Leitsatz (amtlich)
Für die Aussetzung der Vollziehung eines Säumniszuschlags ist Gericht der Hauptsache der Bundesfinanzhof, wenn bei diesem das Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids (§ 211 AO) anhängig ist und die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Säumniszuschlags aus ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids abgeleitet werden, andernfalls das Finanzgericht.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3; StSäumG §§ 2, 7; AO §§ 91, 95
Tatbestand
Gegen die Klägerin ist Grunderwerbsteuer in Höhe von 3 850 DM festgesetzt worden. Die Anfechtungsklage wurde zunächst erhoben mit dem Antrag, die (zurückweisende) Einspruchsentscheidung und den Steuerbescheid aufzuheben und die volle Grunderwerbsteuer zu erlassen, in der mündlichen Verhandlung wurde der Antrag gestellt, Einspruchsentscheidungen und Steuerbescheid aufzuheben und einen Teilbetrag der Grunderwerbsteuer von 3 500 DM zu erstatten. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen, die Klägerin dagegen mit dem zuletzt gestellten Antrag Revision eingelegt. Sie hat überdies unter Bezugnahme auf § 69 FGO beantragt, „die Zwangsvollstreckung aus dem GrESt-Bescheid wegen aufgelaufener Säumniszuschläge bis zur Entscheidung über die Revision einzustellen”.
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist zulässig.
Die Auffassung des Beklagten, die Klägerin könne nicht gemäß § 69 Abs. 3 FGO das Gericht in der Hauptsache anrufen, sondern nur gemäß § 333 AO eine Entscheidung des Finanzamts (FA) herbeiführen, trifft nicht zu. Denn nach dem für die Prüfung zunächst maßgebenden Standpunkt der Klägerin geht es nicht darum, daß die Erhebung der Abgabe grundsätzlich berechtigt, die Zwangsvollstreckung im Einzelfall aber unbillig wäre (§ 333 AO); vielmehr hat die Klägerin Anfechtungsklage und Revision erhoben mit dem Ziele, daß der Steuerbescheid aufgehoben und damit jeglicher Vollstreckung – auch bezüglich der zusätzlichen Abgabe (vgl. § 69 Abs. 1 Satz 1 FGO) des Säumniszuschlags (§ 1 Abs. 1 des Steuersäumnisgesetzes – StSäumG –) – der Boden entzogen werde.
Den zur Hauptsache gestellten Anträgen nach ist anzunehmen, daß die festgesetzte (§ 211 Abs. 1 AO) und angeforderte (§ 211 Abs. 2 Nr. 2 AO) Steuer bezahlt ist. In diesem Falle würde § 7 StSäumG nicht eingreifen, wonach es eines Leistungsgebots wegen der Säumniszuschläge und Zinsen nicht bedarf, wenn sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden.
Selbst die interne Festsetzung des beizutreibenden Zuschlags ist nicht minder ein belastender Verwaltungsakt wie jede andere Festsetzung einer Abgabe; sie unterliegt daher der gerichtlichen Nachprüfung. Demnach ist es für die Zulässigkeit gerichtlicher Aussetzung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 Satz 1 FGO) unerheblich, ob der Säumniszuschlag mit der Grunderwerbsteuer von 3 850 DM beigetrieben wird, oder ob diese schon entrichtet ist und der Beitreibung des Säumniszuschlags ein selbständiges Leistungsgebot zugrunde liegt.
Der Bundesfinanzhof (BFH) ist im vorliegenden Fall Gericht der Hauptsache (§ 69 Abs. 3 Satz 1 FGO). Zwar ist ein gesondertes Verfahren über den Säumniszuschlag bei ihm nicht anhängig; auch wäre für die Aussetzung der Vollziehung des Säumniszuschlags das FG (§ 69 Abs. 3 Satz 2 FGO) jedenfalls dann zuständig, wenn ohne Angriff auf den Steuerbescheid (§ 211 AO) geltend gemacht würde, daß ein Fall der Säumnis nicht vorgelegen habe. Darum geht es hier aber nicht; vielmehr macht die Klägerin mit ihrem in der Revisionsinstanz gestellten Antrag geltend, an der Rechtmäßigkeit des Säumniszuschlags bestünden ernstliche Zweifel (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2, Abs. 2 Satz 2 FGO), weil bereits die Rechtmäßigkeit des Bescheids über die Steuer, zu der Zuschlag erhoben werden soll, ernstlich zweifelhaft sei. Damit ist aber § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2, Abs. 2 Satz 3 FGO entsprechend anzuwenden. Denn die Festsetzung des Säumniszuschlags ist auf Grund des angefochtenen Steuerbescheids ergangen.
