufgeklärt (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 23. August 1994 VII R 134/92, BFH/NV 1995, 570). Erst dann, wenn das FG diese Möglichkeit erfolglos ausgeschöpft hat, darf es über die Klage nach den für die Feststellungslast geltenden Regeln entscheiden.
Nach diesen Grundsätzen hätte das FG die Kreditunterlagen von der Bank anfordern müssen. Die Verpflichtung hierzu mußte sich ihm aufgrund der Darlegung des Klägers aufdrängen.
3. Einer weiteren Begründung bedarf der Beschluß nicht (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen
Haufe-Index 302384 |
BFH/NV 1999, 1369 |