Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertretungszwang; Rügen nach Ablauf der Beschwerdefrist; keine Wiedereinsetzung wegen Arbeitsüberlastung
Leitsatz (NV)
1. Dem Vertretungszwang vor dem BFH wird nur durch Auftreten eines gewillkürten Bevollmächtigten genügt, der die persönlichen Voraussetzungen nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG erfüllt. Eine von einer Steuerberatungsgesellschaft eingelegte Beschwerde ist auch dann unzulässig, wenn deren gesetzlicher Vertreter diesen persönlichen Voraussetzungen genügt.
2. Prozeßhandlungen eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers, der auch Gesellschafter und/oder Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft ist, sind nur dann wirksam, wenn hinreichend deutlich gemacht wird, daß der Berater im eigenen Namen und nicht im Namen der Gesellschaft auftritt. Eine Umdeutung in eine prozessual wirksame Erklärung des Vertretungsberechtigten kommt nicht in Betracht, da nur der Inhalt einer Erklärung, nicht aber die Person des Erklärenden umdeutungsfähig ist.
3. Die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist im Gegensatz zur Begründungsfrist für die Revision nicht verlängerungsfähig. Arbeitsüberlastung stellt grundsätzlich keinen Grund zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist dar, insbesondere wenn sie weder unvorhersehbar noch, zumal bei einer Steuerberatungsgesellschaft, unabwendbar ist.
Normenkette
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; BGB § 133; FGO § 54 Abs. 2, § 56 Abs. 2, § 115 Abs. 3 S. 1, § 120 Abs. 1 S. 2; ZPO § 85 Abs. 2, § 224 Abs. 2
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und war deshalb zu verwerfen.
1. a) Vor dem Bundesfinanzhof (BFH) muß sich jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen (Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs -- BFHEntlG -- vom 8. Juli 1975, BGBl I 1975, 1861). Für den Beteiligten muß ein gewillkürter Bevollmächtigter auftreten, der die persönlichen Voraussetzungen des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG erfüllt. Eine von einer Steuerberatungsgesellschaft eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch dann, wenn eine bevollmächtigte Beratungs-GmbH durch ihren gesetzlichen Vertreter vertreten wird und dieser die persönlichen Voraussetzungen des Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG erfüllt (vgl. BFH-Beschluß vom 21. März 1995 I R 115/94, BFH/NV 1995, 916, m. umf. N.). Prozeßhandlungen eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers, der auch Gesellschafter und/oder Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft ist, sind nur dann wirksam, wenn hinreichend deutlich gemacht wird, daß der Berater im eigenen Namen und nicht im Namen der Gesellschaft auftritt (vgl. BFH-Beschluß vom 26. April 1989 I B 60/88, BFHE 157, 17, BStBl II 1989, 701; zum Ganzen ferner Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 62 FGO Rz. 76).
b) Im Streitfall ist die Nichtzulassungsbeschwerde von der X-GmbH Steuerberatungsgesellschaft als Bevollmächtigte und nicht von Wirtschaftprüfer und Steuerberater Dipl.-Kfm. Z als gewillkürtem Bevollmächtigten eingelegt worden. Die Beschwerde ist deshalb als Prozeßhandlung unwirksam (vgl. auch BFH-Beschluß vom 6. November 1991 II B 55/91, BFH/NV 1992, 765).
Ob die von einem angestellten Steuerberater/Wirtschaftsprüfer einer Beratungs- GmbH unterzeichnete Nichtzulassungsbeschwerde persönlich oder namens der Gesellschaft für einen Mandanten eingelegt worden ist, beurteilt sich nach dem Wortlaut der abgegebenen Erklärungen und gegebenenfalls nach außerhalb der Erklärung liegenden Umständen (vgl. § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -- BGB --).
