Leitsatz (amtlich)
1. Mit dem rechtzeitigen Eingang der Revisionsschrift bei einem nicht mit der Sache befaßten Außensenat des Finanzgerichts, das die Vorentscheidung erlassen hat, ist die Revisionsfrist gewahrt.
2. Zur Frage der Zusammenrechnung von Beteiligungen bei der Betriebsaufspaltung.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 1 S. 1; GewStG § 2 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Ehemann der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb vom 1. Juni 1964 bis 31. Oktober 1971 eine Großküche in der Rechtsform eines Einzelunternehmens auf einem ihm gehörenden Grundstück an der W-Straße. Am 1. November 1971 verlegte er den Betrieb auf ein der Klägerin gehörendes Grundstück in der H-Straße, das diese mit einem für die Großküche geeigneten Gebäude bebaut hatte und an ihren Ehemann vermietete. Das Grundstück des Ehemanns diente dem Betrieb nach dessen Verlegung als Lager und zur Wartung der Kraftfahrzeuge.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1973 brachte der Ehemann der Klägerin das Einzelunternehmen in eine neugegründete GmbH & Co. KG ein, an der beteiligt wurden:
a) als persönlich haftende Gesellschafterin die X-GmbH mit einem Kapitalanteil von 5 000 DM;
b) als Kommanditist der Ehemann der Klägerin mit einem Kapitalanteil von 150 000 DM.
Zur Geschäftsführung und Vertretung der KG war die GmbH durch ihre Geschäftsführer allein berechtigt. Am Stammkapital der GmbH waren die Klägerin mit 19 000 DM und der Kaufmann R. mit 1 000 DM beteiligt. Zu Geschäftsführern der GmbH wurden die Klägerin und ihr Ehemann bestellt.
Die Klägerin vermietete sowohl das Grundstück an der H-Straße als auch das an der W-Straße, das ihr ihr Ehemann mit Wirkung vom 1. Januar 1973 geschenkt hatte, an die KG und erklärte die Grundstückserträge als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte den gesamten Vorgang als Betriebsaufspaltung und erließ für den Veranlagungszeitraum 1973 gegen die Klägerin einen Gewerbesteuermeßbescheid, in dem es die Grundstückserträge in Höhe von 113 867 DM als Gewerbeertrag ansetzte.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG), das der Klägerin am 2. Juli 1980 zugestellt worden war, legte diese mit Schreiben vom 28. Juli 1980 - gerichtet an das "Finanzgericht Baden-Württemberg, Grenadierstraße 5, 6900 Heidelberg 1" - Revision ein. Nachdem auf dem Briefumschlag - offenbar durch Postbedienstete die Ortsbezeichnung "Heidelberg" durch "7 Stuttgart" ersetzt und die Straßenbezeichnung "Gutenbergstraße 109" hinzugefügt worden war, ging die Revisionsschrift am 1. August 1980 beim FG Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, ein. Von dort wurde die Revisionsschrift an das FG Baden-Württemberg in Karlsruhe weitergeleitet, wo sie am 5. August 1980 einging.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (unrichtige Anwendung der Grundsätze über die Betriebsaufspaltung) und bringt im wesentlichen vor: Eine Zusammenrechnung ihrer Beteiligung an der KG mit der ihres Ehemannes verstoße gegen Art. 6 Abs. l des Grundgesetzes (GG). Die Zusammenrechnung sei auch deshalb unzulässig, weil sie selbst nur über die GmbH zu 1/31 an der KG beteiligt sei. Bei einer solchen Zwergbeteiligung aber habe der Bundesfinanzhof (BFH) schon im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit von Pensionsrückstellungen für beherrschende Gesellschafter eine Zurechnung der Beteiligung eines Ehegatten beim anderen Ehegatten abgelehnt (vgl. Urteil vom 29. Juli 1970 I R 24/69, BFHE 100, 34, BStBl II 1970, 761).
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und festzustellen, "daß die Vermietung der Grundstücke nicht als gewerbliche Betätigung zu behandeln ist".
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist zulässig; insbesondere ist sie rechtzeitig eingelegt worden.
Das Urteil des FG Baden-Württemberg (Stammgericht in Karlsruhe) ist der Klägerin am 2. Juli 1980 zugestellt worden. Die Frist des § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) endete mit Ablauf des 4. August 1980 (§ 54 Abs. 2 FGO i. V. m. § 222 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Mit dem Eingang der Revisionsschrift am 1. August 1980 beim FG Baden-Württemberg (Außensenate Stuttgart) war diese Frist gewahrt. Unschädlich ist, daß die vom Außensenat weitergeleitete Revisionsschrift erst am 5. August 1980, somit nach Ablauf der Revisionsfrist, beim Stammgericht eingegangen ist.
Nach dem Wortlaut des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO muß die Revision bei dem FG eingelegt werden, dessen Urteil angefochten wird (vgl. BFH-Urteil vom 12. Januar 1968 VI R 278/67, BFHE 91, 341, BStBl II 1968, 350). Das ist im Streitfall das FG Baden-Württemberg. Dieses Gericht besteht nach § 1 Abs. 1 bis 3 des Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung vom 29. März 1966 - AGFGO -) BGBl I 1966, 49) aus dem sogenannten Stammgericht in Karlsruhe und den Außensenaten in Stuttgart und Freiburg. Aus § 1 AGFGO vom 29. März 1966 ergibt sich auch, daß die Außensenate nicht als selbständige FG errichtet worden sind, sondern "rtlich ausgegliederte Bestandteile (Spruchk"rper) des FG Baden-Württemberg bilden (organisatorische Einheit; vgl. Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 29. Januar 1975 1 St 227/74, Neue Juristische Wochenschrift 1975 S. 946 - NJW 1975, 946 -). Geht - wie im Streitfall - die Revision gegen ein Urteil eines Senats des Stammgerichts innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei einem auswärtigen Senat desselben Gerichts ein, so ist die Revisionsfrist gewahrt (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 18. Oktober 1966 VI ZB 13/66, NJW 1967, 107, für den umgekehrten Fall).
2. Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin betreibt mit der Vermietung ihrer Grundstücke an die KG einen Gewerbebetrieb und unterliegt demnach der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -).
a) Die bloße Verpachtung von Grundstücken ist in der Regel Vermögensverwaltung und stellt daher keine gewerbliche Betätigung dar (§ 9 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung - GewStDV -). Etwas anderes gilt jedoch unter bestimmten Voraussetzungen für Verpachtungsbetriebe, die im Zuge einer sogenannten echten oder unechten Betriebsaufspaltung entstanden sind (vgl. zur näheren Begründung BFH-Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63; zur Verfassungsmäßigkeit der ständigen Rechtsprechung vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 14. Januar 1969 1 BvR 136/62, BStBl II 1969, 389). In diesen Fällen geht die Verpachtung über den Rahmen einer bloßen Vermögensverwaltung hinaus, wenn die verpachteten Wirtschaftsgüter zu den wesentlichen Grundlagen der Betriebsgesellschaft gehören (sachliche Voraussetzungen) und enge personelle Verflechtungen zwischen dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen bestehen (personelle Voraussetzungen). Diese steuerrechtliche Beurteilung hat ihren Grund darin, daß die hinter dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben, der (über das Betriebsunternehmen) auf die Ausübung einer gewerblichen Betätigung (§ 1 Abs. 1 GewStDV) gerichtet ist (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1980 I R 77/77, BFHE 131, 388, BStBl II 1981, 39).
Die Grundsätze zur Betriebsaufspaltung hat die Rechtsprechung zwar für Fälle entwickelt, in denen das Betriebsunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft und das Besitzunternehmen als Personengesellschaft geführt wurden. Sie gelten in gleicher Weise, wenn - wie im Streitfall - das Betriebsunternehmen eine Personengesellschaft ist (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juli 1976 IV R 145/72, BFHE 119, 462, BStBl II 1976, 750) und das Besitzunternehmen als Einzelunternehmen betrieben wird (vgl. BFH-Urteile vom 24. Februar 1981 VIII R 159/78, BFHE 132, 472, BStBl II 1981, 379, und vom 18. Oktober 1972 I R 184/70, BFHE 107, 142, BStBl II 1973, 27).
b) Das FG geht im Streitfall zu Recht von der Annahme einer unechten Betriebsaufspaltung aus.
Die sachlichen Voraussetzungen dafür sind gegeben, weil die von der Klägerin vermieteten Grundstücke nach den unbestrittenen Feststellungen des FG zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebs der KG gehören. Die personellen Voraussetzungen sind erfüllt, weil die Klägerin als Inhaberin des Besitzunternehmens zugleich auch im Betriebsunternehmen ihren Willen durchsetzen kann.
Für die Durchsetzbarkeit des Willens in einem Unternehmen ist grundsätzlich der Besitz der Mehrheit der Anteile erforderlich (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 28. November 1979 I R 141/75, BFHE 129, 279, BStBl II 1980, 162). Dabei sind die Anteile von Ehegatten zusammenzurechnen, weil insoweit die widerlegbare Vermutung besteht, daß Ehegatten die Rechte aus den Anteilen wegen ihrer gleichgerichteten Interessen einheitlich ausüben (vgl. BFHE 107, 142, BStBl II 1973, 27).
Im Streitfall sind keine Gründe ersichtlich, die es ausschließen würden, die Beteiligungen der Klägerin und ihres Ehemannes an der KG zusammenzurechnen. Insbesondere ist eine Zusammenrechnung nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin lediglich mittelbar über die GmbH an der KG beteiligt ist. Denn über eine mittelbare Beteiligung können die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung ebenso beeinflußt werden, wie über einen unmittelbaren Anteilsbesitz (vgl. BFH-Urteil vom 14. August 1974 I R 136/70, BFHE 114, 98, BStBl II 1975, 112). Auch die geringe Höhe der mittelbaren Beteiligung von 3, 23 % (das entspricht 1/31 der Anteile) steht einer Zusammenrechnung nicht entgegen. Dabei kann der Senat offenlassen, ob die Vermutung gleichgerichteter Interessen generell auch dann besteht, wenn der das Besitzunternehmen beherrschende Ehegatte lediglich einen sogenannten Zwerganteil am Betriebsunternehmen innehat. Denn im hier zu entscheidenden Fall ist aus den Gesamtumständen erkennbar, daß die Klägerin und ihr Ehemann die gleichen Interessen verfolgen. So hat die Klägerin auf dem Grundstück an der H-Straße, bevor sie es an die KG vermietete, ein für den Betrieb einer Großküche geeignetes Gebäude erst errichtet. Das zweite an die KG vermietete Grundstück (an der W-Straße) hat ihr Ehemann der Klägerin im zeitlichen Zusammenhang mit der Gründung der KG geschenkt. Für die gleichgerichteten Interessen der Eheleute spricht auch, daß die Klägerin trotz ihrer geringen mittelbaren Beteiligung an der KG zusammen mit ihrem Ehemann zur alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführerin der KG bestellt worden ist und daß sie nach den vertraglichen Vereinbarungen wegen ihrer mehr als 96 %igen Beteiligung an der GmbH ihren Ehemann von der Geschäftsführung der KG ausschließen könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 413622 |
BStBl II 1981, 738 |
BFHE 1981, 561 |