Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtverlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung; Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs
Leitsatz (NV)
Der Verfahrensverstoß der Verletzung rechtlichen Gehörs, der damit begründet wird, daß dem Antrag auf Verlegung des festgesetzten Termins für die mündliche Verhandlung nicht stattgegeben wurde, ist im Sinne von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht schlüssig bezeichnet, wenn nicht vorgetragen wird, daß der Kläger, der sich auf die mündliche Verhandlung eingelassen hat, die Verletzung seines Rechts auf Gehör in der mündlichen Verhandlung gerügt hat.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 3 S. 3, § 155; ZPO § 295
Tatbestand
Der Vater des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) übertrug diesem im Wege der vorweg genommenen Erbfolge landwirtschaftlichen Grundbesitz, dessen Eigentümer er war.
Mit Anfechtungs- und Duldungsbescheid erklärte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) die Anfechtung der Übertragung der landwirtschaftlichen Besitzung auf den Kläger. Zur Begründung führte es aus, daß sich der Vater des Klägers mit Abgabenforderungen von ... DM Höhe in Rückstand befinde. Eine Vollstreckung in das Vermögen des Vaters des Klägers sei erfolglos geblieben, weitere Maßnahmen erschienen aussichtslos.
Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage als unbegründet ab, weil der Anfechtungs- und Duldungsbescheid gemäß § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 3 AnfG rechtmäßig sei.
Entscheidungsgründe
Die auf das Vorliegen von Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) gestützte Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig.
Der Kläger sieht u. a. einen Verfahrensmangel -- Verletzung seines Rechts auf Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) -- darin, daß das FG trotz entsprechenden Antrags den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht verlegt habe, obwohl der Kläger seinen (jetzigen) Prozeßbevollmächtigten erst eine Woche vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung mit der Prozeßvertretung betraut habe. Dem Berichterstatter sei mitgeteilt worden, daß noch eine weitere Sachaufklärung notwendig sei. Dem Prozeßbevollmächtigten hätten die Unterlagen, aus denen sich ergab, daß gegen den Vater des Klägers bisher noch nicht vollstreckt worden sei, bis zur mündlichen Verhandlung nicht vorgelegen. Insoweit sei daher kein Vortrag möglich gewesen. Bei ausreichender Vorbereitungszeit hätten diesbezügliche Ausführungen gemacht werden können, aufgrund derer das Gericht zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob das rechtliche Gehör des Klägers durch die Nichtverlegung des Termins verletzt worden ist. Denn der Kläger hat nicht vorgetragen, daß er die Verletzung seines Rechts auf Gehör vor dem FG gerügt hat. Dies wäre aber für eine schlüssige Bezeichnung des Verfahrensverstoßes nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlich gewesen, weil es sich bei der Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör um eine verzichtbare Verfahrensrüge handelt (§ 155 FGO i. V. m. § 295 der Zivilprozeßordnung). Der Kläger, der sich auf eine mündliche Verhandlung einläßt, muß daher ggf. die Verletzung seines Rechts auf Gehör grundsätzlich bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung rügen, weil sonst davon auszugehen ist, daß er auf sein Rügerecht verzichtet hat (vgl. Bundesfinanzhof -- BFH --, Urteile vom 26. Januar 1977 I R 163/74, BFHE 121, 286--289, BStBl II 1977, 348; vom 17. Oktober 1979 I R 247/78, BFHE 129, 524, BStBl II 1980, 299; vom 21. Januar 1981 II R 91/79, BFHE 132, 394, BStBl II 1981, 401; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 119 Rz. 12). Er kann die Rüge auch dadurch anbringen, daß er in der mündlichen Verhandlung einen Antrag auf Vertagung stellt (vgl. BFHE 121, 286--289, BStBl II 1977, 348). Der Nichtzulassungsbeschwerde läßt sich nicht entnehmen, daß der Kläger die Verletzung des rechtlichen Gehörs in dieser Weise vor dem FG gerügt hat. Auch aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung ergeben sich dafür keine Anhaltspunkte.
Fundstellen
Haufe-Index 420581 |
BFH/NV 1995, 903 |