Die Gesamtumstände sprechen im Streitfall für eine durch die Steuerberatungsgesellschaft eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde. Sie wurde unter dem Briefkopf dieser Gesellschaft eingelegt und in der "Wir- Form" abgefaßt. Bei einer unter der Firma einer juristischen Person abgegebenen Erklärung spricht der erste Anschein für eine Erklärung dieser Person und gegen eine persönliche Erklärung der unterzeichnenden Person. Am Ende des Deckblattes sind darüber hinaus die Gesellschafter-Geschäftsführer, zu denen auch der Unterzeichnete gehört, aufgeführt. Wird die Erklärung -- wie hier -- in der "Wir-Form" abgefaßt, so deuten diese Wortwahl und der Erklärungsinhalt zusätzlich auf eine Erklärung durch die Gesellschaft hin. Der Unterzeichnete hat zwar ohne jeden Zusatz allein unterschrieben. Damit wird indessen nicht hinreichend deutlich gemacht, daß der Unterzeichnete im eigenen Namen und nicht im Namen der Gesellschaft aufgetreten ist. Schließlich lautet auch die im finanzgerichtlichen Verfahren eingereichte Prozeßvollmacht auf die Steuerberatungsgesellschaft, vertreten durch die Geschäftsführer. Eine anders lautende Vollmacht ist für das Beschwerdeverfahren nicht eingereicht worden.
Eine Umdeutung in eine prozessual wirksame Erklärung des Vertretungsberechtigten kommt nicht in Betracht, da nur der Inhalt einer Erklärung, nicht aber die Person des Erklärenden umdeutungsfähig ist (vgl. BFH-Beschluß vom 23. November 1978 I R 56/76, BFHE 126, 366, BStBl II 1979, 173).
2. a) Darüber hinaus ist die Beschwerde auch deshalb unzulässig, weil innerhalb der Beschwerdefrist kein Zulassungsgrund entsprechend den gesetzlichen Anforderungen geltend gemacht worden ist (§ 115 Abs. 3 Satz 1 und 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --; BFH-Beschlüsse vom 27. März 1992 III B 547/90, BFHE 168, 17, BStBl II 1992, 842, 843; vom 14. März 1996 VIII R 74/95, BFH/NV 1996, 692, ständige Rechtsprechung). An der Verspätung der Begründung ändert es nichts, daß die Kläger eine Fristverlängerung beantragt und eine Begründung bis zum 30. Oktober 1996 in Aussicht gestellt haben. Die Beschwerde ist innerhalb der gesetzlichen Frist einzulegen und zu begründen. Die Frist zur Begründung der Beschwerde ist, anders als die Begründungsfrist für die Revision (vgl. § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO), nicht verlängerungsfähig (vgl. § 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 224 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --; BFH-Beschluß vom 30. Dezember 1986 VIII B 39/86, BFH/NV 1988, 711, ständige Rechtsprechung).
b) Zwar kann nach § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Ver säumung dieser Ausschlußfrist gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine solche gesetzliche Ausschlußfrist einzuhalten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12. Dezember 1995 VII B 217/95, BFH/NV 1996, 486; vom 9. Juni 1995 VII B 20/95, BFH/NV 1996, 50, 51, ständige Rechtsprechung). Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben indessen keine Gründe geltend gemacht, die ein Verschulden hinsichtlich der Fristversäumnis ausschlössen. Die fachkundig vertretenen Kläger sind in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils des Finanzgerichts auf die Frist zur Begründung der Beschwerde ausreichend und zutreffend hingewiesen worden. Gemäß § 85 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 155 FGO müssen sich die Kläger ein Verschulden ihrer Prozeßvertreterin wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (vgl. BFH-Urteil vom 16. April 1985 VIII R 26/85, BFH/NV 1985, 83, ständige Rechtsprechung). Arbeitsüberlastung ist grundsätzlich kein Wiedereinsetzungsgrund, insbesondere wenn sie nicht unvorhersehbar und unabwendbar ist und -- wie im Streitfall -- eine aus zahlreichen Fachkräften zusammengesetzte Steuerberatungsgesellschaft als Vertreterin auftritt (vgl. BFH-Beschluß vom 30. Oktober 1974 VIII R 203/73; Steuerrechtsprechung in Karteiform, Finanzgerichtsordnung, § 56, Rechtsspruch 280; Söhn in Hübsch mann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 110 AO 1977 Rz. 23, m. umf. N.). Im übrigen stellt der bloße Hinweis auf andere dringliche Terminaufträge in keiner Weise ein ausreichend substantiiertes Vorbringen für ein mangelndes Verschulden dar.
Von einer weiteren Begründung sieht der erkennende Senat nach Art. 1 Nr. 6 BFHEntlG ab.
Fundstellen
Haufe-Index 421880 |
BFH/NV 1997, 695 |