Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Begründung einer NZB
Leitsatz (NV)
1. Wird grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht, ist darzulegen, daß die für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage durch den Rechtsstreit überhaupt aufgeworfen wird. In jedem Fall ist innerhalb der Beschwerdefrist darzulegen, daß die für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage überhaupt für den Rechtsstreit relevant ist.
2. Wird Divergenz geltend gemacht, ist es u.a. erforderlich, daß aus der Entscheidung des FG ein diese Entscheidung tragender allgemeiner Rechtssatz herausgestellt wird, der zu einem ebenfalls die Entscheidung tragenden allgemeinen Rechtssatz in der angezogenen BFH-Entscheidung im Widerspruch steht.
3. Der Vortrag, das FG habe sich in seinem Urteil in nicht ausreichender Weise mit den verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers auseinandergesetzt, die durch Bezugnahme auf umfangreiche Schriftsätze seines Prozeßbevollmächtigten, der zwei Verfassungsbeschwerden erhoben habe, geltend gemacht worden seien, reicht nicht aus, um einen Verfahrensmangel, insbesondere den behaupteten Verstoß gegen das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, schlüssig zu ergeben. Hierzu bedarf es vielmehr der substantiierten Darlegung, aus welchen Gründen das FG gemäß Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes verpflichtet gewesen wäre, auf die in Bezug genommenen Verfassungsrügen des Klägers im einzelnen einzugehen und diese in den Urteilsgründen zu behandeln. Denn der Kläger hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, daß in den Urteilsgründen jedes Vorbringen ausdrücklich beschieden wird (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 14. September 1989 I BvR 674/89, Wertpapier- Mitteilungen 1990, 152).
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig, da ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) entspricht.
1. Soweit der Kläger grundsätzliche Bedeutung als Grund zur Zulassung der Revision geltend macht, hat der Kläger diese nicht ausreichend dargelegt. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen für eine grundsätzliche Bedeutung muß in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dazu ist es u.a. erforderlich, in der Beschwerdebegründung eine bestimmte durch den Rechtsstreit aufgeworfene Rechtsfrage hinreichend deutlich herauszustellen.
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger hat zwar die Frage nach den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 119 Abs. 3 2. Halbsatz der Abgabenordnung (AO 1977) als klärungsbedürftig herausgestellt, er hat es jedoch versäumt, einen rechtlichen Zusammenhang dieser Rechtsfrage mit dem Rechtsstreit darzustellen. Der Kläger hätte sich hierzu in der Beschwerdebegründung mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob es im Hinblick auf die Bestimmung des § 119 Abs. 4 AO 1977 im Streitfall überhaupt einer Unterschrift oder der Namenswiedergabe bedurfte. Der Kläger hat mithin nicht dargelegt - wie es zu einer ordnungsgemäßen Begründung der Beschwerde erforderlich gewesen wäre -, daß die von ihm herausgestellte Rechtsfrage durch den Rechtsstreit überhaupt aufgeworfen wird.
Der nach Ablauf der Begründungsfrist am 8. April 1991 beim BFH am 17. Juni 1991 eingegangene Schriftsatz muß unbeachtet bleiben, u.zw. auch soweit dieser Ausführungen zu der Frage enthält, ob der Steuerbescheid im Hinblick auf § 119 Abs. 4 AO 1977 einer Unterschrift bedurfte. Zwar ist es nicht schlechthin ausgeschlossen, daß nach Ablauf der Beschwerdefrist Vorgebrachtes bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde berücksichtigt wird. Da die Nichtzulassungsbeschwerde nach dem Gesetzeswortlaut in der Beschwerdefrist zu begründen ist, sind nach Ablauf der Beschwerdefrist jedoch nur noch Erläuterungen und Vervollständigungen der rechtzeitig geltend gemachten Zulassungsgründe möglich. Das setzt voraus, daß innerhalb der Beschwerdefrist den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt ist. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn - wie im Streitfall - versäumt wird darzulegen, daß die für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage überhaupt für den Rechtsstreit relevant ist.
