Leitsatz (amtlich)
Führen zwei Miterben einen zum Nachlaß gehörenden Gewerbebetrieb in der Rechtsform der OHG fort, liegt in der später erfolgenden Auseinandersetzung hinsichtlich der Gesellschaft die Veräußerung eines Gesellschaftsanteils, die zur Errechnung eines Veräußerungsgewinns führen kann.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 2, § 16 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und die Beigeladene sind Schwestern. Sie sind die alleinigen Erben ihres am 14. März 1958 verstorbenen Vaters, zu dessen Nachlaß ein Möbelfernverkehrsunternehmen gehörte. Da es ihnen nicht gelang, das Unternehmen alsbald ihren Vorstellungen entsprechend zu verkaufen oder zu verpachten (entsprechende Verhandlungen zogen sich nachgewiesenermaßen bis in das Jahr 1961 hin), schlossen sie am 27. Mai 1959 einen privatschriftlichen Vertrag, demzufolge sie das Unternehmen "als tätige Gesellschafter mit gleichen Rechten und Pflichten" in der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) fortführten. Die beantragten Fernverkehrsgenehmigungen wurden ihnen unter Nachsichtgewährung bezüglich der inzwischen verstrichenen Frist des § 19 Abs. 2 des Güterkraftverkehrsgesetzes nach Durchlaufen eines entsprechenden Lehrgangs und Ablegung der erforderlichen Prüfungen rückwirkend auf den 15. März 1958 erteilt. Ferner wurden die Klägerin und die Beigeladene im Grundbuch als Eigentümerinnen der im Betriebsvermögen des Erblassers geführten Grundstücke A und B in ungeteilter Erbengemeinschaft eingetragen; Grundstücke und Gebäude wurden in der Bilanz der OHG ausgewiesen.
Mit notariellem Vertrag vom 25. April 1962 setzten sich die Klägerin und die Beigeladene hinsichtlich der genannten Grundstücke und des Betriebsvermögens der OHG dergestalt auseinander, daß das Grundstück B in das alleinige Eigentum der Klägerin und das Grundstück A in das alleinige Eigentum der Beigeladenen übergehen sollte; der Betrieb der OHG sollte mit Wirkung vom 15. Mai 1962 ab von der Beigeladenen als Alleininhaberin fortgeführt werden.
Anläßlich der einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns der OHG für die Zeit vom 1. Januar bis 15. Mai 1962 errechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) für die Klägerin einen der Höhe nach nunmehr unstreitigen Veräußerungsgewinn von 227 098 DM. Die nach erfolglosem Einspruch gegen den endgültigen Feststellungsbescheid vom 8. Oktober 1969 zum FG erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das FG hat ausgeführt, im Streitfall bestehe am betrieblichen Charakter des Ausscheidens der Klägerin aufgrund der Auseinandersetzung vom 25. April 1962 angesichts der Gründung der OHG und der tätigen, nach eigener Einlassung zunächst zeitlich unbegrenzt gedachten Teilhaberschaft der Miterbinnen kein Zweifel. Der Erwerb der für die Konzessionserteilung erforderlichen fachlichen Eignung und die Vermehrung der Zahl der zu Lebzeiten des Erblassers bestehenden Konzessionen im Laufe der Fortführung des Betriebes um eine weitere Konzession am 20. April 1960 sprächen für diese Annahme. Die Abfindung der Klägerin sei über dem Stand ihres Kapitalkontos am 15. Mai 1962 erfolgt; sie sei damit an den stillen Reserven des Betriebes beteiligt worden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Klägerin mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung den Gesamtgewinn und den Gewinnanteil der Klägerin um den Veräußerungsgewinn in Höhe von 227 098 DM herabzusetzen. Zur Begründung läßt sie vortragen:
Die vom FG zur Begründung der Annahme einer Mitunternehmerschaft angezogenen Umstände (wie Teilhabe der Klägerin am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven der OHG, Führung des Betriebes auf ihre Rechnung und Gefahr) träfen für jede Form der Gesamthandsgemeinschaft zu, auch für die Erbengemeinschaft, deren Eintragung in das Handelsregister als solche oder als OHG umstritten sei. Ein zum Nachlaß gehörender Gewerbebetrieb sei nach dem Gesetz bis zur Auseinandersetzung notwendig für Rechnung und Gefahr aller Miterben fortzuführen. Damit sei die Klägerin auch von vornherein an den stillen Reserven des Betriebes beteiligt gewesen. Sie habe indes niemals den Willen gehabt, sich unternehmerisch zu betätigen und ihrerseits den zum Nachlaß gehörenden Betrieb länger als bis zu dessen Verkauf oder bis zur Auseinandersetzung fortzuführen. Aus dem Gesamtbild der vorliegenden Verhältnisse folge, daß es der Klägerin und der Beigeladenen ausschließlich darauf angekommen sei, das ererbte Unternehmen bis zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung vor Wertverlusten zu bewahren. Bei der Gründung der OHG habe den beiden Schwestern das Bewußtsein, eine Wahl mit steuerrechtlichen Folgen zu treffen, gefehlt.
