Leitsatz (amtlich)
Für den Ansatz von Korrekturposten, die beim Übergang von Einnahmenüberschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zum Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG erforderlich sind, kommt es nur darauf an, ob der Gewinn vor dem Übergang zum Bestandsvergleich tatsächlich durch Gegenüberstellung der Ist-Einnahmen und der Betriebsausgaben ermittelt wurde. Es ist nicht von Bedeutung, daß der Steuerpflichtige im Jahre vor dem Übergang zu Unrecht die vereinfachte Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG beibehalten hat und ein Teil der angefallenen Betriebsausgaben der Höhe nach geschätzt werden mußte.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 3
Tatbestand
Die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) richtet sich gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer 1972, soweit sie darauf beruht, daß der Beklagte und Beschwerdegegner (FA) wegen des Übergangs der Beschwerdeführer zum Bestandsvergleich im Wirtschaftsjahr 1972/73 Gewinnkorrekturen gemäß Abschn. 19 EStR vorgenommen hat.
Dem Hauptsachenstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beschwerdeführer betreiben Landwirtschaft und Weinbau. Mit dem im Februar 1971 zugestellten Einkommensteuerbescheid für 1969 forderte das FA die Beschwerdeführer erstmals auf, ab 1. Juli 1971 Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen. Dieser Aufforderung sind die Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Der Gewinn für das Wirtschaftsjahr 1971/72 wurde vom FA wie folgt ermittelt: Der Gewinn aus Landwirtschaft wurde unter Zugrundelegung eines ha-Satzes von 650 DM geschätzt (§ 217 Abs. 2 AO). Den Gewinn aus dem Weinbaubetrieb ermittelte das FA wie in den Vorjahren dadurch, daß es die den Beschwerdeführern zugeflossenen Erträge, insbesondere Einnahmen von der Winzergenossenschaft, den z. T. ebenfalls geschätzten, z. T. aber erklärten Betriebsausgaben gegenüberstellte. Auf diese Weise ermittelte es einen Gewinn aus dem Weinbaubetrieb von 41 757 DM. Der gesamte Gewinn aus Land- und Fortswirtschaft für das Wirtschaftsjahr 1971/72 betrug 50 370 DM und wurde zur Hälfte bei der Veranlagung des Jahres 1971 zusammen mit der Hälfte des Gewinns aus dem Wirtschaftsjahr 1970/71 erfaßt. Diese Veranlagung wurde bestandskräftig.
Mit ihrer Steuererklärung für das Streitjahr 1972 legten die Beschwerdeführer eine Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1972 und einen Jahresabschluß zum 30. Juni 1973 vor. Sie ermittelten für das Wirtschaftsjahr 1972/73 einen Gewinn aus Landwirtschaft und Weinbau von insgesamt 6 773 DM. Das FA ging bei der Veranlagung für das Streitjahr von diesem erklärten Gewinn aus und rechnete wegen des Wechsels der Gewinnermittlungsart die in der Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1972 ausgewiesenen Forderungen in Höhe von 9 485,83 DM und den als Weinbestand ausgewiesenen Betrag von 30 514,50 DM dem erklärten Gewinn hinzu. Auf diese Weise errechnete das FA einen Gewinn für das Wirtschaftsjahr 1972/73 von 46 773 DM. Den auf das Streitjahr hiervon entfallenden Gewinnanteil von 23 386 DM erfaßte es zusammen mit dem Hälfteanteil des Wirtschaftsjahres 1971/72 so daß sich im Veranlagungszeitraum 1972 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft von insgesamt 48 571 DM ergaben.
Im Einspruchsverfahren, sah das FA bezüglich der Warenvorräte bei der Landwirtschaft von einer Hinzurechnung ab. Außerdem entsprch das FA dem im Einspruchsverfahren hilfsweise gestellten Antrag, die Hinzurechnungsbeträge gemäß Abschn. 19 Abs. 2 S. 2 EStR auf drei Jahre zu verteilen.
