Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassene Beweiserhebung. Verletzung rechtlichen Gehörs. unzutreffende Beweiswürdigung als materieller Rechtsverstoß
Leitsatz (NV)
1. Das FG ist nicht gehalten, dem Kläger mitzuteilen, welche Tatsachen die nach §71 Abs. 2 FGO vorgelegten Steuerakten enthalten und wie es diese zu verwerten gedenkt. Der Kläger hat die Möglichkeit, sich rechtliches Gehör dadurch zu verschaffen, daß er nach §78 Abs. 1 FGO Akteneinsicht nimmt.
2. Verstöße gegen die Grundsätze der Beweiswürdigung gehören dem materiellen Recht an und rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 2; ZPO § 295; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3, § 78 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 71 Abs. 1
Gründe
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) vorgebrachte Rüge, das Finanzgericht (FG) sei verpflichtet gewesen, die beantragte Vernehmung der Zeugin B über die fristgerechte Fax-Aufgabe des Einspruchsschreibens vorzunehmen, ist nicht schlüssig. Aus der maßgeblichen Sicht des FG (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 10. Mai 1990 V R 17/85, BFH/NV 1991, 201) war die von der Zeugin zu bekundende Tatsache nicht entscheidungserheblich. Das FG hat seine klageabweisende Entscheidung vorrangig darauf gestützt, der Kläger habe mit seinem am 6. Dezember 1995 eingegangenen Einspruch die mit der Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides vom 30. Oktober in Lauf gesetzte einmonatige Einspruchsfrist versäumt. Gründe für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist lägen nicht vor, da der Kläger auch die einmonatige Wiedereinsetzungsfrist des §110 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) versäumt habe; denn erst am 10./26. April 1996 sei der nach Ansicht des Klägers tatsächliche Sendetermin, der 3. Dezember 1995, genannt worden. Außerdem sei schon in dem dafür maßgebenden Einspruchsverfahren weder der Originalsendebericht vom 3. Dezember 1995 noch eine eidesstattliche Versicherung beigebracht worden, um die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags glaubhaft zu machen. Unschlüssig ist weiterhin die Rüge, das FG habe ihn, den Kläger, im Rahmen seiner Fürsorgepflicht auffordern müssen, das Sendeprotokoll vom 3. Dezember 1995 des Fax-Geräts seines Bevollmächtigten einzureichen. Wie sich aus der angefochtenen Entscheidung ergibt, lag dem FG eine Kopie dieses Protokolls vor.
Der Kläger hat auch den als Zulassungsgrund geltend gemachten Verfahrensmangel der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht entsprechend den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt. Das FG hatte den Kläger ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 3. September 1997 geladen, in der der Fax-Tagesbericht des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt -- FA --) zur Sprache kam und in Kopie überreicht wurde. Der Kläger hat die ihm damit gebotene Möglichkeit, hierzu in der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen, nicht genutzt; denn für ihn war niemand erschienen. Im übrigen hat es der Kläger unterlassen, in der Beschwerdeschrift im einzelnen substantiiert darzulegen, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte.
Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör ist auch nicht dadurch verletzt worden, daß das FG das Urteil auf Tatsachen gestützt hätte, zu denen sich der Kläger nicht äußern konnte (§96 Abs. 2 FGO). Das gilt auch für den vom FG aus den Steuerakten entnommenen und zu Lasten des Klägers verwerteten Umstand, er habe die Wiedereinsetzungsgründe im Einspruchsverfahren nicht -- wie erforderlich -- rechtzeitig glaubhaft gemacht. Das FG ist nicht gehalten, dem Kläger mitzuteilen, welche Tatsachen die nach §71 Abs. 2 FGO vorgelegten Steuerakten enthalten und wie es sie zu verwerten gedenkt; der Kläger hatte die Möglichkeit, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, indem er gemäß §78 Abs. 1 FGO Akteneinsicht genommen hätte (BFH-Urteil vom 12. August 1986 VII R 138/83, BFH/NV 1987, 219).
Soweit der Kläger rügt, das FG habe sich von der Sitzungsvertreterin über die Anzahl der im FA vorhandenen Fax-Geräte "täuschen" lassen, macht er keinen Verfahrensmangel i.S. von §115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, sondern einen Verstoß gegen Grundsätze der Beweiswürdigung geltend, die dem materiellen Recht angehören (vgl. BFH-Beschluß vom 23. August 1985 IV B 52/85, BFH/NV 1986, 739). Ein derartiger Mangel rechtfertigt, selbst wenn er vorliegen sollte, nicht die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels nach §115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 26. November 1996 (BGBl I 1996, 1810) ohne Angabe weiterer Gründe.
Fundstellen
Haufe-Index 154124 |
BFH/NV 1999, 180 |