Entscheidungsstichwort (Thema)
Abtretung von Steuervergütungsansprüchen
Leitsatz (NV)
- Das FA braucht die Wirksamkeit der Abtretung eines Steuervergütungsanspruchs nicht zu prüfen, sondern kann, wenn ihm die Abtretung angezeigt ist, mit befreiender Wirkung an den Zessionar leisten.
- Bestreitet der Zedent im Klageverfahren gegen einen Abrechnungsbescheid die Wirksamkeit der Abtretung eines Steuervergütungsanspruchs, ist der Zessionar nicht notwendig beizuladen.
Normenkette
AO 1977 § 46 Abs. 5; FGO § 60 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über einen Abrechnungsbescheid des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ―FA―), der Vorsteuer-Vergütungsansprüche der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) als durch Überweisung getilgt ausweist.
Die Klägerin hatte nach dem seinerzeit dem FA vorgelegten Handelsregisterauszug drei Geschäftsführer, von denen jeder die Klägerin jeweils nur zusammen mit einem weiteren Geschäftsführer vertreten durfte. Am 1. Februar 2002 ging dem FA ein von zwei Geschäftsführern der Klägerin unterzeichnetes Schreiben "Betr.: Rückforderung Mehrwertsteuer" zu, wonach "GF Herr S treuhänderisch im Rahmen der Geschäftsführung entsprechende Anträge stellen und Unterschriftsvollmacht besitzt". Den von S unterzeichneten Umsatzsteuer-Voranmeldungen Dezember 2000 und März 2001, aus denen sich Vorsteuer-Vergütungsansprüche ergaben, waren Abtretungsanzeigen auf dem amtlichen Vordruck beigefügt, denen zufolge Vorsteuer-Vergütungsansprüche der Klägerin in Höhe von … DM an die S-GmbH abgetreten worden waren. Das FA überwies im April 2002 einen Betrag von … € auf das Konto der S-GmbH und erließ, nachdem die Klägerin die Unwirksamkeit der Abtretung geltend gemacht hatte, einen Abrechnungsbescheid, wonach die Überweisung des Vorsteuerbetrags mit schuldbefreiender Wirkung erfolgt sei. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und urteilte, dass die Vorsteuer-Vergütungsansprüche der Klägerin mit der Überweisung des Betrags an die S-GmbH erloschen seien, weil die Klägerin nach § 46 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977) die formgültig angezeigte Abtretung gegen sich gelten lassen müsse. Insoweit komme es hinsichtlich der seitens der Klägerin bestrittenen Vertretungsmacht des S allein darauf an, ob S berechtigt gewesen sei, für die Klägerin die Abtretungsanzeigen zu unterzeichnen und dem FA zu übermitteln; dies sei zu bejahen. Der Unterzeichnung der Abtretungsanzeigen durch S sowohl für die Klägerin als auch für die S-GmbH stehe § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nicht entgegen, denn bei der Abtretungsanzeige handele es sich um eine Willenserklärung des Steuerverfahrensrechts, deren Empfänger nicht die Gegenpartei des Abtretungsvertrags, sondern die zuständige Finanzbehörde sei. Die Berechtigung des S, die Abtretungsanzeige für die Klägerin zu unterzeichnen, habe sich aus der dem S in zulässiger Weise erteilten Spezialvollmacht vom 1. Februar 2002 ergeben. Das FA als Empfänger dieser Vollmacht habe von dem Erklärungsinhalt ausgehen dürfen, dass S für Verfahrenshandlungen betreffend Umsatzsteuer-Vergütungsansprüche eine Einzelvollmacht zur Antragstellung besitzen und berechtigt sein sollte, die dabei erforderlichen Unterschriften zu leisten. Ebenso wie zur Mitwirkung an der Abtretungsanzeige sei danach S ermächtigt gewesen, diese steuerliche Verfahrenshandlung dem FA zuzuleiten. Dem Antrag der Klägerin auf Beiladung der S-GmbH sei nicht zu entsprechen gewesen. Ein Fall notwendiger Beiladung liege nicht vor; von einer einfachen Beiladung sei abgesehen worden, weil rechtliche Interessen der S-GmbH nach den Steuergesetzen nicht berührt würden.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf sämtliche Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.