Mit der Klage haben die Beschwerdeführer beantragt, von einem Ansatz der Hinzurechnungsbeträge wegen des Wechels der Gewinnermittlungsart überhaupt abzusehen. Über diese Klage hat das FG noch nicht entschieden. Außerdem beantragten die Beschwerdeführer beim FG, die Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides auszusetzen, soweit eine höhere Steuer als 4 820 DM festgesetzt worden sei. Zur Begründung trugen sie vor, die Gewinnkorrekturen könnten nur beim Übergang von der Einnahmeüberschußrechnung zum Bestandsvergleich vorgenommen werden. Sie könnten nicht in einem späteren Jahr nachgeholt werden. Da sie vom FA aufgefordert worden seien, ab 1. Juli 1971 Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, könne kein Zweifel bestehen, daß der Gewinn von diesem Zeitpunkt an durch Bestandsvergleich zu ermitteln gewesen wäre und deshalb die Gewinnkorrekturen schon im Wirtschaftsjahr 1971/72 vorzunehmen gewesen wären. Da die entsprechenden Veranlagungen bereits rechtskräftig seien, sei eine Berichtigung nicht mehr möglich.
Das FG lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.
Mit der Beschwerde beantragen die Beschwerdeführer, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides für 1972 auszusetzen, soweit die Steuerfestsetzung 4 820 DM Einkommensteuer und 144 DM Ergänzungsabgabe übersteige. Die Beschwerdeführer tragen vor, ein Wechsel in der Gewinnermittlungsart habe weder zum 1. Juli 1971 noch zum 1. Juli 1972 vorgelegen. Für land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die nicht buchführungspflichtig seien, sei eine vom Grundsatz abweichende Gewinnermittlungsart nach Durchschnittsätzen bis 1973 in dem Gesetz über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen (GDL), und ab 1974 in § 13 a EStG vorgesehen. Die Anwendung dieser Durchschnittsätze sei jedoch beschränkt auf die eigentliche Landwirtschaft. Gewinne aus besonderen Betriebszweigen und Sonderkulturen seien gesondert zu erfassen (§ 12 Abs. 4 Nr. 3 GDL). Da bei den Betrieben, die unter das GDL fielen, keine Buchführungspflicht bestehe, könnten die Gewinne aus den besonderen Betriebszweigen nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt werden, worauf § 12 Abs. 4 Nr. 3 GDL ausdrücklich hinweise. Es müßten aber auch hier die gleichen Grundsätze gelten, wie für die Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG. Daraus folge, daß dann, wenn keine Aufzeichnungen über die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben vorlägen, der Gewinnzuschlag gemäß § 12 Abs. 4 Nr. 3 GDL nach Bestandsvergleichsgrundsätzen zu schätzen sei. Selbst wenn aber bei fehlenden Aufzeichnungen über die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben eines besonderen Betriebszweiges der Gewinnzuschlag nach § 12 Abs. 4 Nr. 3 GDL durch Einnahmeüberschußrechnung ermittelt werden könnte, sei das nicht entscheidend, weil in ihrem Fall das FA tatsächlich eine Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich durchgeführt habe.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Gemäß § 69 Abs. 2 FGO soll auf Antrag die Vollziehung eines Verwaltungsaktes, gegen den Klage erhoben wurde, vom FG ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung im Aussetzungsverfahren, neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die zumindest eine Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder eine Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen herbeiführen (vgl. Beschluß des BFH vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStB1 III 1967, 182). Nach diesem Grundsatz hat die Vorinstanz die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheides für 1972 zu Recht nicht für ernstlich zweifelhaft gehalten. Es sind auch im Beschwerdeverfahren keine Gründe zutage getreten, die gegen die Rechtmäßigkeit der wegen des Übergangs zum Bestandsvergleich vom FA angesetzten