Leitsatz (amtlich)
Der Begriff des Pflegekindes i.S. des § 32 EStG ist seit Inkrafttreten der AO 1977 bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 1985 nach der Legaldefinition des § 15 Abs.1 Nr.8 AO 1977 auszulegen. Danach hängt die Anerkennung eines Pflegekindschaftsverhältnisses nicht davon ab, daß das Kind außerhalb der Obhut und Pflege seiner leiblichen Eltern steht.
Normenkette
AO 1977 § 15 Abs. 1 Nr. 8; EStG 1983 § 32 Abs. 4
Tatbestand
Im Haushalt des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) und seiner Ehefrau lebten im Streitjahr 1983 u.a. seine beiden damals 22 und 23 Jahre alten unverheirateten Töchter mit ihren drei 1978, 1981 und 1982 geborenen Kindern. In der Einspruchsentscheidung vom 1.März 1983 lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Berücksichtigung der Enkelkinder auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für das Jahr 1983 ab.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, die der Kläger im Laufe des Verfahrens auf einen Feststellungsantrag nach § 100 Abs.1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) umgestellt hatte, ab. Es führte aus: Die Klage sei zulässig aber unbegründet. Das FA habe es zutreffend abgelehnt, die Enkelkinder des Klägers auf seiner Lohnsteuerkarte 1983 zu berücksichtigen, da die Voraussetzungen des § 32 Abs.4 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes 1983 (EStG) nicht vorgelegen hätten. Die Enkelkinder seien im Sinne dieser Vorschrift nicht als Pflegekinder anzusehen. Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25.Januar 1971 GrS 6/70 (BFHE 101, 247, BStBl II 1971, 274) erfordere die steuerliche Anerkennung eines Pflegekindschaftsverhältnisses einerseits, daß das Kind aus dem natürlichen oder rechtlich begründeten Obhuts- und Pflegeverhältnis zu seinen leiblichen Eltern ebenso wie zu nur rechtlichen Eltern (z.B. Adoptiveltern) ausgeschieden sei, und andererseits, daß zu den Pflegeeltern ein besonders enges familiäres Band bestehe. Diesen Grundsätzen schließe sich das Gericht an. Das FA habe im Hinblick hierauf zu Recht ein Pflegekindschaftsverhältnis zwischen dem Kläger und seinen Enkelkindern verneint, da der Kläger zugleich die Mütter der Kinder in seinen Haushalt aufgenommen habe und mit ihnen gemeinsam die Obhut und Pflege der Kinder ausübe.
Allerdings sei der Pflegekindschaftsbegriff des § 15 Abs.1 Nr.8 der Abgabenordnung (AO 1977) weiter gefaßt. Es seien Zweifel geäußert worden, ob es für die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses im Sinne dieser Vorschrift noch erforderlich sei, daß das Kind außerhalb der Pflege und Obhut seiner leiblichen Eltern stehe. Das Gericht teile diese Zweifel nicht. Es gehe vielmehr davon aus, daß der Angehörigenbegriff nach § 15 AO 1977 vorwiegend verfahrensrechtliche Bedeutung habe und daß die Einzelsteuergesetze für das materielle Recht abweichende Regelungen treffen könnten.