1. Für das Vorliegen der geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) fehlt jegliche schlüssige Darlegung. Die Beschwerde formuliert keine klärungsbedürftige Rechtsfrage, sondern meint, dass die Ansicht des FG, dass § 181 BGB der Unterzeichnung der Abtretungsanzeige durch S nicht entgegenstehe und dass S zur Unterzeichnung der Abtretungsanzeige durch die Vollmacht vom 1. Februar 2002 ermächtigt gewesen sei, nicht zutreffe. Damit wendet sich die Beschwerde gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann, weil damit kein Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dargetan wird (Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476, m.w.N.). An die Auslegung der Vollmacht vom 1. Februar 2002 durch das FG, wonach S ermächtigt war, die Abtretungsanzeige für die Klägerin zu unterschreiben und dem FA zu übermitteln, wäre der Senat in einem Revisionsverfahren gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO); Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze sind insoweit weder von Seiten der Beschwerde dargelegt noch ersichtlich.
2. Soweit die Beschwerde geltend macht, es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass der Vertrauensschutz gemäß § 46 Abs. 5 AO 1977 entfalle, wenn die fehlende Vertretungsberechtigung offen zu Tage liege oder wenn die Abtretung gegen ein gesetzliches Verbot verstoße, reicht der Hinweis der Beschwerde auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg zur Darlegung des Zulassungsgrundes gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO nicht aus. Das FG hat im Streitfall nicht festgestellt, dass das FA von der Unwirksamkeit der Abtretung des Vergütungsanspruchs an die S-GmbH Kenntnis gehabt habe. Das FA kannte nur die Abtretungsanzeige, wusste aber nicht, wie der Abtretungsvertrag zwischen der Klägerin und der S-GmbH zustande gekommen war und wer die Abtretung für die Klägerin erklärt hatte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats braucht das FA im Übrigen gemäß § 46 Abs. 5 AO 1977 die Wirksamkeit der Abtretung nicht zu prüfen und kann, wenn ihm die Abtretung angezeigt ist, grundsätzlich auch dann mit befreiender Wirkung an den Abtretungsempfänger leisten, wenn es positiv weiß, dass die Abtretungsanzeige nicht der vorgeschriebenen Form entspricht oder die Abtretung aus sonstigen Gründen unwirksam ist (Senatsurteile vom 6. Dezember 1988 VII R 206/83, BFHE 155, 40, BStBl II 1989, 223; vom 25. September 1990 VII R 114/89, BFHE 162, 202, BStBl II 1991, 201; vom 14. Februar 1989 VII R 55/86, BFH/NV 1989, 751).
3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegen nicht vor. Eine unterlassene Beiladung stellt nur dann einen Verfahrensmangel dar, wenn es sich um eine notwendige Beiladung (§ 60 Abs. 3 FGO) handelt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 80, 84). Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung der S-GmbH hat das FG jedoch im Streitfall zutreffend verneint. Aus der Abtretung von Steuererstattungs- bzw. -vergütungsansprüchen folgt kein rechtliches Gebot einer einheitlichen Entscheidung gegenüber den an der Abtretung Beteiligten (vgl. BFH-Beschluss vom 15. März 1990 V B 174/89, BFH/NV 1991, 246). Anders als die Beschwerde meint, darf das FG die Ablehnung einer beantragten Beiladung auch erst im Urteil aussprechen (BFH-Urteil vom 16. März 1994 II R 40/91, BFH/NV 1994, 841). Weshalb der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs es gebietet, dass diese Entscheidung vorab durch Beschluss ergeht, ist nicht ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 1528714 |
BFH/NV 2006, 1442 |