Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks bei überhöhtem Erbbauzins; Ansatz des nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Werts
Leitsatz (amtlich)
Weist der Erwerber eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks nach, dass dessen gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG ermittelter Wert mehr als das Dreifache seines gemeinen Werts im unbebauten Zustand ausmacht, und hat er beim Heimfall des Erbbaurechts eine angemessene Entschädigung für die Gebäude zu zahlen, ist der Grundstückswert im Wege verfassungskonformer Auslegung entsprechend Satz 2 der Vorschrift i.V.m. § 146 Abs. 7 oder §§ 147, 145 Abs. 3 Satz 3 BewG auf den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert festzustellen.
Normenkette
ErbStG § 12 Abs. 3; BewG § 148 Abs. 1 S. 1, § 145 Abs. 3 S. 3, § 146 Abs. 7
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Alleinerbe seiner im Februar 1996 verstorbenen Mutter. Zum Nachlass gehörte ein Grundstück, das seit 1979 zunächst für 25 Jahre und einen Erbbauzins von jährlich 36 000 DM mit einem Erbbaurecht zugunsten einer KG belastet war. Die KG, deren Geschäfte über die Komplementär-GmbH ein weiteres Mitglied der Familie führte, errichtete auf dem Grundstück mit einem Kostenaufwand von rd. 1,43 Mio. DM zwei Gebäude, die zu einem bereits bestehenden hinzukamen. Mit Vertrag vom November 1991 wurde die Laufzeit des Erbbaurechts bis Ende 2050 verlängert und zugleich der Erbbauzins auf jährlich 70 000 DM erhöht. Nach dem Erbbaurechtsvertrag war der Grundstückseigentümer verpflichtet, beim Heimfall oder Erlöschen des Erbbaurechts eine Entschädigung in Höhe der Herstellungskosten für die von der KG errichteten Gebäude abzüglich einer jährlichen Absetzung für Abnutzung (AfA) von zunächst 3 v.H. und später 2 v.H. zu zahlen. Ein Konkurs der KG begründete einen Heimfallanspruch. Die KG fiel im Oktober 1996 in Konkurs.
Mit Bescheid vom 19. Januar 1999 stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) den Grundstückswert des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks zum Todestag der Mutter auf (18,6 x 70 000 DM =) 1 302 000 DM fest. Der Verkehrswert des Grund und Bodens des solchermaßen belasteten Grundstücks belief sich zu diesem Stichtag auf (804 000 qm x 50 DM =) 400 200 DM. Bei Erlöschen des Erbbaurechts zu diesem Stichtag hätte der Kläger für die beiden von der KG errichteten Gebäude eine Entschädigung von 842 887 DM zu zahlen gehabt.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage, mit der der Kläger geltend gemacht hatte, ein Grundstückswert, der den Verkehrswert um mehr als das Zweifache übersteige, verstoße gegen das Übermaßverbot, statt und minderte den Grundstückswert auf 400 000 DM. Zur Begründung führte das FG, dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1103 veröffentlicht ist, aus: Ergebe die Bewertung gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) einen offensichtlich unzutreffenden Wert, sei die Vorschrift im Wege einer verfassungskonformen Auslegung durch eine Öffnungsklausel entsprechend den Regelungen in § 145 Abs. 3 Satz 3 und § 146 Abs. 7 BewG dergestalt zu ergänzen, dass der Nachweis eines geringeren gemeinen Werts zugelassen werde. Eine solche Analogie sei zumindest geboten, wenn der nach § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG festzustellende Wert wie im Streitfall gegen das verfassungsrechtlich garantierte Übermaßverbot verstoße. In derartigen Fällen könne der Steuerpflichtige auch nicht auf die Möglichkeit einer Billigkeitsmaßnahme bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer verwiesen werden. Eine verfassungswidrige Bewertung werde nicht dadurch rechtmäßig, dass die Überbewertung im Rahmen der Festsetzung der Erbschaftsteuer rückgängig gemacht werde.
