Leitsatz (amtlich)
Erwirbt ein Nichtlandwirt ein heruntergewirtschaftetes landwirtschaftliches Anwesen mit dazugehörigen landwirtschaftlichen Nutzflächen, aber ohne lebendes und totes Inventar (38 ha) und baut er es in vier Jahren durch erhebliche Investitionen zu einem modernen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb aus, den er im fünften Jahr wieder veräußert, so können die bis dahin angefallenen Verluste die Annahme der Liebhaberei nur dann begründen, wenn Sachverständige zu dem eindeutigen, berechtigte Zweifel ausschließenden Ergebnis gekommen sind, daß auch nach der vierjährigen Anlaufzeit weiter nachhaltig Verluste angefallen wären, weil der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung trotz des vorgesehenen Ausbaus von Anfang an nicht in der Lage war, auf die Dauer nachhaltig Gewinne zu erwirtschaften.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 2, §§ 4-5, 13
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Architekt. Er erklärte für die Streitjahre - neben seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung - Verluste aus Land- und Forstwirtschaft. Der Kläger hatte im April 1970 den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb V zum Kaufpreis von 320 000 DM erworben. Die erworbene Gesamtfläche betrug ca. 38 ha, davon waren ca. 24 ha landwirtschaftliche Nutzfläche (ca. 22 ha Grünland und ca. 2 ha Ackerland) sowie ca. 14 ha Wald. Der Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs zum 1. Januar 1964 betrug 31 800 DM. Zur Zeit des Kaufs des Betriebs durch den Kläger waren Vieh, Maschinen und Geräte nicht vorhanden. Die vorhandenen Gebäude wurden mit einem Kostenaufwand von ca. 650 000 DM größtenteils durch Neubauten ersetzt. An den nachstehend genannten Stichtagen waren folgende Tierbestände vorhanden:
30.4. 30.4. 30.4. 30.4.
1972 1973 1974 1975
Stück Stück Stück Stück
Zuchtbullen - - 1 1
Kühe 15 21 23 27
Kalbinnen - - 5 8
Rinder 1-2 Jahre - - 8 -
Rinder 1/2-1 Jahr 30 9 - 5
Rinder - 1/2 Jahr 17 6 - 1
Kälber - 9 4 -
Pferde (Haflinger) - - 1 1
Fohlen - - 2 2
Angestrebt wurde ein Bestand von 30 Milchkühen sowie die Haltung des entsprechenden Jungviehs. Die vorhandenen Stallungen und Wirtschaftsgebäude reichten hierzu aus. Auch die erforderlichen Flächen für das wirtschaftseigene Futter waren vorhanden.
Die Verluste aus dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft betrugen nach dem Betriebsprüfungsbericht vom 16. September 1974:
Wirtschaftsjahr 1. Mai - 30. April
1970/71 ./. 17 568,63 DM
1971/72 ./. 259 400,61 DM
1972/73 ./. 146 475,40 DM
1973/74 ./. 53 922,24 DM
Für das Wirtschaftsjahr 1974/75 erklärte der Kläger einen Verlust von 510 DM.
In den Wirtschaftsjahren 1971/72 und 1972/73 sind in den Betriebsergebnissen Sonderabschreibungen nach § 76 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in folgender Höhe enthalten:
1971/72 116 405,- DM
1972/73 112 561,86 DM
An Lohnkosten sind in den Gewinn- und Verlustrechnungen enthalten:
1970/71 -
1971/72 20 952,71 DM
1972/73 25 063,89 DM
1973/74 27 521,76 DM
1974/75 29 049,58 DM
Die Erträge betrugen It. Verlust- und Gewinnrechnunggen:
1970/71 2 477,- DM
1971/72 63 068,- DM
1972/73 96 671,- DM
1973/74 69 470,- DM
1974/75 73 670,- DM
Der Kläger hat den Betrieb im ganzen am 27. März 1975 zum Kaufpreis von 1 475 000 DM wieder veräußert (Übergabe 1. Mai 1975).
Aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß steuerlich beachtliche Verluste aus dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nicht vorlägen, weil es sich hierbei um Liebhaberei handle. Der Betrieb sei von Anfang an nicht zur Erzielung von Gewinnen geeignet gewesen. Es könne mit Sicherheit gesagt werden, daß es auch künftig nicht möglich sein werde, auch nur einen Ausgleich zwischen Aufwand und Ertrag herbeizuführen.
