Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Tatbestandsberichtigung gem. § 107 FGO; offenbare Unrichtigkeit von Tenor und Entscheidungsgründen
Leitsatz (NV)
1. Die Berichtigung ist zulässig bei Fehlern, die bei der Erklärung des Entscheidungswillens, nicht bei der Bildung des Entscheidungswillens unterlaufen sind.
2. Ist aus Tatbestand und Entscheidungsgründen erkennbar, nach welchen Grundsätzen das Finanzgericht die Bemessungsgrundlage für die grunderwerbsteuerliche Gegenleistung ermitteln will, und daher offensichtlich, daß bei der Zusammenrechnung eine Position versehentlich vergessen worden ist, können Tenor und Entscheidungsgründe insoweit berichtigt werden.
Normenkette
FGO § 107
Verfahrensgang
Tatbestand
In der Hauptsache war streitig, ob der Beschwerdeführer allein das Erbbaurecht oder das Erbbaurecht an einem Grundstück zusammen mit einem noch zu errichtenden Gebäude erworben hat.
Das Finanzamt - FA - (Beschwerdegegner) lehnte einen Antrag des Beschwerdeführers auf Grunderwerbsteuerbefreiung ab, weil es in dem Erwerb des Erbbaurechts und den im Zusammenhang mit dem Erwerb abgeschlossenen Treuhand- und Bauverträgen eine einheitliche auf den Erwerb eines Erbbaurechts mit einem noch zu errichtenden Gebäude gerichtete Vereinbarung sah und erhob daher Grunderwerbsteuer aus einer Gegenleistung von . . . DM, die sich wie folgt zusammensetzte:
1. Wert der Erbbauzinsverpflichtung (... DM x 18) = ... DM
2. Herstellungskosten ... DM
3. Gebühren für Baubetreuung, (Baubetreuung, Vermietungs-
garantie und Treuhändertätigkeit) ... DM.
Die Grunderwerbsteuer betrug danach . . . DM. Mit Urteil vom 5. Dezember 1985 wies das Finanzgericht (FG) die Klage dem Grunde nach ab, weil es wie das FA die formal getrennten Vereinbarungen als eine einheitliche auf den Erwerb eines bebauten Erbbaurechts gerichtete Vereinbarung ansah. Auf Seite 9 führte es in den Entscheidungsgründen aus, eine Steuerbefreiung nach Art. 1 Nr. 1a des Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau sei nicht zu gewähren, weil der Beschwerdeführer kein unbebautes Grundstück erworben hat. ,,Besteuerungsgrundlage gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 des GrEStG ist dabei aber nur die Gegenleistung in Höhe des ,Gesamtaufwandes` für das Erbbaurecht und die Gebäudesubstanz, wie sie im Verpflichtungsgeschäft (Vetragswerk) beschrieben sind, nicht aber andere Kosten und Gebühren." Darauf folgt die Begründung für die Beurteilung des Vertragswerkes als ein einheitliches Rechtsgeschäft. Auf Seite 14 der Entscheidungsgründe heißt es dann weiter:
,,Die Klage konnte nach alledem dem Grunde nach nicht Erfolg haben. Jedoch stellen Leistungen des Klägers, die nicht den Gegenstand des der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsgeschäfts betreffen, nicht eine Gegenleistung für das Erbbaurecht dar. Daher können von den in § 4 Abs. 1 Buchst. b genannten Gebühren (Gebühren gemäß § 5 des Baubetreuungsvertrages, §§ 5, 8 des Treuhandvertrages und § 5 des Vermietungsgarantievertrages) nur die der Treuhandabwicklung (2 % der Gesamtkosten, § 5 Treuhandvertrag), das sind . . . DM, und die der wirtschaftlichen Betreuung (4 % der Gesamtkosten, § 6 Baubetreuungsvertrag), das sind . . . DM, in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden (vgl. auch Beschluß des BFH vom 18. 9. 1985 II B 24-29/85, BStBl II 1985, 627), nicht aber Finanzierungs-, Notar- und Gerichtskosten sowie Vermietungsgebühren. Die Grunderwerbsteuer ist daher auf . . . DM, das sind 7 % aus . . . DM (. . . DM Gebäudeherstellungskosten und . . . DM Gebühren), zu ermäßigen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 136 Abs. 1 FGO."
Der Tenor lautete demzufolge:
,,1. Der Grunderwerbsteuerbescheid . . . wird dahin geändert, daß die Grunderwerbsteuer nebst Zuschlägen auf . . . DM festgestellt wird. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben das Finanzamt zu 1/10 und der Kläger zu 9/10 zu tragen."
Mit Beschluß vom 16. Januar 1986 berichtigte das FG gemäß § 107 der Finanzgerichtsordnung (FGO) das Urteil wie folgt:
1. Seite 1 Tenor zu Nr. 1 Zeile 3: Der Betrag ,,. . . DM" muß richtig lauten ,,. . . DM".
2. Seite 1 Tenor zu Nr. 2: ,,Die Kosten des Verfahrens haben das Finanzamt zu 1/13 und der Kläger zu 12/13 zu tragen."
3. Seite 15 Zeile 4 bis 7: ,,Die Grunderwerbsteuer nebst Zuschlägen ist daher auf . . . DM, das sind 7 % aus . . . DM (. . . DM Gebäudeherstellungskosten, . . . DM Gebühren und . . . DM Erbbauzinsverpflichtung) zu ermäßigen."
