Leitsatz (amtlich)
Die Frage, ob sich ein fehlerhafter Bilanzansatz "steuerlich ausgewirkt" hat und damit eine Zurückberichtigung des Fehlers für bereits unanfechtbar abgeschlossene Veranlagungszeiträume entfällt, ist allein nach den für diese Veranlagungszeiträume festgesetzten Steuerbeträgen zu beantworten.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 2, § 7 Abs. 1, § 10d
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), die zunächst unter anderer Firma den Handel mit Haushaltswaren in gemieteten Räumen betrieben hatte, hatte die Kosten der an diesen Räumen vorgenommenen Umbauarbeiten aktiviert und laufend abgeschrieben. Als sie den Handel mit Haushaltswaren und zugleich die gemieteten Räume im Jahre 1958 aufgab, stand die Position "Umbaukosten" am 31. Dezember 1958 mit 6 700 DM zu Buch. Eine Entschädigung für ihre Aufwendungen oder deren vollen Ersatz durch den Vermieter erlangte sie nicht.
In den Folgejahren (1959 bis 1963) schrieb die Steuerpflichtige jährlich 220 DM auf die Umbaukosten ab. Im Streitjahr 1964 setzte sie die Abschreibung mit 800 DM an. Der Revisionsbeklagte (FA) erkannte diese Abschreibung nicht an und verwies die Steuerpflichtige auf den Betriebsprüfungsbericht vom 21. Juli 1964, nach dessen Tz. 22 die Position "Umbaukosten" bereits nach Aufgabe der Mieträume in der Bilanz zum 31. Dezember 1958 in voller Höhe hätte - verlusterhöhend - abgeschrieben werden müssen.
Der Einspruch der Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg. Mit ihrer Klage gegen den Einspruchsbescheid hatte die Steuerpflichtige begehrt, nicht nur die Abschreibung der streitigen 800 DM, sondern des ganzen am 1. Januar 1964 noch zu Buche stehenden Betrages von 5 600 DM als zulässig anzuerkennen. Eine Durchbrechung des Bilanzzusammenhanges liege nicht vor. Der Fehler in der Bilanz zum 31. Dezember 1958 (die Nichtvornahme der Absetzung für außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung) habe sich erstmals im Veranlagungszeitraum 1964 steuerlich ausgewirkt, weil das Einkommen der Steuerpflichtigen in den Jahren 1959 bis 1963 infolge Berücksichtigung von Vorjahresverlusten jeweils 0 DM betragen habe. Auch die Klage der Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg. Das FG führte aus:
Die Beteiligten gingen übereinstimmend davon aus, daß in der Bilanz zum 31. Dezember 1958 ein Wirtschaftsgut "Umbaukosten" nicht mehr vorhanden gewesen sei und darum nicht mehr habe aufgeführt werden dürfen. Nachdem es jedoch in der Bilanz zum 31. Dezember 1963 noch mit 5 600 DM enthalten gewesen sei und diese Bilanz der letzten rechtskräftigen Veranlagung (für den Veranlagungszeitraum 1963) zugrunde gelegt worden sei, gingen die Meinungen der Beteiligten darüber auseinander, ob die Klägerin diesen Betrag nunmehr in der Bilanz zum 31. Dezember 1964 gewinnmindernd absetzen dürfe.
Das FG folge der im Beschluß des Großen Senats des BFH Gr. S. 1/65 S vom 29. November 1965 (BFH 84, 392, BStBl III 1966, 142) vertretenen Auffassung, daß in der Regel die Schlußbilanz des Vorjahres und die Anfangsbilanz des nächsten Jahres identisch seien, so daß der tatsächliche Ansatz in der steuerlichen Vorjahresschlußbilanz die maßgebliche Grundlage des Vermögensvergleichs für das nächste Jahr darstelle, sofern die Vorjahresschlußbilanz der nicht mehr berichtigungsfähigen Veranlagung des Steuerpflichtigen für das Vorjahr zugrunde gelegen habe. In diesem Falle sei der Steuerpflichtige nicht mehr berechtigt, einen fehlerhaften Bilanzansatz rückwirkend in der Weise richtigzustellen, daß er diese Richtigstellung in der Anfangsbilanz erfolgsneutral vornehme. Vielmehr könne in einem solchen Fall der Bilanzansatz nur in der nächsten Schlußbilanz mit steuerlicher Wirkung richtiggestellt werden.
Ausnahmen von dieser Regel gälten nur für den Fall, daß der frühere fehlerhafte Bilanzansatz sich bis zum Ende des der Veranlagung des Steuerpflichtigen zugrunde gelegten, nicht mehr berichtigungsfähigen Vorjahres steuerlich noch nicht ausgewirkt habe, oder daß im einzelnen Falle der Grundsatz von Treu und Glauben eine Durchbrechung des Bilanzzusammenhanges zur Berichtigung des früheren fehlerhaften Bilanzansatzes bis zur Fehlerquelle zurück angebracht erscheinen lasse.
Im Streitfalle seien alle Veranlagungen der Steuerpflichtigen von 1959 bis 1963 einschließlich unanfechtbar gewesen, als im Jahre 1966 der angefochtene Steuerbescheid für 1964 ergangen sei. Der Fehler, der der Steuerpflichtigen bei Aufstellung ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1958 unterlaufen war, sei dem FA erst durch die Betriebsprüfung im Jahre 1964 bekanntgeworden. Auf Grund dieses Sachverhalts sei aber die Veranlagung 1958, die das Einkommen der Steuerpflichtigen und die Steuerschuld auf je 0 DM berechnet habe, nicht geändert worden. Dasselbe treffe für die Veranlagungen der Steuerpflichtigen für die Jahre 1959 bis 1963 zu. Ein rückwirkender Fehlerausgleich sei deshalb insoweit nicht möglich, als die dem Streitjahr vorangegangenen Veranlagungen und die ihnen zugrunde liegenden Bilanzen nicht mehr geändert werden könnten noch geändert worden seien.