Hinzurechnungsbeträge hinsichtlich des Teilgewinns aus dem Weinbau sprechen würden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des RFH, die vom BFH übernommen wurde (vgl. BFH-Urteil vom 8. März 1956 IV 87/55 U, BFHE 63, 97, BStB1 III 1956, 235) fehlt für den Ansatz von Korrekturposten, die beim Übergang von der Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zum Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG wegen der bisher nicht erfaßten Vermögensmehrungen bzw. Vermögensminderungen an sich dem Gewinn hinzugerechnet werden bzw. ihn vermindern müssen, die sachliche Grundlage, wenn der Gewinn des Jahres vor dem Übergang zum Bestandsvergleich geschätzt worden ist. Der RFH hat betont, daß die Ermittlung des Gewinns durch griffweise Schätzung der Besteuerungsgrundlagen der Gewinnermittlung nach dem tatsächlichen Einnahmenüberschuß nicht gleichgestellt werden kann (vgl. RFH-Urteil vom 6. März 1940 VI 38/40, RStBl 1940, 423). Im Urteil vom 9. Dezember 1942 VI 339/42 (RStBl 1943, 209, 210) hat der RFH dazu ausgeführt: "Bei Vollkaufleuten, die entgegen ihrer Verpflichtung nach Handels- und Steuerrecht keine kaufmännische Buchführung führen und die entweder bisher nach dem Einnahmeüberschuß über die Ausgaben veranlagt oder frei geschätzt wurden und die nachher zur ordnungsmäßigen kaufmännischen Buchführung übergehen, liegt in tatsächlicher Beziehung ein Übergang zu einer neuen Art der Gewinnberechnung vor. Ist der Gewinn frei geschätzt oder sind - was nach der Rechtsprechung (vgl. Urteil des RFH vom 22. Oktober 1941 VI 324/41, RStBl 1941, 924) dem gleichsteht - entscheidende Besteuerungsunterlagen geschätzt, so kann allerdings die bei dem Übergang sonst gebotene Gewinnberichtigung zur Erfassung bisher unbesteuert gebliebener Geschäftsvorgänge nicht stattfinden. Es entspricht dem Wesen der Schätzung, in diesen Fällen den wahrscheinlichen wirklichen Gewinn und damit den Vermögenszuwachs zu erfassen." Diese Ausführungen des RFH widerlegen auch die Meinung der Beschwerdeführer, daß die Unzulässigkeit der Gewinnkorrekturen zum 1. Juli 1972 sich bereits aus ihrer Verpflichtung zum Vermögensvergleich im Wirtschaftsjahr 1971/72 ergäbe. Für die Frage der Notwendigkeit von Gewinnkorrekturen beim Übergang zum Bestandsvergleich ist es ohne Bedeutung, ob ein Steuerpflichtiger im Jahr vorher zu Recht oder zu Unrecht die vereinfachte Gewinnermittlung beibehalten hat. Die Richtigkeit der vorgenommenen Gewinnkorrekturen im Wirtschaftsjahr 1972/73 hängt also nur davon ab, ob die Beschwerdeführer zum 1. Juli 1972 wirklich von der Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zum Bestandsvergleich übergegangen sind, oder ob ihr Gewinn im Vorjahre durch Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ermittelt wurde.
Hinsichtlich des landwirtschaftlichen Betriebsteils sind FA und FG zutreffend davon ausgegangen, daß der Ansatz von Korrekturposten schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil im Vorjahr 1971/72 dieser Gewinn wegen der Verletzung der Buchführungspflichten voll nach Richtsätzen geschätzt worden ist. Die Streitfrage kann sich also nur bei der Ermittlung des Teilgewinns aus Weinbau im Wirtschaftsjahr 1971/72 auswirken. Hinsichtlich dieses Teilgewinns hat der Senat zunächst keine Bedenken, dem FG in der auf das BFH-Urteil vom 20. Februar 1958 IV 552, 556/54 S (BFHE 66, 341, BStB1 III 1958, 131) gestützten und durch § 12 Abs. 4 Nr. 3 GDL bestätigten Auffassung beizutreten, daß die Ermittlung des Gewinns aus dem Weinbau im Rahmen der GDL-Gewinnermittlung eines Landwirts als eine Art verselbständigte Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG anzusehen ist und deshalb die Frage der Zulässigkeit der Zu- und Abschläge beim Übergang zum Vermögensvergleich bei ihr unabhängig von der übrigen Gewinnermittlung bei der Landwirtschaft zu beurteilen ist.
