Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhung des Gewerbesteuermessbetrages bei wechselseitig gezahlten Darlehenszinsen ohne tatsächliche Verrechnung
Leitsatz (NV)
Gewähren bei einer Betriebsaufspaltung Besitz- und Betriebsgesellschaft einander jeweils Darlehen, sind die Zinsaufwendungen bei der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrages nur zu saldieren, wenn die Darlehen demselben Zweck dienen und regelmäßig miteinander verrechnet werden.
Normenkette
GewStG 1991 § 2 Abs. 1 Sätze 1-2, § 3 Nr. 20c, § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt Speiserestaurants. Alleingesellschafter und Geschäftsführer ist G. Bezüglich einer Gaststätte (--M--) besteht eine Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und dem Einzelunternehmen des Alleingesellschafters.
Die Klägerin gewährte im Jahr 1994 G ein Darlehen über 1 Mio. DM, das zur Finanzierung der Anschaffung des Objektes M diente. Der Darlehensvertrag wurde mündlich geschlossen; die Darlehenszinsen wurden vom Darlehensnehmer nicht laufend beglichen, sondern der Darlehensforderung hinzugerechnet und mit verzinst.
G gab mit Vertrag vom 13. März 1995 seinerseits der Klägerin ein Darlehen über 1 Mio. DM zu einem Zinssatz von 7,5 v.H. jährlich. Die Zinsen aus diesem Darlehen überwies die Klägerin monatlich auf ein Privatkonto von G. Nach den Bestimmungen des Darlehensvertrags ist das Darlehen am 1. Januar 1996 zu tilgen. In den Erläuterungen zu dem auf den 31. Dezember 1995 aufgestellten Jahresabschluss wird hierzu ausgeführt, die Rückzahlung des Darlehens erfolge in Form der Verrechnung mit dem durch die Klägerin gewährten Darlehen. Tatsächlich wurde das Darlehen erst zum 31. Dezember 1997 getilgt. In den Bilanzen der Klägerin zum 31. Dezember 1995 und zum 31. Dezember 1996 wurden beide Darlehen saldiert ausgewiesen.
Die Darlehensverbindlichkeit der Klägerin wurde in den Veranlagungszeiträumen 1995 bis 1997 für Zwecke der Gewerbesteuer zunächst nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1991) und fortlaufend als Dauerschuld hinzugerechnet. Lediglich für das Jahr 1997 wurde eine Hinzurechnung der Zinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG 1991 vorgenommen.
Im Anschluss an eine Betriebsprüfung rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) in den Gewerbesteuermessbescheiden für die Jahre 1995 bis 1997 die hälftigen Zinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG 1991 dem Gewerbeertrag und die Hälfte des Darlehens nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG 1991 dem Gewerbekapital hinzu. Eine Saldierung der Verbindlichkeiten und Zinszahlungen nach Abschn. 45 Abs. 5 Satz 8 der Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) 1998 sei nicht möglich.
Einspruch und Klage gegen die geänderten Gewerbesteuermessbescheide hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 380 veröffentlicht.
Mit ihrer gegen das Urteil des FG gerichteten Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1995 um 1 485 DM auf 682 DM, für 1996 auf 0 DM und für 1997 um 3 240 DM auf 9 425 DM herabzusetzen sowie den vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31. Dezember 1996 um 31 934 DM auf ./. 269 511 DM zu erhöhen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Zutreffend hat das FA die Hälfte der für das Darlehen an den Gesellschafter-Geschäftsführer entrichteten Zinsen dem Gewerbeertrag und die Hälfte des von G erhaltenen Darlehens dem Gewerbekapital hinzugerechnet.
1. Nach § 8 Nr. 1 GewStG 1991 in der für die Streitjahre geltenden Fassung wird zur Berechnung des Gewerbeertrages dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die Hälfte der bei seiner Ermittlung abgezogenen Zinsen für Schulden wieder hinzugerechnet, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen. Dementsprechend sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG 1991 zur Berechnung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des gewerblichen Betriebes die bei seiner Ermittlung abgezogenen Verbindlichkeiten zur Hälfte wieder hinzuzurechnen, die den Schuldzinsen i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG 1991 entsprechen, soweit sie den Freibetrag von 50 000 DM übersteigen.
Schulden dienen der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals, wenn der Gegenwert der Schulden aufgrund ihrer tatsächlichen Laufzeit das Betriebskapital für längere Zeit, d.h. im Allgemeinen länger als ein Jahr, verstärkt. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das von der Klägerin in der Zeit vom 13. März 1995 bis 31. Dezember 1997 in Anspruch genommene Darlehen ihres Gesellschafter-Geschäftsführers G der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals der Klägerin gedient hat.
2. Die von der Klägerin getragenen Zinsaufwendungen sind nicht mit den Zinserträgen zu saldieren, die die Klägerin aus dem G hingegebenen Darlehen erzielt hat. Ebenso wenig ist eine Verrechnung der wechselseitig gegebenen Darlehen beim Gewerbekapital möglich. Obwohl es sich um dieselben Vertragspartner handelt, liegen zwei selbstständig zu beurteilende und auszuweisende Darlehensverträge vor.
Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung werden wechselseitig gegebene Darlehen gewerbesteuerrechtlich dann als einheitliches Darlehensschuldverhältnis beurteilt, wenn sie gleichartig sind, derselben Zweckbestimmung dienen und regelmäßig tatsächlich miteinander verrechnet werden (Senatsurteile vom 6. Juni 1973 I R 257/70, BFHE 109, 465, BStBl II 1973, 670; vom 10. November 1976 I R 133/75, BFHE 120, 545, BStBl II 1977, 165).
