Entscheidungsstichwort (Thema)
Rüge von Verfahrensmängeln
Leitsatz (NV)
Die Rüge, das FG habe einen Vertagungsantrag ungerechtfertigt abgelehnt, entspricht den gesetzlichen Anforderungen, wenn schlüssig dargelegt wird, daß ein erheblicher Grund für die Vertagung bestanden hat. Dazu muß bezeichnet werden, daß der Beschwerdeführer oder sein Bevollmächtigter ohne Verschulden an einer sachdienlichen Vorbereitung der mündlichen Verhandlung gehindert war.
Normenkette
FGO §§ 96, 115 Abs. 2 Nr. 3, § 155; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 227 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wandte sich im Einspruchsverfahren erfolglos gegen gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Umsatzsteuerbescheide für 1984 und 1985, in denen der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) Vorsteuerbeträge von insgesamt ... DM für 1984 und von ... DM für 1985 nicht anerkannt hatte.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage in dem angefochtenen Urteil mit der Begründung ab, die Klägerin habe ihrer Beweislast für das Vorhandensein der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nicht genügt.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Vorentscheidung sei verfahrensfehlerhaft (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), weil das FG die Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) und den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe. Das FG habe unter Zeitdruck verhandelt und ihr, der Klägerin, durch die Ablehnung eines Vertagungsantrags die Möglichkeit abgeschnitten, weitere Beweismittel vorzubringen und etwaige Zeugen vernehmen zu lassen. Das FG habe eidesstattliche Versicherungen ihrer, der Klägerin, Arbeitnehmer falsch gewürdigt und die Beweislast "auf den Kopf gestellt". Es habe eine weitere Sachaufklärung, die sich ihm habe aufdrängen müssen, nicht betrieben. Es hätte die Möglichkeit untersuchen müssen, ob eine stille Gesellschaft oder eine näher bezeichnete Person als Einzelunternehmer und ein Dritter als Angestellter oder Vertreter bei den berechneten Lieferungen gehandelt hätten. Das FG habe auch die Weiterlieferung der bezogenen Waren und ihre, der Klägerin, Kontenaufstellungen als Anzeichen für die Ausführung der berechneten Lieferungen an sie, die Klägerin, nicht gewürdigt.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es führt u. a. aus, es fehle eine ordnungsgemäße Rüge des behaupteten Verfahrensmangels.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
a) Die Rüge der Klägerin, das FG habe einen Verfahrensfehler begangen, weil es ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) durch fehlerhafte Ablehnung des Antrags auf Vertagung der Verhandlung (§ 155 FGO i. V. m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --) verletzt habe (zum Anspruch auf rechtliches Gehör vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 2. März 1994 I B 219/93, BFH/NV 1994, 878), genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Klägerin hat einen Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß dargelegt. Dazu hätte sie nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht nur einen Verfahrensmangel schlüssig geltend machen, sondern auch angeben müssen, weshalb die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann.
Die Klägerin hat einen Verfahrensfehler durch nicht gerechtfertigte Ablehnung des Vertagungsantrags nicht schlüssig dargelegt, weil sie keinen erheblichen Grund für die Vertagung der Verhandlung bezeichnet (§ 227 Abs. 1 Satz 2 ZPO), insbesondere nicht angegeben hat, daß sie ohne ihr Verschulden an einer sachdienlichen Vorbereitung der Verhandlung gehindert war (vgl. § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Selbst wenn ihr Vortrag als ausreichend angesehen würde, hat sie auf Grund ihrer bloß allgemein gehaltenen Behauptungen, sie hätte noch weitere Beweismittel vorbringen und etwaige Zeugen vernehmen lassen können, kein Recht auf Vertagung der Verhandlung dargetan (vgl. dazu Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 91 FGO Tz. 1).
b) Die Beschwerde genügt den Anforderungen an die Bezeichnung des Verfahrensmangels ebenfalls nicht, soweit die Klägerin Verletzung der Amtsaufklärungspflicht (§ 76 FGO) des FG mit der Begründung rügt, das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweisantrag von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen. In dieser Hinsicht hätte die Klägerin u. a. genau angeben müssen, welche Beweise das FG habe erheben müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich aufgrund der Beweisaufnahme ergeben hätten (BFH- Beschluß vom 15. November 1995 I B 131/94, BFH/NV 1996, 285; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Anm. 65, § 120 Anm. 40, m. w. N.) und inwiefern diese Tatsachen eine Entscheidung anderen Inhalts hätten bewirken können (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Juli 1993 X B 210/92, BFH/NV 1994, 382; vom 28. März 1989 V B 90, 98/87, BFH/NV 1991, 98). Soweit die Klägerin zur "Einordnung" der Lieferer der streitbefangenen Warenbezüge Stellung nimmt, wendet sie sich gegen Schlußfolgerungen des FG in der Vorentscheidung, legt dadurch aber keine aufklärungsbedürftigen und aufklärbaren Tatsachen dar.
c) Soweit sich die Klägerin gegen die Beweiswürdigung des FG und gegen die -- zutreffende -- Anwendung der Beweislastregeln bei der Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen wendet, führt sie keine Gründe an, mit denen sie die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO erreichen kann.
2. Im übrigen ergeht die Entscheidung ohne Angabe der weiteren Begründung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs.
Fundstellen
Haufe-Index 421720 |
BFH/NV 1997, 188 |