Leitsatz (amtlich)
Verpflichten die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft diese zur Übernahme von Leistungen, die an sich den Gesellschaftern zu erbringen obliegt, so liegt in der Erbringung dieser Leistungen durch die Kapitalgesellschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), eine GmbH, ist mit notariellem Vertrag vom 23. Januar 1961 gegründet worden. Gegenstand ihres Unternehmens ist nach dem Gesellschaftsvertrag die Verarbeitung aller, insbesondere neuer Baustoffe, deren Verwendung in dem Arbeitsgebiet der Steuerpflichtigen sowie die Erprobung, Erforschung und Herstellung neuer Baustoffe und ferner die Ausbildung von Arbeitern in der Verarbeitung dieser neuen Baustoffe.
In der Gesellschafterversammlung vom 3. Juli 1961 beschlossen die Gesellschafter u. a. folgendes:
"Jeder Gesellschafter ist verpflichtet, der Gesellschaft, nach Aufforderung durch die Geschäftsführung, innerhalb von acht Tagen geeignete Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen.
Für die Anzahl der zur Verfügung zu stellenden Arbeitnehmer gilt hierbei folgendes:
Gesellschafter bis 30 Mann Belegschaft stellen 1 Mann,
Gesellschafter bis 60 Mann Belegschaft stellen 2 Mann,
Gesellschafter über 60 Mann Belegschaft stellen 3 Mann."
In der Gesellschafterversammlung vom 14. Mai 1962 beschlossen die Gesellschafter, daß die Gesellschaft ihren Gesellschaftern "als Rückvergütung für abgestellte Leute" einen bestimmten Betrag je geleistete Arbeitsstunde gutzuschreiben habe. Außerdem wurde beschlossen:
"Den zur Gesellschaft abgestellten Leuten wird schriftlich bestätigt, daß sie auch bei einer Abstellung, die länger als ein Jahr dauert, entgegen den bisher geltenden gesetzlichen Vorschriften, ihre alten Rechte und Pflichten gegenüber der früheren Firma behalten werden."
Demgemäß wies die Steuerpflichtige in ihren Bilanzen zum 31. Dezember der Streitjahre 1962 bis 1966 unter "sonstige Verbindlichkeiten" Lohnausfallvergütungen für abgestellte Arbeitnehmer (in unbestrittener Höhe) aus, die der Revisionsbeklagte (das FA) nicht als gewinnmindernd anerkannte. Die teils nach erfolglosem Einspruch, teils gemäß § 45 FGO unmittelbar zum FG erhobenen Klagen blieben ohne Erfolg. Nachdem das FA nach Durchführung einer Betriebsprüfung im Jahre 1967 unter dem 2. Februar 1968 für die Streitjahre 1963 und 1964 gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO berichtigte Bescheide, für das Streitjahr 1965 einen endgültigen Steuerbescheid (§ 225 AO) erlassen hatte, beantragte die Steuerpflichtige, diese Bescheide gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Das FG führte aus:
Die streitigen Vergütungen seien mangels Begründung zivilrechtlicher Vertragsbeziehungen zwischen der Steuerpflichtigen und ihren Gesellschaftern verdeckte Gewinnausschüttungen, so wie diese in der Rechtsprechung des BFH begrifflich definiert worden seien. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, daß die an die Steuerpflichtige "abgestellten" Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis mit ihren früheren Arbeitgebern, den Gesellschaftern der Steuerpflichtigen, ausgeschieden seien und mit der Steuerpflichtigen ein neues Arbeitsverhältnis begründet hätten. Sie seien völlig in den Betrieb der Steuerpflichtigen eingegliedert und verpflichtet gewesen, deren Weisungen zu folgen. Die Steuerpflichtge habe ihnen ihre Löhne gezahlt und die Abzüge an Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen einbehalten und abgeführt. Irgendwelche Rechtsbeziehungen zwischen den "abgestellten" Arbeitnehmern und ihren früheren Arbeitgebern, auf Grund deren diese ihre Arbeitnehmer wieder hätten in ihren Betrieb zurückrufen können, hätten nicht mehr bestanden. Daran ändere auch der Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 14. Mai 1962 nichts, demzufolge die Steuerpflichtige den zu ihr "abgestellten" Arbeitnehmern ihre bisherigen Rechte habe gewährleisten sollen. Auch ein sogenanntes Leiharbeitsverhältnis, auf Grund dessen die Gesellschafter ihre Arbeitnehmer der Steuerpflichtigen leihweise überlassen hätten, habe nicht vorgelegen, da es an Rechtsbeziehungen zwischen dem Gesellschafter, der die Arbeitskräfte abgestellt habe, und den "abgestellten" Arbeitnehmern gefehlt habe.
