Entscheidungsstichwort (Thema)
"Unbenannte Zuwendung" im Vollstreckungsrecht
Leitsatz (NV)
Der durch das JStG 1996 neu geschaffene Steuerbefreiungstatbestand des § 13 Abs. 1 Nr. 4 a ErbStG 1 für Zuwendungen unter Ehegatten mit Bezug auf ein Familienwohnheim hat keine Auswirkungen auf die Rechtsprechung des BFH, wonach bei einer "unbenannten Zuwendung" unter Ehegatten die objektive Unentgeltlichkeit nicht allein deswegen verneint werden kann, weil der Leistung besondere ehebezogene Motive zugrunde liegen. Daher bleibt auch die Rechtsprechung des BFH zur unentgeltlichen Zuwendung von Vermögensgegenständen i. S. des § 278 Abs. 2 AO 1977 unberührt.
Normenkette
AO 1977 § 278 Abs. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3; ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 4a
Tatbestand
Aus einer Zusammenveranlagung der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer bestehen erhebliche Steuerrückstände, die auf Antrag der Eheleute vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) durch Bescheid gemäß den §§ 268 ff. der Abgabenordnung (AO 1977) auf die Eheleute auf geteilt worden sind. Hiernach entfielen die Steuerrückstände im wesentlichen auf den Ehemann der Klägerin.
Die Klägerin hatte ein Grundstück mit Ein familienhaus zu einem Kaufpreis in Höhe von 400 000 DM erworben. Die Finanzierung erfolgte u. a. durch ein zinsloses Darlehen des X in Höhe von 152 000 DM. Dieses Darlehen wurde später durch Entnahmen des Ehemanns der Klägerin aus einer GmbH & Co. KG, deren alleiniger Kommanditist er ist, getilgt. Nachdem das FA von diesem Vorgang erfahren hatte, minderte es die Vollstreckungsbeschränkung gegenüber der Klägerin nach § 278 Abs. 2 AO 1977 um einen Betrag in Höhe von 152 000 DM, weil es in der Rückführung des Darlehens eine unentgeltliche Zuwendung des Ehemanns an seine Frau, die Klägerin, sah.
Beschwerde und Klage der Klägerin blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) beurteilte die Tilgung des von der Klägerin zur Finanzierung des erworbenen Einfamilienhauses aufgenommenen Darlehens aus dem Vermögen des Ehemanns als eine unentgeltliche, ohne Gegenleistung erbrachte Zuwendung eines Vermögensgegenstandes i. S. des § 278 Abs. 2 Satz 1 AO 1977, für den die Klägerin bis zur Höhe seines gemeinen Werts zusätzlich zu dem auf sie bereits nach § 278 Abs. 1 AO 1977 entfallenden Betrag der Aufteilung vom FA in Anspruch genommen werden könne.
Das im Zivilrecht entwickelte Rechtsinstitut der "unbenannten Zuwendung", wonach Zuwendungen unter Ehegatten regelmäßig keine Schenkungen i. S. der §§ 516 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), mithin nicht unentgeltlich, seien, weil sie zumeist der Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft dienten, könne für den Bereich der Zwangsvollstreckung zur Realisierung von Steuerforderungen und damit für die Frage der Unentgeltlichkeit i. S. des § 278 Abs. 2 AO 1977 nicht herangezogen werden. Die unbenannte Zuwendung sei im wesentlichen nur deshalb entwickelt worden, um beim Scheitern einer Ehe angemessene Ausgleichsregeln entwickeln zu können. Im Vollstreckungsrecht sei das Institut ungeeignet, denn würde in jedem Fall einer Vermögensübertragung unter Ehegatten Entgeltlichkeit angenommen, würden die Vollstreckungsvorschriften im Falle von Ehegattenschenkungen stets leerlaufen. Eine solche über den Schutzzweck von Art. 6 des Grundgesetzes hinausgehende Privilegierung von Ehegatten gegenüber nichtverheirateten Vollstreckungsschuldnern sei ungerechtfertigt und vom Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollt.