Zur Begründung führte es aus, nach den Gründen des Urteils (Seite 9 Abs. 2) sei der Wert der Erbbauzinsverpflichtung der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen. Dementsprechend sei der Wert der Gegenleistung und die Grunderwerbsteuer entsprechend zu erhöhen und die Kostenentscheidung dementsprechend zu ändern gewesen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit der Beschwerde. Er ist der Auffassung, das Urteil enthalte zwar allgemeine Hinweise zur Bemessungsgrundlage, eine Berichtigung sei jedoch nur zulässig, wenn die Bemessungsgrundlage ziffernmäßig bestimmt wäre.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Gemäß § 107 FGO sind außer Schreibfehlern und Rechenfehlern auch ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit zu berichtigen. Die Berichtigung dient der Verwirklichung einer erkennbar gewollten Aussage und ermöglicht die Berichtigung von Fehlern, die bei der Erklärung des Entscheidungswillens, nicht bei der Bildung des Entscheidungswillens unterlaufen sind (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Oktober 1976 V B 16/76, BFHE 120, 145, BStBl II 1977, 38). Als offenbar ist anzusehen, was durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist (vgl. Entscheidungen des BFH vom 4. September 1984 VIII B 157/83, BFHE 142, 13, BStBl II 1984, 834, Der Betrieb - DB - 1984, 2602, und zu der vergleichbaren Vorschrift des § 92 der Reichsabgabenordnung - AO -, jetzt § 129 der Abgabenordnung - AO 1977 - vom 14. August 1975 IV R 150/71, BFHE 119, 201, BStBl II 1976, 764, 766, m. w. N.). Die Möglichkeit eines Rechtsirrtums schließt die Berichtigung nach § 107 FGO aus (BFH-Beschluß vom 4. September 1984 VIII B 157/83, a.a.O.; Beschluß vom 27. Februar 1970 III B 3/69, BFHE 99, 94, BStBl II 1970, 546). Die Unrichtigkeit kann sich dabei aus dem Zusammenhang des Urteils ergeben (BFH-Beschluß vom 4. September 1984 VIII B 157/83, a.a.O.; Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 8. Juli 1980 VIII ZR 176/78, BGHZ 78, 22; Urteil vom 8. März 1956 III ZR 265/54, BGHZ 20, 188, 192). Die Berichtigung kann sowohl Tenor, Rubrum wie Urteilsgründe betreffen (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung,11. Aufl., § 107 FGO Anm. 1).
Das FG hat das Urteil zu Recht berichtigt. Die Nichtberücksichtigung der Erbbauzinsverpflichtung beruht offensichtlich auf einem Versehen bei der rechnerischen Zusammenfassung der sich aus den einzelnen Vereinbarungen ergebenden Teilleistungen für den Erwerb des Grundstücks (Erbbaurecht) einschließlich des zu errichtenden Gebäudes. Aus den Entscheidungsgründen auf Seite 9 ergibt sich, daß die Vorinstanz ebenso wie das FA das Vertragswerk als einheitliches auf den Erwerb eines bebauten Grundstücks bezogenes Rechtsgeschäft beurteilte und deshalb die Gegenleistung in Höhe des Gesamtaufwandes ,,für das Erbbaurecht und die Gebäudesubstanz, wie sie im Verpflichtungsgeschäft (Vertragswerk) beschrieben sind", als grunderwerbsteuerpflichtig behandeln und lediglich die Einbeziehung anderer Kosten und Gebühren aus der Bemessungsgrundlage ausscheiden wollte. Welche Aufwendungen von den ,,anderen Kosten und Gebühren" zur grunderwerbsteuerpflichtigen Gegenleistung gehören und welche in Abweichung vom Steuerbescheid auszuscheiden haben, ergibt sich eindeutig aus den Ausführungen auf Seite 14 und 15 des Urteils; dort heißt es, von den in § 4 Abs. 1 Buchst. b genannten Gebühren könnten nur die die Treuhandabwicklung und die wirtschaftliche Betreuung betreffenden Gebühren in Höhe von . . . DM und . . . DM in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden, während Finanzierungs-, Notar- und Gerichtskosten sowie Vermietungsgebühren aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden haben. Wenn im Anschluß daran die Gesamtgegenleistung lediglich aus den verminderten Gebühren von . . . DM und den Gebäudeherstellungskosten von . . . DM zusammengesetzt wird, ist offensichtlich, daß die Nichterwähnung der Erbbauzinsverpflichtung, die zudem zu den Elementaria der Gegenleistung für das bebaute Erbbaurecht gehört, versehentlich erfolgt war. Die Möglichkeit eines Rechtsirrtums ist danach auszuschließen.
Das FG war deshalb berechtigt und verpflichtet, Entscheidungsgründe und Tenor entsprechend zu berichtigen.
Die Änderung der Kostenentscheidung im Tenor des Urteils ist lediglich Reflex der zulässigen Berichtigung der Entscheidungsgründe und des Entscheidungstenors.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Zwar ist das Berichtigungsverfahren nach § 107 FGO kostenfrei; dies gilt, wie sich aus § 135 Abs. 2 FGO ergibt, jedoch nicht für das Beschwerdeverfahren (BFH-Beschluß vom 22. Januar 1976 I B 50/75, nv., und Beschluß vom 16. Juni 1982 VII B 24/82, nv.).
Fundstellen
Haufe-Index 414603 |
BFH/NV 1987, 587 |