Darüber hinaus habe der Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 3. Juli 1961 nur eine gesellschaftsrechtliche Verpflichtung der Gesellschafter der Steuerpflichtigen begründet. Auch als Vertragsangebot der Gesellschaft verstanden, das von den Gesellschaftern durch die Abstellung von Arbeitnehmern stillschweigend angenommen worden sei, könne der Beschluß (abgesehen von der Unklarheit einer solchen rechtlichen Gestaltung) nicht die Grundlage der streitigen Zahlungen sein. Die Vermittlung von Arbeitskräften sei allein Aufgabe der Bundesanstalt für Arbeitsvermittung und Arbeitslosenversicherung. Jede Arbeitsvermittlung von unzuständiger Seite sei nichtig und aus nichtigen Verträgen könnten zivilrechtliche Ansprüche nicht hergeleitet werden. Auch hätte ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter eine Vergütung für die gesetzlich verbotene Vermittlung von Arbeitskräften nicht gewährt.
Gegen die insoweit gleichlautenden Entscheidungen des FG wegen Körperschaftsteuer 1962 bis 1964, Körperschaftsteuer 1965 und Körperschaftsteuer 1966 richten sich die form- und fristgerecht eingelegten Revisionen der Steuerpflichtigen mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidungen die Veranlagung der Steuerpflichtigen für die Streitjahre entsprechend den eingereichten Erklärungen gutzuheißen. Zur Begründung läßt die Steuerpflichtige vortragen:
Die Gründung der Steuerpflichtigen habe bezweckt, die den Gesellschaftern selbst als Einzelunternehmen nicht mögliche Erprobung noch unbekannter Baustoffe durchzuführen. Mit Gesellschafterbeschluß vom 3. Juli 1961 sei daher die Abstellung der von der Steuerpflichtigen zur Durchführung der ihr übertragenen Aufgaben benötigten Arbeitskräfte durch die Gesellschafter festgelegt worden. Schon bald aber habe sich gezeigt, daß nur ein Teil der Gesellschafter dieser Verpflichtung nachgekommen sei. Deshalb sei in der Gesellschafterversammlung vom 14. Mai 1962 beschlossen worden, denjenigen Gesellschaftern, die der Steuerpflichtigen Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt hätten, in Gewinn- und in Verlustjahren eine Vergütung zu gewähren, die dem Ausgleich derjenigen Verluste habe dienen sollen, die den vertragstreuen Gesellschaftern zwangsläufig aus der Abstellung von Arbeitskräften an Umsatz und Gewinn erwachsen seien. Auf eine Auszahlung der Vergütung sei zunächst mit Rücksicht auf die Finanzlage der Steuerpflichtigen verzichtet worden. Für die Vermittlung von Arbeitskräften, wie das FG angenommen habe, sei die Vergütung dagegen nicht gezahlt worden, wenngleich die Steuerpflichtige die gleiche Vergütung auch jedem Nichtgesellschafter gezahlt haben würde, der ihr Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt hätte.
Dem FG könne auch nicht darin gefolgt werden, daß die vertragstreuen Gesellschafter insgesamt mehr als 25 v. H. des Stammkapitals vertreten und dadurch einen beherrschenden Einfluß auf die Beschlüsse der Steuerpflichtigen ausgeübt hätten. Wenn im Jahre 1962 noch 12 Gesellschafter bereit gewesen seien, Arbeitskräfte an die Steuerpflichtige abzustellen, so seien es im Jahre 1968 nur noch 7 gewesen. Indes seien auch heute noch alle Gesellschafter mit der Zahlung einer solchen Vergütung einverstanden, da die Notwendigkeit des Verlustausgleichs allseitig anerkannt werde.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revisionen werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden (§ 73 FGO). Sie sind nicht begründet.
1. Der Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung ist vom FG zutreffend in dem Sinne ausgelegt worden, wie der erkennende Senat ihn zuletzt in seinen Urteilen I R 125/67 vom 21. Januar 1970 (BFH 98, 470, BStBl II 1970, 466) und I R 12/67 vom 18. Februar 1970 (BFH 98, 538, BStBl II 1970, 526) definiert hat. Danach liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung dann vor, wenn die Gesellschaft einem oder mehreren ihrer Gesellschafter außerhalb eines gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilungsbeschlusses einen Vermögenswert zuwendet und diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat, was immer dann der Fall ist, wenn die Gesellschaft bei Anwendung derjenigen Sorgfalt, die das Gesetz in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG 1965 und § 43 Abs. 1 GmbHG einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter abverlangt, diesen Vorteil einer Person, die nicht Gesellschafter ist, nicht gewährt hätte. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt mithin nicht vor, wenn die Vorteilszuwendung ihre Ursache nicht im Gesellschaftsverhältnis hat, sondern betriebliche Gründe für sie bestimmend waren.