Das FA erkannte deshalb bei den Einkommensteuerveranlagungen 1971 bis 1974 die geltend gemachten Verluste aus Land- und Forstwirtschaft nicht an.
Dagegen wandte sich der Kläger mit der Sprungklage. Er beantragte die Einholung eines Obergutachtens der Landesanstalt für Betriebswirtschaft und Agrarstruktur.
Das Finanzgericht (FG) holte eine gutachtliche Äußerung des Amtes für Landwirtschaft und Tierzucht ein. Dieses Gutachten (im folgenden Gutachten A) kam zu dem Ergebnis, daß der Kläger bei einer Weiterbewirtschaftung des Anwesens auf längere Sicht keine nachhaltigen Überschüsse erwirtschaftet hätte. Nach dem dem Gutachten beigefügten Betriebsentwicklungsplan wurde das für das Wirtschaftsjahr 1975/76 zu erwartende Betriebsergebnis auf minus 6 441 DM geschätzt. Die Unterschiede gegenüber den Schätzungen des FA und des Klägers selbst ergäben sich im wesentlichen dadurch, daß einerseits das FA mit einem niedrigeren Milchpreis (0,46 DM pro kg statt 0,51 DM pro kg) und mit einer niedrigeren Milchleistung der Kühe (4 000 kg statt 4 500 kg Milch pro Kuh und Jahr) kalkuliert habe und andererseits der Kläger den Wert des wirtschaftseigenen Düngers und des wirtschaftseigenen Futters zu hoch veranschlagt habe, so daß er zu einem niedrigeren Aufwand für den Zukauf von Handelsdüngern und Handelsfuttermitteln komme.
Der Kläger legte im finanzgerichtlichen Verfahren eine gutachtliche Stellungnahme des o. Professors für Angewandte landwirtschaftliche Betriebslehre, Dr. P (im folgenden Gutachten P), vom 7. Juli 1978 vor. Die Stellungnahme kommt zu dem Ergebnis, daß bei Ermittlung des Betriebsergebnisses nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen mit einem Gewinn von 8 949 DM (unter Einschluß der betriebsfremden Wohnhäuser 8 364 DM) zu rechnen sei. Die für das Wirtschaftsjahr 1976/77 mit Normaldaten durchgeführte Betriebskalkulation, deren Ergebnis durch das Mittel von 177 Vergleichsbetrieben bestätigt werde, lasse zweifelsfrei erkennen, daß der fragliche Betrieb trotz des sehr hohen Gebäudeaufwandes und trotz der voll zu tragenden Lohnbelastung auf längere Zeit Überschüsse erwirtschaftet hätte. Um diese Überschüsse zu erreichen, hätte es lediglich einer durchschnittlichen Bewirtschaftung bedurft. Sie sei gerade mit Lohnarbeitskräften sicher zu gewährleisten, da man schlechten Wirtschaftern - im Gegensatz zum Betriebsleiter im Familienbetrieb - kündigen könne.
Die kalkulierten Überschüsse seien zwar im Vergleich zu den Verlusten der Anlaufphase relativ bescheiden. Bei längerer Bewirtschaftung wären sie jedoch infolge weiterer verbesserter Produktionstechnik noch steigerungsfähig gewesen, insbesondere dann, wenn Aufstockungsflächen hinzugekommen wären. Der Betrieb sei auch nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt worden. Die gewählte bzw. angestrebte Betriebsorganisation sei den speziellen Boden- und Klimaverhältnissen des Betriebs voll angepaßt gewesen.
Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Es folgte bei seiner tatsächlichen Würdigung der gutachtlichen Stellungnahme P, nahm aber bei drei wesentlichen Kalkulationen aufgrund der Ausführungen im Gutachten A Korrekturen vor. Es gelangte dadurch zu einem geschätzten künftig erzielbaren Gewinn von rd. 1 300 DM bis 1 400 DM. Ob - wie P meine - der Betrieb vom Kläger nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt worden sei oder ob - wie der Gutachter A meine - bei der Organisation des Betriebes und bei der Betriebsführung betriebswirtschaftliche Fehler gemacht worden seien, könne nach Auffassung des FG dahingestellt bleiben. Denn bei Zugrundelegung künftiger Gewinne von 1 300 DM bis 1 400 DM pro Jahr könne nicht davon gesprochen werden, daß der Betrieb auf Dauer gesehen mit Gewinn hätte arbeiten können, d. h. daß die Verluste der ersten Wirtschaftsjahre jemals auch nur annähernd hätten ausgeglichen werden können. Der Grund hierfür liege nicht etwa in außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Ereignissen, die, auch wenn sie zu hohen Verlusten führen würden, dem Betrieb nicht den Charakter eines Erwerbsbetriebes nehmen würden. Er sei vielmehr in den hohen Investitionen der ersten Jahre und in der Tatsache zu suchen, daß der Betrieb im wesentlichen mit fremden Arbeitskräften bewirtschaftet worden sei.
