Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Hinzurechnung von Vergütungen bei mittelbarer Beteiligung
Leitsatz (NV)
Nach dem Beschluß des Großen Senats vom 25. Februar 1991 GrS 7/89 (BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691) entfällt die Hinzurechnung von Vergütungen, die eine Personengesellschaft (Untergesellschaft) an einen nur mittelbar Beteiligten zahlt, grundsätzlich auch dann, wenn die Obergesellschaft als Schein-KG eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist und sich auf das Halten der Beteiligung an der Untergesellschaft beschränkt.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Tatbestand
Gesellschafter der mit Wirkung vom 10. März 1977 und im Innenverhältnis mit Wirkung ab 1. Januar 1977 gegründeten Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) waren in den Streitjahren die X-GmbH als Komplementärin mit einer Einlage von 20 000 DM und die Beigeladene zu 1, die X-GmbH & Co. KG, als Kommanditistin mit einer Einlage von 280 000 DM. Die Beigeladene zu 1 erbrachte ihre Einlage in der Weise, daß sie mit Wirkung vom 1. Januar 1977 das bisher von ihr betriebene Unternehmen, welches die Be- und Verarbeitung von . . . sowie den Handel damit zum Gegenstand hatte, in die Klägerin mit den Buchwerten der Wirtschaftsgüter zum 31. Dezember 1976 einbrachte. Von der Einbringung wurden Grundstücke und Gebäude, Beteiligungen, Kapital- und Privatkonten der Gesellschafter und etwaige Grund- und Gewerbesteuerschulden ausgenommen. Die Klägerin trat in alle laufenden Verträge der Beigeladenen zu 1, insbesondere auch in die bestehenden Dienst- und Arbeitsverträge ein. Nach den Ausführungen im angefochtenen Urteil beschränkte sich die Tätigkeit der Beigeladenen seitdem auf die Verwaltung und Vermietung von Grundstücken und die Verwaltung von Beteiligungen. Kommanditistin der Beigeladenen zu 1 ist seit dem 1. Januar 1977 auch die Beigeladene zu 2, Frau X. Ihr Kommanditanteil in Höhe von 100 000 DM wurde ihr von einem anderen Kommanditisten der Beigeladenen zu 1 unentgeltlich übertragen. Frau X war zuvor schon seit Jahren im Betrieb der Beigeladenen zu 1 als Arbeitnehmerin in nicht leitender Position beschäftigt. Unter dem 2. Januar 1977 wurde zwischen der Klägerin und Frau X ein Arbeitsvertrag geschlossen. Aufgrund dieses Vertrags zahlte die Klägerin in den Streitjahren an die Beigeladene zu 2 ein Gehalt in Höhe von insgesamt . . . DM im Jahre 1977 und . . . DM im Jahre 1978; außerdem wurden die Arbeitgeberbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung abgeführt. Die Klägerin zog diese Beträge bei ihrer Gewinnermittlung als Betriebsausgaben ab. Dem folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) zunächst in den unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ergangenen Gewinnfeststellungsbescheiden für die Streitjahre.
Nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1979 vertraten der Betriebsprüfer und, ihm folgend, das FA unter Berufung auf den Erlaß des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 19. April 1978 S 2241 - 1/78 (Deutsche Steuer-Zeitung / Ausgabe B DStZ/B - 1978, 195) die Auffassung, bei den der Beigeladenen zu 2 gezahlten Vergütungen handele es sich nicht um Arbeitslohn, sondern um ,,Vorausgewinn", der der Beigeladenen zu 2 als Kommanditistin über die Beigeladene zu 1 zuzurechnen sei. In dem geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1977 vom 13. November 1979, in dem der Nachprüfungsvorbehalt aufgehoben wurde, rechnete das FA die Bezüge der Beigeladenen zu 2 einschließlich der Sozialversicherungsbeiträge dem Gewinn der Klägerin hinzu und erhöhte dementsprechend den Gewinnanteil der Beigeladenen zu 1. Ebenso verfuhr das FA in dem unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid 1978 vom 12. Februar 1980.
Nach erfolglos gebliebenem Einspruch erhob die Klägerin Klage, mit der sie Anerkennung der streitigen Beträge als Betriebsausgaben begehrte. Nach Klageerhebung erließ das FA am 25. August 1982 einen aus anderen Gründen geänderten Feststellungsbescheid 1978, in dem der bisherige Nachprüfungsvorbehalt aufgehoben wurde. Diesen Bescheid hat die Klägerin zum Gegenstand des Verfahrens vor dem Finanzgericht (FG) gemacht.
Auf die Klage hob das FG die angefochtenen Feststellungsbescheide auf. Nach Auffassung des FG waren die streitigen Beträge Betriebsausgaben der Klägerin. Das FG setzte unter Berücksichtigung der sich daraus ergebenden Minderungen der Gewerbesteuerrückstellungen die Gewinne der Streitjahre entsprechend fest.
Dagegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zugelassene Revision des FA, mit der Verletzung des § 4 Abs. 4 und des § 15 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gerügt wird.
Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 FGO beigetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision wird als unbegründet zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO).
