Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB -- grundsätzliche Bedeutung, Wahrung der Festsetzungsfrist
Leitsatz (NV)
Die Rechtsfrage, ob zur Fristwahrung i. S. des § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO 1977 der Steuerbescheid in der Weise auf den Postweg gegeben werden muß, daß eine Weiterleitung des Steuerbescheids durch die Post noch am Tag des Ablaufs der Festsetzungsfrist möglich ist, bedarf keiner Klärung durch ein Revisionsverfahren. Sie ist im Gesetz hinreichend klar geregelt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; AO 1977 § 169 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 122 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) reichte am 20. März 1989 die Umsatzsteuererklärung für 1987 ein, in der die Umsatzsteuer mit ... DM berechnet wurde. Dies führte nach Saldierung mit dem Vorauszahlungssoll 1987 zu einem Erstattungsanspruch in Höhe von ... DM.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) erteilte seine Zustimmung nach § 168 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) am selben Tag (20. März 1989).
Am 31. Dezember 1993 erließ das FA einen nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderten Bescheid, in dem es die Umsatzsteuer auf ... DM festsetzte und den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob.
Der geänderte Umsatzsteuerbescheid 1987 wurde von der zuständigen Amtsprüferin im Laufe des Vormittags des 31. Dezember 1993 persönlich der Postausgangsstelle des FA übergeben. Da das dem FA nächstgelegene Postamt am 31. Dezember 1993 um 12.00 Uhr schloß, nahm ein Bearbeiter der Postausgangsstelle des FA den frankierten Briefumschlag mit dem Umsatzsteuerbescheid 1987 der Klägerin mit auf seinen Heimweg. Gegen 12.30 Uhr warf er ihn in einen Postbriefkasten seines Heimatortes X. Der Postbriefkasten wurde am 3. Januar 1994 geleert. Der Poststempel auf dem Kuvert lautet "X, 3. 1. 94". Daneben befindet sich auf dem Kuvert noch der Poststempel (Freistempleraufdruck): "Y, 31. 12. 93".
Der geänderte Umsatzsteuerbescheid für 1987 ist der Klägerin zugegangen. Ihr Einspruch, mit dem sie Eintritt der Festsetzungsverjährung geltend machte, blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Fest setzungsfrist sei gewahrt, da der Umsatzsteuerbescheid mit dem Einwurf in den Straßenbriefkasten am 31. Dezember 1993 den Bereich des FA verlassen habe.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt die Klägerin Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und Verfahrensmangels.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätz licher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) zuzu lassen.
Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob zur Fristwahrung i. S. des § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO 1977 der Steuerbescheid in der Weise auf den Postweg gegeben werden muß, daß eine Weiterleitung des Steuerbescheids durch die Post noch am Tag des Ablaufs der Festsetzungsfrist möglich ist, bedarf keiner Klärung durch ein Revisionsverfahren. Sie ist im Gesetz hinreichend klar geregelt.
a) Nach § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO 1977 ist die Festsetzungsfrist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist der Steuerbescheid den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat. Dies ist dann der Fall, wenn die Finanzbehörde den Bescheid an die für die Übermittlung an den Steuerpflichtigen zuständige Stelle gegeben hat, also im Regelfall der Bekanntgabe nach § 122 Abs. 2 AO 1977 im Zeitpunkt der Aufgabe des Bescheids zur Post (Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 169 AO 1977 Rz. 57; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 169 AO 1977 Tz. 12 c). Die Aufgabe zur Post geschieht durch Einwerfen in einen Postbriefkasten oder durch Einlieferung bei der Postanstalt (Tipke/Kruse, a.a.O., § 122 AO 1977 Tz. 23 a).
Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des FG ist der geänderte Umsatzsteuerbescheid für 1987 am 31. Dezember 1993 von einem Bediensteten des FA in einen Postbriefkasten eingeworfen worden und hat damit den Bereich des FA verlassen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin setzt § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO 1977 nicht voraus, daß ein vom FA zur Post aufgegebener Steuerbescheid noch am selben Tag weiterbefördert werden kann. Denn anders als § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 knüpft § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO 1977 an die Aufgabe zur Post nicht die Fiktion der Bekanntgabe des Steuerbescheids, sondern die Wahrung der Festsetzungsfrist. Ist die Frist nach § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO 1977 gewahrt, so kommt es nicht mehr darauf an, wann der Steuerbescheid tatsächlich bekanntgegeben wird. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO 1977 entbindet das FA nur davon, den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Darum ist es für die Fristwahrung i. S. des § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO 1977 unerheblich, ob die Post einen Steuerbescheid noch am Tag der Aufgabe zur Post befördert (Tipke/Kruse, a.a.O., § 169 AO 1977 Tz. 12 a, 12 c).
b) Die von der Klägerin ergänzend aufgeworfene Rechtsfrage, ob ein Bescheid den Bereich des FA auch dann verlassen habe, wenn der Bedienstete des FA ihn nicht in den Briefkasten eingeworfen, sondern zu Hause aufbewahrt hätte, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärbar. Denn dieser Sachverhalt liegt der Entscheidung des FG nicht zugrunde. Der Umsatzsteuerbescheid für 1987 der Klägerin wurde noch am 31. Dezember 1993 in den Briefkasten eingeworfen.
c) Soweit die Klägerin für grundsätzlich bedeutsam hält, ob sich aus § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO 1977 die Verpflichtung ergebe, einen freigestempelten Brief gemäß den "Bedingungen zur Benutzung von Freistemplermaschinen für die Freimachung von Sendungen" nur dort einzuliefern, wo die Freimachung erfolgt ist, fehlt es am Klärungsbedarf im Streitfall.
2. Die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Insoweit genügt die Nichtzulassungsbeschwerde nicht den Begründungsanforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Wenn die Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels gestützt wird, sind die Tatsachen, die den Mangel ergeben, so vollständig anzugeben, daß es dem Revisionsgericht möglich ist, allein anhand der Beschwerdeschrift zu prüfen, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die Behauptungen zutreffen (Beschluß des Senats vom 27. Dezember 1993 V B 82/92, BFH/NV 1995, 398 unter 2.).
Die Klägerin trägt vor, das FG habe in der mündlichen Verhandlung durch seinen Vorsitzenden die Auffassung vertreten, der Einwurf des Steuerbescheids in einen Briefkasten, der ersichtlich nicht mehr an diesem Tag geleert werden würde, erfülle nicht die Voraussetzungen des § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO 1977; deshalb stelle das Urteil des FG eine für die Klägerin überraschende Entscheidung dar.
Insoweit fehlt ein weiterer erforderlicher substantiierter Vortrag. Das Vorbringen der Klägerin könnte zwar als Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs bzw. der Hinweispflicht durch den Vorsitzenden des FG-Senats verstanden werden. Die Klägerin hätte zur ordnungsgemäßen Bezeichnung des Verfahrensfehlers jedoch angeben müssen, worauf das FG hätte hinweisen müssen, welche Fragen das FG hätte stellen müssen, was darauf geantwortet worden wäre und wieso dieser Verfahrensfehler entscheidungserheblich war (Urteil des Bundes gerichtshofs vom 31. Januar 1980 IX ZR 37/79, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1980, 515; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 120 Anm. 40).
Diesbezügliche Darlegungen der Klägerin fehlen in der Beschwerdeschrift.
3. Die Entscheidung ergeht im übrigen gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe von Gründen.
Fundstellen