Aber selbst wenn man den Begriff des Pflegekindes in § 32 Abs.4 Nr.2 EStG ebenso auffasse wie in § 15 Abs.1 Nr.8 AO 1977, könnte die Klage keinen Erfolg haben. Denn ein Pflegekindschaftsverhältnis setze nach der Rechtsprechung voraus, daß das Kind von den Pflegeeltern auf Dauer wie ein eigenes Kind betreut werde. Eine nur durch das Alter der Kinder, die Familienverhältnisse der Eltern und die Art der Berufstätigkeit der Mutter erzwungene Lösung für eine Übergangszeit genüge nicht. Erfahrungsgemäß würden in Fällen der hier vorliegenden Art, sobald die Verhältnisse es gestatteten, vor allem wenn die Kindeseltern einen gemeinsamen Haushalt geschaffen hätten, die Kinder in den Haushalt der Eltern übernommen. Dem Vortrag des Klägers, der im Klageverfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten worden sei, könne nicht entnommen werden, daß die Umstände hier anders lägen. Es fehlten Angaben über die bisherige und die voraussichtlich weitere Dauer der Unterbringung der Enkelkinder im Haushalt des Klägers.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 76 Abs.2 FGO. Er meint, das FG hätte darauf hinwirken müssen, daß zur bisherigen und voraussichtlichen weiteren Dauer der Unterbringung Tatsachen vorgetragen würden. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung sei dies nicht geschehen. Er, der Kläger, sei in der mündlichen Verhandlung anwesend gewesen. Hätte ihn das FG zu einem entsprechenden Tatsachenvortrag aufgefordert, so wäre er dem gefolgt. Tatsächlich würden die Enkelkinder von ihm auf Dauer wie eigene Kinder betreut. Ihre Mütter, seine beiden Töchter, lebten in seinem Haushalt. Sie seien nicht verheiratet und beabsichtigten auch nicht, die Kindesväter zu heiraten. Weder er noch seine Töchter beabsichtigten deshalb, das Zusammenleben aufzuheben. Auch die Aufnahme einer Berufstätigkeit sei nicht zu erwarten. Da sich beide Töchter selbst um ihre Kleinkinder zu kümmern hätten, verbiete sich jede Berufstätigkeit.
Im übrigen sei auch die Auslegung des § 32 Abs.4 Nr.2 EStG durch das FG zu rügen. Wenn es davon ausgehe, daß ein Pflegekindschaftsverhältnis schon deshalb nicht anerkannt werden könne, weil die Kindesmütter nicht aus dem Familienverband ausgeschieden seien, so verletze dies Art.3 des Grundgesetzes (GG). Denn ein sachlicher Grund für eine Differenzierung gegenüber Fällen, in denen Großeltern mit ihren Enkelkindern zusammenlebten, die Kinder aber aus dem gemeinsamen Haushalt ausgeschieden seien, bestehe nicht.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und nach seinem Feststellungsantrag zu entscheiden, und hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die im Haushalt des Klägers lebenden Enkelkinder hätten als Kinder auf der Lohnsteuerkarte des Klägers 1983 eingetragen werden müssen.
1. Zu Recht ist das FG allerdings davon ausgegangen, daß die drei Enkelkinder nicht außerhalb der Obhut und Pflege ihrer leiblichen Eltern stehen. Hieran kann schon deshalb kein Zweifel bestehen, weil das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt hat, daß der Kläger gemeinsam mit den --ebenfalls in seinen Haushalt aufgenommenen-- Müttern die Obhut und Pflege der Kinder ausübt. Diese tatrichterliche Feststellung hat der Kläger in seiner Revisionsbegründung ausdrücklich bestätigt. Denn er hat vorgetragen, für die Kindesmütter, seine Töchter, verbiete sich jede Berufstätigkeit, da sie sich um ihre Kleinkinder kümmern müßten.
Das fortbestehende Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Kindesmüttern schließt jedoch die Anerkennung eines Pflegekindschaftsverhältnisses zwischen den Enkelkindern und dem Kläger nicht aus.
Der Begriff des Pflegekindes ist in § 32 Abs.4 Nr.2 EStG in der für das Streitjahr 1983 geltenden Fassung ebensowenig wie in anderen Vorschriften des EStG geregelt. Da es --bis zum 31.Dezember 1976-- überhaupt keine gesetzliche Erläuterung dieses Begriffs gab, hatte der BFH in seinem Beschluß in BFHE 101, 247, BStBl II 1971, 274 bei der Auslegung des Begriffs auf gesetzessystematische Erwägungen und den Zweck der gesetzlichen Regelungen zurückgegriffen. Er war zu dem Ergebnis gelangt, daß diesen Kriterien am ehesten eine enge Auslegung des Begriffs entspreche, der ein Ausscheiden aus dem Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern voraussetze. Deshalb hatte der BFH ein Pflegekindschaftsverhältnis für den Fall verneint, daß ein Steuerpflichtiger neben seinem unehelichen Kind auch dessen Mutter in seinen Haushalt aufgenommen hat und mit dieser gemeinsam die Obhut und Pflege des Kindes ausübt.