Das FG ist zutreffend von keinem einheitlichen Vertrag ausgegangen. Denn nach seinen nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) sind weder die Darlehen noch die hieraus geschuldeten Zinsen miteinander verrechnet worden. Während die Klägerin die Zinsen monatlich auf ein Privatkonto des Gesellschafter-Geschäftsführers G überwiesen hat, hat G die seinerseits zu entrichtenden Darlehenszinsen nicht laufend beglichen; diese wurden vielmehr der Darlehensforderung hinzugerechnet und verzinst.
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat eine Hinzurechnung der Zinsen und der Darlehen auch nicht deshalb zu unterbleiben, weil zwischen der Klägerin und dem Einzelunternehmen des Gesellschafter-Geschäftsführers G eine Betriebsaufspaltung besteht. Besitz- und Betriebsunternehmen sind gewerbesteuerrechtlich nicht als ein einheitlicher Gewerbebetrieb zu beurteilen.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG 1991 unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG 1991).
Eine Betriebsaufspaltung führt zwar dazu, dass eine ihrer Art nach vermögensverwaltende Betätigung durch die personelle und sachliche Verflechtung zweier rechtlich selbständiger Unternehmen --Besitz- und Betriebsunternehmen-- zum Gewerbebetrieb wird (ständige Rechtsprechung seit Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Rechtsgrundlage dafür ist ein in wertender Betrachtungsweise verstandener Begriff des Gewerbebetriebs (Senatsurteil vom 17. Juli 1991 I R 98/88, BFHE 165, 369, BStBl II 1992, 246).
Die beiden Unternehmen werden aber nicht als ein einheitliches Unternehmen behandelt (BFH-Beschluss in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63; BFH-Urteile in BFHE 165, 369, BStBl II 1992, 246; vom 19. Oktober 2000 IV R 73/99, BFHE 193, 354, BStBl II 2001, 335). Dies gilt nicht nur für Zwecke der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Vielmehr liegen auch gewerbesteuerrechtlich --wie schon aus § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG 1991 ersichtlich-- zwei Gewerbebetriebe vor (BFH-Urteile vom 13. Oktober 1983 I R 187/79, BFHE 139, 406, BStBl II 1984, 115; vom 12. November 1985 VIII R 282/82, BFH/NV 1986, 362; vom 19. März 2002 VIII R 57/99, BFHE 198, 137, BStBl II 2002, 662).
Der BFH billigt zwar der Besitzgesellschaft Investitionszulage auch dann zu, wenn diese nicht sämtliche Anspruchsvoraussetzungen eines Fördertatbestandes erfüllt, sondern einzelne Merkmale nur von der Betriebsgesellschaft erfüllt werden. Diese Rechtsprechung beruht aber nicht auf der Erwägung, dass Besitz- und Betriebsunternehmen ein einheitliches Unternehmen seien. Die investitionszulagenrechtlichen Fördertatbestände werden vielmehr deshalb ausdehnend ausgelegt, weil andernfalls in den typischen Fällen der Betriebsaufspaltung die Investitionszulage nicht oder in geringerer Höhe erlangt werden könnte, ohne dass unterstellt werden kann, der Gesetzgeber habe generell in zwei Betriebe aufgespaltene Unternehmen von der Förderung ausnehmen wollen (BFH-Urteile vom 4. November 2004 III R 2/03, BFHE 208, 378, BStBl II 2005, 405; vom 28. Januar 1999 III R 77/96, BFHE 188, 194, BStBl II 1999, 610).
Dementsprechend befürwortet der X. Senat des BFH in seinem Vorlagebeschluss an den Großen Senat des BFH vom 12. Mai 2004 X R 59/00 (BFHE 206, 179, BStBl II 2004, 607), mit dem er sich in Fällen der Betriebsaufspaltung für eine Erstreckung der Gewerbesteuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG auf die Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit des Besitzunternehmens ausspricht, lediglich eine Merkmalsübertragung, ohne die gewerbesteuerrechtliche Selbständigkeit von Besitz- und Betriebsgesellschaft in Frage zu stellen.
Auch der Zweck der §§ 8 Nr. 1 und 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG 1991 gebietet keine abweichende Beurteilung. Eine Hinzurechnung der gezahlten Schuldzinsen und der Darlehen zur Hälfte bei Gewerbeertrag und -kapital beruht auf der Annahme, dass die Ertragskraft eines Unternehmens nicht nur durch Eigen-, sondern auch durch Fremdkapital erhöht wird. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb diese Erwägung bei personell und sachlich verflochtenen Unternehmen nicht greifen soll.
Eine Saldierung ist auch nicht deshalb angezeigt, weil die erzielten Zinsen aus dem G gegebenen Darlehen in voller Höhe den Gewerbeertrag der Klägerin erhöhen, die an G entrichteten Zinsen dagegen nur zur Hälfte mindernd berücksichtigt werden. Dies ist eine von § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG 1991 gewollte Folge der von der Klägerin mit G getroffenen Vereinbarung, die die Klägerin durch eine Verrechnung der beiden Darlehen hätte vermeiden können. Die Klägerin hat zwar in ihrer Bilanz ab dem 31. Dezember 1995 nur noch den Saldo aus beiden Darlehen ausgewiesen. Entgegen dieser Darstellung waren die beiden Kredite aber nicht miteinander verrechnet, sondern fortgeführt worden.
Fundstellen
Haufe-Index 1468128 |
BFH/NV 2006, 606 |
HFR 2006, 378 |