Die Beigeladene beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise unter Wegfall des Veräußerungsgewinns den Gesamtgewinn und den Anteil der Klägerin am laufenden Gewinn um 106 895,52 DM höher festzustellen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Wie der erkennende Senat im Urteil vom 8. September 1971 I R 191/69 (BFHE 103, 175, BStBl II 1972, 12) ausgeführt hat, erzielt eine Erbengemeinschaft die ihr bis zur Auseinandersetzung zufließenden Erträge des Nachlasses (§ 2038 Abs. 2 und §§ 743 und 748 BGB) insoweit als gewerbliche Einkünfte, als sie Gewinn eines zum Nachlaß gehörigen Handelsgeschäfts (Gewerbebetriebs) sind. Daß die Miterben zugleich als Mitunternehmer im Sinne von § 15 Nr. 2 EStG anzusehen sind, ist dafür nicht erforderlich. Erbengemeinschaften sind dann Mitunternehmergemeinschaften, wenn sie sich gewerblich betätigen. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der Wille der Miterben zum gemeinschaftlichen Betrieb des ererbten Unternehmens nach außen hin manifestiert, z. B. eine Auseinandersetzung tatsächlich unterbleibt oder für immer oder für längere Zeit ausgeschlossen ist (Urteile des BFH vom 18. Juli 1972 VIII R 17/68, BFHE 106, 436, BStBl II 1972, 876, und vom 9. August 1973 IV R 133/68, BFHE 110, 509, BStBl II 1974, 84).
Ein Veräußerungsgewinn wird deshalb dann erzielt, wenn nicht nur ein Erbanteil veräußert wird, sondern mit dem Erbanteil zugleich ein Gesellschaftsanteil. Das setzt aber voraus, daß der Veräußerer über seinen Anteil am Betriebsvermögen des Unternehmens nicht nur als Miterbe verfügt, sondern als Mitunternehmer, als welchen ihn gegebenenfalls die Fortführung des ererbten, den Erben zur gesamten Hand gehörenden Unternehmens ausweist.
Der Senat kann der Klägerin nicht darin beitreten, daß für die Beantwortung der Frage, ob Miterben einen zum Nachlaß gehörenden Gewerbebetrieb bis zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung lediglich als Miterben oder aber als Gewerbetreibende fortgeführt haben, nicht auch auf den zeitlichen Abstand zwischen dem Erbfall und dem Zeitpunkt der Auseinandersetzung abgestellt werden kann. Auch wenn in aller Regel davon auszugehen ist, daß die Miterben ihre Entschließung über das weitere Schicksal eines ererbten Gewerbebetriebes erst nach Prüfung der verschiedenen, sich ihnen hier anbietenden Möglichkeiten treffen, pflegen sie dies doch innerhalb angemessener, d. h. innerhalb einer den jeweils anderen Umständen des Einzelfalls Rechnung tragenden Frist nach dem Erbfall zu tun. Der im Schrifttum vertretenen abweichenden Auffassung (vgl. insbesondere bei Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 19b zu § 16 EStG) kann der Senat nicht zustimmen.
2. Im Streitfall kommt hinzu, daß nicht nur die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft mehrere Jahre unterblieb, sondern daß die Miterben auch ausdrücklich vereinbarten, das zum Nachlaß gehörende Unternehmen in der Rechtsform der OHG fortzuführen. Sie gründeten damit eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet war (§ 105 HGB). Diese Gesellschaft war zugleich steuerrechtlich eine Mitunternehmerschaft (§ 15 Nr. 2 EStG), ohne Rücksicht darauf, ob sich die Klägerin und die Beigeladene dieser steuerrechtlichen Folge bewußt waren. Die OHG mag manches mit der Erbengemeinschaft gemeinsam haben, z. B. die gesamthänderische Bindung des Vermögens. Aber es ist weder zivilrechtlich noch steuerrechtlich zulässig, die Grenzen zwischen beiden Rechtsformen zu verwischen und die von Miterben gegründete OHG als Erbengemeinschaft zu behandeln. Der Wille der beiden Schwestern, das Unternehmen in der Rechtsform der OHG fortzuführen, wurde bestätigt in dem Auseinandersetzungsvertrag vom 25. April 1962. Dort heißt es: "Das von unserem Vater ... geführte Handelsgeschäft ... wird von uns als Offene Handelsgesellschaft, eingetragen im Handelsregister ... fortgeführt. Wir setzen uns hiermit sowohl hinsichtlich der beiden Grundstücke als auch hinsichtlich der vorgenannten Gesellschaft ... auseinander."
Fundstellen
Haufe-Index 71274 |
BStBl II 1975, 295 |
BFHE 1975, 364 |