Mit dem Inkrafttreten des § 15 Abs.1 Nr.8 AO 1977 hat sich die Rechtslage geändert. Diese Vorschrift gibt eine Legaldefinition für die Begriffe "Pflegeeltern" und "Pflegekinder". Voraussetzung ist danach nur noch, daß die Personen durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind. Der Gesetzgeber der AO 1977 verlangt also nicht mehr, daß das Kind außerhalb der Obhut und Pflege seiner leiblichen Eltern steht (Einführungserlaß zur AO 1977 vom 1.Oktober 1976, BStBl I 1976, 576 zu § 15 Nr.6). Auch in der Literatur wird diese Voraussetzung für die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses (wohl) überwiegend nicht mehr gefordert (ausführlich Spanner in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8.Aufl., § 15 AO 1977 Anm.21 f.; ferner Koch, Abgabenordnung, 3.Aufl., § 15 Rz.14, und Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 3.Aufl., § 15 Anm.2 i; anderer Ansicht Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12.Aufl., § 15 AO 1977 Tz.10, und Hofmann, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 15.Aufl., § 15 AO 1977 Anm. zu Nr.8).
Die Richtigkeit der vorstehenden Auslegung ergibt sich bei Berücksichtigung der im Zeitpunkt des Inkrafttretens der AO 1977 bestehenden Rechtslage. Der BFH hatte --wie dargelegt-- für die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses neben einem auf längere Dauer angelegten Pflegeverhältnis das Ausscheiden des Kindes aus der Pflege und Obhut der leiblichen Eltern gefordert. Das Bundesverfassungsgericht --BVerfG-- (Beschluß vom 17.Oktober 1973 1 BvL 20/72, BStBl II 1974, 92, 95; s. dazu im einzelnen auch weiter unten) hatte diese Auslegung wegen des letztgenannten Erfordernisses als nicht zwingend bezeichnet. Wenn anschließend ein neues Gesetz nur eine der beiden bisherigen Voraussetzungen kodifiziert, die andere, vom BVerfG als nicht zwingend erforderlich erachtete aber nicht erwähnt, muß davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber auf diese Voraussetzung bewußt verzichtet hat.
Der Begriff des Pflegekindes, wie ihn § 15 Abs.1 Nr.8 AO 1977 definiert hat, ist auch für die Auslegung des § 32 Abs.4 Nr.2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung maßgebend.
Der erkennende Senat hatte die Frage, ob der Begriff des Pflegekindes i.S. des § 15 Abs.1 Nr.8 AO 1977 ab dem Inkrafttreten der AO 1977, also ab 1.Januar 1977, auch für die Auslegung des § 32 EStG zu beachten ist, im Urteil vom 18.Juli 1985 VI R 53/82 (BFHE 144, 372, BStBl II 1986, 14) dahin entschieden, daß die Legaldefinition des § 15 Abs.1 Nr.8 AO 1977 auch bei der Auslegung des § 32 EStG 1977 zu beachten sei; es komme deshalb (jedenfalls ab 1977) nicht mehr darauf an, ob und inwieweit Pflegeeltern für den Unterhalt des Pflegekindes aufkämen. Nichts anderes kann aber für das hier streitige Merkmal des Ausscheidens aus dem Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern gelten, das in der Legaldefinition des § 15 Abs.1 Nr.8 AO 1977 ebenfalls nicht mehr enthalten ist.
