Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine zulassungsfreie Revision wegen unterlassener notwendiger Beiladung
Leitsatz (NV)
1. Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung ist kein wesentlicher Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO.
2. Bei offensichtlicher Unzulässigkeit der Klage kann eine notwendige Beiladung unterbleiben.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 3, § 116
Tatbestand
Da die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für das Streitjahr 1993 keine Steuererklärungen abgegeben hatte, schätzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die Besteuerungsgrundlagen und erließ einen entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheid.
Einspruch und Klage, die die Klägerin nicht begründet hatte, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab. Es führte aus, das Vorbringen der Klägerin genüge nicht den Anforderungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen. Der Hinweis, die Steuerbescheide beruhten auf Schätzungen, die jeder Grundlage entbehrten, lasse nicht erkennen, worin im einzelnen und in welchem Umfang die Klägerin die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Steuerbescheide sehe. Auch bis zur mündlichen Verhandlung habe es die Klägerin versäumt, diesen formellen Mangel der Klage zu beheben.
Mit seiner dagegen gerichteten Revision, die das FG nicht zugelassen hat, rügt die Klägerin einen Mangel nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO, weil die notwendige Beiladung der mittlerweile ausgeschiedenen Kommanditisten unterblieben sei; sie macht ferner geltend, die Entscheidung sei nicht mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO), weil die Klage ohne Fristsetzung nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO als unzulässig verworfen worden sei. Als ungeschriebener zulassungsfreier Revisionsgrund werde schließlich im Hinblick auf § 547 der Zivilprozeßordnung (ZPO) geltend gemacht, daß die Revision ohne Zulassung immer gegeben sei, soweit das FG die Klage als unzulässig verworfen habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
1. Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Ohne vorherige Zulassung durch das FG oder den BFH ist die Revision daher nur zulässig, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens i. S. von § 116 Abs. 1 FGO gerügt werden. Ein solcher Verfahrensmangel ist nur dann schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen -- ihre Richtigkeit unterstellt -- einen der in § 116 Abs. 1 FGO genannten Mängel ergeben (Senatsbeschluß vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568).
2. Der Vortrag der Klägerin ergibt nicht schlüssig einen Verfahrensmangel i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 5 FGO.
a) Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung ist zwar ein Verfahrensmangel, der auf die Beschwerde hin zur Zulassung der Revision führt (BFH-Beschluß vom 24. Oktober 1995 III B 171/93, BFH/NV 1996, 289, m. w. N.). Damit wird jedoch nicht ein wesentlicher Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO gerügt (Senatsbeschlüsse vom 16. September 1992 IV R 138/91, BFH/NV 1993, 116, und vom 22. Juni 1995 IV R 6/95, juris). Im übrigen kann eine notwendige Beiladung nach ständiger Rechtsprechung jedoch bei offensichtlicher Unzulässigkeit der Klage unterbleiben (zuletzt Beschlüsse des BFH vom 2. März 1994 II R 55/92, BFH/NV 1994, 772, und vom 22. Mai 1995 VIII B 146/94, BFH/NV 1995, 1077). Der Senat selbst hat eine notwendige Beiladung in dem Fall für entbehrlich gehalten, daß die Klage unzulässig ist, weil der Streitgegenstand nicht gehörig bezeichnet wurde (Senatsurteil vom 20. Januar 1977 IV R 3/75, BFHE 122, 2, BStBl II 1977, 509). Der I. Senat des BFH hat diesen Mangel als einen Fall offensichtlicher Unzulässigkeit bezeichnet (BFH-Urteil vom 9. Mai 1979 I R 100/77, BFHE 128, 142, BStBl II 1979, 632).
b) Das angefochtene Urteil des FG ist im übrigen mit Gründen versehen, denn auch Ausführungen zur Abweisung einer unzulässigen Klage sind Entscheidungsgründe i. S. des § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO. Die Revision ist schließlich auch nicht im Hinblick auf § 547 ZPO zuzulassen. Danach findet im Zivilprozeß die Revision stets statt, soweit das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat. Die zulassungsfreie Revision ist in § 116 Abs. 1 FGO abschließend geregelt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 116 Rz. 1), so daß eine sinngemäße Anwendung der Regelung des § 547 ZPO ausscheidet (§ 115 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 422313 |
BFH/NV 1997, 791 |