Zu der Frage, ob der landwirtschaftliche Teilgewinn aus dem Weinbau im Wirtschaftsjahr 1971/72 entsprechend § 4 Abs. 3 EStG nach den Ist-Einnahmen und den tatsächlichen Ausgaben ermittelt wurde, hat das FG ausgeführt: "Der Gewinn aus dem Weinbaubetrieb wurde aber vom Finanzamt auch für das Wirtschaftsjahr 1971/72 noch nach dem Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben ermittelt. Den Einnahmen, die sich in der Hauptsache aus den Zahlungen der Winzergenossenschaft zusammensetzen, wurden Ausgaben, die zum Teil nachgewiesen, zum Teil geschätzt wurden, gegenübergestellt. Allein die Tatsache, daß ein Teil der Ausgaben geschätzt wurde, macht diese Überschußrechnung für den Weinbaubetrieb noch nicht zu einer § 4 Abs. 1 EStG gleichstehenden Schätzung." Die Richtigkeit der Auffassung des FG ergibt sich aus dem Berechnungsblatt für die gesonderte Gewinnermittlung für den Weinbau. Es handelt sich dort offensichtlich nicht um eine Gewinnermittlung nach dem Soll-Umsatz, die den vollen Gewinn einschließlich des Vermögenszuwachses durch Schätzung ermitteln wollte. Die gegenteiligen tatsächlichen Behauptungen der Beschwerdeführer werden durch dieses Berechnungsblatt, das eine Gewinnermittlung nach Ist-Einnahmen ohne Bestandsmehrungen ausweist, widerlegt. Ob die Beschwerdeführer für die erklärten Erlöse und Aufwendungen Aufzeichnungen vorgelegt haben, berührt nicht die Art dieser Gewinnermittlung und ist deshalb nicht entscheidungserheblich. Ebenso ist es - wie schon oben ausgeführt wurde - für die Frage der Zulässigkeit der Gewinnkorrekturen beim Übergang zum Bestandsvergleich zum 1. Juli 1972 ohne Bedeutung, ob zu der vorgenommenen Überschußrechnung im Wirtschaftsjahr 1971/72 noch eine Berechtigung bestand, nachdem die Beschwerdeführer in diesem Zeitraum schon buchführungspflichtig waren. Der Senat gelangt aufgrund dieser Tatsachen zu dem Ergebnis, daß hinsichtlich des Gewinns aus dem Weinbau im Wirtschaftsjahr 1971/72 der Fall der Beschwerdeführer nicht mit den in den oben angeführten RFH-Urteilen entschiedenen Fällen der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gleichgestellt werden kann.
Demnach bestehen nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel, daß das FA im Wirtschaftsjahr 1972/73 nach dem Übergang der Beschwerdeführer zum Bestandsvergleich für den gesamten Betrieb zum 1. Juli 1972 bei dem Teilgewinn aus Weinbau Zuschläge zum Gewinn i. S. des Abschn. 19 Abs. 1 EStR vornehmen konnte, weil dieser Gewinn im Wirtschaftsjahr 1971/72 und auch in den früheren Jahren nach der Überschußrechnung entsprechend § 4 Abs. 3 EStG ermittelt worden ist.
Daß die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung eine unbillige, nicht durch öffentliche Interessen gebotene Härte bedeuten würde, haben die Beschwerdeführer selbst nicht geltend gemacht. Gründe für das Vorliegen einer solchen unbilligen Härte sind auch nicht erkennbar.
Fundstellen
Haufe-Index 71118 |
BStBl II 1975, 732 |
BFHE 1976, 265 |