Mit der Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung des § 148 Abs. 1 BewG. Der Wortlaut der Vorschrift sei eindeutig, die Vorschrift selbst daher weder auslegungsfähig noch auslegungsbedürftig. Zutreffend schließe daher R 182 Abs. 1 Satz 2 der Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) 2003 die Möglichkeit aus, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen. § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG enthalte eine typisierende Regelung, bei der geringfügige oder in besonders gelagerten Einzelfällen auftretende Ungleichheiten in Kauf zu nehmen seien, solange bei nicht mehr hinnehmbaren Überbelastungen im Einzelfall durch Billigkeitsmaßnahmen geholfen werden könne. Der Kläger habe nicht glaubhaft gemacht, dass § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG bei einer Vielzahl von Steuerpflichtigen zu einer Übermaßbesteuerung führe. Der Regelung liege ein Erbbauzinssatz von 5,367 v.H. zugrunde, der bei Wohngebäuden häufig unterschritten und bei Geschäftsgebäuden häufig überschritten werde. Von einer Berücksichtigung der Restlaufzeit des Erbbaurechts sei abgesehen worden, da beim Heimfall oder Erlöschen regelmäßig eine Entschädigung zu zahlen sei. Die Möglichkeit eines entschädigungslosen Heimfalls sei bewusst unberücksichtigt geblieben.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat den gemäß § 12 Abs. 3 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) i.V.m. § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG festzustellenden Grundstückswert für das erbbaurechtsbelastete Grundstück zutreffend im Wege einer verfassungskonformen Auslegung auf dessen gemeinen Wert begrenzt.
1. Die Tatsache, dass § 12 Abs. 3 ErbStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl I, 2049, BStBl I 1996, 1523) und die dort in Bezug genommenen Vorschriften des Bewertungsgesetzes für die Bewertung von Grundbesitz für die Erbschaftsteuer ab Januar 1996 (für die Grunderwerbsteuer ab Januar 1997) erst im Dezember 1996 in Kraft getreten, aber bereits auf Erwerbe anzuwenden sind, für die die Erbschaftsteuer nach dem 31. Dezember 1995 entstanden ist (Art. 32 Abs. 1 bzw. Art. 2 Nr. 14 JStG 1997), ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. zur rückwirkenden Geltung des Erbschaftsteuergesetzes 1974: Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 31. Mai 1989 II R 110/87, BFHE 156, 566, BStBl II 1989, 733, sowie Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 12. Juni 1978 2 BvR 704/77, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1978, 498). Mit dem Ergehen des Beschlusses des BVerfG vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671) bestand kein schutzwürdiges Vertrauen der Betroffenen in den Fortbestand der bisherigen Regelungen zur Bewertung des Grundvermögens für Erbschaftsteuerzwecke mehr. Das BVerfG hatte ausdrücklich angeordnet, dass das bisherige Recht für Erwerbe ab dem 1. Januar 1996 der Besteuerung nur noch vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zugrunde gelegt werden durfte.
2. Gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG beträgt der Wert eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks das 18,6-fache des nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt zu zahlenden jährlichen Erbbauzinses. Gemäß Satz 2 der Vorschrift ist das Erbbaurecht selbst mit dem nach § 146 oder § 147 BewG ermittelten Wert des Grundstücks abzüglich des nach Satz 1 ermittelten Werts des belasteten Grundstücks anzusetzen. Das Recht auf den Erbbauzins sowie die Erbbauzinsverpflichtung sind dabei gemäß § 148 Abs. 1 Satz 3 BewG weder bei der Bewertung des belasteten Grundstücks bzw. des Erbbaurechts zu berücksichtigen noch als gesondertes Recht bzw. als gesonderte Verpflichtung anzusetzen. Die durch das Jahressteuergesetz 1997 geschaffenen Regelungen des § 148 Abs. 1 BewG für die Bewertung der Erbbaurechte und der erbbaurechtsbelasteten Grundstücke unterscheiden sich damit wesentlich von der für Grundsteuerzwecke noch fortgeltenden Vorschrift des § 92 BewG, wonach bei der Einheitsbewertung des Grundvermögens zunächst ein Gesamtwert für das erbbaurechtsbelastete Grundstück samt etwa aufstehender Gebäude festzustellen und dieser Wert dann auf die wirtschaftlichen Einheiten des belasteten Grundstücks und des Erbbaurechts mit unterschiedlichen Prozentsätzen ―gestaffelt nach der Dauer des Erbbaurechts― zu verteilen ist. Auch dabei sind das Recht auf den Erbbauzins und die Verpflichtung, den Zins zu zahlen, nicht zu berücksichtigen (§ 92 Abs. 5 BewG); sie waren allerdings solange, wie die Einheitswerte des Grundvermögens auch noch für Erbschaftsteuerzwecke von Bedeutung waren, als gesonderte Wirtschaftsgüter zu erfassen.
Abgesehen von dem Umstand, dass der Erbbauzinsanspruch und die Erbbauzinsverpflichtung nach § 148 Abs. 1 BewG gänzlich ―und damit auch als eigenständige Vermögensgegenstände― unbeachtlich sind, unterscheiden sich die Regelungen der §§ 92 und 148 Abs. 1 BewG damit auf zweierlei Weise: Während nach § 92 BewG der Wert des (ggf. bebauten) Grundstücks die Ausgangsgröße für die (Einheits-)Bewertung sowohl des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks als auch des Erbbaurechts darstellt, ist nach der neuen Regelung des § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG der Wert des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks völlig unabhängig vom Wert des Grundstücks samt etwaiger Gebäude. Der Wert des Grundstücks samt etwa aufstehender Gebäude geht erst in die Wertermittlung für das Erbbaurecht ein. Zusammen ergeben beide Werte allerdings stets den Wert, der nach den einschlägigen Vorschriften der §§ 68 ff. BewG oder 145 ff. BewG für das Grundstück ohne die Erbbaurechtsbelastung anzusetzen wäre. Der zweite wesentliche Unterschied besteht darin, dass nach § 148 Abs. 1 BewG die im Bedarfsfall zu ermittelnden Werte sowohl für das erbbaurechtsbelastete Grundstück als auch für das Erbbaurecht selbst über die gesamte Laufzeit des Erbbaurechts hinweg konstant bleiben und nicht ―wie in § 92 Abs. 3 BewG vorgeschrieben― ansteigen bzw. abfallen.
In der Gesetzesbegründung für die konzeptionellen Abweichungen des § 148 Abs. 1 BewG von der innerhalb der Einheitsbewertung des Grundvermögens dieselbe Materie regelnden Bestimmung des § 92 BewG wird dazu ausgeführt, dass von der Kapitalisierung des Erbbauzinses auf den Wert des belasteten Grundstücks zu schließen sei, weil der Erbbauzins die Rendite des zu Bebauungszwecken überlassenen Grund und Bodens darstelle (BTDrucks 13/5952, S. 42). Der gegenüber dem Vervielfältiger von 12,5 nach § 146 Abs. 2 Satz 1 BewG (zu dessen Entstehung vgl. BTDrucks 13/5952, S. 40) höhere Kapitalisierungsfaktor von 18,6 in § 148 Abs. 1 BewG, der dem für die Ermittlung des Werts immerwährender Nutzungen und Leistungen nach § 13 Abs. 2 BewG geltenden Faktor entspricht, sei dadurch gerechtfertigt, dass bei Erbbaurechten keine Verwaltungskosten und sonstige durch Abschläge zu berücksichtigende Belastungen größeren Umfangs vorlägen. Der Abzug des Werts des belasteten Grundstücks von dem nach § 146 und § 147 BewG ermittelten Wert zur Bestimmung des Werts des Erbbaurechts stelle sicher, dass der Wert für das belastete Grundstück und das Erbbaurecht insgesamt den gleichen Wert erbrächten wie das unbelastete Grundstück mit entsprechender Bebauung. Eine Berücksichtigung der Restlaufzeit des Erbbaurechts sei nicht erforderlich, da typisierend angenommen werden könne, dass beim Heimfall eine Vergütung nach § 32 der Verordnung über das Erbbaurecht zu ermitteln sei.