Diese Auslegung entspricht auch der Bedeutung, die einer in der AO 1977 enthaltenen Legaldefinition für das gesamte Steuerrecht zukommt. Denn der weite, im Ersten Teil, Erster Abschnitt in den §§ 1 bis 15 geregelte Anwendungsbereich der AO 1977 macht dieses Gesetz zu einer Art Grundgesetz für das Steuerrecht. Ebenso wie seine übrigen Vorschriften gilt deshalb § 15 Abs.1 Nr.8 AO 1977 auch im Ertragsteuerrecht, sofern nicht Sonderregelungen getroffen worden sind (vgl. insoweit auch § 1 Abs.1 AO 1977 und Einführungserlaß zur AO 1977, a.a.O., wonach für einen speziellen Pflegekindbegriff in Einzelsteuergesetzen dort besondere Regelungen getroffen sein müssen). Das ist für den hier zu beurteilenden Veranlagungszeitraum nicht der Fall.
Schließlich sprechen auch verfassungsrechtliche Erwägungen für die Anwendung des Pflegekindschaftsbegriffs der AO 1977. Würden nämlich im Streitfall die Enkelkinder --wegen der gleichzeitigen Haushaltszugehörigkeit der Mütter-- nicht als Pflegekinder anerkannt, so würden dem Kläger insbesondere keine Kinderfreibeträge zustehen. Das aber würde bedeuten, daß der mit der Gewährung des Kinderfreibetrags (neben dem Kindergeld) bezweckte finanzielle Entlastungseffekt für den Betreuungs- und Unterhaltsaufwand nicht nur für den Kläger, sondern gänzlich verloren ginge. Denn die den Müttern zustehenden Kinderfreibeträge wirkten sich mangels entsprechender Einkünfte der Mütter nicht aus und es besteht --für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1985-- auch kein außersteuerlicher Ausgleich. Ein solches Ergebnis könnte im Widerspruch stehen zum Beschluß des BVerfG in BStBl II 1974, 92. Dort hat das BVerfG für das Streitjahr 1965 ausgesprochen, daß nach dem System des § 32 Abs.2 Nr.3 EStG in der damals geltenden Fassung die Betreuung eines Kindes jedenfalls bei einem der in Betracht kommenden Steuerpflichtigen zur Gewährung des Kinderfreibetrages führen solle und daß deshalb die Vorschrift verfassungsgemäß dahin ausgelegt werden könne, daß dem Vater eines nichtehelichen Kindes ein Kinderfreibetrag zustehe, wenn er mit Mutter und Kind in einem gemeinsamen Haushalt lebe und die Mutter kein zu versteuerndes Einkommen habe. Wenn auch die Kinderfreibeträge im Rahmen des Kinderlastenausgleichs im Jahre 1965 eine noch größere Bedeutung hatten als nach der Wiedereinführung der Kinderfreibeträge durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 ab dem Veranlagungszeitraum 1983, hat sich das Problem nicht grundsätzlich geändert. Auch im Streitjahr 1983 müßte es deshalb als verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen, wenn der Unterhaltsaufwand in Fällen der vorliegenden Art nicht durch die Gewährung eines Kinderfreibetrages berücksichtigt würde und deshalb in vollem Umfang aus dem versteuerten Einkommen erbracht werden müßte.
Der vorstehenden Auslegung steht nicht entgegen, daß § 32 Abs.1 Nr.2 Satz 2 EStG 1986 für die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses u.a. voraussetzt, daß das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern nicht mehr besteht. Durch diese Vorschrift ist der Begriff des Pflegekindes erstmals --mit Wirkung ab 1.Januar 1986-- einkommensteuerlich geregelt worden. Daß der Gesetzgeber dabei die Lösung aus dem Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern als eine der zu beachtenden Voraussetzungen ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen hat, spricht nicht gegen die Unerheblichkeit dieses Gesichtspunkts für den bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Begriff des Pflegekindes. Hinzuweisen ist auch auf den Zusammenhang mit dem gleichzeitig in Kraft getretenen § 11a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG). Denn nach dieser Vorschrift wird in Fällen, in denen sich der Kinderfreibetrag wegen eines zu geringen zu versteuernden Einkommens nicht oder nicht voll auswirkt, ein Zuschlag zum Kindergeld gezahlt. Damit soll gerade ein Ausgleich für die Fälle geschaffen werden, in denen eine steuerliche Entlastung wegen der mit dem Unterhalt des Kindes verbundenen erhöhten Aufwendungen deshalb nicht eintritt, weil sich der Kinderfreibetrag bei der Mutter mangels ausreichender Einkünfte nicht auswirkt, während den Personen, in deren Haushalt neben dem Kind auch dessen Mutter lebt, ein Kinderfreibetrag nicht (mehr) zusteht (vgl. auch das Urteil des Senats vom 9.März 1989 VI R 94/88, BFHE 157, 66, BStBl II 1989, 680).
