Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhte Absetzung nach § 14 BerlinFG bei dreijähriger Zugehörigkeit eines Pkw zum Anlagevermögen einer Berliner Betriebsstätte; Pflicht des FG zur Aufklärung des Sachverhalts; Divergenz
Leitsatz (NV)
1. Eine erhöhte Absetzung nach § 14 BerlinFG setzt nicht nur eine dreijährige Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts zu einer Berliner Betriebsstätte voraus, sondern erfordert vielmehr, dass das Wirtschaftsgut während des Dreijahreszeitraums ununterbrochen zum Anlagevermögen einer in Berlin gelegenen Betriebsstätte gehört; es darf während dieser Zeit auch nicht für eine verhältnismäßig kurze Zwischenzeit Gegenstand des Umlaufvermögens geworden sein.
2. Die schlüssige Rüge, das FG habe den Sachverhalt gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO auch ohne Beweisantritt von Amts wegen näher aufklären müssen, erfordert u.a. einen substantiierten Vortrag dazu, warum die fachkundig vertretene Klägerin nicht von sich aus entsprechende Anträge gestellt hat.
3. Eine Divergenz liegt nicht vor, wenn das FG erkennbar von den Rechtsgrundsätzen der BFH-Rechtsprechung ausgeht, diese aber - nach Auffassung der Klägerin - fehlerhaft auf die Besonderheiten des Streitfalles anwendet.
Normenkette
BerlinFG § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
FG Berlin (Urteil vom 17.03.2006; Aktenzeichen 10 K 5237/03) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die geltend gemachten Verfahrensverstöße (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen bezeichnet (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
a) Die schlüssige Rüge, das Finanzgericht (FG) habe den Sachverhalt gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen näher aufklären müssen, setzt u.a. den substantiierten Vortrag darüber voraus, aus welchen --genau bezeichneten-- Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung (Beweiserhebung) auch ohne entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen, welche (entscheidungserheblichen) Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des --ggf. auch unrichtigen-- materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und warum die fachkundig vertretene Klägerin nicht von sich aus entsprechende Anträge gestellt hat (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Januar 2006 VIII B 84/05, BFH/NV 2006, 803).
Denn ein Prozessbeteiligter kann auf die Einhaltung des § 76 FGO ausdrücklich oder durch Unterlassen der Rüge verzichten (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung). Ein Verzichtswille ist hierbei nicht erforderlich (BFH-Beschluss vom 17. September 2003 I B 18/03, BFH/NV 2004, 207).
b) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe nicht festgestellt, ob der an die Firma A Mitte 1993 zurückgegebene PKW in der verbleibenden Zeit des Drei-Jahres-Zeitraums i.S. des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Förderung der Berliner Wirtschaft (Berlinförderungsgesetz --BerlinFG--) zum Betriebsvermögen einer anderen Berliner Betriebsstätte gehört habe, hat sie nicht in hinreichender Weise dargelegt, warum sie nicht von sich aus entsprechende Beweismittel ordnungsgemäß in der mündlichen Verhandlung am 17. März 2006 angeboten hat.
