Leitsatz (amtlich)
Ein nach dem Reinheitsgebot des § 9 BierStG hergestellter Malztrunk unterliegt der Biersteuer.
Normenkette
BierStG §§ 1, 9-10
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) stellt ein Malzgetränk her, das sie unter der Bezeichnung „A” vertreibt. Das Getränk besteht nach der Betriebserklärung der Klägerin aus einer Mischung von X % obergärigem Vollbier (Lager dunkel), Y % Brauzucker und Z % Wasser. Das Vollbier wird hergestellt unter Verwendung von gedörrter Gerste und Weizenmehl, Hopfen und Hopfenkonzentrat. Die Besonderheit des Herstellungsverfahrens besteht darin, daß die Gärung nach zwei bis drei Tagen unterbrochen wird, so daß der Alkoholgehalt gering bleibt. Anschließend wird dem Vollbier in dem bezeichneten Verhältnis Brauzucker und Wasser zugesetzt. Das so hergestellte Getränk hat einen Alkoholgehalt von etwa 0,35 %. Der Stammwürzegehalt liegt bei 11 %.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt – HZA –) veranlagte die Klägerin für das Getränk mit Bescheid vom 9. Oktober 1980 zur Biersteuer. Die Klägerin legte dagegen Einspruch mit der Begründung ein, das Getränk unterliege als alkoholfreier Malztrunk nicht der Biersteuer. Hilfsweise trug sie vor, daß nur für den Bieranteil in Höhe von X % die Steuer zu entrichten sei. Weiter machte sie hilfsweise geltend, daß es sich um ein bierähnliches Getränk handle, das nach § 21 des Biersteuergesetzes (BierStG) mit 75 % des Biersteuersatzes zu versteuern sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das HZA hat zu Recht für das von der Klägerin hergestellte Getränk Biersteuer erhoben.
1. Nach § 1 BierStG unterliegt im Geltungsbereich des Gesetzes hergestelltes Bier der Biersteuer. Das Gesetz enthält zwar keine Bestimmung des Begriffs „Bier” im Sinne dieser Vorschrift. Der Inhalt dieses Ausdrucks läßt sich aber dem Gesetz durch Auslegung entnehmen.
Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (zuerst Urteil vom 21. Mai 1952 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 289, 312). Gegenstand der Auslegung ist dabei der Gesetzestext als Träger des in ihm niedergelegten Sinnes, um dessen Verständnis es bei der Auslegung geht; Ziel der Auslegung ist die Ermittlung des rechtlich maßgeblichen, des normativen Sinnes des Gesetzes (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl., S. 299, 304). Welcher Inhalt dem Begriff „Bier” in § 1 BierStG zukommt, ist daher dem Gesetz zu entnehmen. Auf die Anschauungen von Technik und Verkehr kann nur dann abgestellt werden, wenn und soweit sich aus dem Gesetz selbst ergibt, daß diese Anschauungen maßgeblich sein sollen (vgl. auch Tipke, Steuerrecht, 9. Aufl., § 8 Nr. 2 Abs. 4). Das BierStG stellt auf diese Anschauungen nicht ab, soweit es Getränke betrifft, die den Anforderungen des Reinheitsgebots des § 9 BierStG entsprechen.
Das BierStG regelt in § 9 Abs. 1 bis 3, welche Stoffe zur Herstellung von Bier in seinem Geltungsbereich verwendet werden dürfen (sog. Reinheitsgebot). Diese Vorschrift enthält zwar keine Bestimmung des Bierbegriffs. Sie macht aber deutlich, daß das Gesetz Produkte, die entsprechend seiner Regelung hergestellt worden sind, als Bier ansieht. Zwar enthält § 9 Abs. 1 bis 3 BierStG keine steuerrechtliche, sondern eine lebensmittelrechtliche Regelung (vgl. auch Zapf/Siegert/Arndt/Klingemann, Das Biersteuergesetz, 4. Aufl., § 1 Anm. 7). Diese Regelung ist aber Teil des BierStG. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber des BierStG in § 9 dem Begriff Bier einen anderen Inhalt geben wollte als in § 1; ein Grund für eine solche begriffliche Unterscheidung ist nicht ersichtlich. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß das Gesetz jedenfalls Getränke, die nach seinem § 9 als Bier anzusehen sind, auch steuerrechtlich zu den Bieren rechnet. Insoweit bedarf es also keines Rückgriffs auf die Anschauungen von Technik und Verkehr. Das schließt nicht aus, daß diese Anschauungen für die Bestimmung des Bierbegriffs eine Rolle spielen können, soweit es sich um Getränke handelt, die dem Reinheitsgebot des § 9 Abs. 1 und 3 nicht entsprechen. Der vorliegende Fall erfordert aber nicht, diese Frage zu entscheiden.
Etwas anderes ist auch nicht dem § 21 Abs. 1 BierStG zu entnehmen. Dort ist der Begriff des bierähnlichen Getränks definiert. Diese Definition setzt einen bestimmten Bierbegriff voraus („als Ersatz fürBier”), bestimmt diesen also nicht. Auch aus dem Umstand, daß § 21 Abs. 1 BierStG zur Bestimmung des bierähnlichen Getränks auf die Verkehrsanschauung zurückgreift, läßt sich für den Bierbegriff nichts entnehmen. Diese Vorschrift will lediglich den Begriff eines Substitutionsproduktes für Bier bestimmen.