I. Der Senat hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 1989 zu der Frage, ob die Vorschrift des § 15 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 2 EStG auf Vergütungen auch anzuwenden ist, wenn der Vergütungsempfänger bei der die Vergütung zahlenden Gesellschaft zwar Arbeitnehmer, an ihr aber nicht unmittelbar als Gesellschafter, sondern nur mittelbar über eine andere Personengesellschaft beteiligt ist, eine Entscheidung des Großen Senats herbeigeführt (Vorlagebeschluß vom 12. Oktober 1989 IV R 5/86, BFHE 158, 64, BStBl II 1990, 168). Nach dem daraufhin ergangenen Beschluß des Großen Senats vom 25. Februar 1991 GrS 7/89 (BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691) ist die Vorschrift auf Tätigkeitsvergütungen, die ein Gesellschafter der Obergesellschaft für eine Tätigkeit bei der Untergesellschaft erhält, nicht anwendbar. Das gilt auch, wenn die Obergesellschaft eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist und sich, ohne eine weitere eigene unternehmerische oder vermögensverwaltende Tätigkeit auszuüben, auf das Halten der Beteiligung an der Untergesellschaft beschränkt. Nach der Auffassung des Großen Senats ist die Wahl einer mittelbaren Beteiligung allerdings eine unangemessene Rechtsgestaltung, die zu Korrekturen nach § 42 AO 1977 führt, wenn die Obergesellschaft nur zwischengeschaltet wird, um den Rechtsfolgen des § 15 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 2 Halbsatz 2 EStG zu entgehen. Dies könne insbesondere der Fall sein, wenn die Obergesellschaft nicht über einen eigenen Gewerbebetrieb mit einer hinreichenden Anzahl von Geschäftsvorfällen verfügt und für die Zwischenschaltung der Obergesellschaft keine - über die Vermeidung der Zurechnung nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG hinausgehenden - wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe ersichtlich seien.
Der erkennende Senat ist gemäß § 11 Abs. 5 Satz 2 FGO an die Entscheidung des Großen Senats gebunden.
II. Danach ist im Streitfall die Vorschrift des § 15 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 2 EStG auf die von der Klägerin an die Beigeladene zu 2 gezahlten Vergütungen nicht anwendbar. Die Beigeladene zu 2 ist nämlich an der Klägerin nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar über die Beigeladene zu 1 beteiligt. Darauf, ob und welche Tätigkeiten die Beigeladene zu 1 außer dem Halten der Beteiligung an der Klägerin ausübt und ob die Beigeladene zu 1 eine Personenhandelsgesellschaft oder eine GbR (Schein-KG) ist, kommt es nach dem Beschluß des Großen Senats nicht an. Die Mitunternehmereigenschaft der Obergesellschaft ergibt sich nach dem Beschluß des Großen Senats schon aus ihrer Stellung als Mitglied einer gewerblich tätigen Personengesellschaft. Anhaltspunkte dafür, daß eine mißbräuchliche Gestaltung i. S. des § 42 AO 1977 vorliegen könnte, bestehen nicht. Die Klägerin ist aus der Einbringung des bisherigen Geschäftsbetriebs der Beigeladenen zu 1 in eine KG hervorgegangen. Danach setzte die Klägerin das zwischen den Beigeladenen zu 1 und 2 seit langem bestehende Arbeitsverhältnis fort. Die Annahme, die Einbringung des Geschäftsbetriebs der Beigeladenen zu 1 in die Klägerin sei nur geschehen, um die verhältnismäßig niedrigen Bezüge der Beigeladenen zu 1 von der Zurechnung nach § 15 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 2 Halbsatz 2 EStG auszuschließen, verbietet sich.
Danach war die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
III. Die Bundesregierung hat den Beschluß des Großen Senats zum Anlaß genommen, eine Änderung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vorzuschlagen (vgl. Art. 1 Nr. 15 des Entwurfs eines Steueränderungsgesetzes 1992 - StÄndG 1992 -, BRDrucks 522/91, 7, 58, 59). Danach soll der mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligte Gesellschafter dem unmittelbar beteiligten Gesellschafter gleichstehen. Entsprechend der im Beschluß in BFHE 158, 64, BStBl II 1990, 168 bereits für das geltende Recht vertretenen Rechtsauffassung führt die vorgesehene Gesetzesänderung grundsätzlich auch zur Zurechnung der an nur mittelbar beteiligte Gesellschafter gezahlten Vergütungen. Für die Entscheidung im Streitfall ist dies jedoch schon deshalb ohne Bedeutung, weil die vorgesehene Gesetzesänderung erstmals für das Wirtschaftsjahr gelten soll, das nach dem 31. Dezember 1991 endet (vgl. § 52 Abs. 18 EStG i. d. F. des Art. 1 Nr. 46 Buchst. p des Entwurfs des StÄndG 1992). Der Senat sieht hiernach auch keine Veranlassung, entsprechend einer Anregung der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin und der Beigeladenen die Entscheidung im Streitfall bis zum Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens zurückzustellen, um ggf. eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit einer etwaigen Rückwirkungsregelung herbeizuführen. Nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen haben die Klägerin und die Beigeladenen Anspruch darauf, daß in der spruchreifen Sache entsprechend der ihnen günstigen derzeitigen Rechtslage entschieden wird.
Fundstellen
Haufe-Index 418108 |
BFH/NV 1992, 299 |