Mit der Revision beantragt der Kläger sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1971 bis 1974 die Einkommensteuer dieser Jahre in der Höhe festzusetzen, die sich durch den Ansatz der erklärten Verluste aus Land- und Forstwirtschaft ergibt.
Hilfsweise beantragt der Kläger, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Materiell-rechtlich rügt der Kläger die Verletzung des § 2 Abs. 2 und 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Außerdem verstoße das FG-Urteil gegen die Denkgesetze. Verfahrensrechtlich rügt der Kläger einen Verstoß gegen § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Er führt u. a. aus, die Abweisung der Klage habe das FG nur mit der These begründet, daß zum Begriff der Gewinnerzielungsabsicht notwendig nicht nur die Erzielung von Gewinnen nach Anlaufverlusten gehöre, sondern daß diese Gewinne auf Dauer auch die Anlaufverluste ausgleichen müßten. Diese Auffassung verkenne den Begriff der Gewinnerzielungsabsicht. Gewinnerzielungsabsicht im steuerlichen Sinne bedeute die Deckung der Ausgaben durch Einnahmen. Es wäre eine zu enge Auslegung des Begriffs der Gewinnerzielungsabsicht, wenn Verluste auf Dauer immer ausgeglichen werden müßten. Denn in diesem Falle müßte zahlreichen Gewerbebetrieben, freiberuflich Tätigen und anderen Steuerpflichtigen die steuerliche Anerkennung versagt werden.
Verstöße gegen die Denkgesetze seien darin zu erblikken, daß das FG einerseits behaupte, es folge zugunsten des Klägers im wesentlichen den Berechnungen im Gutachten P, tatsächlich aber in wesentlichen Punkten dem Gutachten A recht gebe. Das führe dazu, daß der von P ermittelte Gewinn in Höhe von rd. 8 900 DM auf 1 300 DM bis 1 400 DM gesenkt werde.
Wenn das FG der Auffassung gewesen sei, daß sich die Aussagen der Gutachter widersprächen und sich dadurch in der Gewinnermittlung erhebliche Abweichungen ergäben, hätte es das beantragte Obergutachten einholen müssen. Es hätte nicht selbst diese Rolle übernehmen dürfen. Durch die Nichteinholung des Obergutachtens habe das FG § 76 FGO verletzt.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kommt es für die Abgrenzung zwischen Liebhaberei und einer einkommensteuerrechtlich bedeutsamen Tätigkeit, wie einem Gewerbebetrieb oder einer Land- und Forstwirtschaft, neben der Voraussetzung, daß der Betrieb nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt wird, entscheidend darauf an, ob der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nachhaltig mit Gewinnen arbeiten kann. Dies erfordert eine in die Zukunft gerichtete Beurteilung, wofür die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen längeren Zeitraums wichtige Anhaltspunkte bieten (BFH-Urteile vom 4. März 1970 I R 123/68, BFHE 98, 259, BStBl II 1970, 470; vom 18. März 1976 IV R 113/73, BFHE 118, 447, BStBl II 1976, 485). Dauernde Verluste während eines Zeitraumes von - wenn keine besonderen Verhältnisse gegeben sind - etwa acht und mehr Jahren sprechen nach der Rechtsprechung des BFH für die Annahme einer Liebhaberei, weil der geschlossene Verlustzeitraum einer solchen Anzahl von Jahren eine ausreichende Grundlage für die Prognose bietet, daß der Betrieb bei gleichbleibender Form der Bewirtschaftung nicht geeignet ist, aus der Verlustzone herauszukommen und nachhaltige Gewinne zu erzielen. Dem Steuerpflichtigen ist allerdings durch diese Vermutung nicht der Einwand abgeschnitten, daß er die dauernden Verluste bzw. die nach einer angemessenen Anlaufzeit weiterhin angefallenen Verluste infolge des Eintritts unvorhergesehener Ereignisse erlitten habe und daß der Betrieb nach der Überwindung dieser Umstände geeignet sei, Gewinne zu erzielen. Verluste der Anlaufzeit können nur dann steuerlich nicht anerkannt werden, wenn aufgrund der Entwicklung des Betriebes eindeutig feststeht, daß die Land- und Forstwirtschaft (oder auch ein anderes Unternehmen), so wie sie vom Steuerpflichtigen betrieben wurde, von vornherein nicht in der Lage war, nachhaltige Gewinne zu erzielen und deshalb nach objektiver Beurteilung von Anfang an keine Einkunftsquelle i. S. des Einkommensteuerrechts darstellt (vgl. BFHE 118, 447, BStBl II 1976, 485).