3. Beide Abweichungen des § 148 Abs. 1 BewG von § 92 BewG können dazu führen, dass die festzustellenden Grundstückswerte die gemeinen Werte des jeweiligen Bewertungsgegenstandes ―also des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks oder des Erbbaurechts― übersteigen. Der Aussetzungsbeschluss des Senats vom 22. Mai 2002 II B 173/01 (BFHE 199, 11, BStBl II 2002, 844) betraf einen Sachverhalt, bei dem die laufzeitunabhängige Bestimmung des Werts für das belastete Grundstück einerseits und das Erbbaurecht andererseits zu einem den gemeinen Wert übersteigenden Wert des Erbbaurechts führte. Im Streitfall geht es dagegen um eine Überbewertung des belasteten Grundstücks infolge seiner ausschließlichen Abhängigkeit von der Höhe des Erbbauzinses.
Die Höhe des Erbbauzinses muss nicht in jedem Falle an der marktüblichen Bodenrendite ausgerichtet sein, sondern kann ―etwa unter gesellschaftsrechtlich verbundenen Beteiligten oder unter Angehörigen oder aus sozialen Gründen― auf anderen Erwägungen beruhen, wobei auch ein die marktübliche Rendite übersteigender Erbbauzins vereinbart sein kann. In solchen Fällen sieht § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG keine Korrekturmöglichkeit vor (vgl. dazu Albrecht in Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1998, 147, 148). In der Literatur wird vorgeschlagen, Wertansätze, die den gemeinen Wert des zu bewertenden Wirtschaftsguts übersteigen, generell dadurch auszuschließen, dass dem gemeinen Wert i.S. des § 9 BewG die Bedeutung eines Höchstwerts für jede der im Bewertungsgesetz vorgeschriebenen Wertermittlungsmethoden beigemessen wird (so Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, Stand März 2004, § 9 Anm. 2; Gebel in Betriebs-Berater ―BB― 2002, 2365, unter IV. 2.). Dem steht jedoch der Wortlaut sowohl des § 9 Abs. 1 BewG als auch des § 138 Abs. 3 Satz 1 BewG entgegen, wonach der gemeine Wert nur dann anzusetzen ist, wenn nichts anderes vorgeschrieben ist ―so § 9 Abs. 1 BewG― und die typisierenden Werte u.a. nach § 148 Abs. 1 BewG abweichend von § 9 BewG ermittelt werden sollen ―so § 138 Abs. 3 BewG― (vgl. auch Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 9 BewG Anm. 4).
4. Die Typisierung, die der Bewertung der erbbaurechtsbelasteten Grundstücke nach § 138 Abs. 3 i.V.m. § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG gemäß eigenem Bekunden des Gesetzes zugrunde liegt, rechtfertigt aber keine Verletzung des Übermaßverbots im Einzelfall. Verfassungsgemäß ist solch eine typisierende Regelung nur solange, wie ein Verstoß gegen das Übermaßverbot im Einzelfall entweder durch verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift oder durch eine Billigkeitsmaßnahme, wobei beides den normativen Gehalt der Vorschrift bzw. die dem Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers nicht durchbrechen darf (so BVerfG-Beschlüsse zur verfassungskonformen Auslegung vom 6. Dezember 1972 1 BvR 230/70 und 1 BvR 95/71, BVerfGE 34, 165, 200, sowie vom 22. Juni 1977 1 BvL 23/75, BVerfGE 45, 393, 400, und zu den Billigkeitsmaßnahmen vom 5. April 1978 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102, 116, BStBl II 1978, 441, sowie vom 22. Juni 1995 2 BvR 551/91, BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter B. 2., sowie Urteil des BFH vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297, unter II. 3.), abgewendet werden kann. Wegen § 138 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 20 Satz 2 BewG können dabei Billigkeitsgesichtspunkte ohnehin erst bei Festsetzung der Erbschaftsteuer bzw. Grunderwerbsteuer Berücksichtigung finden (Rössler/Troll, a.a.O., § 138 Anm. 15). Das Übermaßverbot ist verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Belastung extrem über das normale Maß hinausgehen, das der Schematisierung zugrunde liegt, oder ―anders ausgedrückt― die Folgen auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Planvorstellungen durch den gebotenen Anlass nicht mehr gerechtfertigt sind (vgl. Beschluss des BVerfG vom 5. April 1978 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102, 116, BStBl II 1978, 441). Diese Grenze ist umso früher erreicht, je höher im Einzelfall die letztlich anzulegenden Steuertarife sind.