2. Soweit der Kläger als Zulassungsgrund eine Abweichung des Urteils des Finanzgerichts (FG) von dem Urteil des BFH vom 26. September 1990 II R 99/88 (BFHE 161, 489, BStBl II 1990, 1043) geltend macht, entspricht die Begründung ebenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen. Nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO ist die Entscheidung des BFH, von der das Urteil des FG nach Auffassung des Klägers abweicht, zu bezeichnen. Dazu ist es u.a. erforderlich, daß aus der Entscheidung des FG ein diese Entscheidung tragender allgemeiner Rechtssatz herausgestellt wird, der zu einem ebenfalls die Entscheidung tragenden allgemeinen Rechtssatz in der angezogenen BFH-Entscheidung im Widerspruch steht. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger stellt zwar einen allgemeinen Rechtssatz aus der angezogenen BFH-Entscheidung heraus, stellt diesem jedoch nicht - wie es erforderlich gewesen wäre - einen aus der Entscheidung des FG abgeleiteten allgemeinen Rechtssatz gegenüber. Aus den vom Kläger in der Beschwerdefrist (Seite 10) wörtlich in Bezug genommenen Ausführungen des FG ergibt sich kein solcher allgemeiner Rechtssatz. Es handelt sich insoweit um Feststellungen und Würdigungen tatsächlicher Art.
3. Soweit der Kläger die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend macht, entspricht die Verfahrensrüge nicht den Darlegungserfordernissen des § 115 Abs. 3 Satz 3 3. Halbsatz FGO. Danach muß in der Beschwerdeschrift der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Hierzu genügt es nicht, die verletzte Rechtsnorm anzugeben; es sind vielmehr die Tatsachen zu bezeichnen, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergeben. Die als Verfahrensfehler gerügten Prozeßvorgänge sind genau und bestimmt zu umschreiben. Diesen Anforderungen genügt die geltend gemachte Verfahrensrüge des Klägers nicht.
Der Kläger macht geltend, das FG habe sich in seinem Urteil in nicht ausreichender Weise mit den verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers auseinandergesetzt, die durch Bezugnahme auf umfangreiche Schriftsätze seines Prozeßbevollmächtigten, der zwei Verfassungsbeschwerden erhoben habe, geltend gemacht worden seien. Dieser Vortrag reicht nicht aus, um einen Verfahrensmangel, insbesondere den behaupteten Verstoß gegen das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, schlüssig zu ergeben. Hierzu hätte es vielmehr der substantiierten Darlegung bedurft, aus welchen Gründen das FG gemäß Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes verpflichtet gewesen sei, auf die in Bezug genommenen Verfassungsrügen des Klägers im einzelnen einzugehen und diese in den Urteilsgründen zu behandeln. Denn der Kläger hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, daß in den Urteilsgründen jedes Vorbringen ausdrücklich beschieden wird (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 14. September 1989 1 BvR 674/89, Wertpapier-Mitteilungen 1990, 152). Der Kläger hätte auch darlegen müssen, wieso die Bezugnahme im finanzgerichtlichen Urteil auf die Entscheidung des BVerfG vom 11. Januar 1988 1 BvR 391/87 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1989, 153) sowie das BFH-Urteil vom 24. Januar 1990 II R 94/87 (BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590, 592) keine ausreichende Sachbehandlung der geltend gemachten Verfahrensrügen darstellt. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde im einzelnen festzustellen, welche wesentlichen Verfassungsrügen durch die Bezugnahme auf Entscheidungen des BVerfG und des BFH als abgehandelt angesehen werden können und welche Rügen unbeschieden geblieben sind. Aus dem Vortrag des Klägers kann jedenfalls nicht schlüssig entnommen werden, inwieweit entscheidungserhebliche Gesichtspunkte im Urteil unter Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör ganz oder teilweise unberücksichtigt gelassen wurden.
4. Dem Antrag des Klägers, das Verfahren gemäß §§ 121, 74 FGO auszusetzen, kann nicht entsprochen werden. Die vom Kläger genannten Verfassungsbeschwerdeverfahren haben für das vorliegende Verfahren keine Relevanz. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, so daß es schon deshalb auf die in der Verfassungsbeschwerde angesprochenen materiell-rechtlichen Fragen nicht ankommt. Soweit mit den Verfassungsbeschwerden geltend gemacht wird, die Entscheidung des BFH über die Nichtzulassung der Revision sei willkürlich falsch und deshalb verfassungswidrig, wirkt sich eine Entscheidung des BVerfG in den dort anhängigen Verfahren auf den hier entschiedenen Fall nicht aus. Denn die jeweiligen Beschwerdebegründungen sind nicht identisch. Im Streitfall führt die unzureichende Begründung dazu, daß die Nichtzulassungsbeschwerde - anders als in den dem BVerfG vorliegenden Fällen - als unzulässig zu verwerfen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 418922 |
BFH/NV 1994, 248 |