Entgegen der Ansicht des FA steht auch das Urteil des BFH vom 28.Juni 1984 IV R 49/83 (BFHE 141, 154, BStBl II 1984, 571) der Auffassung des Senats nicht entgegen. Dieses Urteil ist zu § 3 Nr.11 EStG ergangen, einer Vorschrift, in der der Begriff des Pflegekindes nicht enthalten ist. Allerdings hat sich der BFH in diesem Urteil zum Vorliegen eines Pflegekindschaftsverhältnisses im Zusammenhang mit dem Begriff der "Familienpflege" i.S. des § 27 des Jugendwohlfahrtsgesetzes geäußert und ausgeführt, daß die Beteiligten davon ausgegangen seien, daß ein Pflegekindschaftsverhältnis i.S. von § 32 Abs.4 Nr.3 EStG 1979 vorliege. Der Sachverhalt war jedoch ein anderer als hier, da die Kindesmutter nicht im Haushalt der Pflegeeltern lebte. Vielmehr ging es dort um den Gegensatz von Familien- und Heimpflege im Sinne des Jugendwohlfahrtsgesetzes. Nur in diesem Zusammenhang hat der BFH auch auf Abschn.180 Abs.2 der Einkommensteuer-Richtlinien 1978 verwiesen; eine Aussage zu der hier zu entscheidenden Frage war damit nicht verbunden.
2. Die Voraussetzungen eines Pflegekindschaftsverhältnisses i.S. des § 15 Abs.1 Nr.8 AO 1977 liegen hier hinsichtlich der drei Enkelkinder vor.
Im Gegensatz zur früheren Auslegung des Begriffs des Pflegekindes, nach dem das Pflegekind nicht zum Haushalt der Pflegeeltern gehören mußte (vgl. Beschluß in BFHE 101, 247, BStBl II 1971, 274), liegt das Schwergewicht des Pflegekindschaftsbegriffs des § 15 Abs.1 Nr.8 AO 1977 auf der Haushaltszugehörigkeit. Hinzukommen muß, daß sich die Pflegeeltern wie Eltern zu dem Kind verhalten. Dieses Verhältnis wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß die leiblichen Mütter keine Berufstätigkeit aufgenommen haben, um sich ebenfalls um ihre Kinder kümmern zu können. Denn da es auf das Fortbestehen des natürlichen Obhuts- und Pflegeverhältnisses zwischen den leiblichen Eltern und dem Kind nicht ankommt, kann auch die Intensität, mit der sich die Mütter --neben den Großeltern-- um ihre Kinder kümmern, nicht von entscheidender Bedeutung sein.
Entgegen der Auffassung des FG ist es auch nicht erforderlich, daß das zwischen den Pflegeeltern und dem Kind bestehende Verhältnis für immer oder auch nur für eine bestimmte Zeit andauert; ausreichend ist vielmehr, daß es während eines längeren Zeitraums besteht (Tipke/Kruse, a.a.O., § 15 AO 1977 Tz.10). Das ist auch dann der Fall, wenn --wie hier-- im Streitjahr keine konkreten Anhaltspunkte für eine Änderung des bestehenden Zustands gegeben sind.
Fundstellen
Haufe-Index 62674 |
BFH/NV 1989, 33 |
BFHE 157, 60 |
BFHE 1990, 60 |
BB 1989, 1543-1543 (L) |
DB 1989, 1603 (S) |
DStR 1989, 469 (K) |
HFR 1989, 549 (LT) |