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision gegen das finanzgerichtliche Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Grundsätzliche Bedeutung habe die Frage, ob Zuwendungen unter Ehegatten unentgeltlich i. S. von § 278 Abs. 2 AO 1977 seien. Diese Frage habe Bedeutung nicht nur im vorliegenden Verfahren, sondern betreffe eine Vielzahl gleichartiger Fälle. Die Frage sei auch trotz des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. September 1994 VII R 40/93 (BFH/NV 1995, 485) noch klärungsbedürftig, denn in der Zwischenzeit habe der Gesetzgeber die geänderte Rechtsprechung des BFH, auf die sich der VII. Senat bei seiner Entscheidung im wesentlichen bezogen habe, wonach sich nämlich die Schenkungsteuerpflicht unbenannter Zuwendungen ebenso wie die sonstiger Zuwendungen nach den allgemeinen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) richte (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1994 II R 59/92, BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366), im Jahressteuergesetz 1996 (JStG 1996) vom 11. Oktober 1995 (BGBl I, 1250) korrigiert und unbenannte Zuwendungen im Zusammenhang mit einem Familienwohnheim von der Schenkungsteuerpflicht rückwirkend wieder ausgenommen. Diese grundsätzliche Wertentscheidung -- Schutz der Ehe vor Besteuerung in diesem Bereich -- sei auch bei der Auslegung anderer Steuergesetze zu berücksichtigen. Durch die Gesetzesänderung habe der Gesetzgeber nämlich auch zum Ausdruck gebracht, daß es bei Zuwendungen zwischen Ehegatten nicht nur auf die objektive Unentgeltlichkeit der Zuwendung -- so aber der BFH in BFH/NV 1995, 485 -- ankomme, sondern daß auch die subjektiven, im Eheverhältnis liegenden Motive für die Beurteilung der Zuwendung zu berücksichtigen seien.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin hinreichend dargelegt hat (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO), daß die aufgeworfene Rechtsfrage das Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt oder ob die Beschwerde nicht schon wegen nicht hinreichender Darlegung des Interesses der Allgemeinheit als unzulässig zu verwerfen wäre. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet, weil die aufgeworfene Rechtsfrage bereits durch eine Entscheidung des BFH geklärt worden ist und trotz des Vortrags der Klägerin keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (BFH-Beschluß vom 17. September 1974 VII B 112/73, BFHE 113, 409, BStBl II 1975, 196).
In seinem Urteil in BFH/NV 1995, 485 hat sich der beschließende Senat der geänderten Rechtsprechung des II. Senats zu § 7 Abs. 1 ErbStG (BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366) angeschlossen, wonach bei einer "unbenannten Zuwendung" unter Ehegatten die für eine Schenkung i. S. der §§ 516 ff. BGB erforderliche objektive Unentgeltlichkeit der Leistung nicht allein deswegen verneint werden könne, weil der "unbenannten Zuwendung" besondere ehebezogene Motive (etwa Ausgleich für geleistete Mitarbeit des bedachten Ehegatten oder dessen angemessene Beteiligung an den Früchten des ehelichen Zusammenwirkens) zugrunde lägen, und diese Rechtsprechung dann auf die Anwendung des § 278 Abs. 2 AO 1977 übertragen. Dazu hat er entschieden, daß unter der schon nach dem Wortlaut der Vorschrift maßgeblichen Unentgeltlichkeit der Zuwendung nur die objektive Unentgeltlichkeit der Zuwendung verstanden werden kann, und daß die Vorschrift keine Anhaltspunkte dafür bietet, daß die objektive Unentgeltlichkeit der Zuwendung durch die subjektiven, im Eheverhältnis liegenden Motive der Eheleute für die Zuwendung in Frage gestellt werden könnte.
Der Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung, daß nämlich bei einer unbenannten Zuwendung unter Ehegatten die objektive Unentgeltlichkeit nicht allein durch besondere ehebezogene Motive verneint werden kann, ist entgegen der Ansicht der Klägerin durch die durch das JStG 1996 in das ErbStG eingefügten Neuerungen nicht berührt worden. Zwar hat der Gesetzgeber mit § 13 Abs. 1 Nr. 4 a ErbStG (s. Art. 24 Nr. 2 JStG 1996) einen neuen Steuerbefreiungstatbestand geschaffen für Zuwendungen unter Lebenden, mit denen ein Ehegatte dem anderen Ehegatten Eigentum oder Miteigentum an einem Familienwohnheim verschafft oder den anderen Ehegatten von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung oder der Herstellung des Familienwohnheims freistellt, und damit im Ergebnis mit rückwirkender Kraft (§ 37 Abs. 12 ErbStG; s. Art. 24 Nr. 5 JStG 1996) die Rechtslage aufgrund der früheren BFH-Rechtsprechung (keine Schenkungsteuer in solchen Fällen) wiederhergestellt. Die Verwirklichung dieses Zieles gerade in Form eines Steuerbefreiungstatbestandes bestätigt aber, wie schon das FG ausgeführt hat, daß auch der Gesetzgeber von der grundsätzlichen Steuerbarkeit und Entstehung der Schenkungsteuer bei solchen Sachverhaltsgestaltungen (wie auch § 37 Abs. 12 ErbStG deutlich zeigt) und damit von der Annahme einer unentgeltlichen Zuwendung, die lediglich von der Steuer befreit ist, ausgegangen ist.
Da der Ausgangspunkt der Senatsrechtsprechung durch die Neuerungen des ErbStG durch das JStG 1996 nicht nur unberührt geblieben, sondern vom Gesetzgeber eher noch bestätigt worden ist, sieht der Senat keine Veranlassung, diese von ihm auf § 278 Abs. 2 AO 1977 übertragene Rechtsprechung einer erneuten Überprüfung zu unterziehen, zumal auch der weitere Vortrag der Klägerin (analoge Anwendung des § 176 AO 1977 auf den "Ergänzungsbescheid"; Selbstbindung der Verwaltung) nicht geeignet ist, die aufgeworfene Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren möglicherweise in einem anderen Lichte zu sehen.
Fundstellen