Für den Fall, dass der nach § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG sich ergebende Wert des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks solchermaßen gegen das Übermaßverbot verstößt, ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG dahin möglich und damit auch geboten, entsprechend Satz 2 der Vorschrift i.V.m. § 146 Abs. 7 oder den §§ 147, 145 Abs. 3 Satz 3 BewG den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks in unbebautem Zustand zuzulassen. Dabei ist der gemeine Wert auch hier in seiner Vergleichsfunktion nach Maßgabe der Grundsätze des BFH-Urteils vom 8. Oktober 2003 II R 27/02 (BFHE 204, 306, BStBl II 2004, 179) zu verstehen. Dass Versuche, die Bewertung erbbaurechtsbelasteter Grundstücke mit dem Bodenwert nach § 145 Abs. 3 BewG vorzunehmen ―was nach Satz 3 der Vorschrift die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts einschlösse― im Gesetzgebungsverfahren steckengeblieben sind (vgl. BTDrucks 14/1514, S. 15, 41), steht einer derartigen Auslegung ebenso wenig entgegen wie der Wortlaut des § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG. Der Wortlaut allein hindert eine verfassungskonforme Auslegung solange nicht (so Beschluss des BVerfG vom 19. Juni 1973 1 BvL 39/69 und 1 BvL 14/72, BVerfGE 35, 263, 278 ff.), wie der normative Gehalt der Vorschrift nicht neu bestimmt wird. Dies geschieht aber durch die an die gesetzlich vorgesehenen Öffnungsklauseln angelehnte und nur Einzelfälle betreffende Auslegung, die den Regelfall unberührt lässt, nicht (vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 4 AO 1977 Anm. 239).
5. Da im Streitfall der nach dem Wortlaut des § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG anzusetzende Wert für das erbbaurechtsbelastete Grundstück mehr als das Dreifache des Verkehrswerts ausmacht, läge ein Verstoß gegen das Übermaßverbot in dem erforderlichen Ausmaß vor, wollte man diesen Wert der Erbschaftbesteuerung zugrunde legen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger beim Heimfall des Erbbaurechts eine Entschädigung für die Gebäude in sachgerechter Höhe zu zahlen und das Erbbaurecht noch eine lange Laufzeit hat, so dass sich auch von daher keine Rechtfertigung für den den gemeinen Wert des belasteten Grundstücks übersteigenden Wertansatz ergibt. Das FG hat deshalb zu Recht den festgestellten Grundstückswert auf den gemeinen Wert des belasteten Grundstücks gemindert.
Fundstellen
Haufe-Index 1167237 |
BFH/NV 2004, 1140 |
BStBl II 2004, 1036 |
BFHE 2004, 570 |
BFHE 204, 570 |
BB 2004, 1550 |
BB 2004, 1667 |
DB 2004, 1649 |
DStR 2004, 1212 |
DStRE 2004, 928 |
DStZ 2004, 509 |
HFR 2004, 889 |