Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertagung eines Termins zur mündlichen Verhandlung wegen Krankheit
Leitsatz (NV)
1. In der ungerechtfertigten Ablehnung der Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung kann ein Verfahrensmangel i. S. des § 119 Nr. 3 FGO liegen.
2. Ein solcher Verfahrensmangel ist nicht gegeben, wenn der Antrag auf Vertagung von einem im Klageverfahren bisher nicht aufgetretenen Dritten beim FG eingeht, der sich auf eine nicht näher bezeichnete ,,Krankheitsabwesenheit" der beiden Kläger beruft.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 3, § 142; ZPO § 114
Tatbestand
Die Antragsteller hatten wegen Einkommensteuer 1983, 1984 und 1985 beim Finanzgericht (FG) Klagen erhoben und auf mündliche Verhandlung jeweils nicht verzichtet. Das FG hatte die Antragsteller in diesen Verfahren zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 1987, 9 Uhr, mit Verfügung vom 24. August 1987 geladen. Nach den Postzustellungsurkunden wurden die Ladungen in der Weise zugestellt, daß der Postbote, da er in der Wohnung der Antragsteller niemanden antraf, das Schriftstück mit der Ladung jeweils durch Niederlegung beim Postamt E zugestellt und eine Mitteilung hierüber - wie bei gewöhnlichen Briefen üblich - in den Hausbriefkasten eingelegt hat.
Da die Antragsteller in diesen Verfahren in der mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 1987 nicht erschienen waren, wurden die Sachen ohne sie verhandelt, und es wurde nach Schließung der mündlichen Verhandlung jeweils der Beschluß verkündet, daß eine Entscheidung den Beteiligten zugestellt wird.
Das FG wies die Klagen ab. Es führte u. a. jeweils aus, daß die mündliche Verhandlung trotz Abwesenheit der Antragsteller nicht zu vertagen gewesen sei. Denn die Antragsteller hätten ihr Nichterscheinen nicht entschuldigt. Das Gericht habe nach Schluß der mündlichen Verhandlung lediglich eine Postkarte eines bisher im Klageverfahren nicht aufgetretenen W erreicht. Dessen Antrag, den Termin abzusetzen, habe das Gericht schon deshalb nicht berücksichtigen können, weil W seine Befugnis, die Antragsteller zu vertreten, nicht nachgewiesen habe. Es komme hinzu, daß die Angaben des W auch zu allgemein gehalten gewesen seien und keinen Schluß darauf zugelassen hätten, daß die Antragsteller tatsächlich aus zwingenden Gründen an der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verhindert gewesen seien. W habe lediglich ,,Krankheitsabwesenheit" der Antragsteller geltend gemacht, ,,da sich beide noch wegen auswärtiger Behandlung nach neuesten Feststellungen bis Ende Dezember in Bad . . . befinden". Dieser Mitteilung lasse sich nicht entnehmen, daß beide Antragsteller reiseunfähig seien und seit wann dies - wenn überhaupt - der Fall gewesen sei.
Gegen diese Entscheidungen legten die Antragsteller mit Schreiben vom 29. November 1987 Beschwerden wegen Nichtzulassung der Revision ein. Sie laufen beim Senat unter Az. VI B 201/87,, VI B 202/87 und VI B 203/87.
Im Streitfall geht es um die von den Antragstellern mit Schriftsatz vom 12. Dezember 1987 gestellten Anträge auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines ,,zuverlässigen Rechts-Steueranwaltes" für die vorgenannten Beschwerdeverfahren. In den Anträgen weisen die Antragsteller darauf hin, sie hätten mit den eingelegten Beschwerden gerügt, daß die beantragten mündlichen Verhandlungen ohne ihre persönliche Beteiligung durchgeführt worden seien, obwohl eine Krankheitsentschuldigung vorgelegen habe.
Im übrigen sei die Verhandlung laut Protokoll mit deutlicher Voreingenommenheit geführt worden.
Die Anträge auf PKH für die drei Beschwerdeverfahren laufen beim Senat unter Az. VI S 10/87, VI S 8/88 und VI S 9/88. Sie werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Entscheidungsgründe
Die Anträge sind unbegründet.
Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung (ZPO) über die PKH für das finanzgerichtliche Verfahren sinngemäß. Nach § 114 ZPO kann einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH gewährt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Es kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob die Antragsteller nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage sind, die Kosten der Beschwerdeverfahren VI B 201/87, VI B 202/87 und VI B 203/87 zu tragen. Ihre Anträge haben jedenfalls deshalb keinen Erfolg, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Die Antragsteller könnten mit den Beschwerdeverfahren die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nur erreichen, wenn bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung des FG auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Das Vorbringen der Antragsteller in den vorliegenden Verfahren VI S 10/87, VI S 8/88 und VI S 9/88 sowie in den Beschwerdeverfahren VI B 201/87, VI B 202/87 und VI B 203/87, es läge ein solcher Verfahrensmangel vor, bietet jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
In der ungerechtfertigten Ablehnung der Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung kann ein Verfahrensmangel in der Form der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör i. S. des § 119 Nr. 3 FGO liegen (vgl. z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 14. Oktober 1975 VII R 150/71, BFHE 117, 19, BStBl II 1976, 48, und vom 24. November 1976 II R 28/76, BFHE 121, 132, BStBl II 1977, 293). Ein Grund, den Termin zu vertagen, kann insbesondere bei Erkrankung eines Prozeßbeteiligten gegeben sein (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 91 Anm. 4). Eine Vertagung aus einem solchen Grund setzt jedoch voraus, daß der Prozeßbeteiligte die von ihm geltend gemachten Krankheitsgründe rechtzeitig beim Gericht vorbringt und glaubhaft macht.
Das FG konnte im Streitfall ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis kommen, daß die Antragsteller diese Voraussetzungen nicht erfüllt haben. Beim Gericht ging am Verhandlungstag, den 27. Oktober 1987, nicht jeweils ein Antrag der Antragsteller auf Terminsvertagung, sondern jeweils ein Antrag eines bisher nicht in den Klageverfahren aufgetretenen W ein. Dem Antrag war weder eine Vollmacht der Antragsteller beigefügt noch war aus dem Antrag zu ersehen, in welchem Rechtsverhältnis dieser sonst zu den Antragstellern steht. Der Senat tritt dem FG auch darin bei, daß aus der Angabe einer ,,Krankheitsabwesenheit" nicht zu entnehmen war, ob eine Erkrankung beider Antragsteller ihnen die Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 1987 unmöglich gemacht hat.
Im Hinblick hierauf kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Beschwerdeverfahren VI B 201/87, VI B 202/87 und VI B 203/87 eine hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. des § 142 FGO i. V. m. § 114 ZPO bieten.
Fundstellen
Haufe-Index 415871 |
BFH/NV 1989, 234 |