2. Der vorliegende Fall weicht von den Fällen, in denen der BFH bisher über die Frage der Liebhaberei eines landwirtschaftlichen Betriebes vom Zeitpunkt des Erwerbes an - also ohne Einräumung einer Anlaufzeit - zu entscheiden hatte, in einem nach den obigen Grundsätzen wesentlichen Punkte ab. Während nämlich in fast allen bisher entschiedenen Fällen ein größerer Verlustzeitraum von 10 und mehr Jahren bekannt war, hat der Kläger seinen landwirtschaftlichen Betrieb nur fünf Jahre bewirtschaftet und anschließend mit hohem Gewinn wieder veräußert. Berücksichtigt man, daß der Kläger nach den Feststellungen des FG 1970 einen Betrieb erworben hat, den er völlig neu aufbauen mußte, so müssen die ersten fünf Jahre der Bewirtschaftung als angemessene Anlaufzeit gewertet werden. Für diese Anlaufjahre könnte - nach den Ausführungen zu 1. - eine Liebhaberei nur dann bejaht werden, wenn sichere Anhaltspunkte vorhanden wären, die zu der Prognose berechtigten, daß die Landwirtschaft, so wie sie vom Kläger betrieben wurde, überhaupt keine nachhaltigen Gewinne erwirtschaften konnte und deshalb von Anfang an nicht geeignet war als Einkunftsquelle i. S. des Einkommensteuerrechts zu dienen. Nur unter diesen Voraussetzungen könnte von steuerlich berücksichtigungsfähigen Anlaufverlusten nicht mehr gesprochen werden.
Die erforderliche Zukunftsprognose konnte in den entschiedenen Fällen meist relativ leicht mit der bereits eingetretenen und daher den Beteiligten bekannten Tatsache getroffen werden, daß auch nach einer angemessenen Anlaufzeit weiter hohe Verluste angefallen waren und die Gewinnzone tatsächlich auch nach vielen Jahren nicht erreicht wurde (vgl. BFHE 118, 447, BStBl II 1976, 485). In den meisten Fällen waren so viele ununterbrochene Verlustjahre bekannt, daß es sich faktisch um keine Prognose mehr handelte, sondern um den vollen Beweis der Unmöglichkeit der Gewinnerzielung.
Im Streitfall ist die Beweisführung aufgrund einer inzwischen eingetretenen zukünftigen Entwicklung des Betriebes nicht möglich. Das FG konnte daher nur mit Hilfe von Sachverständigengutachten die erforderliche Zukunftsprognose gewinnen, daß die Landwirtschaft des Klägers, wenn er sie über 1975 hinaus behalten hätte, auch in den folgenden Wirtschaftsjahren keine nachhaltigen Gewinne erbracht hätte. Wie der Streitfall zeigt, steht diese Art der Beweisführung auf unsicherem Boden; sie wäre nach Auffassung des Senats nur dann überzeugend gewesen, wenn das oder die eingeholten Sachverständigengutachten zu ganz eindeutigen, berechtigte Zweifel ausschließenden Ergebnissen gekommen wären. Mit unsicheren Wahrscheinlichkeitsprognosen können Verluste eines Betriebes, dem an sich seiner Art nach die Qualifikation als Einkunftsquelle nicht abgesprochen werden kann, nicht von dem gesetzlich (§ 2 Abs. 2 EStG) zugelassenen Verlustausgleich ausgeschlossen werden.