2. Die Rechtsgrundslage für den bilanzmäßigen Ausweis der streitigen Verbindlichkeiten bilden für die Steuerpflichtige die Gesellschafterbeschlüsse vom 3. Juli 1961 und 14. Mai 1962. Daß die Beschlüsse wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 2 GmbHG nichtig sind, ändert an ihrem gesellschaftsrechtlichen Charakter grundsätzlich nichts. Sie genügen indes, wie das FG zutreffend dargelegt hat, nicht, um die streitigen Verbindlichkeiten steuerrechtlich als gewinnmindernd anerkennen zu können.
Nach dem Gesellschafterbeschluß vom 3. Juli 1961 hatten alle Gesellschafter die gleiche Verpflichtung, der Steuerpflichtigen nach Aufforderung durch die Geschäftsführung geeignete Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen und ihr so die Durchführung der ihr im Gesellschaftsvertrag zugewiesenen Aufgaben zu ermöglichen. Die Durchführung dieser Aufgaben durch die Steuerpflichtige lag, wie die Gründung der Steuerpflichtigen und die Formulierung ihres Gesellschaftszweckes beweisen, im wohlverstandenen eigenen Interesse aller Gesellschafter. Daß nun ein Teil der Gesellschafter sich dieser Verpflichtung zur Abstellung von Arbeitskräften entzog, andererseits aber alle in der Gesellschafterversammlung vom 14. Mai 1962 anwesenden Gesellschafter der Zahlung einer "Rückvergütung für abgestellte Leute" zustimmten, ändert nichts am gesellschaftsrechtlichen Charakter dieser Verpflichtung, die grundsätzlich nach wie vor alle Gesellschafter gleichermaßen betrifft. Wie indes der Beschluß vom 14. Mai 1962 und der Vortrag der Steuerpflichtigen in der Revisionsinstanz deutlich machen, wollten sich - wirtschaftlch betrachtet - die nicht vertragstreuen Gesellschafter gegenüber den vertragstreuen von dieser Verpflichtung "freikaufen". Sie verpflichteten deshalb die Steuerpflichtige zum Ausgleich jener Nachteile, die den vertragstreuen Gesellschaftern aus ihrem vertragsgerechten Verhalten notwendigerweise erwuchsen. Die Steuerpflichtige erfüllte somit auf Grund des Gesellschafterbeschlusses vom 14. Mai 1962 eine Verpflichtung, die an sich ihren nicht vertragstreuen Gesellschaftern gegenüber den vertragstreuen zu erfüllen oblag (§ 19 Nr. 8 KStDV).
Angesichts des so verstandenen und wirtschaftlich nicht anders erklärbaren Inhalts des Beschlusses vom 14. Mai 1962 muß jeder Versuch, ein irgendwie gedachtes bürgerlich-rechtliches Vertragsverhältnis zwischen der Steuerpflichtigen und ihren vertragstreuen Gesellschaftern in Ansehung der Abstellung von Arbeitskräften nachzuweisen, notwendig scheitern. Der Umstand, daß auch die vertragstreuen Gesellschafter ihre Arbeitskräfte der Steuerpflichtigen nicht unentgeltlich oder nur gegen Ersatz ihrer Aufwendungen überließen (wie es in Anbetracht des Gesellschaftszwecks im wohlverstandenen eigenen Interesse aller Gesellschafter der Steuerpflichtigen gelegen hätte), die Steuerpflichtige vielmehr ein selbständiges Arbeitsverhältnis mit diesen Arbeitnehmern begründete, das sie selbst als deren Arbeitgeber auswies, macht dies deutlich. Die Arbeitskräfte wurden weder "abgestellt", wie dies nach dem Gesellschafterbeschluß vom 3. Juli 1961 vorgesehen war, noch im Wege eines Leiharbeitsverhältnisses der Steuerpflichtigen überlassen.
3. Zur Frage der Möglichkeit der Einflußnahme des durch die Rückvergütung begünstigten Teiles der Gesellschafter auf die Beschlüsse der Steuerpflichtigen hat das FG zutreffend dargelegt, daß es auf eine solche Möglichkeit für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung grundsätzlich nicht ankommt, daß die Möglichkeit der Einflußnahme indes hinsichtlich der Beurteilung bürgerlich-rechtlicher Vertragsverhältnisse zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem sie beherrschenden Gesellschafter besonders strenge Anforderungen an Klarheit und Nachweisbarkeit der Abmachungen sowie an die Ausgeglichenheit der beiderseitigen Leistungen rechtfertigt. Im Streitfalle aber spielt diese Frage keine Rolle, da offensichtlich vertragliche Vereinbarungen zwischen der Steuerpflichtigen und ihren Gesellschaftern, den vertragstreuen wie den nicht vertragstreuen, hinsichtlich der Abstellung von Arbeitskräften nicht vorlagen.
Fundstellen
Haufe-Index 69487 |
BStBl II 1971, 538 |
BFHE 1971, 79 |