Sie hat zwar im Klageschriftsatz vom 27. Mai 2003 ausgeführt, dass das Fahrzeug --nach der Erinnerung ihrer Gesellschafter-- von einer Ärztin erworben worden sei, es aber weder ihr noch ihren Prozessbevollmächtigten gelungen sei, von der Firma A den Namen und die Adresse der Käuferin zu erfahren. Die bei A beschäftigten Mitarbeiter F und E hätten darauf hingewiesen, dass der Vorgang wegen des Zeitablaufs nicht mehr so einfach nachvollziehbar sei und aufgrund einer firmeninternen Richtlinie derartige Informationen an Kunden und deren steuerliche Berater nicht herausgegeben werden dürften. Bei Auskunftsersuchen von Behörden wäre dies anders. In der mündlichen Verhandlung sind aber Anträge auf Vernehmung von Zeugen (Mitarbeiter oder Geschäftsführer der Firma A, Niederlassung …) nicht gestellt worden, obwohl diese ggf. auch dazu Auskunft hätten geben können, welches Rechtsgeschäft der Rückgabe des Fahrzeugs zugrunde lag (Wandelung gemäß § 462 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- a.F., Rückkauf gemäß § 433 BGB, Kommissionsgeschäft gemäß §§ 383 ff. des Handelsgesetzbuchs). Denn eine erhöhte Absetzung nach § 14 BerlinFG setzt nicht nur eine dreijährige Zugehörigkeit des Wirtschaftsguts zu einer Berliner Betriebsstätte voraus, sondern erfordert vielmehr, dass das Wirtschaftsgut während des Drei-Jahres-Zeitraums ununterbrochen zum Anlagevermögen einer in Berlin (West) gelegenen Betriebsstätte gehört; es darf während dieser Zeit auch nicht für eine verhältnismäßig kurze Zwischenzeit Gegenstand des Umlaufvermögens geworden sein (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1987 IV R 61/84, BFH/NV 1988, 24, m.w.N.). Für eine Zugehörigkeit des Fahrzeugs zum Umlaufvermögen der Firma A im maßgeblichen Drei-Jahres-Zeitraum sprechen aber die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 9. April 2003 (Anlage K 2 zur Klageschrift), nach denen das Fahrzeug "von der A-Geschäftsleitung im Jahr 1993 zurückgekauft und weiter veräußert" wurde, und die Feststellungen im Urteil, dass Mitte des Jahres 1993 der PKW aufgrund von Mängeln an den Lieferanten zurückgegeben und dem Gesellschafter K eine Gutschrift in Höhe von 138 500 DM erteilt wurde. Feststellungen zu einem Kommissionsgeschäft zwischen der Klägerin oder einem ihrer Gesellschafter und der Firma A sind im Urteil nicht getroffen worden. Die Klägerin hat in der Beschwerdebegründung nicht erläutert, aus welchen Gründen sie die insoweit unterlassene Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt hat bzw. nicht rügen konnte.
c) Eine Anwendung falscher Beweisregeln durch das FG hat die Klägerin nicht ordnungsgemäß dargelegt. Hätte das FG im vorliegenden Fall, wie die Klägerin meint, die Grundsätze über die Verteilung der Beweislast verkannt, läge gleichwohl kein zur Zulassung der Revision führender Verfahrensmangel vor, sondern lediglich ein materiell-rechtlicher Fehler, der die Zulassung der Revision nicht rechtfertigt (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Juli 1994 IV S 2/93, BFH/NV 1995, 118, m.w.N.).
2. Die Revision ist nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.
Die Rüge der Klägerin, das Urteil weiche von der Rechtsprechung ab, die zur Frage der Beweislast und zur Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" bei einer Steuerhinterziehung ergangen sei (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570), greift nicht.
Voraussetzung einer Divergenz ist u.a., dass das FG seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der behaupteten Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 16. April 2002 X B 140/01, BFH/NV 2002, 1046, m.w.N.). Eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen reicht nicht aus (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1046). Keine Abweichung liegt daher vor, wenn das FG erkennbar von den Rechtsgrundsätzen der BFH-Rechtsprechung ausgeht, diese aber fehlerhaft auf die Besonderheiten des Streitfalles anwendet (vgl. BFH-Beschluss vom 31. August 1995 VIII B 21/93, BFHE 178, 379, BStBl II 1995, 890, unter I. der Gründe, m.w.N.); denn nicht die Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils im Einzelfall, sondern nur die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen rechtfertigt die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 55, m.w.N.).
Im Streitfall liegt eine Divergenz nicht vor. Denn das FG hat sich im angegriffenen Urteil u.a. der Rechtsprechung des BFH (in BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570) angeschlossen und ausgeführt, dass die Finanzbehörde im finanzgerichtlichen Verfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast) für steueranspruchsbegründende Tatsachen trägt und der strafverfahrensrechtliche Grundsatz "in dubio pro reo" auch im Besteuerungs- und Finanzgerichtsverfahren zu beachten ist. Soweit das FG unter Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze eine Steuerhinterziehung bejaht hat, weil die Klägerin das Ausscheiden des 1991 angeschafften PKW aus ihrem Betriebsvermögen im Jahr 1993 und damit das Nichteinhalten der Verbleibensvoraussetzung gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BerlinFG nicht erklärt habe, könnte allenfalls ein materiell-rechtlicher Fehler vorliegen, der nicht zu einer Zulassung der Revision führen könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 1828587 |
BFH/NV 2008, 41 |