Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagebefugnis bei GbR-Beiladung
Leitsatz (NV)
- Richtet sich ein Umsatzsteuerbescheid gegen eine GbR als Steuerschuldnerin, muss eine Klage gegen diesen Bescheid grundsätzlich im Namen der Gesellschaft durch alle Gesellschafter gemeinschaftlich erhoben werden. Dies gilt auch nach der Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses.
- Bei offensichtlicher Unzulässigkeit der ‐ nur von einem Gesellschafter im eigenen Namen erhobenen ‐ Klage gegen diesen Umsatzsteuerbescheid ist der andere Gesellschafter nicht notwendig beizuladen.
Normenkette
UStG 1993 § 2 Abs. 1, § 13 Abs. 2; AO 1977 § 122 Abs. 1; FGO § 40 Abs. 2, § 60 Abs. 3; BGB §§ 705, 709 Abs. 1, §§ 714, 730 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war ebenso wie der Beigeladene im Streitjahr 1995 Gesellschafter einer GbR. Für diese Gesellschaft wurde für das Streitjahr keine Umsatzsteuererklärung abgegeben. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) schätzte deshalb die Besteuerungsgrundlagen durch Umsatzsteuerbescheid für 1995 vom 5. Februar 1998. Der Bescheid erging "für Ges. Bürgerlichen Rechts …" und wurde sowohl dem Kläger als auch dem Beigeladenen bekannt gegeben. Gegen diesen Bescheid hat (nur) der Kläger Einspruch eingelegt und nach dessen Zurückweisung durch die Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 1999 Klage erhoben. Mit der Klage, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat, macht der Kläger geltend, der Bescheid vom 5. Februar 1998 sei aufzuheben, weil er nicht wirksam bekannt gegeben worden sei. Er ―der Kläger― habe bereits 1997 das Gesellschaftsverhältnis gekündigt und sei daher nicht legitimiert, für die Gesellschaft den Bescheid entgegenzunehmen.
Das FG hat durch den angefochtenen Beschluss den Beigeladenen "als ehemaligen Gesellschafter der Gesellschaft" gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Verfahren beigeladen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Beigeladene sei zwar von dem vorliegenden Verfahren nicht betroffen, sofern es (das FG) sich bei der Entscheidung über die Klage dem Standpunkt des Klägers anschließe. Folge es jedoch dem Standpunkt des FA, wonach der Bescheid wirksam bekannt gegeben worden sei, so werde über den Bescheid auch materiell zu entscheiden sein. Diese Entscheidung könne aber gegenüber beiden ehemaligen Gesellschaftern nur einheitlich ergehen (§ 60 Abs. 3 FGO).
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II. Die gemäß § 128 FGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das FG von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften. Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO beizuladen (notwendige Beiladung).
Die Beiladung dient zum einen dem Interesse des Beizuladenden. Dieser soll durch die Beiladung die Möglichkeit erhalten, auf das Verfahren Einfluss zu nehmen, um dadurch zu verhindern, dass die Entscheidung seine Rechtsstellung nachhaltig berührt. Zum anderen soll die Beiladung der Prozessökonomie und der Rechtssicherheit dienen; sie soll widersprechende Entscheidungen über denselben Gegenstand vermeiden (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 14. Juli 1997 V B 121/96, BFH/NV 1998, 48).
2. Im Streitfall besteht die Besonderheit, dass die vom Kläger erhobene Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 1995 vom 5. Februar 1998 unzulässig ist. Dieser dem Kläger bekannt gegebene Bescheid richtet sich inhaltlich gegen die GbR, wie sich ―mit hinreichender Deutlichkeit― aus dem Zusatz "für Ges. Bürgerlichen Rechts …" ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 2000 VIII R 32/99, BFH/NV 2001, 178; BFH-Beschluss vom 10. April 2001 V B 116/00, BFH/NV 2001, 1220). Diese inhaltliche Adressierung entspricht der Eigenschaft der Gesellschaft als Schuldnerin der Umsatzsteuer gemäß § 13 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993.
Richtet sich ein Umsatzsteuerbescheid gegen eine GbR als Steuerschuldnerin, so ist grundsätzlich auch nur diese ―und nicht ein Gesellschafter― einspruchsbefugt. Diesem Grundsatz entsprechend muss eine Klage im Namen der Gesellschaft nach § 709 Abs. 1, § 714 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch alle Gesellschafter gemeinschaftlich erhoben werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. Oktober 1991 V B 194/91, BFH/NV 1992, 402; vom 5. März 1996 XI B 154/95, BFH/NV 1996, 690; vom 6. Februar 1997 V B 156/96, BFH/NV 1997, 458). Dies gilt gemäß § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB auch nach einer Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 1994 IV B 54/93, BFH/NV 1995, 86; in BFH/NV 2001, 1220).
3. Wenngleich im Grundsatz auch bei einer unzulässigen Klage notwendig beizuladen ist, so entspricht es mittlerweile ständiger Rechtsprechung, dass eine notwendige Beiladung bei offensichtlicher Unzulässigkeit der Klage unterbleiben kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. Mai 1979 I R 100/77, BFHE 128, 142, BStBl II 1979, 632; BFH-Beschluss vom 15. Mai 1997 IV R 85/96, BFH/NV 1997, 791, m.w.N.). Dies gilt insbesondere, wenn die Klage ―wie im Streitfall― mangels Klagebefugnis zu verwerfen ist, da nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 40 Abs. 2 FGO der Kläger geltend machen muss, in seinen Rechten verletzt zu sein (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1999 I R 114/97, BFHE 188, 315, BStBl II 2000, 399, unter B. III. 2.).
Aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses ergibt sich, dass das FG das Fehlen der Klagebefugnis des Klägers offensichtlich übersehen hat.
Fundstellen
BFH/NV 2002, 370 |
HFR 2002, 122 |