Im Streitfall hat aber gerade das FG selbst ein solches eindeutiges Ergebnis der Sachverständigengutachten mit Recht verneint. Denn das Gutachten A und die gutachtliche Stellungnahme P, die das FG als objektives Sachverständigengutachten dem Gutachten A gleichstellt, kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. A stellt eine Verlustprognose von jährlich rd. 6 000 DM auf, während P zu einer Gewinnprognose von jährlich rd. 8 000 DM bis 9 000 DM gelangt. Dabei sind beide Gutachter bei ihren einzelnen Ertragsberechnungen nur von Mittelwerten - allerdings in unterschiedlicher Höhe - ausgegangen. Es läßt sich danach aus den Gutachten nur entnehmen, daß der Betrieb in Zukunft, je nachdem, ob man bei den mit größerer Gewißheit nicht möglichen Schätzungen der einzelnen Erträge, z. B. der Milchleistung pro Kuh, von etwas besseren oder von etwas schlechteren Leistungen ausgeht, entweder nicht sehr hohe Verluste oder nicht sehr hohe Gewinne erwirtschaften könnte. An diesem nicht eindeutigen Ergebnis könnte auch ein weiteres Sachverständigengutachten nichts ändern.
Das FG versucht, die unterschiedlichen Ergebnisse der Gutachter dadurch zu überbrücken, daß es die beiden Gutachten zu einem einheitlichen Ergebnis zusammenfaßt, indem es aus den ihm als brauchbar erscheinenden Teilen der beiden Gutachten - offenbar aus eigener Sachkunde - selbst eine Schätzung der künftigen Gewinne vornimmt, wobei es teilweise Berechnungen des Gutachters P übernimmt, obwohl es dagegen Bedenken äußert. Es gelangt so zu einem angenommenen künftigen Gewinn des Betriebes von rd. 1 300 DM bis 1 400 DM pro Jahr. Diese Schätzung des FG, die immerhin zu Gewinnen und nicht zu Verlusten gelangt und offenbar ziemlich in der Mitte der Ergebnisse der beiden Gutachten liegen sollte, nimmt mehrere Unsicherheitsfaktoren in Kauf. Sie stellt keine geeignete Grundlage für die weittragende Entscheidung dar, daß es sich bei den Verlusten der Streitjahre um keine bloßen Anlaufverluste handelte, weil der Betrieb des Klägers nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung überhaupt keine nachhaltigen Gewinne erzielen konnte.
Dem FG genügte dieses Ergebnis als Mittelwert der beiden Gutachten offenbar nur deshalb, weil es davon ausging, daß von einer nachhaltigen Gewinnerzielung nur gesprochen werden könne, wenn die Verluste der Anlaufzeit auf die Dauer ausgeglichen und darüber hinaus Gewinne erzielt werden können. Diese in BFHE 98, 259, BStBl II 1970, 470 enthaltene Aussage, die sich das FG zu eigen gemacht hat, betraf einen mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbaren Fall eines Gestüts, das als solches trotz seiner optimalen Betriebsorganisation für eine nachhaltige Gewinnerzielung nicht geeignet war. Der BFH prüfte deshalb die Frage, ob durch die vom FA nicht berücksichtigten Renngewinne und Züchterprämien die Ertragsprognose so beeinflußt werden könnte, daß durch ihre Einbeziehung insgesamt auf die Dauer mit nachhaltigen Gewinnen gerechnet werden könnte. Wie der erkennende Senat bereits in einem nichtveröffentlichten Urteil (vom 14. April 1976 IV R 84/73) dargelegt hat, kann darin kein allgemeiner Grundsatz erblickt werden, daß bei über Jahre hin mit Verlusten arbeitenden Betrieben die steuerliche Berücksichtigung dieser Verluste stets voraussetze, daß sie durch die für die Zukunft in Aussicht stehenden Gewinne rechnerisch nicht nur ausgeglichen, sondern darüber hinaus Gewinne erzielt werden können. Wie oben schon dargelegt, kann ein Betrieb nach Verlustjahren einkommensteuerrechtlich nur dann als Liebhaberei angesehen werden, wenn feststeht, daß er auch in Zukunft seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung nach auf die Dauer nicht nachhaltig Gewinne erwirtschaften kann, wobei das Gewicht auf der Nachhaltigkeit der Gewinne, nicht auf ihrer Höhe liegt. Bei dieser Prüfung können allerdings ungewöhnlich hohe Verluste abgelaufener Jahre - jedoch unter Berücksichtigung ihrer Ursachen - nicht außer Betracht bleiben. Denn sie sprechen für sich schon gegen die Möglichkeit nachhaltiger Gewinnerzielung.