Aus dem Begriff der Verbrauchsteuer ergeben sich keine Erkenntnisse, die gegen die Auffassung des Senats sprechen. Diesem Begriff ist nicht zu entnehmen, daß der Gesetzgeber gehalten sei, die Verbrauchsteuersätze entsprechend der Güte einer Ware abzustufen. Es kann daher dahinstehen, ob, wie die Klägerin meint, Biere, die zwar dem „eingeschränkten” Reinheitsgebot des § 9 BierStG entsprechen, nicht aber dem strengen bayerischen Reinheitsgebot, unter einem Gütemangel leiden. Durch die Bejahung der Biersteuerpflicht für ein Produkt wie die streitbefangene Ware wird überdies das landesrechtliche Reinheitsgebot in keiner Weise berührt.
Eine andere Auslegung des BierStG rechtfertigt auch nicht das Reichsgesetz über den Eintritt der Freistaaten Bayern und Baden in die Biersteuergemeinschaft vom 24. Juni 1919 (RGBl I 1919, 599) i.d.F. des Reichsgesetzes vom 9. Juli 1923 (RGBl I 1923, 563). Nach § 2 Abs. 2 dieses Gesetzes können die genannten Länder die Verwendung von Zucker, zuckerhaltigen Farbmitteln und Süßstoff bei der Bereitung von obergärigem Bier (vgl. § 9 Abs. 2 BierStG) ausschließen. Dieser Ermächtigung kann nicht die Absicht des (Reichs- bzw.) Bundesgesetzgebers entnommen werden, an dem steuerrechtlichen Bierbegriff des BierStG etwas zu ändern. Denn sie dient allein nichtsteuerlichen Zwecken und läßt überdies nur in einem Teil des Geltungsbereiches des Gesetzes Abweichungen zu. Das gilt erst recht für die in Ausnutzung der Ermächtigung erlassenen landesrechtlichen Vorschriften. Es kann also die Frage dahingestellt bleiben, ob und inwieweit diese Vorschriften der Prüfung des Bundesfinanzhofs (BFH) als Revisionsgericht unterliegen.
Eine andere Auffassung müßte folgerichtig zu dem Ergebnis führen, daß das BierStG entweder allgemein oder wenigstens in Ländern, die von der genannten Ermächtigung Gebrauch gemacht haben, nur solche obergärigen Biere der vollen Biersteuer unterworfen wissen wolle, die nach dem strengen bayerischen Reinheitsgebot gebraut worden sind. Eine solche Folgerung kann aus dem BierStG schon deswegen nicht gezogen werden, weil der Gesetzgeber sie, hätte er sie gewollt, wegen ihrer den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) berührenden Auswirkungen sicherlich auch deutlich im Gesetz zum Ausdruck gebracht hätte.
2. Das streitbefangene Getränk ist nach den Feststellungen des FG entsprechend dem Reinheitsgebot des § 8 Abs. 2 BierStG hergestellt worden. Daran ändert, wie das FG zu Recht entschieden hat, auch der Umstand nichts, daß das Getränk aus einer Mischung von X % obergärigem Vollbier, Y % Brauzucker und Z % Wasser besteht. Denn nach § 9 Abs. 9 BierStG kann das HZA den Zusatz von Wasser zum Bier gestatten. Daraus ist zu entnehmen, daß auch nach einem Wasserzusatz Bier grundsätzlich Bier bleibt (vgl. RFHE 34, 298). Ob das anders sein kann, wenn Bier durch Wasser so stark verdünnt wird, daß es zu einem anderen Erzeugnis wird (vgl. RFHE 34, 298), ist im vorliegenden Fall ohne Belang, weil eine solche Verdünnung offensichtlich nicht vorliegt. Auch der geringe Alkoholgehalt ist kein Hindernis, das Getränk als Bier anzusehen, da das Vollbier, aus dem es zu X % besteht, zumindest eine Gärung durchgemacht hat, wenngleich diese unterbrochen worden ist. Das BierStG macht überdies die Höhe der Biersteuer nicht vom Alkoholgehalt abhängig, sondern vom Gehalt an Stammwürze (§ 3 Abs. 2 BierStG; vgl. auch § 25 der Durchführungsbestimmungen zum Biersteuergesetz – BierStDB – und Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 9. Juli 1928 II 285/28, VSF V 3401 E 2).
Da das streitbefangene Erzeugnis ein Bier ist, ist es weder ein bierähnliches Getränk (§ 21 Abs. 1 BierStG) noch ein bierhaltiges Mischgetränk (§ 11 b BierStDB). Denn ein Erzeugnis, das Bier ist, kann nicht gleichzeitig bierähnlich sein (vgl. das Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 14. Februar 1927 II 569/26, VSF V 3401 E 1). Ein bierhaltiges Mischgetränk liegt nach dem Wortlaut des § 11 b BierStDB nur vor, wenn das Getränk nicht Bier oder bierähnlich ist.
Die Klägerin wendet sich gegen die Vorentscheidung im wesentlichen mit dem Argument, das Getränk sei nach der Verkehrsauffassung kein Bier. Da es, wie oben ausgeführt, auf die Anschauungen des Verkehrs nicht ankommt, braucht auf diese Argumentation der Klägerin nicht weiter eingegangen zu werden.
Fundstellen
Haufe-Index 510609 |
BFHE 1985, 385 |