Nun habe sich der Fehler, der der Steuerpflichtigen bei Aufstellung ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1958 unterlaufen war, allerdings bis zur Veranlagung 1963 einschließlich steuerlich nicht ausgewirkt. Wie man aber auch rechne, stets würde sich bei Vermeidung des Fehlers in der Bilanz zum 31. Dezember 1958 für die Jahre 1959 bis 1963 nur eine Steuerschuld von 0 DM ergeben haben. Selbst bei Berücksichtigung des höheren abzugsfähigen Verlustes für 1958 würde bei der Veranlagung der Steuerpflichtigen für 1964 der nichtverbrauchte Verlustanteil wegen Ablaufs der Fünfjahresfrist des § 10d EStG nicht mehr zur Geltung gekommen sein.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Steuerpflichtige mit ihrer Revision, zu deren Begründung sie vortragen läßt:
Entgegen den Ausführungen des FG hätte für die Beantwortung der Frage nach der steuerlichen Auswirkung des Fehlers auch das Streitjahr (1964) in die Betrachtung einbezogen werden müssen. Der im Jahre 1964 zu berücksichtigende abzugsfähige Verlust 1959 hätte um die Absetzung für Abnutzung (AfA) 1959 von 220 DM gekürzt werden müssen, so daß eine Auswirkung des Fehlers auf das Streitjahr festzustellen sei. Danach müsse der unrichtige Bilanzansatz in die Bilanz zum 1. Januar 1964 übernommen werden.
Darüber hinaus habe das FG übersehen, daß es sich bei der Ausbuchung der 5 600 DM zum 31. Dezember 1964 um eine außergewöhnliche Absetzung für wirtschaftliche Abnutzung handele, die nach § 7 Abs. 1 letzter Satz EStG "zulässig", nicht aber geboten sei. Es sei daher in das Belieben der Steuerpflichtigen gestellt, ob und damit auch wann sie diese Absetzung vornehmen wolle. Zudem sei die frühere Geltendmachung nicht willkürlich, sondern aus Rechtsunkenntnis unterblieben. Hilfsweise werde beantragt, wie in den Vorjahren AfA in Höhe von 220 DM zum Abzug zuzulassen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Steuerpflichtige hat in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1963 (= 1. Januar 1964) den Bilanzansatz "Umbaukosten" mit 5 600 DM ausgewiesen. Eine Berichtigung der Veranlagung der Steuerpflichtigen für die Jahre 1958 bis 1963 und damit auch eine Berichtigung der diesen Veranlagungen zugrunde liegenden Jahresabschlußbilanzen hat nicht stattgefunden. Sie ist nach den auch nach der Betriebsprüfung unverändert gebliebenen Bescheiden für 1958 und 1959 und nach dem die Berichtigungsbescheide für 1960 bis 1962 und den Erstbescheid für 1963 aufhebenden Urteil des FG vom 12. November 1965 offenbar auch nicht mehr möglich. Damit entfällt die Möglichkeit einer rückwirkenden Berichtigung des fehlerhaften Bilanzansatzes für diese Jahre auf diese Weise.
Die rückwirkende Berichtigung des fehlerhaften Bilanzansatzes für diese Jahre ist aber gleichwohl möglich, weil sich der Fehler, der in der Unterlassung der Ausbuchung der Position "Umbaukosten" bereits zum 31. Dezember 1958 zu sehen ist, in diesen Bilanzen (1958 bis 1963) trotz Berücksichtigung der AfA von jährlich 220 DM im steuerlichen Ergebnis nicht ausgewirkt hat. Ob der Fehler über den unrichtig berechneten abzugsfähigen Verlust aus 1959 auch das Jahr 1964 berührt, ist ohne Bedeutung, da es hierauf - entgegen der Auffassung der Steuerpflichtigen - nicht ankommt.
Die Frage, ob sich ein Fehler bisher steuerlich ausgewirkt habe, beantwortet sich allein nach dem endgültig festgesetzten, unanfechtbar gewordenen Steuerbetrag. Dieser betrug für das Jahr 1958 wie auch für die ihm folgenden Jahre 1959 bis 1963 - mit und ohne Berücksichtigung der Fehlerberichtigung (mit der Folge eines auf den 31. Dezember 1958 entsprechend höher festzustellenden Verlustes) - jeweils 0 DM. Der Beibehaltung des fehlerhaften Bilanzansatzes bis in das Streitjahr kommt demgegenüber keine selbständige Bedeutung zu. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn sich der fehlerhafte Bilanzansatz in den Jahren 1958 bis 1963 in einer Steuerfestsetzung mit positivem Betrag "steuerlich ausgewirkt" hätte.
2. Was die Möglichkeit einer Absetzung für außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung betrifft, so gibt das Gesetz - entgegen der Auffassung der Steuerpflichtigen - dieser kein Wahlrecht, ob sie bei Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen die Absetzung vornehmen will oder nicht, wenn das in Frage stehende Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden, insbesondere - wie im Streitfall - untergegangen ist (vgl. auch Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 34g zu § 7 EStG).
3. Danach war der Fehler durch Berichtigung der Bilanz zum 31. Dezember 1958 zu berichtigen. Die Erhöhung des Verlustes für 1958 konnte jedoch infolge Ablaufs der Fünfjahresfrist des § 10d EStG im Streitjahr nicht mehr zur Auswirkung kommen (vgl. BFH-Urteil I 184/63 vom 12. Januar 1966, BFH 85, 161, BStBl III 1966, 270).
Fundstellen
Haufe-Index 68554 |
BStBl II 1969, 464 |