Zwar spricht der Wortlaut des § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO nur davon, daß, wenn die Vollziehung eines angefochtenen Feststellungsbescheids oder Steuermeßbescheids ausgesetzt wird, auch die Vollziehung eines auf Grund dieser Bescheide etwa ergangenen Bescheids auszusetzen sei. Ihr liegt aber der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, daß, wenn und soweit die Rechtmäßigkeit eines Folgebescheids (oder einer von den Förmlichkeiten der Bescheiderteilung befreite Folgefestsetzung) von der Rechtmäßigkeit eines vorangegangenen Grundbescheids abhängt (vgl. – obschon hier nicht einschlägig – § 232 Abs. 2 und 3 AO, § 42 Abs. 2 und 3 FGO), aus der Aussetzung der Vollziehung des Grundbescheids (§ 69 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 FGO) auch die Konsequenz der Aussetzung des Folgebescheids gezogen werden soll, um ein weiteres Verfahren zu vermeiden, dessen Ergebnis durch die Bindung an die durch die Aussetzung gehemmte (vgl. BFH-Beschluß II B 41/67 vom 14. Mai 1968, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 92 S. 179 [185] – BFH 92, 179 [185] –, BStBl II 1968, 503) Wirksamkeit des vorangegangenen Beschlusses bereits festliegen würde.
Derart liegt es auch im Verhältnis zwischen Steuerbescheid (§ 211 AO) und Säumniszuschlag; dessen Grundlage entfällt, wenn jener rückwirkend aufgehoben wird. Dem entspricht, daß mit der Beschwerde (§ 230 Abs. 1 AO) gegen die Festsetzung eines Säumniszuschlags zu einer noch nicht unanfechtbar festgesetzten Steuer nur geltend gemacht werden kann, daß ein Fall der Säumnis nicht vorliege oder der Zuschlag aus anderen Gründen selbst bei Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung nicht erhoben werden dürfe (vgl. von Wallis in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, zu § 6 StSäumG Anm. 6), während über die Behauptung, der Säumniszuschlag sei ungerechtfertigt, weil die Steuerfestsetzung rechtswidrig sei, in diesem Falle bei der Entscheidung über den Einspruch (§ 229 Nr. 1 AO) und die weiteren Rechtsbehelfe gegen den Steuerbescheid (§ 211 AO) stillschweigend mitentschieden wird. Ein etwa ergangener selbständiger Bescheid über den Säumniszuschlag ist zurückzunehmen (§ 95 AO), wenn und soweit dem Rechtsbehelf zur Hauptsache wirksam stattgegeben worden ist.
Da der Säumniszuschlag ein „Zuschlag” zur Steuer ist, und dem Steuerpflichtigen unbenommen bleibt, trotz voller Anfechtung des Steuerbescheids nur wegen eines Teilbetrags der festgesetzten Abgabe die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen, kann die Aussetzung der Vollziehung eines Säumniszuschlags durch das Gericht, das für die Steuer Gericht der Hauptsache ist, nicht davon abhängen, ob der Steuerpflichtige auch bezüglich dieses Hauptbetrags die Aussetzung der Vollziehung beantragt und erwirkt. Voraussetzung ist nur, daß die Aussetzung der Vollziehung des Säumniszuschlags mit der Begründung begehrt wird, an der Rechtmäßigkeit des zur Hauptsache angefochtenen Verwaltungsaktes (Steuerbescheids) bestünden ernstliche Zweifel (§ 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Sätze 2 und 3 FGO).
Somit ist auf den vorliegenden Antrag der Klägerin anhand des angefochtenen Urteils und der Revisionsbegründung zu prüfen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids bestehen (BFH-Beschluß II S 3/67 vom 25. Juli 1967, BFH 89, 120, BStBl III 1967, 531); bestünden sie, wäre die Vollziehung hinsichtlich des Säumniszuschlags auszusetzen, vorausgesetzt, daß nicht wegen der beschränkten Prüfungsbefugnisse des Revisionsgerichts (§ 118 FGO) die Revision zurückgewiesen werden müßte (vgl. BFH-Beschluß II B 3/67 vom 9. Mai 1967, BFH 88, 541, BStBl III 1967, 472).
Der Antrag der Klägerin ist unbegründet.
An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids bestehen keine ernstlichen Zweifel. Die Steuer ist dem Grunde und der Höhe nach richtig festgesetzt … (wird ausgeführt).
Fundstellen
Haufe-Index 514559 |
BFHE 1972, 312 |