Im Falle des Klägers waren aber nennenswerte Verluste nur in vier Wirtschaftsjahren angefallen, die - wenn man von den Buchverlusten absieht - für Jahre des völligen Neuaufbaues eines landwirtschaftlichen Betriebes nicht ungewöhnlich waren. Wenn das FG ausführt, der Grund, warum der Betrieb des Klägers nicht geeignet war, als Einkunftsquelle zu dienen, liege neben dem hohen Lohnaufwand in den hohen Investitionen der ersten Jahre, so beruht diese Betrachtung wieder auf der rechtlich nicht haltbaren Forderung des FG, daß hohe Anfangsverluste mit zukünftigen Gewinnen ausgeglichen werden müßten, die es irrtümlich aus dem Urteil in BFHE 98, 259, BStBl II 1970, 470 übernommen hat. Ohne hohe Investitionen kann kein moderner landwirtschaftlicher Betrieb und kein moderner Fabrikationsbetrieb aufgebaut werden. Ob und in welcher Zeitspanne diese Investitionen durch Gewinne aufgewogen werden, kann für die Frage der einkommensteuerrechtlichen Anerkennung der Verluste und Gewinne solcher Betriebe nicht entscheidend sein. Die Auffassung des FG würde zu dem wirtschaftlich bedenklichen Ergebnis führen, daß Besitzer größeren Vermögens es nicht wagen könnten, dieses Vermögen in einen neu zu errichtenden Erwerbsbetrieb, sei es in eine Land- und Forstwirtschaft oder einen Gewerbebetrieb, z. B. in ein Hotel, zu investieren, wenn sie mit der steuerlichen Nichtanerkennung der Verluste der Anlaufjahre rechnen müßten. Der Kläger kann auf jeden Fall dem Einwand der hohen Investitionen als uneinbringliche Verluste entgegenhalten, daß durch seinen erzielten Veräußerungspreis von 1 475 000 DM die angeblich nur zu Verlusten führenden Investitionen mehr als ausgeglichen sind und sich letzten Endes als wirtschaftlich vernünftig erwiesen haben.
3. Die Vorentscheidung muß wegen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Voraussetzungen der Liebhaberei durch das FG aufgehoben werden.
Da der Kläger 1970 ein heruntergewirtschaftetes landwirtschaftliches Anwesen mit abbruchreifen Gebäuden und ohne Inventar erworben hat, das er zu einem modernen landwirtschaftlichen Betrieb ausgebaut hat, können die Verluste der ersten fünf Jahre für sich nicht zu dem Schluß berechtigen, daß es sich einkommensteuerrechtlich um keine Land- und Forstwirtschaft, sondern von Anfang an um eine steuerlich nicht relevante Liebhaberei gehandelt habe. Ausgangspunkt und Mittelpunkt der Prüfung, ob bei einem Betrieb Liebhaberei anzunehmen ist, können nur anhaltende Verluste über die Anlaufjahre hinaus sein, ohne daß eine Aussicht auf nachhaltige Gewinnerzielung besteht. Dieser Nachweis ist im Streitfall weder durch die Sachverständigengutachten noch durch andere Beweismittel erbracht.
Gerade die beiden sich widersprechenden Sachverständigengutachten beweisen, daß es sich bei dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers um einen an der Grenze liegenden Fall handelt, dessen zukünftige Ertragslage nicht mit dem hier erforderlichen eindeutigen positiven oder negativen Ergebnis vorausgesagt werden kann. Schon eine Verschiebung der vom FG angesetzten jährlichen Milchleistung pro Kuh um einige 100 kg nach oben, wodurch keineswegs eine Höchstleistung unterstellt würde, würde die vom FG berechneten Gewinne jährlich um mehrere 1 000 DM erhöhen. Allein dieses Beispiel beweist die Unmöglichkeit einer Voraussage, weil es sich eben im Falle des Klägers einerseits um keinen Betrieb handelt, der nach seinen wirtschaftlichen Gegebenheiten zwangsläufig nur hohe Verluste erwirtschaften kann, andererseits aber die Erzielung nachhaltiger Gewinne von mehreren Faktoren abhängt, deren Eintritt nach der kurzen Zeit der Inhaberschaft durch den Kläger nicht vorausgesagt werden kann.
Es fehlt daher eine Rechtsgrundlage, die Verluste der Land- und Forstwirtschaft des Klägers nicht als negative Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft anzuerkennen.
Fundstellen
Haufe-Index 73642 |
BStBl II 1980, 718 |